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Erscheint jeden Wochentag Abend» S Uhr für den anvam Tag. Preis vierteljährlich 2 Mart 2ü Pf., » zweimonatlich 1 M. S« Pf. u. etnmonatl. 7L Pf. Mouvements «ms dm für -m Monat MM- Juni "MU »erdm von fSmmUtchm Postanstaltm wie von der «uterzeichueteu Expedition and dm bekannten AuS- 8«bestellen in Kreider-, Brand, Halsbrücke and Lang- hmverSdorf znm Preise von 75 Ps. angenommen. Lxpeailion ü«8 .Frviderger ^nreigsrs u. Isgsdlatt'. Vie Woche. Das liebliche Pfingstfest ist wieder einmal vorüber und das Leben nimmt seine gewohnte Färbung an. Wie viele versäumte Züge, verregnete Landpartien, nicht fertig ge wordene Anzüge, ja auch wie viele Erkältungen bet dem scharfen Wehen des „Mailüfterl" ein solches Pfingstfest mit sich bringt — wer wollte das ausrechnen? Nun endlich kommt die Presse doch wieder zur Geltung, denn in der Pfingstwoche griff kaum ein Mensch nach der Zeitung, wenn er nicht gerade nach dem Kurse seiner Papiere oder nach der Abfahrt der Etsenbahnzüge sehen wollte. Jetzt fängt das liebe Publikum allmälig wieder an, Interesse an den politischen Vorgängen zu nehmen. Dies ist um so berechtigter, als uns ja eine Fort setzung des Berliner Kongresses in Aussicht steht. Eng land beantragt eine Nachkonferenz, um die neuerdings auf getauchten Differenzen in der Türkei auszugleichen. Es soll sich hauptsächlich dabei um die griechische Frage, viel leicht auch um Bulgarien und Rumelten handeln. Man vergißt nur leider, daß mit der Regelung dieser einzelnen Fragen wenig gewonnen wird, denn jedes Jahr, jedes Vierteljahr gebiert auf der Balkanhalbinsel neue Streit fragen. Der Vorschlag Englands zu einem Nachkongreß harrt noch der Erledigung von Vorfragen, welche sich auf die Theilnehmer, das Stimmenverhältniß und auf den Ort der Konferenz beziehen, zu welchem übrigens Berlin vorgeschlagen ist, nachdem der Plan einer Botschafter-Kon ferenz in Konstantinopel keine Zustimmung gefunden. Die wichtigste Vorfrage bleibt leider ungestellt! Sie sollte die Vollmachten des neuen Kongresses erörtern und offen das Ziel proklamiren: Pazifizirung der Türkei um jeden Preis und für alle Zeit, keine Lösung grichischer, albanesischer, montenegrinischer, bulgarischer, serbischer, rumeltscher, rumänischer und sonstiger Duodezfragen, son dern volle Lösung der orientalischen Frage durch den Machtspruch, und wenn's nöthig ist, durch die Waffen gewalt Europas. Leider fehlte bislang den großen Garantiemächten zu einer solchen gesunden Politik die nöthige Energie und Einigkeit. Ihr Rechtstitel, den Hexenkessel von Staaten im Südosten Europas zu beseitigen, ist an und für sich nicht zweifelhaft; denn die Türken find nur asiatische Ein dringlinge und die übrigen Staaten keine historischen, sondern mehr oder weniger zufällige, revolutionäre Bil dungen, welche durch eine Mediatisirung oder durch den Anschluß an einen gesunden Staatsorganismus nur ge winnen können. Wenn man in der hohen Politik über haupt die Moral neben der Zweckmäßigkeit gelten läßt, so erscheint eS sicher höchst moralisch, der orientalischen Mißwirthschaft ein Ende zu machen, durch Einführung geordneter StaatSzustände auf der Balkanhalbinsel die großen Opfer an Geld und Blut zu sühnen, welche Europa bereits für die orientalische Frage gebracht hat; und endlich eine Quelle von ewig neuen Unruhen und Kriegen, wie auch die Ursache zu neuen Konflikten unter den europäischen Großmächten zu verstopfen und zu beseitigen. Wäre es nicht geradezu lächerlich und fluchwürdig, wenn es der türkischen Diplomatie nochmals gelänge, Streit und Krieg unter den Mächten zu entwickeln, um dadurch den orien-, taltschen Kadaver noch einige Zeit sich zu erhalten? Die Orientfrage in ihrer jetzigen Gestalt birgt in ihrem Schooße die Gefahr eines Kontinentalkrieges; und darum ist es hohe Zeit^ sie aus der Welt zu schaffen. Statt dessen be antragt England eine Nachkonferenz zum Berliner Vertrage, "" die neuerdings in der Türkei aufgetauchten Differenzen auszrgleichen. Mit Spannung darf man dem weiteren Verlauf der Dinge entgegen scheu. Fürst Bismarck präfidirte dieser Tage eine Sitzung des BundeSratheS, zu welcher die Ausschüsse für Handel und Verkehr und für das Zoll- und Steuerwesen zusammen- getreten waren. Die Referenten erstatteten Bericht über die Frage der Einverleibung von Altona und St. Pauli in das Zollgebiet. Wie verlautet, wurde be schlossen, den Antrag zu stellen, von dem Anschluß St. PauliS an das Zollgebiet Abstand zu nehmen, dagegen die nöthigen Vorkehrungen für den Anschluß Altonas zu treffen. Noch immer wird die Frage wegen Auflösung des Reichstages erörtert; nur die Bewilligung der „diskre tionären Gewalt" in Bezug auf die Maigesetze seitens des preußischen Landtages soll noch abgewartet werden, um alsdann mit dieser Gewalt bei den Neuwahlen Bresche in die Reihen des Zentrums zu schießen und wenigstens die Unversöhnlichen dieser Partei auszumerzen. Die betreffende Vorlage ging bereits am Donnerstage dem preußischen Landtage bei Eröffnung seiner Nachsession zu; ob dieselbe Annahme findet, wird baldigst zu Tage treten. Der Schluß der österreichischen ReichSrathssession steht nahe bevor. Das Abgeordnetenhaus ist bereits nach Hause gegangen und das Herrenhaus begann gestern die Budgetdebatte, nach deren Beendigung eS ebenfalls die par lamentarische Arbeit einstellt Nun tritt die Umbildung des Kabtnets Taaffe in den Vordergrund, aber eilig wird es damit nicht hergehen. Selbst wenn es jetzt seine De mission nachsuchte und erhielte, dann würde dasselbe doch mit der Fortführung der Geschäfte bis zum Herbste dieses Jahres betraut werden. Inzwischen fließt aber viel Wasser die Donau hinab. — Die Ungarn verlangen jetzt, daß der Kaiser Franz Josef oder vielmehr der König, denn einen solchen erkennen die Magyaren blos an — seine Residenz nach Budapest verlege. Die ungarische Presse beklagt, daß der österreichische Hof nur kurze Zeit in der Hauptstadt des Königreiches weile. Das Gesetz, schreibt man, spreche zwar nicht aus, wie lange der König in Ungarn zu ver weilen habe, aber der Geist desselben gehe dahin, es möge der Herrscher etwa die Hälfte des Jahres in Pest, die andere Hälfte in Wien zubringen. Natürlich sträuben sich die Wiener Organe gegen diese Forderung, und man ist ge spannt darauf, wie diese Zumuthung bei Hofe ausgenommen werden wird. — Die czechischen Studenten in Prag lieferten einen eklatanten Beweis für die Nothwendigkeit einer czechischen Universität, indem sie den deutschen Professoren die Fenster einwarfen. Und diese Exzesse billigt die czechische Presse. Sie spricht von der Impertinenz der aus Deutsch land tmportirten Kulturgrößen gegen das „Volk von Böhmen". Die Deutschen in Böhmen zählen also nicht mit! Wenn die Hetzerei so fort geht, dann sind ernstliche Ruhestörungen zu befürchten. InItalien sind die Neuwahlen zum Parlament vor genommen worden. Die Spaltung unter den Liberalen )at nur dazu geführt, daß die Konservativen verstärkt aus dem Wahlkampfe hervorgingen. Allerdings wird sich das Gesammtresultat erst dann feststellen lassen, wenn die zahl reichen Stichwahlen erfolgt sind. Jedoch ist es schon jetzt gewiß, daß sich das Ministerium in seinen Erwartungen einigermaßen getäuscht fühlen muß. In den Städten sind wohl zumeist Ministerielle gewählt worden, auf dem Lande können sie sich aber keiner besonderen Erfolge erfreuen. En England wurde das neue Parlament in dieser Woche eröffnet. Von besonderem Interesse waren die Auskünfte der leitenden Minister über die auswärtige Politik, wozu die Adreßdebatte Gelegenheit gab. Gladstone erklärte im Unterhause, daß der nach Konstantinopel ge sendete Botschafter Göschen keine andere Befugniß erhalten habe, als ein gewöhnlicher Botschafter. Was den auf die Pforte auszuübenden Druck anbetreffe, so solle Göschen auf der Erfüllung des Berliner Vertrages be stehen. Göschen sei für den Konstantinopeler Posten aus- ersehen worden, weil er eine genaue Kenntniß der Ansichten der Regierung besitze, und weil die Regierung überzeugt sei, daß Göschen die Mißverständnisse beseitigen werde, welche zwischen der Pforte und England beständen. Die Regulirung der griechisch-türkischen Grenze bilde eine der dringendsten Fragen, aber eine andere, wenn nicht größere, so doch noch dringendere Frage sei die Regulirung der montenegrinischen Grenze. Bei so delikaten Angelegenheiten sei die Regierung unzweifelhaft besser gesichert, wenn sie durch eine Persönlichkeit vertreten werde, welche London soeben erst verlassen habe und daher die Ansichten der Regierung der Pforte besser, genauer und vollständiger erklären könne. Es gebe Mißverständnisse, deren Besei tigung im Interesse Europas und der Türkei wünschens» werth erscheine. Die Pforte glaube, daß England ein hohes und wesentliches eigenes Interesse an der Aufrechterhaltung des ottomanischen Reiche habe, und daß sie, wie auch immer ihr Verhalten gegen ihre Unterthanen, und, wie auch immer der innere Zustand der Türkei sein möge, stets schließlich auf England rechnen könne. Diese Ansicht theile die englische Regierung nicht. Eine andere Ansicht der Türkei, welche zu beseitigen wäre, sei diejenige, daß England geneigt sei, die Souveränetäts-Rechte der Türkei in Asien zu verletzen. Die englische Regierung wünsche nur die Verpflichtungen der Türkei getreu ausgeführt zu sehen und habe nicht den Wunsch, die Grenzen des türkischen Gebietes in irgeNd welcher Richtung zu vermindern. Wenn es aber gelingen sollte, befriedigende Beziehungen zwischen dem Sultan und seinen Unterthanen herzustellen, so würde das englische Kabinet ein von ihm sehr erwünschtes Resultat erzielt haben. Lord Beaconsfield habe in seinem Wahlmanifeste den Zustand Europas als kritisch bezeichnet. ES gebe nun zwar ernste Angelegenheiten in Europa und noch ernstere anderwärts, doch könne er (Gladstone) nicht zuaeben, daß der Zustand Europas ein kritischer sei. Von allen Seiten habe die Regierung befriedigende Versicherungen erhalten. Es werde ihre heilige Pflicht und ihr stetes Bestreben sein, das gegenwärtige Gefühl der Eintracht und das Einvernehmen der Mächte im allgemeinen Interesse aufrecht zu erhalten. — Im Oberhause sprach Granville sich in ähnlichem Sinne aus und fügte noch hinzu: Unter den noch nicht erfüllten Bestimmungen des Berliner Vertrages befände sich auch )iejenige betreffend das organische Statut für die türkischen Provinzen. Ein solches Statut sei entworfen. Die An nahme desselben würde viele gute Institutionen, darunter die Autonomie der türkischen Provinzen und das Be steuerungsrecht, gewähren, welche den türkischen Provinzen eine ersprießliche Zukunft und Europa einen großen Vor theil in Aussicht stellen würden. In Betreff der Grenze Griechenlands sei noch nichts Bestimmtes geschehen. Wegen der empfohlenen Grenze beständen ohne Zweifel Meinungs verschiedenheiten unter den Mächten. Ebenso auch über da- Verfahren bei der Ausführung der Grenzregulirung gegen über Montenegro. Die Abtretung der bezüglichen GebietS- theile sei von einem Aufstande der Albanesen begleitet gewesen. Den von der Pforte ertheilten Instruktionen seien von den Lokalbehörden Hindernisse entgegengestellt worden. Der Zustand in Armenien sei beklagenswerth. Weder in Folge des Berliner Vertrages, noch des Vertrages betreffend Cypern sei etwas geschehen. Behufs der Sicherung der Ausführung des Berliner Vertrages werde ein energische- Zusammengehen der Mächte für nothwendtg ge halten. Die Regierung habe deshalb ein Zirkular an die Mächte erlassen, in welchem sie vorgeschlagen habe, eine identische Note über diese Punkte an die Pforte zu richten. Sobald diese Note überreicht sei, könne die Vorlegung der Schriftstücke erfolgen. Von Seite« der Mächte seien der Regierung ermuthtgende Antworte« zugegangen. In Spanien haben alle liberalen Parteien, welche mit der monarchischen Verfassung einverstanden find, sich geeinigt, um das Ministerium Canovas zu bekämpfen. Die radikale Linke steht isolirt. Man meint aus dieser Ge staltung der parlamentarischen Gruppirung auf die Mög lichkeit eines liberalen Ministeriums schließen zu dürfen. Aus Amerika wird berichtet, daß General Grant an Aussicht zur Präsidentenwahl von Tag zu Tag verliert, während auf demokratischer Sette die Chanzen für Tilden steigen. Tagesschau. Freiberg, 22. Mat. Die dem preußischen Landtage zugegangene kirchen- politische Vorlage findet nirgends rechten Anklang. Die „Germania" weist dieselbe vom Standpunkt des Zentrum- zurück und meint, mit der Fortdauer der Maigesetze werde der Kulturkampf eine bleibende Institution. Wollte die Regierung in der That den Frieden, so müßte sie den Weg der Revision der Gesetze betreten. — Die „Nattonal-Ztg." hebt hervor, daß man das Gesetz, ehe man es kannte, als ein solches bezeichnet habe, welches der Regierung „diskre tionäre Vollmachten" erthrilt. Diese Bezeichnung trefft 32. Jahr,»,, Sonntag, de» 23. Mai. Inserate werden bi» Vormittag» 11 Uhr angenom- . men und beträgt der Prei» für die gespalten« Zeil« 1 D oder deren Raum 1S Pfennige. »o reit' erger und Tageblatt. Amtsblatt str die königlichen «md städtische« Behörden zu Freiberg und Braud. BermüworÜicher Redakteur Julius Brau« i» Freiber-.