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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumerniirn» Preis 22 j Sitdergr. <5 Tdlr.) vierteliödrlich, Z Tdlr. für dar ganze Jaör, odne Eröödung, in allen Ttiellm der Preußischen Monarchie. Magazi n für die Man pränumerirt auf diese- Literatur- Blatt in Berlin in der Expedition der Attg. Pr. Staats ^Zeitung (Friedrich-» Straße Nr. 72): in der Provinz so wie in» Auslände bei den.Wohllöbl. PoN- Aemtern. Literatur des Auslandes. 97. Berlin, Montag den »5. August 1842. Griechenland. Griechenlands heutige Zustände. Kürzlich ist in London unter dem Titel: „6reece llerUceä aml Skercsies in I^ovver Lg^pt" eine Reisebcschreibung erschienen, welche einen gewissen Herrn Garston zum Verfasser hat, der früher in den Reihen der Philhellenen für die Unabhängigkeit Griechenlands kämpfte und jetzt den Schauplatz seiner kriegerischen Thaten zum zweitenmal besucht, wobei ihn die Schilderung des heutigen Zustandes dieser Gegenden zu anziehenden Erinnerungen au die Ver gangenheit veranlaßt. Er fand, daß große Veränderungen vorgesallen waren, seitdem das Kreuz einen entscheidenden Sieg über den Halbmond davon getragen und Europäische Kultur die Asiatische Barbarei verdrängt hatte. So beschreibt er den Piräeus folgendermaßen: „Obgleich das, was ich in Patras gesehen, mich zum Theil auf die zu erwartende Veränderung vorbereiter hatte, so verfehlte doch der Kontrast, den der gegenwärtige Anblick des Piräeus in Vergleich mit dem Zustande desselben >m Jahr 1826 darbot, nicht, einen lebhaften Eindruck auf mich hervorzu bringen. Als ich mich zu jener Zeit hier aufhielt, waren am User keine an dere Gebäude als ein halbversallenes Kloster und einige elende Hütten zu bemerken, und im Hafen ankerten nur wenige Kalken und Mistiks. Jetzt ist der Hafen nicht nur von kleineren Fahrzeugen und fremden Kauffahrteischiffen angcfüllt, sondern es liegen hier auch Kriegsschiffe fast aller Europäischen Mächte vor Anker, und am Ufer erheben sich schöne Häuserreihen, welche eine Stabt von nicht unbedeutender Ausdehnung bilden. Au der Stelle einer von Ruinen bedeckten menschenleeren Einöde erblickte ich einen Schauplatz der Thätigkeit und des Wohlstandes, wo Seeleute verschiedener Nationen sich in der Mitte einer zahlreichen geschäftigen Bevölkerung bewegten. Die Quaran- taine-Anstalt das Zollhaus fäoAiins), die Kaffeehäuser, Vic am Landungsplätze haltenden Equipagen bildeten einen so starken Gegensatz zu dem Orte, wo ich als Kranker Mühe hatte, ein Dach zu finden, welches mich vor dem Regen schützen konnte, daß im ersten Augenblicke mir Alles wie ein Traum vorkam. Ich würde es auch gewiß für einen Traum erklärt haben, wenn man mir vor vierzehn Jahren gesagt hätte, daß ich eines Tages im Piräeus eine bequeme Britschka miethcn würde, um mich nach Athen zu be fördern, und daß mich ein im Albanefischcn Kostüm gekleideter Kutscher nach jener Stadt fahren würde. Nichtsdestoweniger trug sich beides gestern Abend zu, und ich muß gestehen, daß es kein unangenehmer Kontrast war, einen Weg in schnellem Trabe auf einer trefflichen Chaussee zurückzulcgcn, den man damals sogar zu Pferde nur mit Vorficht pasfiren konnte." Ucbcr die Denkmäler des klassischen AlterihumS in Athen bemerkt Herr Garston: „An den Mauern und Säulen des Theseions sieht man noch die Spuren der Kanonenkugeln, die man gewöhnlich den Versuchen der Türken zuschreibt, es muthwilliger Weise zu zerstören. Ich würde jedoch eher glauben, daß diese sowohl, wie die ähnlichen an den Säulen des Olympicons bemerkten Spuren, von den Zufälligkeiten des Krieges in den vielen Kämpfen hcrrührcn, die zu verschiedenen Zeiten um den Besitz der Festung stattfandcn. Das gemauerte Fundament, auf welchem der Tempel des Jupiter errichtet ist, und der Erdhügel, auf dem das Theseion steht, mögen als Punkte gewählt worben seyn, von wo aus man den Zugang zur Stadt in mehreren Richtungen vertheidigen konnte. Auf beiden Denkmälern sind die Wirkungen eines mächtigeren Zerstörungs mittels zu erkennen, als der Mensch anzuwcnden vermag — die eines Erd bebens oder einer Reihe von Erdstößen. Die Blöcke, auS welchen die Säulen zusammengefügt sind, scheinen nämlich an einigen Stellen so weit verschoben, daß der senkrechte Abriß der Säulen in eine zackige, unregelmäßige Linie ver wandelt wird; viele Blöcke sind auch mehr oder weniger umgedreht worden, so daß die Fugen nicht mehr in die Höhlungen hineinpasseu. Dieses ist weit mehr an den Säulen des Theseions wahrzunehmen, als an denen des Olympicons, und kann in beiden nur durch eine Erderschütterung hcrvorgcbracht worden seyn." Der Verfasser übernimmt auch die Vertheidigiiug der klassischen Dichter, die uns so viele schöne Beschreibungen des JlissuS hinterlassen haben, obgleich dieser Fluß jetzt nur durch gänzlichen Wassermangel ausgezeichnet ist. Mau kann sie, wie er sagt, nicht dafür zur Verantwortung ziehen, wenn der Strom, an dessen Ufer sie zu wandern und dessen erquickende Kühlung sie zu besingen liebten, entweder zum Vortheil des Ackerbaus aus seinem heimatlichen Bette verlockt oder durch eine Naturzerrüttung daraus verscheucht wurde. Die Felsen zeigen noch immer die Spuren mächtiger Wassersiuthen, die einst über sie hinströmten. Die Skizzen enthalten viele Einzelnheiten, die sich auf die Ereignisse des Revolutions-Krieges und die vornehmsten handelnden Personen jenes Zeit raums beziehen; so z. B. über den Fürsten Maurokordato: „Als im Jahr 1825 die Kriegsbrigg des Sachturis, deren Kommando Tsamavos übernommen hatte, sich so tapfer aus dem Hafen von Navarin durch die Türkische Flotte schlug, befand sich der Fürst Maurokordato am Bord, und auf seinen Vorschlag entschloß man sich, das Fahrzeug in die Luft zu sprengen, wenn die Türken sich seiner bemächtigen würden. Ihm wurde das Amt an vertraut, die Pulverkammer nöthigeufalls anzuzünden. Die Türken versuchten mehrere Male zu entern, wurden aber glücklicherweise mit großem Verlust zurückgetrieben. Unterdessen saß der Fürst am Eingänge der Pulverkammer, wo er, eine Pistole in der Hand, die SchicksalSkuude abwartete. Seine Feinde geben vor, daß er sich nur deswegen zur Ucbernahmc dieses Amtes erboten habe, um den ihm auf dem Verdecke drohenden Gefahren zu entgehen; aber ohne auf die schauderhafte Natur des Amtes selbst Rücksicht zu nehmen, wel cher durch die Ungewißheit, in der er bleiben mußte, seinen Muth auf eine weit härtere Probe stellte, als das Getümmel des Kampfes, so genügt schon der thätige Antheil, den er an den Kriegs-Operationen in den ersten Jahren der Revolution, sowohl in der Morca als im nördlichen Griechenland, nahm, ihn vor einer so seltsamen Anklage zu rechtfertigen." Die Einwohner von Hydra spielten im Revolutions-Kriege eine ausge zeichnete Rolle, indem sie als kühne Seeleute wichtige Dienste leisteten und bei mehr als einer Gelegenheit allgemeinen Schrecken unter den Feinden verbrei teten. Dieses geschah hauptsächlich vermittelst ihrer Brander, deren Wirksam- keil auf folgende Art beschrieben wird: „Der Raum des Fahrzeugs wurde mit Brennstoff von jeder möglichen Gattung angefüllt; unter die Luken wurde eine gewisse Quantität Pulver ge legt und mit einem Leitfeucr von schnellbrenncnden Lunten verbunden, welche in Röhren an jeder Seite des Schiffes angebracht waren und deren Ocffnun- gen man nach außen mit Pflöcken verstopfte. Man bemühte sich, das dem Untergang geweihte Fahrzeug dem Feinde so nahe, wie nur irgend thunlich war, zu bringen; sobalo aber das Feuer der Türken der Mannschaft nicht länger gestattete, sich auf kein Verdecke anfzuhalten, bestieg sie das Boot, welches im Schlepptau au der am wenigsten gefährdeten Seite des Branders lag. Der Capitain blieb indeß auf seinem Posten am Steuerruder, bis der Augenblick gekommen war, den Brander anzuzünden. Er befestigte alsdann das Ruder, eilte zu seinen Gefährten ins Boot und steckte das Leitfeuer an, worauf man alle Kräfte anwandte, um den feindlichen Kugeln zu entgehen und außer dem Bereiche der Erplosion zu kommen. Das Feuer verbreitete sich längs den Röhren, die Luken wurden in die Luft gesprengt, und der Brander glich vor der Erplosion einer Masse Flammen. So groß auch der Schrecken war, den die Annäherung dieser Fahrzeuge den Türken cinflößtc, so war doch die Ausführung solcher Wagestücke mit keiner geringen Gefahr verknüpft, und man muß den Hcldcnmuth bcwuudern, den die Hydrioten dabei an den Tag legten; viele der kühnsten, unter diesen Kanaris selbst, entgingen jedoch glücklich dem Tode, dem sie sich zu wiederholten Malen mit so vieler Aufopferung ausgesetzt hatten." Nachdem der Verfasser Griechenland verlassen hatte, besuchte er Aegypten und liefert einige bcmerk.mswertbe Notizen über die Nil-Länder. Selbst am Rande der Wüste hatten durch die von Ibrahim-Pascha auf den Ackerbau ver wendete Sorgfalt einige Stellen ein blühendes Ansehen erhalten und gaben reichliche Aerndtcn an Früchten und Gctraide. Ucber den Anbau einer dieser Gegenden lesen wir Folgendes: „Diese Strecke gehört meistens dem Ibrahim-Pascha, der während seines Siegeslaufes in entfernten Landern durch unendliche Arbeit die Urbarmachung zu Stande bringen und ein Landhaus im edlen Styl auf halbem Wege zwischen der Hauptstadt und Matarca aufführen ließ. Am Saume der Wüste gelegen, war dieser fruchtbare Landstrich vor zwanzig Jahren noch ziemlich tief mit Flug sand bedeckt, welcher sich dort sehr schnell anzuhäuscn pflegt, wenn er nicht durch fortwährende Anstrengungen vavon zurückgehalten wird. Gegenwärtig ist der Rasen so grün, als in den fruchtbarsten Grafschaften Englands, und ohne den eigenthümlichen Charakter der Bäume und Pflanzen würde hier ein Engländer bei einem Spazierritte sich in sein eigenes Vaterland versetzt glau- bcn, wenn die Täuschung nicht durch die Erscheinung der unglücklichen FellahS zerstört würde, deren abgemagerte Gestalten und verhungertes Ansehen sowohl hier als anderwärts im grellsten Widerspruch mit dem lachenden, üppigen Wüchse der Felder stehen, die sie bewohnen und bearbeiten, aber nicht zu ge nießen wagen.