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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 10.02.1912
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1912-02-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19120210019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1912021001
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1912021001
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1912
-
Monat
1912-02
- Tag 1912-02-10
-
Monat
1912-02
-
Jahr
1912
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BeznqS-Pret- «r Vrtv»>» und V»i»n. durch »ulen Träger und Lpedtteoi« 7m ot lä,Iich <n» r>au» uedrochi «Vl. m»no>U.L7u«l. viertrUährl V«, uniera NUiai»» u. Viz. uahmefteürn adaodoli Vs. monaU., r.» »ll. vierieliahrt. Lurch »I» Puft: innerhalb druiiitzianb» und der deutschen Kolonien oieiteliadil ».«« «II.. inonatl. 1.2l> «II auutchu VotldetieUoeld deiner tn Beluieu, vön.moll .den ^»naunoaien. Iroltrn, ^uiemvuig. «iebeiiand». Kor» «ege«. r.elt»iir>ch Unooin VuNluno. Schweden ^<t>u>««< u Sounien. '.In ulleü übrigen Siuuien nu, oiiell duxy di« L«icha,i„ieU« «r» Blatt,» erhalmch. Da» Letpitger Taaeblatt „icheinl rmol täglich. Sonn» u. ileirrlaa» nu> innraen». >!ldonnrn>«nl».illnnnvme A,t>a»»i»gail« 8, bei unieien 1 lauern,t»>ole», Spediteuieu und ttlanahmeueüen >ow„ Boaamlrin und Br>ellio,ein. SlU1,l»,,I«u,»p,,t, ,o PL Morgen-Ausgabe. Mip)illtr TagtblatI , l 14E «RachtanschluN 2 s " 692 lV°cht»»I«l,« rrl..AnW>,«« HMNoelszeltUNg. rtl.-znW.nM Amtsblatt -es Nates und des Nolizeiamtes -er Stadt Leipzig. Anzeigen Pret» svr Snterai» au» U«io,i, un» Umaebuu« d„ ttpaltt«»P»Nl<»'le LP, oi« Aellam- »eil, I ML von au.wakt» za , «««amen 1^1 ML Lnlerate von V,do,den ,m amt» ltchev Teil die P«Iiit«>l, P, Setchästoanjeigen mit Pla,vor>chrtft»u im Pieil» »rdädt R-datt nach Torit Peilaaeaedudi Lelomt. au,läge L ML p 1 aalend «rtl. Pol»,,bahr. Telldeilag» Voder. Kelle,tellt« Äullion» Idnnen ntK« »urü«. aezoaen weiden <eü, da» ikelchrinen an veftimmien Lagen und Plänen wird lerne Garantie übernommen. >n„l«en.Ännavm« S»d»,»i»„g» 8, bei tämrlich.» Filialen in allen «nnoncen» Eroebilionen de» 2n- und Äu»lande». Druck und V»,i„ ,0, glich«» L Kürfteir dnhavei P,,t Nll'Uea. Mebuktton un» chelchUft.steltdi 2odanni»gatt« N Hau^t»,^»u,I» D,»»d»u: Seeslia«e «, l lTelephon «SAI llr. 74 Sannsdenit, üen 10. Februar ISIS. 106. Jahrgang. 24 Zeiten Hb- Unsere gestrige Abendausgabe umfaßt 8 Seiten, die vorliegende Liorgennummer 16 Seite», zusammen Dss Wichtigste. * Der Reichstag wählte gestern nach mehr fache» erfolglosen Wahlgängen den Abg. Spahn (Ztr.) zum Präsidenten, den Abg. Scheide mann lSoz.) zum ersten Vizepräsidenten und den Abg. Paasche lNatl.) zum zweiten Vizepräsidenten. (S. d. bes. Art. S. 1 und Reichstagsber. S. 9.) * Die Erste Sächsische Kammer erledigte am Freitag verschiedene Etatlapitel, darunter die Etatsüberschreitungen derllniversitätLeip- z i g. (S. d. bes. Art. S. 9.) * Die Zweite Sächsische Kammer ver handelte am Freitag über die Zusammensetzung des Landtagsausschusses zur Verwaltung der Staatsschulden und über einen Gesetzentwurf zurAussührungdesReichswertzuwachs- steuergesetzes. sS. d. bes. Art. S. 9.) * Der neue bayrische Ministerpräsident Freiherr von Hertling wird bis zum Sonntag dem Prinzregenten die Liste der neu zu ernennenden Minister unterbreiten. sS. d. bes. Art. S. 1.) * Das preußische Abgeordnetenhaus hat in seiner gestrigen Sitzung über das päpstliche Motuproprio verhandelt. sS. d. bes. Art. S. 10.) * Zum Studiendirektor der Handelshoch- schuleLeipzig wurde Prof. Adler- Leipzig und zum Direktor der Handelslehranstalt Dr. Lorey-Minden gewählt. (S. Lpzg. Ang. S. 6.) * Das türkische Kriegsministerium gibt bekannt, daß die Verlusteder Italiener in den Nachtgesechten vom 25. und 27. Januar 1380 Tote und Verwundete betragen haben. (S. d. bes. Art. S. 2.) * Zwischen Köln, Düsseldorf und Neuß soll eine Flugverbindung für Passagiere undPost eingerichtet werden. (S. d. bes. Art. S. 11.) * Der rumänischen Bank Central Sojuc find acht Millionen durch ihren Direktor unter schlagen. sS. Tageschr. S. 11.) Dss prSliüium. Nach mehrmaligem Wahlgang ist zum ersten Präsidenten des Deutschen Reichstages der Zentrums abgeordnete Spahn erkoren worden. Die vorhergehenden Verhandlungen und Kombinationen sind den Leistungen der Diplo matie an Verschmitztheit ebenbürtig. Auf der Konferenz von Algeciras ist vielleicht nicht so listig hinüber und herüber verhandelt worden, wie im Deutschen Reichstage vom 6. bis 9. Fe- bruar. Die Nationalliberalen hätten, so heißt es, einen der ihren als ersten Präsidenten haben können, die Gesamtheit der Fraktion hat aber die dafür notwendige Bedingung nicht er füllen wollen. Nach glaubhafter Darstellung hat man in letzter Stunde das geschlossene Eintreten für einen Sozialdemokraten als ersten Vizepräsi denten abgelehnt, vielmehr erklärt, den Mit gliedern die Wahl frei stellen zu müs sen. Die Sozialdemokraten haben darauf im zweiten Wahlgang die Kandidatur Bebel aufrecht erhalten, während sie im anderen Falle für den Prinzen Schönaich-Carolath gestimmt uird ihn dadurch durchgebracht hätten. Etwa die Hälfte der Nationalliberalen hat es trotzdem über sich vermocht, beim dritten Wahlgang Bebel ihre Stimme zu geben. Was die „Natl. Korresp." unnötigerweise noch am letzten Tage zu vertuschen suchte, ist offenbar geworden: Es bestehen Meinungs verschiedenheiten in der Fraktion. Das ist unangenehm, eine offene, freimütige Be handlung solcher Differenzen sollte aber, nament lich bei einer liberalen Partei, für angemessener gehalten werden als die Schönfärberei, die man beim Gegner und bei der Regierung so sehr zu bespötteln liebt. Es ist wieder einmal ge kommen, wie es schon öfter gekommen ist. Wieder sind Propheten anfgestandcn, die die National- liberalen zum Radikalismus hinüberziehen wol len, die Partei scheint ihnen zu folgen; dann aber erheben sich Widerstände in ihren Reihen, der Trupp kommt zum Stehen und ein Teil schwenkt nach der anderen Seite ab. Das macht nach außen den Eindruck der Wankelmütig- I keit und U n e n t s ch l o s s e n h e i t. Würde die I nationalliberale Partei sich von vornherein im mer auf den Standpunkt stellen, daß sie eine selbständige Mittelpartei sei, die zu gleich vaterländische und freiheitliche Gedanken pflegt, so könnte ihr weder Charakterlosigkeit, noch Mangel an Entschlossenheit mit Recht vor geworfen werden. So aber erscheint sie als eine Partei, die gern möchte, aber durch Rücksichten, deren sie sich eigentlich schämen muß, abgehalten wird, forsch auf ihr Ziel loszugehen. So ist die P r ä s i d i a l f r a g e über Nacht zu einer Frage der nationalliberalen Partei geworden. Die Freisinnigen und So zialdemokraten sind wütend über ihr Verhalten. Selbstverständlich ernteten sie auch auf der Rech ten nicht volle Anerkennung. Jeder unabhängige Patriot muß aber das Schicksal der alten Kaiser partei bedauern. Man muß sich fragen, ob eine Partei, die das Wort national als einzige von allen deutschen Parteien in ihrem Namen führt, sich wirklich der Bedenken zu schämen hat, die den einen Teil ihrer Mitglieder im Reichs tage abgehalten hat, dem Abgeordneten Bebel ihre Stimme zu geben. Dieses und nichts anderes ist die politische Kernfrage der Präsidialwahl. Gegen den alten Bebel, den die Sozialdemo kratie ursprünglich auf den Schild gehoben hatte, braucht kein Wort gesagt zu werden. Es brauchen weder seine blutigen, noch seine revisionistischen Aussprüche hervorgesucht zu werden. Man muß die Leute bis zu einem gewissen Grade so nehmen, wie sie sind und wie sie durch die Parteikonstel lation in einer parlamentarischen Körperschaft emporgetragen werden. Aber für die Zukunft müßten Bürgschaften verlangt werden. Sollte ein Sozialdemokrat das Ehrenamt eines Präsidenten des Reichstags, sei es an erster oder zweiter Stelle, bekleiden, so genügte es nicht, daß er die sogenannten staatsrechtlichen Ver pflichtungen gegenüber der Krone übernehmen muß, es gibt auch Verpflichtungen des Herkommens. Das ganze Präsidium pflegt, wie wir schon neulich ausführten, zum Kaiser zu gehen; auf den Kaiser pflegt auch ein Hoch aus gebracht zu werden. Davon will sich der so zialdemokratische Präsident fern halten. Unsere Väter und Großväter haben den Deutschen Kaiser ersehnt, die Söhne und Enkel setzen einen Mann an hervorragende Stelle im Neichsparlamcnt, der es für schimpflich hält, zu diesem Deutschen Kaiser zu gehen und offen, Mann gegen Mann, mit ihm zu reden. Er braucht sich wahrlich nicht bücken, er konnte als aufrechter Mann kommen und gehen. Aber schon das ist etwas, was vor dem sozialdemokratischen Ge fühl entwürdigend erscheint. Und dieser so zialdemokratischen Anschauung ist durch national liberale Männer Vorschub geleistet, das Gefühl des Volkes in der ganzen Frage der Monarchie verwirrt worden. Daß die natwnalliberale Par tei Männer umschließt, die ihr Gefühl nicht haben verwirren lassen, beweist die erhebliche Sezession bei der Wahl des ersten Präsidenten. Bei der nächsten Wahl war die Sezession ge ringer. Der größere Teil der Natio- nalliberalen hat den Mann, der den ersten Vizepräsidentenposten eiunehmeu wird, den So zialdemokraten Scheide mann, mit gewählt. Der Großblock hat also in den Reihen der nationalliberalen Reichstagsfraktion mehr Anhänger, als bisher angenommen wurde. Da aber die Fraktion diesem Block doch nicht restlos zuneigt, ist die Einigkeit, die in letzter Zeit bestand, dahin. Sieht man auf die drei Gewählten: Spahn, Scheidemann und dazu Paasche, so be merkt man nichts,wasDauerverspricht. Daß das Zentrum neben einem Sozialdemokra ten ein Präsidentenamt angenommen hat, steht im Gegensatz zu allem, was bisher über die Absichten des Zentrums verlautete. Der erste Vizepräsident ist Mitglied einer Partei, die den „Gang zum Hof" verabscheut und alle großen Gesetzesvorlagen der nächsten Zeit ablehnen wird. Die Wahl des zweiten Vizepräsidenten endlich tröstet, trotz der großen Mehrheit, die auf ihn fiel, in keiner Weise über die Er fahrungen des 9. Februar. Herr Paasche hat sich bisher nicht als besonders zuverlässiger und kon sequenter Politiker gezeigt und es ist sehr zwei felhaft, ob seine Partei und er Freude von der Beförderung auf diesen exponierten Posten haben wird. Vielleicht ist es die erfreulichste Seite des neugewählten Reichstagsvorstandes, daß er keineDauer verspricht. —v. Zum bayrischen Ninillermechlel sDon unserem Münchner Mitarbeiter.) Freiherr v. Hertling war anfänglich nicht ge sinnt. das bayrische Ministerpräsidium zu übernehmen, aber der Prinzregent hat dem Zentrumsführer das Amt in sehr huldvollen Worten angeboten mit der Erwartung, daß er seine Arbeit in dieser schwe ren Stund« dem Vaterlande nicht vorenthalten werde. Freiherr von Hertling ist. wie wir bereits in der gestrigen Abendnummer meldeten, bereits zum Minister des Aeußern ernannt worden. Dis Sonn tag dürfte er die Mi nister liste fertrgge- stellt haben und sie dem Regenten zur Entscheidung verlegen. Freiherr von Hertling wird dann auf kurze Zeit nach Berlin reisen, um sich von der Zen trumsfraktion, wie der „Bayr. Courier" meldet, zu verabschieden. Ein Dankschreiben des Regenten, das in den wärmsten Ausdrücken gehalten ist, ist der Ab schiedsbrief an den bisherigen Ministerpräsidenten Grafen Podewils, der nunmehr der weiteren Entwickelung der Dinge, ausgezeichnet durch den ältesten und höchsten bayrischen Orden, als Privat mann zusehen kann. In welcher Richtung Freiherr von Hertling die Ministerliste aufstellen wird, ist nicht schwer zu er raten. Was der Vorgänger Podewils, Crails heim, vor kurzem gesagt hat, wird jetzt zur Wahr heit: Bayern erhält ein ausgesprochenes Partei ministerium. * Freiherr von Hertling. der neuernannte bayrische Ministerpräsident, steht im 69. Lebensjahre. Er stammt aus einem alten kurpfalz-bayrijchen Geschlecht und ist mit einer Freiin von Bicgeleben aus d«in bekannten katholischen hessischen Geschlecht vermahlt. Freiherr von Hertling hat in Münster, München und Berlin studiert und habilitierte sich, 24jährig, als Privatdozent in Bonn. Dort wurde er nach 13 Jah ren Ordinarius und nach weiteren zwei Jahren auf einen Lehrstuhl für Philosophie an die Universität München berufen. Herr voy Hertling wurde später Vorsitzender der katholischen Eörresgesellschast, Mit glied der Akademie der Wissenschaften und Reichsrat der Krone Bayern. Da sich Herr von Hertling mehn fach 'für Kirchenpolitik interessiert hatte, wurde er wiederholt als Vertrauensmann der preußischen Re gierung mit diplomatischen Missionen nach Rom ge sandt. Dem Reichstag gehört Freiherr von Hertling seit 1875 an, wo er hauptsächlich in Fragen der aus wärtigen Politik die ungeteilte Aufmerksamkeit des Hauses hatte. Vie Zukunft ««lerer SarislpMik. Uns wird geschrieben: „Derselbe soziale Geist, aus dem die Wohltaten der Arbeiteroersicherung im vorigen Reichstag auf wette Kreise der Bevölkerung ausgedehnt wurden, muß auch fernerhin walten, denn die Entwicklung steht yicht still." So sagt die Thronrede, mit der der Kaiser am Mittwoch den Reichstag eröffnete. „Die Entwick- lungsteht nicht st il l. Die Deutung dieses Satzes wird in all den Kreisen, die der Sozialpolitik aus Ueberzeugung oder Beruf nahestehen, zu ernstem Nachdenken anregen. Und die Frage: Was wird nun aus der Sozialpolitik? ist wohl wert, eingehend er örtert zu werden. Man hat in der letzten Zeit viel fach die Ansicht gehört, der vorige Reichstag habe eine derartige Fülle sozialpolitischer Leistungen zutage ge fördert, da» dem neuen nicht viel zu tun übrigblieoe. Aber der Ausgang der Wahlen dürfte mit dieser Aus' fassung nicht im Einklang stehen. Im Reichstag besteht nunmehr eine sichere Mehrheit derjenigen Parteien, die seit Jahren in allen Fragen der Sozialpolitik auch für extreme Forderungen rückhaltlos eintreten. Dabei ist zu berücksichtigen, daß das Zentrum nach den erlittenen Mandatsverlusten Nei gung haben wird, seinen Charakter als Volkspartei hervortreten zu lassen. Es steht also fest, daß die vielen in den letzten beiden Legislaturperioden noch unerfüllt gebliebenen sozialpolitischen Wünsche im neuen Reichstag eine feste Mehrheit zu ihrer Vertre tung finden werden. Und daher kann man damit rechnen, daß sich schon bald Anträge auf dem Gebiet der Sozialpolitik ein stellen werden, deren Schicksal allein in den Händen desBundesratsundderRegierunq liegt. Die gesetzliche Regelung der Tarifverträge, die Schaf fung eines Reichseimaungsamts, Arveitskammern unter Mitwirkung der Arbeitersekretäre, dürften wobl die. ersten Anträge sein, welche die sozialpolitische Mehrheit des Reichstags auf dem Tische des Hauses niederlegen wird. Wie wird sich nun die Regierung solchen Wün schen gegenüber stellen? Der Beantwortung dieser Frage sieht man begreiflicherwesie in den erwerbs tätigen Kreisen des Volkes mit Spannung entgegen. Von einer gewißen entscheidenden Bedeutung in die ser Beziehung galt bisher die persönliche Stellung nahme des Staatssekretärs des Innern zur Sozial politik. Man wußte, daß Graf Posadowsky aus innerer Ueberzeugum, auch weitgehenden For« derungen wohlwollend gegenüberstand. Es unterlag auch keinem Zweifel, daß sein Nachfol- ger, der jetzige Reichskanzler von Bethmann Holl weg. seine Stellungnahme sozialpolitischen Forderun gen gegenüber nicht nach persönlichem Empfinden, sondern nach den Erfordernissen der Staatsraison einrichtete. Ein klares und fest umgrenztes Programm war für das Maß seiner Zu geständnisse bestimmt. Ein solcher Standpunkt mußte naturgemäß eine gewiße Stabilität in die Sozial politik hineinbringen, die unter dem Vorgänger viel fach vermißt wurde. Wie ist nun aber in dieser Beziehung der jetzige Leiter des sozialpolitischen Neichsamtes zu bewerten? Wenn man die Fülle und Bedcuiung der verabschiede ten Vorlagen seit dem Amtsantritt des Herrn Del brück als Maßstab für seine Stellung zur Sozialpolitik annehmen würde, so könnte man in ihm einen über zeugten Anhänger weitgehender sozialpolitischer Re formen erblicken. Dieser Schluß wäre jedoch unbe- rechtigt Denn was in den letzten beiden Jahren im Ressort des Herrn Delbrück auf diesem Gebict an Vorlagen verabschiedet wurde, war nicht sein Werk, sondern das Erve seiner Vorgänger. Will man zu einem Urteil über den Standpunkt des gegen wärtigen Staatssekretärs des Innern zur Sozialpolitik gelangen, so muß man als Maßstab seine Stellung zu grundsätzlichen Einzelfragen innerhalb der veruvjchl«- deten Vorlagen nehmen. Und in dieser Beziehung ist ein starkes Schwanken zwischen weitgehendem Ent gegenkommen und kühlem Zurückhalten unverkennbar. Infolgedessen lautet das Urteil, das in sozialpoli tischen Kreisen über den Staatssekretär des Innern in seinen Beziehungen zur Sozialpolitik gefällt wird. Kein eigenes fe st es Programm, st arte Empfänglichkeit für Einflüsse von rechts und links und infolgedeßcn erhebliche Schwankungen zwischen den entgegengesetzten Stand punkten der Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Eine solche Persönlichkeit würde nun bei der gegenwärtigen Zusammensetzung des Reichstags kaum eine Gewähr dafür bieten, daß die Sozialpolitik sich fernerhin in ruhigen und sicheren Bahnen weiter bewegt. Indessen nimmt der Reichskanzler v. Beth mann Hollweg als früherer Leiter des Neichsamts des Innern an den innerpolitischen Fragen, und ganz besonders an denen der Sozialpolitik, ein so lebhafte* Interesse, daß er neuen Bahnen, die die von ihm ge zogenen Kreise zerstören könnten, seine Zustimmung nicht erteilen würde. Und da im übrigen auch im Bundesrat diejenige Richtung von maßgebendem Ein fluß ist, die man als das Bethmannsche Prinzip be zeichnen kann, so dürfte für die Sozialpolitik ein Satz der Thronrede Geltung haben: „Die staatliche Ord- nung unversehrt zu erhalten, die Wohlfahrt des Volkes in allen seinen Schichten und Ständen zu mehren, ist das Ziel meines Handelns." Unsere Nachbarn au der Wsllerkante. Von Oberstleutnant Frobenius. Noch im Jahre 1910 fehlte es an der sicheren Grundlage, um anders als andeutungsweise — in Vermutungen und Befürchtungen — von den Zielen zu sprechen, die England mit seiner offenbaren Be einflussung unserer Nachbarn an der Nord- und Ost see verfolgte. Das verflossene Jahr hat den Schleier gelüftet, Hal uns deutlich erkennen lassen, daß die britisch-französische Entente nicht nur auf eine Begünstigung Frankreichs bei einem et waigen Kriege mit Deutschland sich beschränken würde, wobei England gewissermaßen die Reserve und den tvrtius spuckens darstellen würde, sondern daß im Gegenteil unsere Stammesgenossen jenseits der Nordsee im Vordertreffen marschieren würden, da sie kriegslustiger waren, als unsere unversöhn lichen westlick)en Nachbarn. Ein Angriff Englands läuft selbstverständlich auf Vie Vernichtung unserer Flotte und unseres Handels und auf eine wirksame Blockade hinaus. Es ist aber gar nicht unwahrscheinlich, daß es Frankreich, um seine möglicherweise geringer« Streitermaße auszugleichen, auch mit seiner Land armee verstärken würde. Di« Entfernung der britischen Häfen von unserer Nordseeküste ist nicht be deutens — die Entfernung von Dover bis Emd«n beträgt nur 450 Kilometer; trotzen, ist sie groß genug, um der Versorgung einer Blockadeflotte mit Kohlen, nötigenfalls auch Lebensmitteln und Muni tion einig« Schwierigkeiten zu bereiten. Ein Teil der Schisse würde immerhin für diesen Zweck auf einige Tage ausscheiden. Der Verlust von Helgo land, das in so außerordentlich günstiger Lage die Ueberwachung der Elbe- unid Wesermündung er leichterte, macht sich deshalb schmerzlich geltend. Natürlich sucht man nach einem anderen, als Kohlenstation nutzbar zu machenden Stütz punkt an der Nordseeküste; und da gibt es nur einen einzigen: das ist Esbjerg in Däne mark. Der Hafen wäre auch als Ausschiffungs punkt für die Frankreich zu leistende Unterstützung an Landtruppen wohl geeignet, wenn es nicht der deutschen Grenze allzunahe läge. Es könnte da un erwünschte Ueberraschungen geben. Außerdem würde die große Entfernung von dem nahe der französischen Grenz« zu suchenden Kriegsschauplatz He Koopera tion mit der französischen Armee sehr erschweren. Die Landung muß in größerer Nähe Frankreichs und in einer gegen Ueberraschung durch deutsch« Truppen möglichst gesicherten Lage vorgenommen werden. Dazu eignet sich in vorzüglichster Weise die Sche ld e m ü n d u n g, am besten Ant werpen. Unmittelbar an der Mündung der Schelde liegt Vlissingen, das früher Festung war, am nördlichen Ufer, ihm gegenüber lag srüher Forts Frederic Hendric; 20 Kilometer landeinwärts liegen noch jetzt die Befestigungen von Neuzen am südlichen, von Ellcwonsdijk am nördlichen Ufer. Man darf also nicht behaupten, daß an der Scheldemündung kein« Befestigungen bestünden öder sogar bestanden hätten. Aber diese Werke sind veraltet, ihr« Gr- schüyarmierung minderwertig; und als die nieder ländische Regierung im Jahre 1910 einen Entwurf für die Verstärkung der Küstenbefestigungen entwarf, nahm selbstverständlich die Neubesestigunf der Scheldemündung einen hervorragende" Platz darin ein; bei Vlissingen sollte ein neues, mt? gepanzerten Geschützen zeitgemäß ausgestattet«* Fort erbaut werden. Eine schnelle Annahme de* Gesetzentwurfes durch di« Landesvertretung würd^ jeden Einspruch abgeschnitten haben. Aber ein« sck schnelle Entschließung liegt nicht im Charakter de» Niederländer, und kam so das Ausland zur Sprache. Die englische Presse suchte einerseits di* Niederländer vor dem raubgierigen Deutschen Reich; grausig zu machen, gegen dessen zu erwartend« Uebergriff« doch in erster Linie neu« Befestigungen erforderlich wären, anderseits aber den Belgiern di« Ide« zu oktroyieren, daß die Neubesestigung br ünieren Schelde die Neutralität ihres Landes ver letze. Während die Niederländer richtig hervor hoben, daß ihnen di« eigene Neutralität dt«k Pflicht auferlege, die wertvollen Marin"- etablißcments von Vlissingen auf einem ihrer So», veränität unterliegenden Gebiet gegen jede Bc» Nutzung durch «ine kriegführende Partei zu sichern, verlangten die Belgier, daß die freie Schiffah'k durch keine Befestigungen erschwert werde, damit - im Fall ihre Neutralität durch «inen Feind (womit natürlich nur Deutschland gemeint sein kann) be» droht wurde, eine ander« kriegführende Macht, dm sogar noch deutlicher als der nördlich« Freund ba»
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