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WS»«ntIich erschein«» drei Nummern. Pränumeration« - Preis 22z Dilbergr. (j Tblr.) vierteljährlich, 5 THIr. für du« ganze Johr, ohne Erhöhung, in allen Scheiten der Preußischen Magazin für die Pränumerationen werden von ieder Buchhandlung (in Berlin bei Veit ii. Eomp., IägerUraße Nr. 28), so wie von ollen König!. Post--«intern, angenommen. Literatur des Auslandes. - — - ,, > . 85. Berlin, Sonnabend den 17. Juli 1847. Ostindien. Englische Missionen in Bengalen. Weit geht die Flagge, weit geht der Handel, fast eben so weit als beide gehen die Missionen der Engländer. Wie der britische Handelsmann überall anzutrcffen ist, wo cS etwas zu handeln giebt, so, wo es etwas zu bekehren giebt, der englische Missionair; wie der englische Kaufmann keine Anstren. gung scheut, sich einen Markt zu gründen, so trotzt der englische Missionair jeglichem Mühsal, um eine Kirche zu bauen, eine Gemeinde um sich zu ver sammeln. Beide, der englische Handel sowohl als die englischen Missionen, sind gleich rührig, gleich erpicht auf den Gewinn, dort von Gold, hier von Seelen. Beide, wiewohl auf denselben Wegen zu finden, kommen fich doch nicht in den Weg. Ja, wie sollten sie auch, da Handel und Missionen eigentlich eines und desselben Wesens find, da auch der Handel eine sociale Mission auszuübcn hat, da er der religiösen Mission wenigstens so lange vor- arbcitct oder ihr sckundirt, als fich die letztere nicht bcigehen läßt — und fie laßt cs sich nicht beigehcn — ihre Interessen über die scinigen zu stellen? Nicht minder kömmt das englische Handels- mit dem englischen Missions- Wesen darin überein, daß beide der britischen Eroberungslust häufig Anlaß gegeben, die gierigen Polppcnarme weiter auszustrecken und dort weiter nm sich zu greifen, weil man von den OpiumSverkäufern oder eigentlich dem Opium, hier, weil man vom Evangelium oder eigentlich von den Verbrei tern des Evangeliums nichts wissen will. Nur in Einem Punkte hinkt freilich der Vergleich zwischen dem englischen Handels- und Missionswesen. Wenn wir nämlich überall die Klage erschallen hören, daß der englische Handel die ganze Welt mit den Erzeugnissen eng lischer Industrie überschwemme, daß er fich Staaten und Völker dienstbar mache, so ist dem englischen MisfionSwesen bis heute ein ähnlicher Vorwurf schlechterdings noch nicht gemacht worden. Noch Niemand hat es beschuldigt, daß es die Welt mit Christlichkeit überschwemme, daß es die Wclt dem Christcnthum dienstbar mache. Im Gegcnthcil, mag der Erporthandel, den England mit christlichen Ideen treibt, noch so groß seyn, so übersteigt doch immer das Bedürfniß — wenn auch nicht die Nachfrage — den Absatz, und während christliche Staaten sich gegen das Einschwärzen unchristlicher Elemente nicht sorgfältig genug sichern zu können glauben, können unchristliche Staaten und Völker sogar offen daliegcn, ohne daß der englische Misfionair deshalb Vortheilc errungen hätte, die auch nur entfernt denjenigen entsprächen, die sein Bruder, der englische Kaufmann, unter theilweise weit ungünstigeren Verhältnissen erreichte. Wir haben im vorigen Jahrgänge des Magazins die Bemerkungen eines französischen Arztes über das englische MisfionSwesen in China mitgctheilt. ES ergab sich aus diesen Bemerkungen, daß, allem Bckehrungöeifer der eng lischen Missionaire zum Trotz, das Christcnthum weit entfernt sep, nenncnS- wcrthe Fortschritte im himmlischen Reiche zu machen. Freilich waren die Verhältnisse, unter denen bisher die Missionen in China wirkten, außer ordentlich mißlich, und sie werden es, trotz der neueren und neuesten kriege rischen Erfolge der Engländer, vielleicht noch lange bleiben. Man dürfte daher geneigt sepn, aus diesen ungünstigen Verhältnissen den schlechten Erfolg zu erklären, welcher bis heute alle Anstrengungen der cnglischcn Missionaire begleitet hat; auch die besten Truppen vermögen nichts auf einem ihnen un günstigen Terrain. So allerdings dürste man denken, wenn man da, wo die Verhältnisse fich günstiger gestalten, bessere Resultate sähe, wenn man z. B. sähe, daß die Missionen in Indien wirklich etwas zur Ausbreitung des Christenthums beitrügen, daß eine merkliche Abnahme in der Zahl der Bekenner des Islams und der Anhänger der Religion des Brahminen stattgefunden, daß Moscheen und Pagoden leer ständen und verfielen, während christliche Kirchen sich er höben und füllten. Von dem Allen aber hören wir nichts; hier und da eine einzelne Bekehrung, die qualitativ eben so wenig zu bedeuten hat, als quan titativ, das ist AllcS, was wir vernehmen. Usri Nantes in gurgke voscv. Wenn es also auch in Indien mit dem MisfionSwesen nicht fort will, wenn die Missionen keine oder nur höchst kümmerliche Resultate erzielen, trotzdem, daß fie fich auf eine Staatsgewalt stützen können, die, weit entfernt, ihnen, wie in China, entgegen zu seyn, gewiß Alles aufbietet, fie zu fördern, so lange andere Interessen durch eine solche Förderung nicht beeinträchtigt werden, wenn mit Einem Worte auch günstigere Verhältnisse keine günstigere Resultate geben, worin haben dann die Richterfolge der Missionen ihren Grund? Schon bei der Mittheilung der Bemerkungen des eben erwähnten fran zösischen Arztes haben wir cs ausgesprochen, wie nur das Mittelalter eS ver standen habe, die Massen zu bekehren. So barbarisch das Mittelalter bei seinen Bekehrungen verfuhr, so hatte diese seine Barbarei doch zugleich etwas Großartiges; fie setzte durch, was fie fich vorgesetzt hatte. Das bekehre rische Interesse wog allen anderen vor; alle sonstige Interessen mußten diesem einen, höchsten, sich unterordncn, statt daß in einer glaubensarmen Zeit natürlich das Glaubens. Interesse sich mit einer Menge anderer Interessen, deren keines sich vernachlässigt sehen will, zu berechnen und auseinanderzu setzen hat. Wäre das Interesse, welches wir einer Unternehmung widmen, nur durch den Erfolg, den diese hat, bedingt, die Bestrebungen der englischen Missionaire dürften nur auf geringe Theilnahme rechnen, und es wäre ver geblich, die Aufmerksamkeit der Welt auf Versuche hinlenken zu wollen, die an den Hindernissen, welche sich ibnen cntgegenstellen, scheitern. Glücklicher weise ist der Götzendienst des bloßen Successes so weit noch nicht verbreitet, und ein Streben nach einem würdigen Ziel wird — selbst wenn dieses durch Anwendung unrichtiger Mittel verfehlt werden sollte — nicht mit Gleichgül tigkeit betrachtet werden. In dieser Ueberzeugung geschieht es, daß wir an die in der Genfer Uibliotkeque Universelle mitgctheiltcn Auszüge') aus dem Tagebuch eines in Bengalen wirksamen Misfionairs, insofern fich aus den selben auf das MisfionSwesen im Ganzen Schlüsse ziehen lassen, einige Be merkungen knüpfen. Eö ist dieser Misfionair ein Herr Lacroir, der — aus Neuenburg gebürtig — bereits seit zwanzig Jahren unter Leitung der großen Londoner Missions- Gesellschaft, zu deren ausgezeichnetsten Agenten er gehören soll, für die Aus breitung des Christenthums thätig ist. Seit dem I. I84Z macht er jährlich in der kalten Jahreszeit — in Indien der schönen — einen Bekehrungs- Abstecher in jene Theile Bengalens, in denen das Christenthum noch nicht ge predigt worden ist. Er verwendet zu diesen seinen Reisen die Summen, die ihm von einer Gesellschaft von Genfer Damen eigens zu einem so frommen Zweck übermacht werden, welcher Gesellschaft er dann Auszüge aus dem Tagebuche zu senden pflegt, das er während seiner Ausflüge in englischer Sprache führt. Einige dieser Auszüge find es, welche uns die Genfer liibl. Univ, in französischer Version liefert. Gegen zwei Religionen hat in Indien der christliche Misfionair seine Operationen zu richten: gegen die muhammedanische und gegen die der Brahminen. In beiden, im Islam wie in der Religion der Brahminen, liegt etwas, was diese Operationen begünstigen kann. Wenn der Misfionair bei dem Muhammedaner den Glauben an die Einheit Gottes vorfindet und an diesen Glauben seine Lehre anknüpfen kann, so erleichtert ihm dem Brahma- niSmuS gegenüber die Idee der Menschwerdung Brahma'S sein Geschäft- Wie viel schwieriger würde dasselbe seyn, wenn es dergleichen Punkte dcr Uebcrcinstimmung nicht gäbe, wenn überall die neue Lehre dem alten Glauben schroff gcgenübcrständc! Hat aber der Islam den Glauben an die Einheit Gottcs mit dem Christcnthum gemein, so fehlt jenem dagegen die Idee eines Erlösers: es mangelt seinen Bekennern bei dem Bewußtscyn der Sünde und Schuld die Gewißheit einer göttlichen Vergebung, welche das Christcnthum verspricht. Der Misfionair hat also etwas zu bieten; er ist im Vor- thcil. Noch weit überlegener aber, als dem Islam, ist daü Christcnthum dem absurden Götzendienst, in welchen die Religion dcr Brahminen auSge- artct ist. Sind dieses in der Lehre selbst, welche dcr Misfionair zu verkündigen hat, liegende Vortheile, so erwachsen ihm andere durch die Umstände, unter dencn er wirkt. Nach und nach ist ganz Indien unter englische Botmäßigkeit gerathen; die einheimischen Fürsten, deren precaire Eristenz noch kein Ende genommen, find nur britische Vasallen. Von den Engländern kömmt dem Hindu Wohl und Wehe. Welches Motiv, fich ihnen anzuschließcn, ihren Glauben anzunehmen, für jeden Eingebornen, welcher sein Glück machen will! Der Misfionair braucht gar nicht — wie cr eS denn auch nicht soll — auf solche Vorthcile zu denken; cr mag seine Lehre ganz im Gcist dieser Lehre vortragen — seine Zuhörer werden thun, was cr unterläßt, und auf eine Untersuchung, bei der eS fich um Wahrheit handelte, wird eine andere °) Kxtrslt tlu zourual ü'uoe eourse mlsaloualre falte ilan« le Lenzsle par Nr. -4» k. Kaoroix, kikl. Daiv. üe iZeoeve blo. 15.