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Sächsische Staatszeitung : 30.06.1922
- Erscheinungsdatum
- 1922-06-30
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480731217-192206302
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480731217-19220630
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480731217-19220630
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Staatszeitung
-
Jahr
1922
-
Monat
1922-06
- Tag 1922-06-30
-
Monat
1922-06
-
Jahr
1922
- Titel
- Sächsische Staatszeitung : 30.06.1922
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M ZWilhkii AMWistq 157. SU Nr. 150 des Hauptblattes. 1922. Beauftragt mit der Herausgabe: RegierungSrat Doenge» in Dresden. Landtagsverhandlungen. 113. Sitzung. Mittwoch, den L8. Juni 1922. Präsident Fräßdorf eröffnet die Sitzung 9 Uhr 56 Minuten vormittag-. Am Regierung-tische die Minister Li pinski, Fleißner, Ristau und Dr. Zeigner mit Regierungsvertretern. Präsident: M. T. u. H.! Ich habe zunächst (Zwischenruf bei den Unabh. u. Kam.: Vize präsident Wagner— (Dtschnat-s — mutz runter!) einen Akt der Pietät — SAbg. Siewert: Wir wollen es nicht haben, wenn 1 Wagner oben ist!) ^>r. Abg. Siewert, ich bitte Sie, die Ruhe zu bewahren; Sie werden Gelegenheit haben, da zu sagen, was Sie für notwendig halten. Ich bitte, mich nicht zu unterbrechen. Morgen findet eine Aussprache in der Sammer statt über die politische Lage; dabei werden Sie Gelegenheit haben, sich auszusprechcn, heute bitte ich Sie . .. (Die weiteren Worte des Hrn. Präsidenten gehen unter den lebhaften Zwischenrufen der Unab hängigen und Kommunisten, insbesondere dem wiederholten Zuruf: Wagner muß runter! ver loren.) Es gibt keine geschäft-ordnungsmäßige Möglich keit, . . . (Zuruf links: Wenn er anständig wäre, würde er für heute verschwinden! — Zuruf bei den Soz.: Das ist der Situation nicht würdig! — Zuruf bei den Kom.: Ec will ja bloß Dresche haben!) M. H! Wollen Sie mich hindern, . . . (Juruf Abg. Bethke: Nein, wir wollen Sie nicht hindern, wir wollen nur, daß der Mann herunter kömmt!) Dann hindern Sie mich, einen Akt der Pietät gegenüber dem ermordeten NeichSaußenminister zu erfüllen. Abg. Müller (Chemnitz) (Soz.) (zur Geschäfts, ordmmg): Wir hätten erwartet, daß der Hr. Vize präsident vr. Wagner, der einer Partei an gehört, die zweifellos nicht frei von Schuld an Ler testen TatM, ('Sehr richtig! bei den Linksparteien) so viel Taktgefühl besessen Hütte, das Haus nicht zu provozieren. Ich erkläre im Namen meiner Fraktion, daß, wenn der Hr. Vizepräsident seinen Sitz nicht verläßt, wir das Haus verlassen werden. (Bravo! links und Zuruf bei den Kom.: Wir schließen uns der Erklärung an!) Präsident: De? Hr. Vizepräsident Wagner erklärt, er habe keine Veranlassung, abzutreten. Abg. Müller (Leipzig) (Unabh.): Dann werden wir das Haus verlassen. (Die Linksparteien verlassen das Haus mit den Zurusen: Schändliche Lumpenbande! Spitzbubcn- bande verfluchte! So wird eine jede Trauer- kundgebung für einen republikanischen Führer verhindert! Zuruf: Hr. Präsident, gehen Sie nur mit und überlassen Sie Hrn. Wagner die Kundgebungs- Präsident : Das werde ich nicht tun; ich werde tun, was meine Pflicht ist, und was ,ch im Augen blick für meine Pflicht halte. (Zurufe link»: Mit der Mordpartei zu sympathi sieren! Was machen die Demokraten ? Rathenau ist ihr Parteigenosse! Zuruf bei den Dem.: Tas ist unsere Sache!) (Die Minister, Regierungsvertretcr und Rechts- Parteien erheben sich.) Präsident: M. D. u. H. l Lassen wir unS durch diesen Akt nicht in dem stören, was wir Vorhaben. Wie diese Stimmung entstanden ist, wird Ihnen auS der ganzen Erregung ja erklärlich sein, die gegen wärtig unser politisches Leben in Deutschland be herrscht. Wie Ihnen bekannt ist, ging am 24. Juni durch Deutschland die furchtbare Kunde, daß ein fluchwür igeS Verbrechen nicht durch eine einzelne Person, sondern durch eine Bereinigung von Personen , an dem Reichsaußenminister vr. Rathenau verübt worden ist. Er ist meuch lings ermordet worden. Einer unserer besten deutschen Männer ist mit Rathenau ous unserer Mitte gerissen Warden. Ec war ein Mann, den Deutschland gerade in dieser Zeit sehr notwendig gebraucht hat Bei aller Kenntnis und Berücksich- tigung der Verhältnisse, unter denen Deuts.üland gegenwärtig zu lebe,» hat, verlor er nie die Hoffnung, nie den Mut, daran mitzuarbeiten, daß Deutschland aus dieser schweren Krisit herauskam. Er hat dazu die dankbarsten Vor schläge gemacht und an schwierigster Stelle dazu gestanden. Ein Mann der Wissenschaft war er, eine Leuchte deutscher Technik, ein Volkswirt bester Ait. Ein bmve: selbstloser Mann, der sich in schwersterXZeit zu schwierigster Arbeit in unrige-nütziger. Weise seinem Vater- lande zur Verfügung, stellte, ist mit ihm dahin gegangen. Er starb, da-darf i«, sagen, im vollen Smne des Wortes für sein Vaterland. Er wollte lein schwer bedrückte», wehr- und rechtloses Bater- 'and c uS diesem Elend heraussühre», und er war der Mann dazu, daran wesentlich mitzu- arbeiten. Im ganzen Reiche trauert man tief und ist erschüttert über den Verlust, der unserem deutschen Vaterlande zugesügt worden ist. Nicht zuletzt ist natürlich die Familie betroffen, die »hr bestes Mitglied auf diese Weise verloren hat. Es trauert aber auch, und mit Recht, die Partei, die Rathenau zu ihrem Mitgliede zählen konnte, um dieses ihr hervorragendes Mitglied, und wir sprechen auch von dieser Stelle nicht nur der Familie, sondern auch der Deutschen Demokra tischen Partei unser Bedauern über diesen schweren Verlust aus. Seitens des Hrn. Vize präsidenten vr. Wagner ist der Reichsregierung unsere Trauer über diese Tat übermittelt worden; ich bitte, davon Kenntnis zu nehmen. Die Gruft über Rathenau hat sich geschlossen, nicht aber sind die Wunden vernarbt, sind die Wunde» geheilt, di: uns, die der Familie und auch der Parte, der er an- gekörte, durch seinen Verlust geschlagen worden sind. Die ungeheuere Aufregung, die gegen wärtig durch Deutschland geht, ist begreiflich, und dennoch dürfen wir bei aller Ruchlosigkeit dieser Tat die Ruhe nicht verlieren. Wir müssen uns iminer wieder fragen: was nun? Und trotz alledem müssen wir die Lücke zu füllen suchen, die der Tod gerissen hat. Wir alle trauern, und auch die Freunde, die Abgeordneten, die das HauS wegen diese- Vorfalles verlassen haben, trauern mit uns. Auch das sächsische Volk trauert mit uns um den Verlust diese» Mannes. Sie haben sich zu Ehren des Gemordeten von Ihren Plätzen erhoben. Ich stelle da» fest und danke Ihnen. Den Angehörigen unsere Trauer zum Ausdruck zu bringen, nehme ich wohl noch Gelegenheit und habe darin Ihre Unterstützung. Der Name Rathenau wird in der deutschen Ge- lchichte fortleben, und er wird auch in unserem Herzen, in unserem Gedächtnis hochgehalten werden. M. D. u. H.! Zum Zeichen der Trauer schlage ich Ihnen nun vor, unsere Sitzung um eine Stunde zu vertagen. Es war der Vorschlag ge macht worden, die Sitzung heute überhaupt ab zubrechen, allein unsere Geschäftslage heißt unS Maß halten mit unserer Zeit. Ich vertage allo die Sitzung bis um 11 Uyr (Pause.) Nach Wiedereröffnung der Sitzung kurz nach 12 Uhr mittag- gibt Abg. Wirth (Soz.) folgende Erklärung «amen- der drei Links Parteien ab: Tie Fraktionen der drei Arbeiterparteien haben zu Beginn der heutigen Sitzung de» Sitzungssaal geschlossen verlassen, weil sie es unlcr ihrer Würde halten, einem Akt der Trauerknndgebung beizu wohnen, während ei» Mitglied der Deutschnationalen Dolksparlei einen Sitz im Präsidium des Landtages einnimmt. Diese sozialistische Kundgebung richtet sich nicht gegen die Person, sondern gegen den Repräsen tanten der Deutschnationalen Partei, die in Wort und Schrift durch eine wüste Hetze die Mordkultur im deutschen Volk gezüchtet hat. Nicht zuletzt t fft das auch zu auf die unaus gesetzten und unwahrhaftigen Angriffe der Deutsch- nationalen im sächsischen Landtag gegen die Landes regierung. Nur der Selbstzucht deS sächsischen Volkes ist es zu da ken, -aß nicht auch in Sachsen diese Aufstachelung der niedrigsten Leidenschaften die gleichen bedauerlichen Folgen wie in Berlin gezeitigt hat. Die Fraktionen der drei Arbeiterparteien bringen ihren tiefsten Abscheu gegenüber dem deutschvö!» kischen Meuchelmord zum Ausdruck und werden dies noch durch eine besondere öffentliche Trauer- feier im Sitzungssaal der vormaligen 1. S ändc- kammer tun, zu der sie die republikanischen Par teien ds Hause- hierzu besonders cinladen. Ich bitte den Hrn. Präsidenten zu diesem Zwecke die Sitzung uni eine Stunde zu ver'agen. Präsident: Die Herren wünschen also eine Vertagung der Sitzung um eine Stunde, um eine Trauerfeier für sich vornehmen zu können. Ich glaube, da dieser Wunsch von der Mehrheit des Hauses ausgesprochen worden ist, eine Abstimmung dar über nicht vornehmen zu solle»,, sondern dem Wunsche ohne weiteres zu entsprechen. Die Trauerfeier in» kleinen Sitzungssaal wird öffentlich sein. Also auch die Presse ist eingeladen. Die Sitzung wird um eine Stunde vertagt. (Unterbrechung der Sitzung 12 Uhr 15 Min.) Trauerseier der drei Arbeiterparteien de- Landtag,- im S hungSsaale der früheren I. Kammer für d.n ermordeten Rrich-- minister vr. Rathlnau. Beginn 12 Uhr 18 Minuten nachmittag-, Vorsitzender Abg. Wirth (Soz) eröffnet die Sitzung. Am Regierung-tisch sämtliche Minister mit Au-nahme deS von Dresden abwesen- ren Ministerpräsidenten, sowie einige Re- gienlng-vertreter. (Die Versammlung erhebt sich.) Da- Wort erhält Landtag-Präsident Fräß dorf. Abg. ArLtzdarf (Soz.): M. D. u. H ! Ich will zunächst erkläre»: Ich habe hier nicht das Wort als Präsident des Land tag-, sonder» ich nehme das Wort als sozial demokratischer Abgeordneter. Das bitte ich zu beachten, denn ich will bei meinen Ausführungen mich nicht lediglich auf eine Gedächtnisrede be- schränken. Sie wissen, am 24.Juni ist eine surcht- bare Tat geschehen, die nicht nur die Tat eines gewöhnlichen Verbrechers oder eines Wahnsinni gen ist, sondern die ohne Zweifel durch eine Or ganisation einer Anzahl Personen, deren Name»» und Zahl wir noch nicht kennen, begangen wor den ist. Ein fluchwürdiges Verbrechen ist be- gangen worden an einem Manne, der einen der wichtigsten Posten im Deutschen Reiche bekleidete. In meuchlerischer Weise ist der Reichsminister vr. Rathenau, einer unserer Besten, gemordet worden und seinen schweren Verwundungen so- fort erlegen. Mein Stellvertreter, der Vize- Präsident vr. Wagner, hat an die Reichsregie rung folgendes telegraphiert: Reichskanzler, Berlin, Wilhelmstraßc. Der Reichsregierung übernüttelt der Sächsische Land tag seine aufrichtige Teilnahme sowie den Aus druck des tiefsten Abscheues über die feige Mordtat, welcher der deutsche Außenminister zum Opfer gefallen ist. Ich sagte schon, einer der besten im Deutschen Reiche an der Regierung tätigen Männer ist er mordet worden, dem warmes Empfinden für die Rot seines Volkes eigen war, der über große Klugheit und Erfahrung verfügte und der zu der Tätigkeit eines Staatsmannes nach allgemeinen Begriffe»» außerordentlich geeignet Ivar. Es war kein Staatsmann der alten Schule; er war ein Demokrat, er wußte, was zu geschehen hat, was unter den gegebenen Verhältnissen geschehen kann, die Rot des deutschen Volkes zu lindern; und nach der Richtung hin hat sich vr. Rathenau, daS müssen wir von dieser Stelle außerordentlich betonen und anerkennen, große Verdienste um das Deutsche Reich erworben. Cr war ein Mann der Wissenschaft; er hatte keine Schule als Beamter hinter sich, sonder»» er war aus seinem fr ien Berufe durch den Reichs präsidenten zum Minister berufen worden. Er war eine besondere Leuchte deutscher Technik; was ihm auf diesem Gebiete zu danken ist, ist allgemein »m Volke bekannt. Er war aber auch eil» Bolkswirtschaftler bester Art; ich glaube, seine Schriften sind auch in diesem K»eise hin- länglich bekannt, in denen er die Wege zeigte, auf denen Deutschland in möglichst kurzer Zeit wieder auS diesem Elend herauSlommen kann. Er war ein braver selbstloser Mann, es gilt für ihn daS Wort: „Der brave Mann denkt an sich selbst zuletzt." Er wußte, daß er keine Reich- tümer al» ReichSmtnistec erwerben konnte; seine wirtschaftliche»» Verhältnisse waren als General direltor einer so großen Gesellschaft wie die der A. E G. unbedingt bessere als die eines Reichs ministers, er hat sich aber dennoch dem Rufe des Reichspräsidenten zufolge in den Dienst seines Landes gestellt, und zwar in der schwersten Zeit und zu den schwierigsten Aufgaben. Sie wissen, in der Offemlichkeit wurde er von den Rechtsparteien angegriffen wegen des Wies badener Abkommens, insbesondere niit Frank- reich, wegen der Erfüllung der Verpflichtungen, die Deutschland mit dem Auslande eingegangcn ist. Er hat im besten Sinne des Wortes die Inter- essen seines Landes vertreten und ist im Dienste deS Vaterlandes, kann man sagen, gestorben. Wir können nur wünschen, daß die furchtbare Tat gerächt werden wird, daß die Mörder, die die Tat ausgesührt haben, gefaßt werden und die verdiente Strafe erhalten. Im ganzen Reich ist man tief erschüttert durch die Ermordung des Reichsministers; cs ist dein Reiche ein schwerer Verlust zugesügt worden, der kaum wird zu ersetzen sein. Es ist auch der Familie Rathenau ein unersetzlicher Verlust zu gefügt worden, und sie wird lange »in» einen ihrer Besten trauern. Die Demokratische Partei, deren Vertreter auch an dieser unserer Feier zu Ehren des Verstorbenen erfreulicherweise teil- nchmen, hat einen schwere»» Verlust erlitten. Es ist nicht jeder Partei beschieden, einen solchen Mann, der von allen Seiten hoch geschäht wurde, zu den ihrigen zu zählen; einen solchen Mann so zu verlieren, der jo w»e Rathenau vorn gan zen Volke geehrt wurde, ist sür die Partei noch weit schwerer. Das sächsische Volk und sein Landtag nimmt an dern Verluste nicht min der teil. Schon ist die Gruft geschlossen über Rathenau; die Wunden aber, die den» deutschen Volke zu gefügt worden sind, die seinen Angehörigen und seiner Partei geschlagen worden sind, sie steh n offen. Was gegenwärtig im Reiche vergeht, ist Ihnen allen bekannt. Ungeheure Eiregung herrscht allenthalben, die schon politisch sehr zu- gespitzten Peryältnisse haben sich »och ungemein verschärft. Man hält, wie Sie aus den Zeitungs nachrichten und auS den Beratungen des Reichs- tag» ersehen haben, eine Auflösung des Parla ments sür notwendig. Welchen Einfluß das auf unser Lande-Parlament haben wird, ist noch nicht abmleben. Wird der Reichstag ausgelöst, so müßten die Parteien, welche diese Handlung in direkt verschuldet haben, durch eine Neuwahl im Reichsparlament dezimiert werden, wie sie e» verdienen, dann wird das auch entsprechende Rückwirkung aus den sächsischen Landtag haben. Sie, verehrte Anwesende, haben sich zu Ehr?« deS Berslorbenen von Ihren Plätzen erhoben. Ich bin überzeugt, Sie alle werden sich ii» Ihrer Tätigkeit im Interesse der Gesamtheit des deut schen Volkes durch solche Mordbuben nicht be einflussen lassen. Er darf und wird iin Deutschen Reiche nicht dazu kommen, daß die Republik, gegen die sich die Tat vor allen Dingen richtete, in Gefahr gerät, indein mai» sich ihrer Führung entzieht. Der Augenblick ist jetzt gekommen, wo alle wirklichen Republikaner im Reiche mit ihrer ganzen Person für die Republik cinstehcn müssen, und wenn wir in der nächsten Zeit schwere Kämpfe durchzumachen haben, so muß unter denen, die zum republikanischen Deutschland halten, möglichste Einigkeit herbeizesührt werden, und »vir wünschen — und ich möchte das auSsprecheu —, wir wünschen, daß das nicht nur geschieht innerhalb der Kreis« der sozialistischen Parteien und der Arbeiterschaft, daß das weit hinein bis in das Bürgertum greift, daß da? Bürgertum, daß das Beamtentum jetzt begreift, was ihre Pflicht ist, um daS Reue, da» in der werdenden Vorbereitung ist, zu schützen und zu fördern. Wir werden den» Andenken deS gemordeten Rathenau nicht besser genügen, als wenn »vir uns nun stark machen, mehr »vie bisher die Republ k, die neue Verfassung zu schützen, gleich- viel von welcher Seite und mit welchen Mittet»» gegen sie ongekämpft wird. Ich habe mir aber» wie ich schon eingang- sagtc, auch vorgenommen, auch ein paar Worte zu sagen über die Ursachen, die zu dieser Tat geführt habe". Es wird viele unter Ihnen geben, die über die Vorgänge in anderen Parteien, vor allen» in der Dcutschnationalen Partei und ihren Anhängern besser unter richtet sind cls ich, besonders die Herren, die an den Zeitungen tätig sind, werden mehr darüber unterrichtet jein, wie die Stimmung er zeugt worden ist, die zu solchen Handlungen schließlich führen mußte. Es richtete sich da» Attentat zwar gegen die Republik, im besonderen aber auch gegen die Erfüllung nach dem Versailler Vertrage, die dem Reichsaußenminister Rathenau oelag. Die Abmachungen, die in neuerer Zeit getroffen waren, haben bei den Rechtsparteien und insbesondere bei den Teutschnationalen und zuletzt im besonderen in Bayern großen Wider spruch hervorgerufen, und man hat die Reichs- rcgierung aufs allerschärfste angegriffen und ge schmäht in Wort und Schrift. Die Deutsch- nationale Volkspartei wird daher mit Rech» beschuldigt, daß sie den Mord indirekt herbei- geführt hat. ES wird freilich niemand den Nachweis erbringen können, daß eine Partei einen politischen Mord beschlossen hat; »venn aber, wie es bei der Deutschnationalen Boltspartei geschehen, die Reden und Schriften so eingerichtet werden, daß eine Stimmung er zeugt werten muß, besonders bei Personen, deren Karriere durch die große Einschränkung unserer Wehrmacht aussichtslos geworden ist (Sehr richtig!), die nun nicht miss n, wie sich ihre Zukunft gestalten wird, die nun glauben, die neuen Bert ältn »sie seien schuld, daß sie in eine von ihrein Standpunkt aus verzweifelte Lage gerate»» sind, so hat man fort und fort insbesondere aus die verabschiedclen Offiziere, die eine große Anzahl darstellen, und auf die Studentenschaft, auf unsere akademische Jugend eingewirtt in solcher Weise und so da; politische Leben vergiftet. Die Staatsmänner und Ad- geordneten hat man in jenen Blättern und Ver sammlungen beschimpft und verleumdet. Der neue Schlag, den man ausgesührt hat, sollte anschewe id nun endlich zum Ziele näherführen, es sollten nun auch die Johannisseier», die Regimentstage, der allgemeine Protest gegen die Schuldlüge usw. das letz c sein, um dann zur Tat überzugehen. Es unterliegt gar keinem Zweifel, daß noch Waffen vorhanden sind in jenen Kreisen, man hat ja wieder bei dem Mord an Rathenau Gelegenheit gehabt, solche Waffen kennen zu lernen. Es ist ja nicht die erste Handlung und der erste politische Mord, der in Deutschland an An hängern der Linken begangen worden ist Ich erinnere an die Ermordung des Abg. Haase, des Abg. Gareis, an die Ermordung des Abg. Erz« bcrger, den Mordversuch an Scheidemann, und nun kommt dcr Mord an Walther Rathenau — das sind jedenfalls zusammenhängende Glieder einer Kette, die man glaubte jetzt sch ießcn zu können. Wenn nicht alles trügt, sollte in der nächsten Zeit der Huuptjchtag erfolgen. Run hat die deutsche Regierung und voran der Reich»- Präsident zu Ausnahmeverordnungen greifen müssen. Wir sehen, kaß in dec rechtsstehenden Presse gegen diese Ausnahmebestimmunge.» hef tiger Einspruch erhob n wird, in Bayern ist schon eine Interpellation seitens einer rcaktionä« reu Partei, die den Koniervativen gleicht, ein- gebracht worden, un» gegen die Verfügung des Reichsministers Stellung zu nehmen. Ich glaube, es »st niemand in tiefem Kreise, der Ausnahme- gesetzen das Wort redet. Wenn e» aber gilt, eine Staatsjorm, die neu geschaffen ist, zu er halten, dann wird gegebenfalls auch kein Demokrat oder Sozialist oder Kommunist davor zurück- schrecke» dürfen, vorübergehend Au«nah»negejetze zu billigen, um die neue Elaatssorm zu schützen. (Sehr richtig!) Ob sich nun diese Ausnahme gesetze nur gegen die rechte Seite wenden wer den, daS wird darauf ankommen, wie sie an-
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