Volltext Seite (XML)
Sonntag. Str. 224. 24. September 1854 Di» Zeitung erscheint mit Uulu ahm« de« Montag« täglich und wird Nachmittag« 4 Nhr an«- gegeben. für da« Sirrtet- sähe 1'/, Thlr.r jede ein- jelue Rümmer 2 Rgr. DMA Mgemeine ZcitMg. » Wahrheit oud Recht, Freiheit und Erseh I ° Zu beziehen durch alle Postämter de« In» uut Äu«laude«, sowie durch dir iSrpeditiou in Leipzig (Querstraße Rr. 8). L«sertton«,edüh» für den Raum einer Zeil, 2 Ngr. Deutschland. Preußen, t Berlin, 22. Sept. Vorgestern fand eine Sitzung deS GesammlstaatSministeriumS statt, welcher auch der König bei wohnte. Ueber die Verhandlungen in dieser Sitzung ist noch nichts Nä- Here- bekannt. Bei den gegenwärtig so eifrig fortgeführten Unterhandlun gen mit Oesterreich in Betreff einer Vereinbarung der beiden deutschen Groß- Mächte wegen der dem Bundestage zu machenden Vorlage und wegen neuer Friedensvorschläge in der orientalischen Streitfrage dürften in dieser Sitzung de» GesammtstaatSministeriums sehr wichtige Gegenstände zur Sprache ge kommen sein. Bevor eine Verständigung zwischen Preußen und Oesterreich erreicht ist, wird die vielbesprochene Beschlußfassung der Bundesversamm lung, wie man mit Bestimmtheit hört, nicht statthaben. Die zum Zweck der Einigung gepflogenen Unterhandlungen sollen noch nicht zu einem auf beiden Seiten so zufriedenstellenden Ergebnisse geführt haben, wie es in eini- gen Blättern dargestcllt wird. An die hiesige Anwesenheit des diesseitigen Bundestagsgesandten, Hrn. v. Bismark-Schönhausen, knüpfen sich Gerüchte aller Art, die indessen als unbegründet bezeichnet werden. Wenn sich auch das bekannte Gerücht wegen Aenderungen im Ministerium, welches bei der jedesmaligen Anwesenheit des Hrn. v. Bismark-Schönhausen in Berlin her vortritt, diesmal wiederholt, so wird dies kaum beachtet. Großes Aufsehen hat ein Artikel der Kasseler Zeitung hier erregt, worin dieselbe sich für die Nothwendigkeit einer activen Betheiligung Deutschlands bei der Ausglei chung der orientalischen Verwickelungen ausspricht. Mit Rücksicht auf die spätere Beschlußfassung der Bundesversammlung in der orientalischen An gelegenheit wird dieser Artikel, der namentlich in den hiesigen ruffenfreund- lichen Kreisen stark angefochten wird, vielfach besprochen. — Die Zurückreise deS bisherigen hiesigen österreichischen Militärbevollmächtigten, Generalmajors v. Mayrhofer, nach Wien möchte für die Beurtheilung des gegenwärtigen Standes der Verhandlungen zwischen Preußen und Oester reich über die Erweiterung des Schutz- und Trutzbündnisses vom 20. April al« belangreich zu erachten sein. Die Erklärung der preußischen Regierung, daß der Zusatzartikel zum Art. ll des Schutz- und Truhbündniffes durch die Räumung der Donaufürstenthümer von den russischen Truppen erloschen sei, dürfte durch die Abreise des österreichischen Militärbevollmächtigten, dessen Sendung es eben war, im Namen Oesterreichs mit Preußen die nähern militärischen Feststellungen auf Grundlage des Zusatzartikels zum Art. II des Schutz- und Truhbündnisses zu vereinbaren, nun auch thatsächlich bestätigt werden.— Die Nachricht, daß das Fürstenthum Monaco an die Ver einigten Staaten Nordamerikas verkauft worden sei, beschäftigt die hiesigen politischen Kreise in hohem Grade. Nach den Andeutungen in den hiesigen diplomatischen Kreisen liegt eine amtliche Bestätigung dieser Angabe noch nicht vor. Die Befürchtungen, daß, falls das Fürstenthum Monaco wirk lich in den Besitz der nordamerikanischen Staaten übergehen sollte, die Re volutionäre aller Länder durch eine Festsetzung der Vereinigten Staaten Nordamerikas in Italien einen sichern Anhaltepunkt erhalten würden, werden von Männern, welche mit den Dingen in Nordamerika genau vertraut sind, in Abrede gestellt. Erstens habe die nordamerikanische Regierung in Ame rika selbst eine solche Sendung zu erfüllen, daß sie sich in die europäischen Angelegenheiten wenig mischen könne, und zweitens würde es mit der Würde und der Richtung der nordamerikanischen Regierung nicht vereinbar sein, ich die stete Beunruhigung der Staaten Europas durch unmittelbare Be- chützung der dortigen Revolutionäre zum förmlichen Ziel zu setzen und sich n eine unabsehbare Reihe von Unannehmlichkeiten zu stürzen. In keinem Lande würden die europäischen Revolutionäre gründlicher geheilt als in Nord amerika, das sek nicht aus dem Auge zu verlieren. — Aus Frankfurt a. M. vom 20. Sept, läßt sich die Kasseler Zeitung schreiben: „Wenn es noch vor einigen Tagen zweifelhaft erschien, ob Preußen, von der Voraussetzung ausgehend, daß mit dem russischen Rück- zug hinter den Pruth der Vertrag vom 20. April abfällig geworden, ein ferneres Zusammenhalten mit Oesterreich bethätigen zu wollen geneigt sei, so können wir jetzt die freudige Thatsache constatiren, daß preußischer- feitS in Wien eine Erklärung abgegeben worden ist, welche die vollkom- inenste Beruhigung gewährt. Preußen erkennt von neuem an, wie wün- schenSwerth es sei, daß der Friede auf Grund der vier Garantienfodcrungen angestrebt werde, es selbst wolle die Annahme der vier Punkte mit seinem moralischen Einfluß unterstützen. Zu gleicher Zeit hat das berliner Cabinet feine Bereitwilligkeit zu erkennen gegeben, Oesterreich, insofern dasselbe gegen Nußland nicht agrefsiv verfahre und in kriegerischer Weise die russische Grenze überschreite, in der Behauptung der Donausürstenthümer gegen jedweden russischen Angriff mit der ganzen preußischen Wehrkraft zu unterstützen. Da nun die österreichische Regierung hierin diejenige Gewähr findet, die es aus dem Aprilvertrag abzuleiten sich für berechtigt hielt, so Hal dasselbe an dir übrigen deutschen Regierungen das Ansinnen gestellt, daß dieselben ihre BundeStagSgesandten dahin instruiren möchten, bei Gelegenheit der in der Bundesversammlung zur Berathung kommenden russischen Ablehnung und der darauf bezüglichen österreichischen Noten, sich sowol mit dem österreichi- schen Verfahren als auch mit der nach Wien übermittelten preußischen Auf- fassung übereinstimmend zu erklären." — Aus Ratibor vom 20. Sept, berichtet die Breslauer Zeitung: „Ge stern Abend ging per Güterzug ein Transport von circa 6000 Centnern Munition von Wien hier durch nach Krakau. Morgen soll wieder ein Transport österreichisches Militär per Extrazug nach Krakau durchkommrn." "Aus der Provinz Sachsen, 22. Sept. Vor dem KrciSgericht zu Halle wurde am 15. Sept, eine Anklage wegen versuchten Giftmords verhandelt, die deshalb bedeutungsvoll ist, weil sie gegen einen 14jährigen Knaben gerichtet war, der, um aus der Lehre zu entkommen, seinen Mei ster mit seiner Familie dadurch zu vergiften versuchte, daß er PhoSphor- latwerge, die zur Vertilgung von Ungeziefer bestimmt war, von dem damit bestrichenen Brote abschabte und in die gewöhnlich von der Familie benutzte Kaffeekanne und Bierflasche that. Durch zeitige Entdeckung blieb der Ver such ohne Erfolg. Der Gerichtshof verurtheilte den Knaben zu einer sechs jährigen Gefängnißstrafe. Kurhessen. Ein Correspondenl des Hannoverschen Tageblatt berich tet unterm 18. Sept., er sei Augenzeuge gewesen, wie zwei Tage vorher die Spielbank zu Nenndorf (dem kurhessischen Badeort) aufgehoben und das Hazardspiel dort gänzlich verboten sei. Zn der That traf am 16. Sept., während des Roulettespiels, ein Schreiben der Regierung aus Kassel ein, infolge dessen beide Banken sofort versiegelt wurden. Ueber dir Ursachen wird abweichend berichtet. Thüringische Staaten. *Aus Schwarzburg-Rudolstadt, 21. Sept. Unser Kirchcnrath hat sich jetzt in wahrhaft fürsorgcnder Weise der aus den Strafanstalten Entlassenen angenommen und zu diesem Zweck den Kirchen- und Schulvorständen angelegentlichst empfohlen, dahin mit» zuwirken, daß die Art und Weise der Beschäftigung solcher Unglücklichen, sowie der Mittel, sich ihren Unterhalt zu verschaffen, beobachtet werden; daß ihnen zu rechtlichem Erwerb und lohnender Beschäftigung aller nur mög liche Vorschub geleistet, und namentlich von Denen, welche durch ihren Le benswandel zu erkennen geben, daß es ihnen mit der Besserung Ernst ist, der Spott und die Verachtung ihrer Nebcnmenschcn ferngehalten werde. Jngleichen ist von jener Behörde Anordnung getroffen worden, daß bei Ein lieferung von Sträflingen von den bisherigen Geistlichen derselben behufs weitern seelsorgerlichen Einwirkcns Erkundigungen über deren seitheriges Le ben eingezogen werden, sowie umgekehrt, daß zu gleichem Zweck in die An zeigen, welche die Direktionen der Strafanstalten über die Entlassenen zu machen haben, die nöthigen Notizen von den Seelsorgern jener Anstalten eingetragen werden. Freie Städte. X Frankfurt a. M., 21. Sept. Die Messe zu Ende, der Bundestag in gezwungenen Ferien fortfahrend, bei Hattersheim nassauische Truppen in Feldübung, der Circus von Renz überfüllt, sodaß das Theater desto leerer ist, die Cholera mit ziemlich keckem Finger an un serm gepriesenen Gesundheitszustand herumlastend und endlich, die Pauls» kirche wieder geöffnet, um zwar kein Parlament, aber doch die mehr als 700 Theilnehmer am morgen beginnenden siebenten „deutschen evange lischen Kirchentage" aufzunehmen. Es ist wahrlich Jntercssestoffgenug für unsere gute Stadt. Seitdem die geistlichen Herren unsere Straßen be völkern, ist der Kirchentag wirklich ein Interesse. Bis dahin war er es nicht, und von Sympathie hört man noch heute nichts. Vielmehr lächelt man allerwärts, daß eine berliner Kirchenzeitung die vom bremer Tage her be rufene Richtung soeben scharf einschneidend beleuchtet hat. Auch fanden sich nur wenige Freiwillige zur gastlichen Aufnahme der Kirchenmänner; man entledigte sich der Hospitalen Rücksichten lieber durch Geldspenden, wo für der größte Theil der Gäste in Gasthäusern untergebracht wird. Ja man hört es vielfach tadeln, daß gerade die „Gothaer" sich beeiferten, die Vor bereitungen für den Kirchentag zu treffen; man meint, sie hätten es spe- ciell den Leuten seiner Richtung überlassen sollen, die bei uns noch nicht ausgestorben sind. Natürlich will aber doch Zeder die vielgenannten Kir chenmänner debattiren hören. Darum ist das Verlangen nach Eintritts karten stark genug; allein „Mitgliedkarten" werden nicht gelöst, ob auch daö Comitö sie freigebig anbietet, ob sie auch einen bessern Platz sichern; denn der Name des Empfängers würde dann als der eines Kirchentagsmitglieds figuriren. Und allerwärts herrscht entschiedene Scheu dagegen, dem Ver- dachte der Zugehörigkeit zur hier vertretenen Richtung zu verfallen. Dies sind die Symptome der weitaus vorherrschenden Stimmung. Aber auch Leute, welche nicht nach Stimmungen urtheilen, begrüßen den Kirchentag, in Erinnerung, an seine bremer Antecedentien, mit großen Zweifeln. Gc-