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A^zblatt des Kgl. Bezirksgerichts zu Freiberg, sowie der Kgl. Gerichtsämter und der Stadträthe zu Freiberg u. Brand. H7L. Erscheint i. Freiberg jed. Wochent. Ab. 6U.ssirdmand.Tag. Jnstr. werden bis V. 11 U. für aLchste Nr. angm. Donnerstag, den 88. Märx Pretr »ierteljährl. 2Ü Ngr. Inserate werden die gespaltene Zeile oder deren Raum mit 8 Pf. berechnet. 1872. 4- Freiberg, 27. März 1872. Die räthselhaften Kräfte der Weltgeschichte ruhen nicht auf lauge Zeit. Kaum haben sie eine der gährenden Ideen durch große und gewöhnlich deshalb auch gewaltsame Ereignisse zum »u-trag gebracht, so beginnt cS von Neuem zu brauen und zu kochen. Längst vorher bestandene Elemente gerathen mehr und mehr io eine Art Aufruhr, dem der Kampf nachfolgt. So sehen wir jetzt deutlich vor unseren Augen dies ge heimnißvolle, unabwendbare Brauen der Geschichte, wie es einem vulkanischen AuSbruch vorher zu gehen pflegt. Kaum daß der furchtbare Krieg zwischen Deutschland und Frankreich daS erstere Land und damit einen Fortschritt der Völkercultur zum Siege ge- sührt hat, so rücken die solchem Vorwärtsschreiten der Geschichte unter den Menschen instinctiv feindlichen Elemente näher an einander, um damit den Kampf einzuleiten. Deutschland, an die Spitze der europäischen Mächte gestellt, steht sich durch eine unsichtbare Macht zum entscheidenden Kamps gegen Rom und den Kirchenabsolutismu« gedrängt. Die Geister rangiren sich von selbst; die gleichartigen und verwandten nähern sich und unvermeidlich wird es sein, daß diese zwei Gegensätze durch ihren Anprall die nächsten großen Ereignisse bewirken. So nimmt die Geschichte einen abgerissenen Faden der Cultur wieder auf. Deutschland rief in der letzten Zeit seiner alten Macht und Blüthe die Reformation hervor und erlag in diesem Kampfe zu ohnmächtiger, politischer Schwäche. Jetzt ist eS wieder erstarkt, gewaltiger und kräftiger als je geworden; sofort sehen wir, wie das Werk der Reformation, der Kampf des deutschen Geistes gegen die römische Knechtschaft, seine Fortsetzung findet. Alle unsere Begriffe von Cultur und Fortschritt müßten falsch sein, wollten wir verneinen, daß Deutschland bei diesem Kampfe an der Spitze der geschichtlichen Fortschrittspartei steht. Wie Frankreich eine Zeit lang in Wahrheit als Vorkämpfer politischer Freiheit an der Spitze der Civilisatio» marschirte, so ist, nachdem es seine Mission verpfuscht und vorläufig beendet hat, Deutschland wiederum der führende Streiter für die GeisteS- sreiheit geworden. Diese in der Geschichte arbeitenden Ideen lösen sich ab. Nach dem Zeitalter der Revolution ist wieder daS der Reformation angebrochen. War eS doch wunderbar genug, daß in demselben Moment, da die politische Machtfrage zwischen Deutschland und Frankreich durch Gewalt zur Entscheidung gelangte, in dem eben seiner politischen Stellung entkleideten Papstthum durch Einsetzung des Dogmas von der Unfehlbarkeit, dieser Streit zwischen Kirche und Staat, zwischen GeisteSsclaverei und Freiheit, zwischen Jesuitenthum und Bildung für die nächste Zukunft vorbereitet wurde. Wir sehen, wie er bei uns in Deutschland schon feste Parteien kriegs- sertig gegenüber gestellt hat und der Kampf aus der Sphäre der Presse und Tribüne in die, Region der praktischen StaatSgeschäste getreten ist. Es ist zu sichtbar, daß Frankreich seine Rachepläne und Hoffnungen auf die Verbrüderung mit diesem dunklen, lichtscheuen und fanatischen Elemente setzt. Insofern wird vielleicht ein neuer Krieg Deutschlands mit Frankreich aus dessen Seite eine religiöse Parole haben. Nicht anders, denn als Signatur des völligen Zerfalls Frankreichs dürfte die» alsdann sich offenbaren. Deutsch land aber wird eS wieder sein, welches in diesem Falle an der Spitze der Civilisation gegen seinen Vorgänger in dieser Ehr« marschirt. Tagesgeschichte. Berlin. 25. März. Der beurlaubte Reichskanzler Fürst v. Bismarck, welcher zur Feier des kaiserl. Geburtstages von seinen lauenburgischen Besitzungen hier eingetroffen war, hat Berlin wie der verlassen, ist jedoch nicht nach Lauenburg zurückgekehrt, sondern hat sich gestern Mittag nach Varzin begeben, wo er seinen Geburts tag (1. April) zu feiern gedenkt. Unmittelbar nach dem Osterfeste wird derselbe hierher zurückkehren, um die letzte Hand an die Vor lagen für die Reichstagssession zu legen. — Die von verschiedenen Blättern wiedergegebene Nachricht der „Br. Ztg.", daß der Verfasser des französischen Briese» an einen Polen, von welchem der Reichskanzler in der Debatte über daS Schulauffichtsgesetz gesprochen, der Bischof von Eichstädt sei, ist unbegründet. Der Verfasser ist, wie die „K. Z." berichtet hat, niemand Anders, al» der Herr v. Ketteler, Bischof von Mainz, bisher Abgeordneter für den Wahlkreis TauberbischofSheim. — Der Armeeprobst NamSzanowSkt ist von dem KriegSmint« ster aufgefordert worden, sich darüber zu äußern, aus welchen ge setzlichen Gründen er sein eigenmächtiges Vorgehen in Sachen de« PfarrerS Grunert in Insterburg zu rechtfertigen gedenke. Von der Antwort des Herrn NamSzanowSki wird es abhängen, welche Maß regeln die vorgesetzte Behörde ergreifen wird. Insterburg, 26. März. Das Königsberger Generalcommando verfügte, daß der suSpendirte Pfarrer Grunert Militärseelsorger bleibt. Der Director der Topianer Strafanstalt erhielt amtlichen Auftrag, Grunert auch fernerhin als katholische» Seelsorger der Anstalt zu betrachten. Breslau, 25. März. Die hiesige Stadtverordnetenversamm lung beschloß in ihrer heutigen Sitzung einstimmig, an den Ober bürgermeister Hobrecht eine Adresse mit der dringenden Bitte zu richten, derselbe möge Oberbürgermeister der Stadt BreSlau blei ben, welche seine hervorragenden Verdienste durch ihre Vertreter dankbar anerkenne. Bonn, 22. März. Die Vorarbeiten zum hiesigen Turnfest schreiten rüstig weiter. Man hat gegenwärtig die Ausschlagung von 800 Zelten inS Auge genommen, von denen jedes 10 Gäste auf nehmen kann. München, 26. März. In der Abgeordnetenkammer sand die Fortsetzung der Budgetberathung statt. Hinsichtlich deS Postulat« von 20,000 Gulden für die RegierungSpresse erklärt der Minister präsident, die Regierung werde für ihre Vertretung in der Presse sich Mittel zu verschaffen wissen, auch wenn sie die Kammer nicht bewilligt; jedoch stets eingedenk ihrer Verantwortlichkeit vor dem Landtag werde sie um Indemnität nachsuchen. Da« Regierung-Po stulat wurde mit 118 gegen d Stimmen abgelehnt. Aus Zweibrücken meldet die „Aweibr. Ztg." : Da die Karl«- kirche noch nicht so weit wieder in Stand gesetzt ist, daß die Alt katholiken den Ostergottesdienst abhalten können, so hat sich deren Vorstand au das Presbyterium gewendet, mit dem Ersuchen, ihm die protestantische AlexanderSkirche am 2. Ostertag und den darauf folgenden Dienstag zur Mitbenutzung überlassen zu wollen. Da« Münchner Presbyterium hat diesem Ersuchen einstimmig entsprochen. Stratzbura, 25. März. Die „Straßb. Ztg." enthält ein Schreiben de« Oberpräsidenten an die Handelskammer, in welchen;