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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.05.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-05-23
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980523015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898052301
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898052301
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1898
-
Monat
1898-05
- Tag 1898-05-23
-
Monat
1898-05
-
Jahr
1898
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(Alfted Hahn), UniversitätSstraße 3 (Paulinum), Louis Lösche, Katharinenstr. 14, Port, und KönigSpIatz 7. VöMgS»PreiS Havptexpedition oder den im Stadt bezirk vnd den Vororten errichteten Aus« oav«stellen ab-«holt: vierteljährlich ^>>4.50, oei zweimaliger täglicher Zustellung inS Hau« ^t b.SO. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich S>-. Direkte tägliche Kreuzbaadirndun- in- Ausland: monatlich 7.bO. Morgen-Ausgabe. MpMcr TllgMM Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes und Malizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Anzelgen-Prels die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reklamen unter dem Redactionsstrich (4gv- fpalten) bOa^, vor den FamNiennachrichten (6 gespalten) 40 Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Ziffern!«- uach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung ./t 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Ännahmeschlnß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: vormittag« 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten.' Druck und Verla- von E. Potz in Leipzig. Montag den 23. Mai 1898. 92. Jahrgang. Savonarola. Ein Vedenlblatt zu seinem 40vten Todestage. Von O. S. Auf dem berühmten, von Rietschel's Meisterhand entworfenen Luiherdenkmal in Worms sitzt zu Füßen des deutschen Re formators unter den bekannten Vorläufern der Reformation ein italienischer Mönch, in den schwarzen Mantel der Domini kaner gehüllt; aus dem flammenden Auge spricht tiefe, schwär merische Religiosität, die kühne Adlernase zeugt von unbezwing licher Energie, die festgeschloffenen Lippen reden unerschütterliche Festigkeit und die drohend erhobene Rechte versinnbildet seine mächtig-strafende, eine halbe Welt erschütternde Beredtsamkeit. Es ist Girolamo Savonarola, der Prior von San Marco im Florenz der Medicäer, den ein Größerer als er, der Wittenberger Augustinerbruder, „canonisirt" und selbst als den „Märtyrer des Protestantismus" unter die Zahl Derer ein gereiht, die der Reformation die Wege geebnet haben. Es ist Streit unter den Gelehrten, ob Savonarola diese Ehre gebührt, aber eines ist sicher: Wenn der Florentiner Mönch auch Größeres als Apostel der politischen Freiheit denn als religiöser Bahnbrecher geleistet, wenn er auch vor Allem das A und O lutherischer Predigt: „Der Mensch wird gerecht nicht durch gute Werke, sondern allein durch den Glauben, nicht durch eigenes Verdienst, sondern durch die Gnade Gottes" nicht als Fundament einer Erneuerung des religiös - kirchlichen Lebens erkannt und in den Mitielpunct seiner Lehre gestellt hatte, so finden sich doch in seinen zahlreichen Schriften und Kanzelreden Stellen genug, die erkennen lassen, daß ihm von ferne das Licht entgegendämmerte, das nach ihm ein Luther in seinem großen, die Welt erleuchtenden Geiste, wie in einem Brennpunct concentrirte. Zudem hat vor Luther Niemand seine Stimme eindringlicher, beweglicher und energischer für eine Besserung der Sitten erhoben, Niemand gewaltiger und furcht loser die Schäden der Kirche und des Mönchslebens aufgedeckt, Niemand kühner und todesmuihiger den Päpsten an die Tiara gefaßt, als eben Girolamo Savonarola. Am 23. Mai 1498 legte der Prophet von San Marco auf dem Markte von Florenz das Haupt in die Schlinge, züngelten die Flammen des Scheiter haufens an ihm empor, streuten die Henker seine Asche in den Arno, damit auch die letzte Spur des „Ketzers" verschwinde. So starb er, ein Märtyrer zwar nicht des Protestantismus als religiösen Princips, so doch des Protestantismus als des Geistes trotzigen und siegesbewußten Protestes gegen alles Un göttliche, dem ewigen Sittengesetz Zuwiderlaufende in Kirche und Staat, gegen alles des moralischen Uebergewichts entbehrende Autoritätswesen und alles die Freiheit des vernünftigen Denkens und Handelns Bindende, und so mag er getrost unter den Vor läufern einer neuen Zeit seinen Platz finden, der ein Menschen alter später der deutsche Bergmannssohn die Pforten öffnen sollte. Wie ein aufregendes, erschütterndes Drama liest sich das Leben des großen Sohnes von Ferrara, das unter der prunk liebenden Herrschaft der Esthe um die Mitte des Io. Jahr hunderts (Savonarola wurde dort am 21. September 1451 geboren) zu den glänzendsten Städten Italiens zählte. Das weltliche Treiben am Hof, in der Bürgerschaft, in Kirche, Kunst und Literatur, stießen den ernsten Jüngling ab. Für den in seiner Familie erblichen medicinischen Beruf bestimmt, floh er nach Bologna ins Kloster, um seinen religiösen Enthusiasmus aus der Welt dcr„Prophanationen"zu retten und nur der Religion zu leben. Dort blieb er sieben Jahre. Sein Gemüthszustand war während dieser ganzen Zeit der des tiefsten Schmerzes und des heiligsten Zornes über die Verweltlichung und Sittenlosigkeit, wie sie unter einem Sixtus IV., Jnnocenz VIII. und Alexander VI. - Borgia eingerissen waren. Schon damals träumte er davon, Wandel zu schaffen und „die großen Flügel des Verderbens zu brechen". Da wurde er von seinen Oberen (1482) nach Florenz, dem glanzvollen Mitielpunct des geistigen Lebens in Europa am Ausgange des fünfzehnten Jahrhunderts, gesandt. Hier herrschte das berühmte Geschlecht der Medicäer. Wie in den meisten der lleinen Stadtrepubliken, in welche Italien damals zersplittert war, hatte die bürgerliche Freiheit auch hier nur noch den Werth eines Wortes ohne Inhalt. Alle Macht lag thaisächlich in den Händen des „ersten Bürgers" Lorenzo Medici, der wie ein Fürst herrschte, die Rechte des Bürgerthumes mit Füßen trat und auch das Eigenthum des Einzelnen und das milder Stif tungen nicht schonte. Lorenzo hatte den Beinamen „der Präch tige", und seine Hofhaltung stellte thatsächlich manchen Fürsten hof in Schatten. Dabei protcgirte er alle Künste und Wissen schaften, und so war eine hohe Bildung in die weitesten Kreise gedrungen. Selbst Frauen trieben classische Studien, die Malerei und die Bildhauerkunst hatten einen neuen Aufschwung genommen, und auf dem Gebiete der Philosophie zeigte sich reges Leben. Lorenzo Medici liebte es, als eine Art Universal genie in allen diesen Disciplinen bewandert zu gelten, und ver suchte sich selbst als Dichter in seinen berüchtigten Carnevals- gesängen? die öffentlich gesungen wurden und als der Typus der Schamlosigkeit gelten konnten, die damals, und zwar nicht blos in Florenz, an der Tagesordnung war. Für die heiteren Sünden des klassischen Alterthums gab die öffentliche Meinung Jedem Absolution, und schamlose Ausschweifungen galten als selbstverständlich und erregten keinerlei Anstoß bei der Masse des Volkes. Auch Lorenzo Medici gab sich ihnen, trotz seiner erschütterten Gesundheit, schrankenlos hin. Das war das Florenz, in das man Savonarola schickte. Er trat in das Kloster San Marco, wo er bald zum Prior gewählt wurde, ein und begann nun mit glühender, hinreißender Beredt samkeit von der Kanzel herab einen gewaltigen Kampf gegen die Verderbtheit der Zeit, wobei er auch das Haus der Medici und die Person Lorenzo's nicht schonte. Schonungslos riß er den Schleier von der sittlichen Fäulniß, die überall unter dem täuschenden Schein feiner Bildung um sich fraß, hinweg, und geißelte insbesondere den sittenlosen Wandel der Reichen, der Geistlichen und der Mönche. Lorenzo, als der Erste des Staates, erwartete, daß der Prior von San Marco ihm einen Besuch mache. Savonarola unterließ es, weil er, wie er sagte, einem Tyrannen, einem Feind und Zerstörer der Freiheit, der das größte Hinderniß für die Besserung der Sitten des Volkes sei, sich nicht nähern wolle. Da versuchte es Lorenzo, den die wachsende Beliebtheit des Mönches zu ängstigen begann, mit anderen Mitteln. Er sandte eine große Summe für die Armen- caffe des Klosters. Savonarola behielt nur die kleinen Münzen, die Goldstücke gab er der Armencasse der Stadt, und in seiner nächsten Predigt bekam Lorenzo zu hören: „Ein guter Hund bellt immer, um das Haus seines Herrn zu vertheidigen. Wirft ihm ein Räuber einen Knochen hin, so schiebt er ihn beiseite und unterläßt das Bellen nicht." Lorenzo machte noch verschiedene Versuche, den gefürchteten Bubprediger, dem das Bolt in immer wachsenden Schaaren zulief, zu gewinnen, aber mit gleichem Erfolg. Schließlich auf das Sterbebett geworfen und von furchtbaren Gewissensqualen gepeinigt, suchte er nach einem Beichtvater, der den Muth hätte, ihm die Wahrheit über sein Verhältniß zu Gott und Ewigkeit zu sagen. Nur der ihm im Grunde der Seele verhaßte Dominikaner von San Marco blieb übrig. Er schickte nach ihn und Savonarola kam. „Drei Dinge sind nöthig zur Absolution." „Und welche, Padre?" „Erstens, Ihr müßt einen starken lebendigen Glauben haben an die Barm herzigkeit Gottes." „Dieser Glaube lebt mächtig in mir." „Zweitens, Ihr müßt Alles, was Ihr unrechtmäßig genommen habt, wiedererstatten." Von dieser Forderung schien Lorenzo überrascht und unangenehm berührt; doch that er sich Gewalt an und gab das Zeichen der Zustimmung. Da stand Savonarola auf, trat dicht an den Sterbenden heran und sagte, die Augen fest auf Lorenzo gerichtet, mit erhobener Stimme: „Zum letzten: Ihr müßt Florenz die Freiheit wiedergeben!" Da wandte Lorenzo ihm unwillig den Rücken und schwieg. Der Mönch ging. Lorenzo gab bald darauf, nicht absolvirt von dem, der „allein den Muth hatte, ihm die Wahrheit zu sagen", seinen Geist auf. Ihm folgte sein Sohn Pietro Medici, alle schlechten Eigen schaften seines Vaters in sich vereinigend, dazu hochfahrend, po litisch wenig veranlagt, höchst unbeliebt beim Volke. Auch ihm warf Savonarola den Fehdehandschuh hin. „Ich bin", sagte er, „wie der Hagel, der Jeden trifft, der unbedeckt steht." In der Fastenzeit sprach er unausgesetzt im prophetischen Ton von den nahen und furchtbaren Strafen, die über Florenz und Italien wegen ihrer Gottentfremdung hereinbrechen würden, und verkündete die Ankunft eines neuen Cyrus, der Italien siegreich durchziehen werde, ohne Widerstand zu finden und eine Lanze zu brechen. Diese Predigten hatten eine ungeheure Aufregung im Gefolge und trugen seinen Namen, als den eines gottgesandten Propheten in alle Welt, denn kaum hatte er den Eindruck des neuen Cyrus vorausgesagt, da langten Nachrichten ein,'daß sich ein Strom fremder Truppen über die Alpen ergieße, um Italien zu er obern: es war Karl VIII. von Frankreich, der kam, um von dem erledigten Throne Neapels Besitz zu nehmen und, wenn möglich, ganz Italien zu unterwerfen. Fast ganz Italien, darunter auch Florenz, jubelte dem König in der Hoffnung entgegen, er werde die Tyrannen vertreiben und den Republiken ihre Freiheit wiedergeben. Savonarola besonders forderte in seinen Predigten Karl auf, über die Berge herab zusteigen. Thatsächlich sollte der Einzug der Franzosen in Italien Florenz von der Herrschaft der Medici erlösen. Pietro, um seine Machtstellung besorgt, eilte Karl entgegen und schloß ohne Noth eine schmachvolle Kapitulation mit ihm ab, die dem Feinde alle zum Gebiete der Republik gehörigen festen Plätze auslieferte. Da brach die Empörung in Florenz los und Pietro konnte nur mit Mühe durch die Flucht das Leben retten. Jetzt war Savonarola, der Dominikanermönch, der Mann des Tages. Er allein besaß Gewalt über die Massen, zu ihm allein blickten sie auf, von ihm allein erwarteten sie ihr Heil. Zwar konnte er den Einzug Karl's in Florenz nicht verhindern, aber wenige Worte an den König genügten, um diesen nach kurzem Verweilen zum Verlassen der Stadt zu bewegen. Die freiheit ¬ liche Verfassung, welche Florenz nun nach dem Sturz der Medici erhielt, war vollständig Savonarola's Werk. Er war der Be freier der Stadt, der Erneuerer der Republik. Die Zahl seiner Anhänger stieg und die Liebe und Begeisterung des Voltes trug ihn auf den Händen. Das sündige Florenz folgte dem Mönche von San Marco jetzt unbedingt und ließ es auch geschehen, daß dieser dem neuen Staatswesen nicht blos den Geist der Freiheit, sondern auch den einer Art alttestamentlicher Theokratie ein hauchte. Die Menschen waren wie umgewandelt. Unrecht mäßiges Gut wurde herausgegeben, Todfeinde versöhnten sich, alle weltlichen Spiele hatten ein Ende, die heidnischen Carne- oalslieder machten geistlichen Gesängen Platz, Fra Bartolomäo, der berühmte Maler, der zu einem der eifrigsten Anhänger Sa vonarola's wurde, warf alle seine Studien nackter Figuren ins Feuer, aller Luxus wurde verbrannt, die Frauen kleideten sich einfach und züchtig, ausschweifende junge Männer wurden ent haltsam und eifrige Besucher der Kirche und die Bibel und die Schriften Savonarola's wurden die tägliche Lectüre der Floren tiner. Im Carnedal 1491 sehen wir Savonarola auf dem Gipfel seines einzig dastehenden Einflusses. Niemand dachte mehr an die Toll heiten und Obscönitäten der früheren Carncvalsumzüge, an die heidnischen Gelage und Schaustellungen. An ihre Stelle war eine kirchliche Feier mit Gottesdienst und Procession getreten, deren Mitielpunct die „Verbrennung der Eitelkeiten" bildete. Auf der Piazza della Signoria war ein mächtiger Scheiterhaufen errichtet. Weißgekleidete Kinder durchzogen die Straßen der Stadt und sammelten ein, was Savonarola mit dem „Anathema" belegt hatte: Ueppige Bilder berühmter Meister, die Werke Ovid's und Boccaccio's, weltliche Musikstücke, Guitarren, Masken, werth volle Schach- und Würfelspiele, Karten, kostbaren Damenputz, Schminke, Riechwasser u. s. f.. Alles wurde unter Absingen von Psalmen und geistlichen Liedern dem Scheiterhaufen übergeben und verbrannt. Aber so rasch und unvermittelt Florenz sich aus einer Stadt des Teufels in eine Mönchsstadt verwandelt hatte, so rasch und jählings erfolgte auch die unausbleibliche Reaction. Der Wider spruch, der sich erst nur leise gegen das Regiment des Domini kanermönches geregt hatte, wurde stärker und stärker, es bildete sich, namentlich unter den jüngeren Leuten, eine Parte? der „Arrabiati", welche sich nach dem früheren Leben in Saus und Braus zurücksehnte, schürte im Dunkeln gegen Savonarola und suchte ihn auf irgend eine Weise, sei es selbst durch Mord, zu beseitigen. Immerhin hätte Savonarola, von der Volksgunst getragen, dieser Gegner ruhig spotten können, wenn nicht der in der Verbannung lebende Pietro Medici in Papst Alexander III. einen mächtigen Verbündeten gefunden hätte, der um so bereiter war, ihm mit Beseitigung Savonarola's die Rückkehr nach Florenz frei zu machen, als der unerbittliche Sittenprediger die grenzenlose Verweltlichung des päpstlichen Hofes, die nur durch den einen Namen Lucrecia Borgia cha- rakterisirt zu werden braucht, in heiligem Eifer zu brandmarken, nicht müde wurde. Wiederholt verbot ihm der Papst das Be steigen der Kanzel, Savonarola gehorchte auch zeitweilig, trat aber dann doch wieder öffentlich auf, weil der Geist der Wahr heit, der ibn trieb, ihn nicht länger rasten ließ. Plötzlich einen anderen Ton anschlagend, bot Alexander ihm den Cardinalshut an, um ihn so zum Schweigen zu bringen. Umsonst! Savo narola antwortete: „Ich begehre keinen anderen rothen Hut, als Fettillrtsn» Puerto Rico. Von Karl Theodor Machert. Nachdruck verboten. Nun ist die liebliche Bar von San Juan zur Wahlstait geworden und mit dem Geschicke der Hauptstadt wird sich das Puerto Ricos, der zweiten spanischen Antille, entscheiden. Die Spanier, die die Insel entdeckten — der große Columbus selbst war es, der hier zuerst die Kreuzfahne aufpflanzte —, tauften sie den „reichen Hafen", weil sie in dem Sande ihrer Bäche das Gold zu finden hofften, nach dem allein sie ja in der neuen Welt trachteten. Das Gold haben sie damals so wenig gefunden, als neuere Versuche zur Goldgewinnung auf Puerto Rico nennenswerthe Ergebnisse gehabt haben. Und doch verdient die Insel ihren vielversprechenden Namen im vollsten Maße, denn eine üppige Fülle von Reichthum hat die Natur über sie ausgeschüttet, und auch die liebliche Gabe der Schönheit hat sie ihr nicht versagt. Eine Fahrt längs der Küste von Puerto Rico eröffnet ein wechselndes Panorama anziehender, oft entzückender Bilder. Von der schmalen Küstenebene steigt das Land allmählich zu bedeutenden Bergen empor, deren reich bewaldete, schön geformte Höhen — der höchste Gipfel ist der Uungue im östlichen Theile der Insel, der über 1100 m mißt — weithin sichtbar sind und mit ihren blauen Linien die Land schaft überall in anmuthiger Weise abschließen. Kaum irgendwo trifft das Auge auf öde Strecken; dichte tropische Wälder wechseln mit Pflanzungen ab, die Ansiedelungen bilden längs der Küste einen fast ununterbrochenen Kranz, aus den Zucker plantagen steigt der Rauch auf und verräth die rührige Arbeit menschlicher Hände, starke Bäche eilen der See zu, und in ihren lieblichen Thälcrn weiden große Viehheerden, und auf der im Ganzen recht gut gepflegten Fahrstraße längs der See sieht man auf Pferden von guter Zucht die Srnores und die SenoritaS des Weges reiten. Die nutzbare Vegetation und die Wohnungen der Menschen reichen bis in die höchsten Lagen; an den Berghängen sieht man weiße Häuser, Kaffee- und Tabaksplantagen. Der Reichthum der Bodenerzeugnisse ist er staunlich. Die Erde birgt Steinkohlen und Salz, wenn auch freilich nicht in erheblichem Maße. Die ausgedehnten Wälder liefern Bau- und Farbhölzer, Harze, Faserstoffe und zahlreiche Früchte. DaS Obst der gemäßigten Klimate, Apfel und Pfirsich, gedeiht auf Puerto Rico nicht; aber die Apfelsine von Puerto Rico ist vielleicht die schönste der Welt, die Feige, die Granate, der Wein reifen willig und reichlich. Doch bilden neben der Baumwolle, der Tocolpalme, der Banane, dem MaiS und Rei» Kaffee, Zucker und Tabak die Hauptgegenstände des Anbaues. Der Kaffee-Export «Puerto Rico hat in neuerer Zeit einen enormen Aufschwung genommen; der Labak wird zu erheblichem Theile nach Cuba geschafft, mit dessen Erzeugniß er sich freilich nicht messen kann, während er als Pfeifentabak sich schon lange den Markt erobert hat und bereits unseren Vätern und Groß vätern den geliebten Knaster lieferte. Mit dem Segen der Tropen muß Puerto Rico nun freilich auch manche ihrer Nachtheile in Kauf nehmen. Das Klima vor Allem, obwohl es das der meisten Antillen übertrifft und in den höheren Bezirken des Landes die Eingewöhnung der Europäer relativ leicht gestattet, ist doch im Ganzen nicht gesund zu nennen. Während vom Juni bis zum August eine große Hitze und Trockenheit herrscht, setzt im September die böse Regenzeit ein. Schwere Güsse fallen dann hernieder, ver wandeln Felder und Auen in Lagunen und erfüllen die Luft mit giftigen Dünsten, die das Fleisch und alle Lebensmittel schnell verderben und alles der Luft ausgesetzte Eisen angreifen. Selbst Bronzekanonen können nur durch starken Firniß geschützt werden, und Todte müssen in dieser Jahreszeit sofort begraben werden. Doch seinen Höhepunkt erreicht das Toben der Elemente erst dann, wenn sich die mnrss muerte, das todte Meer, zeigt, wenn die See spiegelblank und still liegt, indeß an der Küste ge fährliche Brandungen aufsteigen. Das ist das sichere Zeichen eines furchtbaren Orkans, und wenn er dann mit Donner und Blitz, mit unermeßlichen Güssen und heftigen Windwirbeln, oft auch mit Erdbeben losbricht, dann kann es geschehen, daß die Wuth der entfesselten Naturkräfte in wenigen Minuten den ganzen Wohl stand der Insel vernichtet, wie es in unserem Jahrhundert z. B. 1819, 1825 und 1867 geschah. Hat sich dann der Orkan ausgetobt, so lacht bald wieder ein heiterer Himmel über der grauenvollen Verwüstung, und eine besonders reiche Ernte pflegt auf ein derartiges Naturereigniß zu folgen. Jahrhunderte lang hat Puerto Rico seine Reichthllmer kaum ausgenutzt. Es hat eine sehr langsame Entwickelung durch gemacht, da eS von dem großen Strome des Weltverkehrs ab seits log und die Spanier, in ihren Hoffnungen auf Gold enttäuscht, sich lange nicht um die Insel bekümmerten. Um 1600 besaß sie nur zwei, ein Jahrhundert später drei Ort schaften oder Niederlassungen. Seit der zweiten Hälfte deS 18. Jahrhunderts aber hat Spanien viel für Puerto Rico ge- than, und besonders in der jüngsten Zeit haben der allmächtige Welthandel und das Capital es aus seinem Dornröschenschlafe aufgestört und überall neues Leben erweckt. Noch bis vor Kurzem waren die Verbindungen mit dem Innern so mangel haft, daß es billiger war, den Reis aus Asien und den Mais aus Nordamerika zu beziehen, obwohl beide auf Puerto Rico selbst üppig gedeihen. Aber da z. B. der Transport einer Tonne Kaffee zur Küste 60 Francs kostete, so verfaulten die reichen Ernten und die Kraft des Landes blieb lahm gelegt. Nun hat sich das fast mit einem Schlage mächtig verändert. Puerto Ricos Ausfuhr an Zucker und Kaffee hat sich versieben- und verachtfacht, der Hafen von San Juan, in dem früher sich wenige Barken melancholisch des Schutzes der dort stationirten spanischen Kriegsschiffe erfreuten, hat sich belebt, Handel und Wandel heben sich überall, und in das vordem recht primitive Leben der Puerto Ricaner haben Europa und Amerika jetzt Behäbigkeit und Luxus gebracht. Diese Fortschritte waren freilich nur dadurch möglich, daß Puerto Rico sich auch in Bezug auf die Zusammensetzung und den Charakter seiner Bevölkerung sich günstigerer Verhältnisse erfreut als die anderen Antillen. Von den 800 000: Ein wohnern der Insel gehört der größere Theil zur weißen Rasse, und die schweren Uebelstände, die das Vorwiegcn des schwarzen Elementes auf Haiti, Cuba u. s. w. mit sich gebracht hat, sind Puerto Rico erspart geblieben. Die Aristokratie der Bevölkerung bilden die Nachkommen der auf Puerto Rico stationirten Officicre und Beamten, die sich hier ansässig gemacht haben. All jährlich kommt aus dem spanischen Mutterlande neuer Zuzug, von dem ein Theil dann immer wieder in Puerto Rico heimisch wird. An Zahl weit bedeutender als das reine weiße Element sind die „Weißlinge", wie Benko sie nennt, die von Euro päern und weißen Creolinnen stammen. Fast stets verräth noch irgend ein Zeichen, das wollige Haar oder der wulstige Mund oder der Negergeruch, ihre ursprüngliche Abkunft; doch haben die Rassenunterschiede hier nicht wie auf Cuba zu völliger Entfremdung und fanatischem Hasse der klaffen geführt, viel mehr verwischen sie sich durch gegenseitige Heirathen mehr und mehr. Den eigentlichen Landestypus von Puerto Rico bilden nach Bello y Espinosa die Gibaros, d. h. die Abkömmlinge von Spaniern und Töchtern der Ureinwohner der Insel; sie und die sogenannt; Jslenos von den kanarischen Inseln bedingen das Uebergewicht deS thätigen Weißen Elementes über das schwarze. Nun sind freilich auch die Gibaros und die puerto ricanischen Creolen überhaupt keineswegs fleißige Arbeiter tm europäischen Sinne. Sorglos und bedürfnißlos, thun sie ihre Arbeit gleichmüthig und ohne besonderen Eifer; das Klima drückt auch ihnen den Charakter der Indolenz auf, und ein Gibaro, der etwas beiseite legt, ist ein weißer Rabe. Doch bilden sie den eigentlichen Stamm der Arbeiter- und der Bauern bevölkerung; sie sind uneigennützig, im höchsten Maße gastfrei, kühn im Kriege und auf der See und tapfere Soldaten. Wunder lich mischen sich die Eigenschaften in ihrem Charakter; Delitsch beschreibt sie als schweigsam, beobachtend, nackahmungssüchtig, von lebhafter Einbildungskraft, eitel und unbeständig in ihren Neigungen. Ihr Unglück ist das Spiel und das schöne Ge schlecht. Die Neigung zum Wetten und Spielen ist allgemein auf der Insel verbreitet; und wenn die Bevölkerung zu den Pferderennen und den Hahnenkämpfen zusammenkommt, die sie leidenschaftlich liebt, dann fordert der Spielteufel zahlreiche Opfer. Die Frauen sind wohlgebaut, ihr Teint zeigt eine interessante Blässe, wird aber durch die Seeluft schnell geschädigt. Sie besitzen eine große natürliche Grazie und kleiden sich oft mit ausgezeichnetem Geschmack; gern tragen sie goldenen oder silbernen Schmuck oder stecken sich wenigstens Abends einen Leuchtkäfer in daS rabenschwarze Haar. Ihre geistige Ent wickelung läßt freilich Alles zu wünschen übrig, was aber in einem Lande nicht Wunder nehmen kann, dessen Schulwesen ganz im Argen liegt; 1830 besaß Puerto Rico im Ganzen 29 Schulen, und noch heute sind über zwei Drittel der Be völkerung Analphabeten. Die Leidenschaft der Frauen ist neben dem Reiten, das allgemein eifrig betrieben wird, der Tanz. Die Bälle in San Juan zeigen gewöhnlich einen großen Reich thum schöner Tänzerinnen; aber auch bei allen anderen Gelegen heiten bildet der Tanz die Krone und den Hauptinhalt des Ver gnügens, und so weit geht die Tanzwuth, daß selbst bei dem Begräbnisse eines Kindes ein Tanz stattfindet, dessen Kosten der Pathe trägt. Das größte Fest der Insel ist der Johannistag. Dann strömen die Puerto Ricaner von allen Seiten zusammen, das beste Pferd wird geritten, der schönste Schmuck getragen, und überall locken Zither und Castagnetten zum Fandango. Das sind die Freuden der Jugend der Frau in Puerto Rico; da sie aber sehr frühzeitig heirathet, so welkt ihre Schönheit schnell, wozu auch ihr großer Kinderreichthum beizutragen pflegt, und dann giebt sie sich meist der Trägheit hin, hält sich von allen Arbeiten fern und verbringt den Tag mit Cigarrenrouchen. Da Puerto Rico nicht als Kolonie, sondern als Provinz Spaniens behandelt wird, so haben seine Städte zumeist den feierlich-pittoresken altspanischen Charakter behalten. Die Insel hat keine so großen Städte wie Cuba, aber sie ist reich an kleineren Niederlassungen, deren niedrige weiße Häuser ge wöhnlich einen um so freundlicheren Eindruck machen, als sie zum Schutze gegen die Sonne mit Gärten und Bäumen umgeben zu sein Pflegen. Heber 50 solcher Wohnplähe zählt Puerto Rico, der größte unter ihnen ist Ponce, die Hauptstadt San Juan steht nach der Einwohnerzahl erst an sechster Stelle. Dafür zeichnet sie sich durch ihren geräumigen und trefflichen Hafen auS, den man freilich nur durch eine schmale, von Klippen begleitete Einfahrt gewinnen kann. Sind die Seezeichen ent fernt, so ist San Juan schon dadurch verthetdigt, daß dann selbst der eingeborene Lootse den Weg nur schwer findet; doch dienen dem Schuhe der Stadt auch ein Fort und eine Reihe weiterer, nicht unerheblicher Befestigungen. Auf einer Insel erbaut und erst später durch eine Brücke mit dem Festlande verbunden, erinnert San Juan an Cadix. Die rechtwinkelig sich kreuzenden, in neuerer Zeit leidlich gepflasterten Straßen, für deren Reinigung der Regen ausreichend sorgt, die sauberen niedrigen Häuser machen einen freundlichen Eindruck, und eine Reihe alter Bauwerke, wie die Kathedrale, das Gouvernements gebäude und das Rathhaus, geben ihr einen historischen Charakter. Lange Zeit war San Juan eine schlafende stille Stadt: darin hat das 19. Jahrhundert Wandel gebracht, Wohl stand und Bequemlichkeit sind in die Wohnungen eingezogen, ein großes Theater entstanden. Auch hier in der Hauptstadt kündigt sich so die wachsende Prosperität der Insel, kündigen sich ihre großen Aussichten für die Zukunft an. Wem wird diese Zukunft gehören?
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