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Schönburger Tageblatt Amtsblatt sm den Mdlrath zu WMndmg. 1887 183 Freitag, dcu 6. Mai Filialen: in Altstadtwaidenburg bei Herrn Kaufmann Max Lisbezeit; in Penig bei Herrn Kaufmann Rob. Härtig, Mandelgaffe; in Rochsburg bei Herrn Buchhalter Fauth; in Lunzenau bei Hrn. Buchhdlr. E. Dietze; in Wechselburg bei Herrn Schmied Weber; in Lichtenstein b. Hrn.Buchh. I. Wehrmann. Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Annahme von Jnferaten für die nächster-- scheinsnde Nummer bis nachmittags 2 Uhr. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich L Mk. 25 Pf. Jnferate pro Zeile 10 Pf., Eingef. 20 Pf. Expedition: Waldenburg, Kirchgasse 255. Zugleich weit verbreitet in den Städten Penig, Lunzenau, Lichtenstein-Calluberg und in den Ortschaften der nachstehenden Standesamtsbezirke: Altstadt-Waldenburg, Bräunsdorf, Callenberg, St. Egidien, Ehrenhain, Frohnsdorf, Falken, Grumbach, Kaufungen, Langenchursdorf, Langen leuba-Niederhain, Langenleuba-Oberhain, Niederwiera, Obergräfenhain, Oberwiera, Oberwinkel, Oelsnitz i. E., Reichenbach, Remse, Rochsburg, Rußdorf, Schlagwitz, Schwaben, Steinbach, Wechselburg, Wiederau, Wolkenburg und Ziegelheim. und Waldenburger Anzeiger Witterungsaussichteu für den 6. Mai: Bei nach Nord drehenden Winden abnehmende Bewölkung ohne erhebliche Niederschläge; etwas kühlere Temperatur. "Waldenburg, 5. Mai 1887. Der internationale Wettbewerb auf industriellem Gebiete hat in den letzten fünfzehn bis zwanzig Jahren einen Höhepunkt erreicht, von dem man annehmen sollte, er könnte nicht ferner gesteigert werden. Die Periode des Dampfes hat ihren Glanzpunkt bereits überschritten; König Dampf ist nicht mehr der un umschränkte und unanfechtbare Herrscher, der winzige elektrische Funke hat bereits begonnen, ernsthaft den Kampf mit ihm aufzunehmen. Und wer weiß, nach dreißig oder fünfzig Jahren wird man unsere heutigen technischen und maschinellen Einrichtungen, mit denen so Gewaltiges geleistet wird, vielleicht als ganz alt väterisch und altes Eisen bezeichnen. Und der Urheber solcher Revolutionen ist nur der menschliche Geist; mag sonst Alles iin selben Kreislauf verharren und unverändert bleiben, die Forschung rastet nicht; sie arbeitet unermüdet weiter und ersetzt Vollkommenes durch Vollkommeneres, verbilligt und verbessert alle industriellen Producte und erleichtert damit die Lebens- bedingungen. Denn was würden alle die Gegner gei stiger Regsamkeit und der Maschinenkraft wohl sagen, wenn sie die vielfachen Producte, welche das tägliche Leben erfordert, nach früheren Preisen, welche aus der erschwerten Herstellung entsprangen, bezahlen sollten? Da wäre des Klagens kein Ende. Manche Behaglich keit müßte aus deu Wohnungen der minder bemittelten Klassen schwinden, ein Zustand würde hervorgerufen, der der verwöhnten heutigen Menschheit unerträglich sein würde. Die Grundlage der modernen Arbeit ist nicht die Handarbeit, sondern die geistige Arbeit, die Kopfarbeit. Wenn deshalb die socialdemokratische Lehre die Arbeiter als die alleinige Macht bezeichnet, welche dem Arbeit geber „Schätze sammelt", so ist diese Ansicht so falsch, wie nur möglich. Strengte der Arbeitgeber nicht Kopf und Kapital an, iso säßen die Arbeiter auf dem Trockenen. Ein guter Arbeiter ist Goldes werth, aber nicht er ist der Bürge für den Erfolg, sondern der Kopf und die Tüchtigkeit seines Arbeitgebers. Trennt die Hand vom Körper, und sie ist ein todtes Glied. Der Kopf arbeitet aber auch ohne die Hand weiter und sucht Ersatzmittel für das verlorene Glied. Daraus folgt, wenn sich die Arbeiter von den Arbeitgebern lossagten, so würden eher sie zu Grunde gehen, als jene. Die Handarbeit ist heute zum wesentlichen Theile durch die so hart bekämpfte Maschinenarbeit ersetzt, und immer neue, größere Vervollkommnungen erfahren diese eisernen Künstler. Sie sind aber, wie Eingangs schon gesagt, kein Nachtheil für die Menschheit, sondern ein Segen. Zunächst verbilligen sie sehr viele Pro ducte. Dann stehlen sie auch nicht den Menschen die Arbeit, Maschinenarbeit und Menschenarbeit ergänzt sich im Gegentheil. Die Maschinenarbeit richtet sehr viel vor, was der weiteren Behandlung durch die Menschenhand bedarf. Sie schafft die Massenproduc- tion, die massenhaft Arbeiter beschäftigt, und welche zur Voraussetzung billigere Preise hat. Bei billigen Preisen steigt der Consum aber ganz gewaltig, damit Production und Gelegenheit zum Verdienst. Verkannt soll und darf es nicht werden, daß die Maschine auch auf einzelne Handbetriebe einen tödt- lichen Einfluß ausgeübt hat. Das ist traurig und zu beklagen, aber auch ohne die Einführung von Maschinen wäre im gewerblichen Leben der Satz bestehen geblie ben: Das Große ist der natürliche Feind des Kleinen. Und die Maschine stellt sich doch ebenso gut in den Dienst des Kleinen, wie des Großen. Um nur ein Bild aus dem alltäglichen Leben anzuführen: Mit wie mißtrauischen Augen wurde die Nähmaschine bei ihrem Auftauchen beobachtet? Heute nährt und hilft sie Millionen. Man sage nicht, ohne Maschinen würde die Arbeit besser bezahlt. Theure Preise mindern den Absatz, geringe erhöhen ihn, und wer will endlich ge gen den Strom schwimmen? Alle Culturvölker der Erde sind auf's Eifrigste in diesem friedlichen Kampfe thätig, sie strengen die höchsten Geisteskräfte an, durch Schaffung gediegenerer Hilfsmittel immer wohlfeiler produciren zu können und damit den Absatz zu ver mehren. Deutschland nimmt in diesem Kampf der Geister einen hohen Rang ein, und im Allgemeinen können wir getrost sagen, wir sind unseren französischen und englischen Concurrcnten völlig gewachsen. Und das wird mehr und mehr eingesehen, immer mehr wendet sich die Kauflust deutschen Artikeln zu und weist französische und englische Fabrikate ab. Auf diesem Weg muß ständig fortgeschritten werden. Allerdings, wo viel Licht, ist auch viel Schatten, und an letzterem fehlt es auch in unserem industriellen Leben nicht. Aber es ist bei uns doch schon wirksam begonnen, diese Schatten zu vertreiben; und wenn auch nicht alle Wünsche erfüllt werden können, das Schlimmste kann doch beseitigt werden. Und, was die Haupt sache: Unsere Zeit öffnet tüchtigen Köpfen stets Aus sicht auf bessere Tage. Dahin soll man arbeiten. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Der Kaiser nahm am Mittwoch, dem preußischen Bußtage, eine Reihe von Vorträgen entgegen, in der Hauptsache verlief im Palais der Tag in der üblichen stillen Weise. Nachdem die Budgetcommission des Reichstags den Nachtragsetat einstimmig genehmigt hat, kann vor ausgesetzt werden, daß die zweite und dritte Lesung im Plenum sehr schnell und glatt vor sich gehen wird. Die Commission hat eine Geheimhaltung geübt, wie sie in solchem Umfange wohl noch nie beansprucht und gewährt worden ist. Ueber die Frage des Ausbaues der Festungen hat nur ein Mitglied, der Referent Freiherr v. Hüne, nähere vertrauliche Mitthei- lungen erhalten; die Commission mußte also seine Darlegungen auf Treu und Glauben hinnehmen. Es ist wohl noch nicht dagewesen, daß auf die Versiche rung eines einzigen Abgeordneten hin, er habe die Ueberzeugung gewonnen, daß die Hergabe von 29'/2 und späteren weiteren 85'/s Millionen für die Festun gen nothwendig fei, eine aus den verschiedensten Par teien zusammengesetzte Commission ohne langes Besin nen ihre Bewilligung ausspricht. 8 In einem Artikel „Warum Krieg?" erörtert die „Kreuzztg." die Frage, warum Frankreich und mit ihm Rußland den Krieg wolle, und betont in dem selben, daß die Franzosen den Tag, an welchem sie mit ihren Vorbereitungen fertig sein und zugleich einen auswärtigen mächtigen Verbündeten haben werden, jetzt oder bald für gekommen erachten; der Verbündete sei nach ihrer Hoffnung Rußland, und wir werden darum diesen Krieg vermuthlich schon in den nächsten Monaten haben. Das preußische Kriegsministerium hat soeben eine Preisbewerbung für das neue Modell eines Armee sattels ausgeschrieben. Der erste Preis beträgt 6000, der zweite 3000 Mark. Der Metzer Correspondent der „Wes.-Ztg." schreibt: „Ein bei den zahllosen Berichten über den „Fall Schnebele" ganz außer Acht gelassener Umstand ist der, daß die französischen Special-Polizeicom mis sare nicht wie die übrigen Polizeiorgane des Departe ment dem Präfecten unterstellt sind, sondern direct dem Ministerium des Innern angehören und eine ihrer hauptsächlichen dienstlichen Angelegenheiten darin besteht, alles politisch irgendwie wissenswerth Erscheinende ihrem Chef zu berichten. Dieser hier bereits längst bekannte Umstand ist durch die hiesige Untersuchung festgestellt worden und hat wohl auch nur festgestellt werdm sollen. Solcher Specialcommissare befinden sich an der elsaß-lothringischen Grenze drei: zu Pagny, Avri- court und Belfort. Gegen alle drei liegen die selben Anklagen vor, und es soll ganz einerlei ge wesen sein, wen die Verhaftung traf; denn es handelte sich nur um Feststellung der Thatsache, daß die fran zösische Regierung an der Grenze systematisch und gewissermaßen officielle Spionage treiben lasse. Es wird als ganz bestimmt versichert, daß Schnebele nur aus der Haft entlasten sei, weil thatsächlich formelle Fehler bei der Verhaftung vorgekommen sein könnten, der Haftbefehl aber dessen ungeachtet nicht aufgehoben ist, und ein abermaliges Betreten auf deutschem Boden sofort die Einleitung einer neuen Untersuchung zur Folge haben würde. Aehnlich sollen die Sachen in Avricourt und Belfort liegen, wie uns aus zuver lässiger Quelle versichert wird." Oesterreich-Ungarn. In Wien sind Berichte eingelaufen, daß in Bos nien und in der Herzegowina eine starke mon tenegrinische Agitation stattfindet. Die Montene griner Hetzen ganz offen gegen Oesterreich. Es ist in Wien längst bekannt, daß für die Ruhe der neuen Landestheile weniger von türkischer Seite, als gerade von Seiten dieser Agitatoren Gefahr droht. Es soll deshalb in Zukunft ganz energisch vorgegangen werden. In Montenegro werden entschiedene Reclamationen erhoben, diesem Unwesen endlich ein Ziel zu setzen, das nur mit stillschweigender Bewilligung der montene grinischen Regierung gedeihen kann. Dänemark. Die Befestigung Kopenhagens von der Land seite wird trotz der abgelehnten Anträge zu diesem Zwecke von der Regierung energisch gefördert. Den Kanal, welcher außerhalb der nördlichen Befestigungs linie liegen soll, hofft man bis zum 1. Mai k. I. vollständig hergestellt zu haben. Um die ausgegrabe nen Erdmassen weiter zu befördern, sind 9 Locomo- bilen in constanter Wirksamkeit. Die Eisenlieferungen für die Forts, namentlich für das große Fort auf dem Garderhügel, sind (zum großen Theil aus Eng land) bereits eingegangen. Frankreich. Die mit großer Spannung erwartete Lohengrin- Aufführung hat der Patriotenliga wieder zu einigen Skandalen vor dem Edentheater, in welchem die Vorstellung stattfand, Gelegenheit gegeben. 150 Per sonen etwa hatten sich eingefunden, welche pfiffen oder „nieder mit Wagner", „nieder mit Lamoureux" (La moureux ist der Theaterdirector), „es lebe Frankreich" riefen oder die Marseillaise anstimmten. Als sich gegen 10 Uhr abends die Menge trotz des eingetretenen Regens zu vermehren schien und der Lärm zunahm, räumte die Polizei die Theaterzugänge von den Tu multuanten und nahm mehrere Verhaftungen vor. Später gab es noch verschiedene Male Lärm, doch war die Polizei stets sofort zur Stelle. Die Vor stellung selbst verlief ohne jeden Zwischenfall, Director