Volltext Seite (XML)
WilbliM TagtMt Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. und Waldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt viertsljähr- lich 1 Mk. 50 Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. Sonnabends den 4. December 1880. Bekanntmachung. Nachdem sich die Nothwendigkeit herausgestellt hat, zur Anlegung von Kindergräbern demnächst wieder das in den Jahren 1860—1863 dazu benutzte Quartier des hiesigen Friedhofes zu belegen, auch bereits die bezirksärztliche Genehmigung dazu eingeholt worden ist, so wird solches mit dem Bemerken öffentlich bekannt gemacht, daß etwaige Wünsche behufs Aufrechterhaltung früherer Grabstellen binnen 8 Tagen anzumelden sind. Waldenburg, den 3. December 1880. Der Kirchenvorstand daselbst. Obrrpf Schumann. Konkursverfahren. Das Konkursverfahren über das Vermögen des Kohlenhändlers Carl Heinrich Thiele in Falken wird nach erfolgter Abhaltung des Schlußtermins hierdurch aufgehoben. Waldenburg, den 30. November 1880. Königliches Amtsgericht. Baumbach. Beglaubigt: Fiedler, Ger.-Schr. * Waldenburg, 3. December 1880. Selbsterkenntniß. Wir brachten vor einigen Tagen in Nr. 276 einige Kundgebungen der größtentheils unter jüdi schem Einflüsse stehenden Wiener Zeitungs-Presse, die zum Theil nahezu an Ungezogenheit grenzten. Ein anderes Blatt, das ebenfalls in engen Bezieh ungen zu jüdischen Kreisen stehen soll, die„NeueZüricher Zeitung," brachte jüngst einen Artikel, welcher zeigt, daß sich unter den verständigen Juden die Er- kenntniß Bahn bricht, daß eine Beruhigung nicht eher eiutreten wird, bis eine „Lösung" der schwe benden Frage gefunden ist, daß man also mit dem eigensinnigen Pochen auf die in der Verfassung hin gestellte Gleichberechtigung das, was sich in der deutschen Volksseele so mächtig regt, nicht zum Schweigen bringen wird. Wir citiren aus dem genannten Blatte, was folgt: „Gewiß ist Ihnen die alte Anecdote von dem Manne bekannt, welcher seinen Fuß auf die Quellen der Donau im Schwarzwalde setzte und dann meinte, die Wiener würden sich schön wundern, wenn nun die Donau in Wien ausblieb. Welche kindliche und kindische Ansicht ist es, zu glauben, daß ohne Herm Stöcker und ein paar andere Leute es keine „Anti semitenbewegung" geben würde. Sie ist vorhanden, und sie wird nicht ohne Weiteres verschwinden, son dern es wird sehr lange, sehr ernstlich gesucht wer den müssen, bis man eine Lösung findet. Ein Mitglied der juristischen Examinationscommission, ein entschiedener Gegner der judenfeindlichen Be strebungen, hat unlängst im vertraulichen Kreise mit- getheilt, daß 50 Procent der Examinanden und mehr Juden seien. Die vollständige Emancipation der Juden besteht seit 1869, man kann also den Zeit punkt berechnen, wann die Hälfte aller Richter Ju den sein werden, und da der Reichthum der Juden fortwährend wächst, so haben sie immer mehr die Mittel, ihre Söhne den höheren Carriören sich wid men zu lassen. Ich weiß nicht, ob andere Völ ker eine solche Erscheinung, wenn sie bei ibnen vorkäme, mit philosophischer Ruhe als etwas Unabänderliches und Unvermeid liches hinnehmen würden, aber ich bezweifle es sehr. Die verständigen, ruhigen Juden wissen selbst sehr wohl und gestehen es offen, welchen gro ßen Schaden ihnen die Hetzer und Heißsporne auf ihrer Seite thun. Wenn die halbe Million Juden in Deutschland, von denen vier Fünftel auf den Osten und die großen Städte kommen, etwas Jnstinct hätten, so hätten sie sich gehütet, die Invasion ihrer Stammgenossen in die richterliche Carriöre so augen fällig zu machen, wie es geschehen ist, aber sie ha ben sich wie echte Emporkömmlinge betragen und ihren Sieg — einen Sieg, den sie niemals aus eigener Kraft hätten erringen können, sondern den ihnen die Humanität und der liberale Geist des Zeitalters entgegengetragen — in der herausfor- dernsten Weise ausgebeutet." *Waldenburg, 3. December 1880. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Im preußischen Abgeordnetenhause wurde am 2. d. von Abg. Rickert eingebracht: „Das Haus wolle beschließen, die Erwartung auszusprechen, daß die Staatsbehörde bei Zuwendung von Inseraten nur die Zweckmäßigkeitsfrage bei Verbreitung von Bekanntmachungen, nicht aber die Parteistellung als maßgebend betrachte." Der Minister des Innern wies darauf hin, daß ein Ministerialbeschluß den Blättern die Veröffentlichung von amtlichen Annoncen versage, wenn deren Haltung die Würde der Re gierung verletze oder Verwirrung in das Volk bringe. Der Antrag wurde mit den Stimmen der Linken und des Centrums angenommen. Die „Kreuzztg." schreibt: „Nachdem jetzt acht Tage ins Land gegangen sind, seitdem der Abgeordnete Stöcker erklärte, daß unter der Gegenerklärung v. Forckenbeck-Mommsen in der Judenfrage eine nicht unbeträchtliche Anzahl von „Gründern" glänzen, ist bis heute von gegnerischer Seite überhaupt kein Versuch gemacht worben, die Namen dieser bezeich neten Gründer zu erforschen und die Mittheilung ihrer Namen (im Abgeordnetenhause) zu verlangen. Der Eifer der Fortschrittspartei, welche bei den be züglichen Aeußerungen des Abg. Stöcker lärmend und drohend im Abgeordnetenhause hervortrat, scheint sich hinterdrein sehr gemäßigt und gestillt zu haben." Die in Halle erscheinende liberale „Saalzeitung" hatte kürzlich zur „Juden frage" einen Artikel ge bracht, der in jüdischen Kreisen wenig Anklang ge funden zu haben scheint. Wie nämlich der „Reichs bote" nach einer Notiz der „Jüdischen Presse" mit- theilt, haben die Juden in Halle beschlossen, daß kein Jude in den nächsten 3 Jahren in die „Saale zeitung" inseriren dürfe. Gegen Zuwiderhan delnde wurde zugleich eine Conventionalstrafe von 150 Mk. festgesetzt. Der „Reichsbote," knüpft an diese Mittheilung folgende Bemerkung: „In ähn licher Weise haben sich die Juden in vorigen Jahre bekanntlich an der „Schlesischen Zeitung" gerächt. Solche Maßregeln sind aber — das sollten sie nicht vergessen — ein zweischneidiges Schwert, und wenn das deutsche Volk Gleiches mit Gleichem vergelten und mit allen Juden seinerseits auch den Geschäfts verkehr abbrechen wollte, dann dürften die Juden das wohl schmerzlich empfinden. Die Juden aber müßten sich sagen, daß sie dazu herausgefordert haben." Wenn sich alle Christen zusammenthun und sich gegenseitig verpflichten, bei keinem Juden, der nur einmal einen Christen mit seinen Verkaufsar tikeln angeschmiert hat, je wieder etwas zu kaufen, wird die Judenfrage bald auf einfachste und prak tischste Weise gelöst sein. Frankreich. Die Deputirtenkammer hat das Gesetz betreffend die absolute Unentgeltlichkeit des Unterrichts, nach dem Regierungsentwurf genehmigt. Die Ge meinden haben die Schulkosten allein aufzubringen und der Staat kommt ihnen erst dann zu Hilfe, wenn sie vazu ganz außer Stande sind. In der Kammer wurde eine Interpellation be- rathen, welche sich gegen die Flottendemonsträ- tion und gegen die türkenfeindliche Politik aussprach und die egoistische Politik als die allein vernünftige bezeichnete. Minister Barthelemy erklärte, die Regierung wolle den Frieden. Die Flottendemon stration behielt stets den Charakter einer moralischen Kundgebung und die Aufrechterhaltung des europäi schen Concerts unter der Theilnahme Frankreichs sei die beste Friedensgarantie. Alle Bemühungen würden in dieser Richtung geltend gemacht werden. England ergriff die Initiative zum Congreß, Frank reich war stets der Anwendung von Gewalt abge neigt. Europa forderte Griechenland auf, keinen Kampf zu beginnen, der Congreß machte Europa zum Vermittler zwischen Griechenland und der Türkei. Die Politik der Regierung werde für den Frieden sein und für die Aufrechterhaltung des europäischen Concerts. Die Tagesordnung zu Gunsten der Negierung wurde mrt 307 gegen 107 Stimmen angenommen. England. Eine in London unter Vorsitz des Lord Rosebery abgehaltene Versammlung sprach sich in einer Re solution für sofortige Lösung der griechischen Frage auf Grundlage der Beschlüsse der Berliner Conferenz aus. Zugleich ward in der Resolution der Sympathie der Versammlung für die Griechen in Thessalien und Epirus, den König und das Volk der Hellenen Ausdruck gegeben und erklärt, daß die Action der Mächte die Leiden der Bevölkerung von Thessalien und Epirus vermehrt hätte unv der Friede nicht eher gesichert sein werde, als bis die Nordgrenze Griechenlands geregelt sein werde. Rußland. Ein russisches Blatt, die „Ssowrem. Jswest.," bespricht das Verschwinden eines Capitalsvon 274,677 Rbl. 74 Kop., welches im Jahre 1832 von der Moskauer Kaufmannschaft aufgebracht wor- ; den war zum „Ankauf von Getreide und Brot für s die Armen in Hungerjahren." Dieses Capital, wel- ches jetzt bedeutend angewachsen sein müßte und in > der gegenwärtig in Rußland herrschenden Theuerung sehr zu Statten kommen würde, ist spurlos ver schwunden. Türkei. Alle Mächte haben der Pforte ihre Befriedigung über die Lösung der Dulcignofrage ausdrücken lassen. Der Fürst von Montenegro richtete ein Telegramm an den Sultan mit dem Ausdruck der Anerkennung für die Art, in welcher die Cession durchgeführl wor den und der Hoffnung, daß fortan zwischen Leiden Staaten ein freundliches Einvernehmen herrschen werde.