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S7. Jahrgang. ^ 36. Donnerstag, 6. Februar 1913. Vezug»-«ebiihr für Dr«. ü»n d«l tlillch zwei. «altger Zulranungcan Sonn- und Mo,nagen nur einmal) r.so M., durch auowLnig« No,n. mlMonLrk bl» 8,sc, M. Bet klnmaltgkr Zu- Dklluna durch die Post » M. lohneBeltellgeld). Die den Leiern von Dreoden u. Umgebung om 2age vorher zu- -eltcUten Abend-Au». gaben erhallen die au», «ilrtiaen Bezieher Mit »er Margen-Aueaobe »»lammen. — Äarli- Lruck nur mit deul- ltcher Quellenangabe QVreod. Rache,") zu- Mtg. — Unvarlangt« Dianusiriple werden nicht aufbewahrc. Telcgramm-Adresse: Nachrichten Dresden. Femsprecher: 11 » 2086 - 3601. 18LH Druck und Verlag von Liepsch L Ncichardt in Dresden. »komulimrakar: foncksn1-Ldoco/sk/e l ^ /sssim - c/iocol»ds r per 7s5ek 5Ü ^ L/tzder- Ldocolscke / llttrlc«: vrilrlaq. Lscso pse tzr ttz. Lore 2,40 lii. 0sLLer^ eee Lz/Kon 2, 3 v.<b Aujeigen-Darif. An,rahme von Anlün» diaungen bis nachm, » Uhr, Sonntag» nur Marie,illrahe »8 non ll bi» >/,l Uhr, Die einipaltiae (brunbreile Na, 8 Laben) »0 Pi,. Familien blaarrrchlen aus Dreoden 2ö PI, ', die zwelspaitige Zeile aus Terlseite 7ÜP1, die zweispaltige Reklame. Zeile I.SÜ M, — In lllummern nach Sonn- u„d Feiertagen die einspaltig« cürundzeile !,,> PI,. Familien. Rochrichlrn aus Lres- de,, die LrundzeUe !!U Pi, — AuswLriige Austrage nur gegen Dorausdezablung. — Jedes B^^blall HauptgrschästSstelle: Maricilstraße 3d»/40. L» ^ r»r rr» i 11VI vie^ner bleue Weeliselsii'omkoblen für- l^k-ojsklions - LQ§6Nl3MP6N brennen rein veig unck geben ckop^elc LO starkes l-iebt, vie gexvohnhclie noblen, 6si SsstsNcine bltls »mpersrsbl snruxsbon, Varl Man!, "ALLÄ?- SS. sür Kincker mit. tzsaliren 30 Usx., kür Kincker üb. 6 sakre 85 Ukg., tür sinvschsene 50 pko. (legen iAiickenwüriner vuriNLäpkrlivu", scimclitel 50 Ukg. m. geimuer Qedrauclis- »nvveiLung. sicht m. äuksckr. ,.i-«uv>c»rt". Ver8»nci n. susxv. Dresden, feldZLlilössctien -kiere bleiben erstklassig! LfOMtlgg klirrmtil!m!l spLl'tki' iikuklSltkli ll> üklitrelm ll. sngl. l YuMtsn. btksng SllUllS MfS. SUMMÜlllMll billige klMS. ! Avrv oUrgo ^esev. Mutmaßliche Witterung: Heiter, mild, vorwiegend trocken. Die Gründung eines Z,w e ck v e rba nd e s Grob- Dresden, für den 44 Gemeinden in Krage kommen, wird nach dem Muster von Groß-Berlin vorbereitet. Bei der Jahrhundertfeier in Königsberg hielt der Kaiser eine bemerkenswerte Ansprache. Einzelne Bundesstaaten haben -ix Festlegung der Matrikularbeiträge für süD Jahre an geregt. Der Reichstag setzte die Beratung des Etats des Reichsa m t s des Inner» fort. Der Erlaß eines P a r s i f a l - S ch u tz g c s e tz e s wird von den Reichstagsabgeordnetcn v. Liebert, Mumm und Winterseldt beantragt. In der Frage der S ch i s f ah r ts a b g ab e n auf der Elbe werden neue Verhandlungen zwischen der deutschen und österreichischen Regierung erwartet. Die Beschießung von Adrianopel nimmt nach bulgarischen Berichten einen für die Bulgaren günstigen Verlaus., . . , Die deutsche Rote-Kreuz-Expedition wir- von den Bulgaren trotz Ersuchens der deutschen Kaiserin nicht nach Adria nopcl hineingelassen. Sin deutscher Beittag rur polnischen Revolutionsieier. Am 22. Januar haben unsere polnischen Landsleute den 60. Jahrestag der Revolution ihrer russischen Brüder gefeiert. In Rußland selbst war auch die leiseste Er wähnung dieses Ereignisses unter Strafe gestellt. Bei uns in Posen wurde zum Gedächtnis dieses „Ehrentages" in den Kirchen feierliches Hochamt begangen, und am Schluß desselben hallten, ganz wie vor 50 Jahren, die Gottes häuser wider von dem tausendstimmigen Gesang des Re- volutivnslieöes: „Aus dem Rauche der Flamme, aus dem Blute der Brüder dringt unsere Stimme zu Dir. o Herr!" Endlose Prozessionen mit allem priestcrlichen Pomp, mit polnischen Fahnen und Wappenschildern schlossen sich an, und selbstverständlich machte sich die gehobene kirchlich- nationale Stimmung beim Anblick der preußischen Pvlizei- beamtcn auch in den Worten Lust: „Schlagt sie tot. die Hunde!" Polnische Religion i st Deutschenhaß! Daß wir das nicht wissen oder nicht wissen wollen, darin liegt unsere beklagenswerte Ohnmacht gegenüber dem Polentum. Die Revolution von 1803 nahm damit ihren Anfang, daß in der Rächt vom 23. auf den 24. Januar die russischen Garnisonen in den kleineren Städten von polnischen Ban den überfallen wurden. Ucberall lagen die Soldaten ruhig schlafend in ihren Quartieren, und so wurden sie zu Hun derten meuchlings nicdergemacht oder in den angezündeten Häusern verbrannt. Eine polnische Gedenkfeier des 22. Ja nuar bedeutet auch ein Bekenntnis zu diese» nächtliche» Meuchelmorden, die an jenem Tage von der geheimen „Nationalregicrung" befohlen wurden. Wir wollen es den Polen von heute danken, daß sie so offenherzige Leute sind. Saß sic mit Hochamt und Prozession den Meuchelmord als nationale Waffe rühmen und heiligen. Polnische Religion ist Deutschenhaß, und im polnischen Nationalismus steckt Mördergeist! Die preußische Negierung wird noch zu anderen Maßregeln greisen müssen, als zu dem zaghaft gehandhabten EnteignungSgesetz. wenn sie mit der Tat und mit der Wahrheit eine Schirmherr!» dcS Deutschtums gegen das Polentum sein will. 1km den Polen eine ganz besondere Freude zu machen, wollen wir heute ihre Gedanken von ihrem Erinncrnngs- tage ans den unseligen lenken: a u f d c n 8. F c b r u a r 1 803. an dem ihrer revolutionären Erhebung schon der tödliche Gegenstoß versetzt würde, wenn auch die letzte Jn- surgentcnbande erst im Frühling des nächsten JahreS ver nichtet wurde. An diesem Tage Unterzeichneten in Peters burg der preußische General Gustav v. Alvcnsleben und Fürst Gortschakosf eine Konvention. wonach auf Ersuchen des russischen oder des preußischen Oberbefehlshabers oder der bezüglichen Grcnzbehürden die beiderseitigen Trnppen- führer ermächtigt wurden, sich gegenseitig Hilfe z» leisten. Diese Bevollmächtigung schloß für beide Teile auch das Recht ein. nötigenfalls die Grenze zu überschreiten zur Ber- jolgung der Rebellen, die aus dem einen Lande in das andere flüchteten. Diese Konventivn, deren militärische Basis preußiicherseits vier kriegsbereite Armeekorps waren, die unsere lange polnische Grenze von Insterburg bis Oppeln sperrten, sie entsprang der eigensten Initiative Bismarcks, und sie war zugleich der erste geharnischte Schritt, den der neue Minister in die große europäische Politik tat. Sie ist ein Schulbeispiel sür jeden Diplomaten, der hinter die Geheimnisse staatsmünnischcn Handelns und staatsmännischer Erfolge kommen will. An kaum einer anderen Aktion Bismarcks treten so leuchtend wie an dieser die Bedingungen seiner heroischen Staatsknnst her vor: das Erfassen des rechten Moments: die unbestechliche Personenkcnntnis: die nüchterne Durchdringung der be züglichen internationalen Interessengemeinschaften und Interessengegensätze: die unverrückbare Sicherstellung des Zieles: die Verachtung der phrasenhaften heimischen Oppo sition: der Mut der Verantwortung vor dem geschichtlichen Gewissen, Schon im Jahre 1848. wo naiver deutscher Rationalis mus und raffinierter Polonismus Vcrbrüderungsfestc feierten, da geißelt Bismarck in seinem berühmten Briese an die „Magdeburgische Zeitung" den Unverstand und die Würdelosigkeit dieses romantischen Gebarens. Als Ge sandter an der Newa beobachtet er aus seinem preußischen Vorposten die beiden divergierenden Strömungen der polcnfrcundlichen und der polcnscindlichcn Partei inner halb des kaiserlichen Kabinetts. Und als dann im zweiten Quartal seiner Ministcrschaft die russischen Polen die edlen Absichten Alexanders II. mit Mord und Brand, mit Gift und Dolch quittieren, da springt er dem Zaren entschlossen an die Seite und erringt seinen ersten großen Sieg sür Deutschland — im Schoße des russischen Kabinetts. Der Eindruck dieses ritterlichen Sclundantendicnstcs aus den Zaren war ein tiefer und nachhaltiger. Er hat alle bos haften und versteckten Gegenzüge Gvrtschakofss, des Hauptes der polcnfrcundlichen Liga, zuschanden gemacht und hat wohltätig nnchgewirkt bis unter die Tore von Paris. Die wohlwollende Neutralität Rußlands war die notwendige Vorbedingung unserer Einheitskämpfc, Um dieses politischen Zieles willen schloß Bismarck die Alvens- lcbcnsche Konvention, nicht etwa aus reiner Verehrung und Anhänglichkeit an die Person des Zaren. Mit seinem Späh erblick für die Wirklichkeiten erkannte er in der polnischen Frage die tiefe Interessen- g e m c i n s ch a f t z w i s ch e n N u ß l a n d u n d P r c u ß e n- D c u tlchl and. soweit beide Staaten entschlossen waren, russische bczw. preußisch-deutsche Nationalpolilit z» treiben. Bekam im russischen Kabinett die panslawistische Partei der Gortschakosf. Großfürst Konstantin, Marquis Wiclopolsti mit dem Ziel der Befreiung Polens als eines russischen Schutzstaates definitiv die Oberhand, vöer siegte gar die Re volution. dann lohte der polnische Kcuerbrand auch bei uns in lichten Klammen auf, das heißt Preußen mußte um den Besitz aller seiner Ostprovinzcn kämpfen und damit die Lösung aller übrigen deutschen Kragen ncl oaic-nckns (Ii-neeus verschieben. Die Alvenslebensche Konvention aber zwang Rußland in die Bahnen moskvivitischer Politik zurück, hielt das polnische Nationalkomitec in Posen streng tn Schach und unterband eine Verstärkung der Insurgenten von unserer Seite her so gut wie völlig. Allerdings machte Bismarck durch diese preußisch- russische Ucbcrcinknnft diese rein interne Angelegenheit beider Länder z» einer europäisch-internationalen. Frank reich. England und auch Oesterreich erschienen sofort auf dem Plan und vom Frühjahr bis in den Sommer hinein regneten die polcnsrcnndlichen diplomatischen Roten nur so vom politischen Himmel herunter. Aber Bismarck mußte, daß die polnischen Snmpathicn dieser drei Mächte sehr verschiedenen Tbermometerstand aiisiviescn und durch natürliche Differenzen dieser Staaten ans anderen Gebieten wieder stark paralnstert wurden. Als er den englischen Ge sandten Sir Andrew Bnchanan auf den Abschluß der Kon vention vorbereitete uüd unter Umstünden auch eine Be setzung des Königreichs Polen durch Preußen in Aussicht stellte, rief Sir Andrew wiederholt ans: „Das wird Europa niemals dulden!" Bismarck fragte kurz: „Wer ist Europa?", worauf der Engländer schon etwas gedämpfter erwiderte: „Mehrere große Nationen." „Sind Sie bereits darüber einig?" stellte Bismarck die schneidende Gegenfrage. § Worauf Sir Andrew eine positive Antwort vermied. — In eine unbcauemcrc Situation kam Bismarck, als der Zar weiterhin die Konvektion zu einem Offensivbnndnis gegen Oesterreich umgestaltcn wollte. TaS war der Punkt, wo er das selbstgesteckte Ziel vor dem Freunde sicherzustcllen batte. Der russisch-österreichische Gegensatz lag wesentlich im Orient, da. wo er auch heute bis zur 'Gefahr des Welt- branöcs sich verdichtet hat. Aber in solchem Bündnis wäre Bismarck ans der führenden Stellung ins Schlepptau ge- kommen: der eigentliche Kampsprcis wäre kein deutscher, sondern ein solcher russisch-orientalischer Expansionspolitik gewesen. Infolge des unvermeidlichen Eingreifens Frank reichs hätte Preußen die Hauptlast des .Krieges zu tragen gehabt, und beim Kriedensschluß hätte Rußland unter allen Umstünden „am längeren Hebelarm" gesessen. Aus all diesen Erwägungen lehnte Bismarck dieses weitere An erbieten ab, selbst ans die Gefahr hin der Abkühlung der zarischen Freundschaft. Er wollte deutsche Politik treiben, rein deutsche Politik: und Allianzen zu schließen war er nur gesonnen unter der Garantie un bedingter Gegenseitigkeit. Während Bismarck so peinlich daraus bedacht war, auch nicht um Haaresbreite von dem deutschen Interesse nbzu- weichen, soweit es durch die polnische Revolution gefährdet dmr. mußte er im preußischen Abgeordneten haus,: die gröbsten Schmähungen über sich ergehen lassen. Der Abgeordnete Waldeck sprach von dem Gendarmendicnst, den Preußen Rußland leiste, der jedem Preußen die Schamröte ins Gesicht treibe. Heinrich v, Snbcl protestierte gegen eine Politik, „welche belastet", welche uns aus freien Stücken mit der Mitschuld an einer kolossalen, von ganz Europa mit sittlicher Empörung betrachteten Menschcnjagö belastet, und der Abg. Twestcn erklärte, die Ehre der Regie rung sei nicht mehr die Ehre des Staates und des Landes: sie gebe den Staat tiefen Demütigungen preis und liefere ihn auf Gnade und Ungnade an Rußland aus. Einen natürlichen Verbündeten hatten alle diese maßlosen Opposi- tionSrcdncr an dem klerikalen Minister Napoleons III. Trvunn de l'Huiis. der gegen den Gesandten n. d. Goltz er klärte, daß nur die Entlassung Bismarcks die preußische Schmach sühnen könnte. Als alter Nvrderneiier Schwim mer wußte Bismarck, daß man die schäumenden Wellen am besten mit dem Rücken aussüngt. Sv handelte er auch in diesem Kalle, um die Front für Polen und Rußland frei zu haben. Eine Ironie der Geschichte war nun, daß die Konven tion in militärischer Hinsicht gar nicht zum Vollzüge kam, da an Ort und Stelle ein Bedürfnis dafür nicht vorlag. Tie Sperrung unserer Grenze genügte zur Lokalisierung des polnischen Brandes und als Rückendeckung für Ruß land gegen englisch französische Angriffsgelüstc. Ihre Wirkung war also in erster Linie eine politische. Diese tonnen wir nicht besser würdigen, als mit den Worten eines französischen Historikers, Paul Platter. Im zweiten Bande seines Werkes „Bismarck ob so» bsmps" sagt dieser von der Alvenslebenschcn Konventivn: „Alles an ihr war große, meisterhafte Politik: Analog der inneren Politik proklamierte sic an der Grenze das Prinzip der Autorität: sie beseitigte endgültig die Gefahr der russisch- französischen Allianz: sie unterstrich nachdrücklich die Un dankbarkeit Oesterreichs: sie erzwang die Dankbarkeit Ruß lands. Gedeckt gegen den Osten, konnte Bismarck hoffen, den Westen, Frankreich, erst zu düpieren, dann zu zer malmen. Da er nun auch Dänemark nicht mehr zu fürchten hatte, konnte er sich gegen Oesterreich sichern, um eS dann sogleich niederznschlagen. Indem er sich der wohlwollenden Neutralität des einen seiner Nachbarn versicherte, bereitete er die Niederlage der drei anderen vor. Diese Alvens- lcbenschc Konvention war vielleicht der wirksamste Schach zug tl'iw-tc la plus sPamult seines Lebens," Wir haben dem Urteil dieses Franzose» nichts hinziizilsügeii. Die wohltätige Nachwirkung der Konvention vom 8, F-cbr. 1803 erstreckte sich, trotz aller deutsch-russischen Per- stiniiniingen seit dem Berliner Kongreß, bis in das Jahr 1800, bis zu dem Moment der N i ch l c r n c u c r u n g des s o g c n a n n t e n N ü ck v e r s i ch e r u n g ö v e r t r ag es durch Eaprivi. Die unmittelbare Folge dieser Verleug nung der Bismarckschcn Grundsätze war der Tag von Kron stadt. das rlisstsch-französischc Bündnis, das Bismarck seit dem Pariser Frieden von >850 keimen sah,-aber ein Men- schcnaltcr hindurch mit vollendeter Kunst und unendlicher Wachsamkeit zu verhindern gemußt hat. In gewissem Zu sammenhänge mit dieser radikalen Schwenkung in unserer osteuropäischen Politik steht auch die jüngste verfassungs widrige Pvlcndcbattc im Reichstage mit dem Mißtraucns- vvtnm der klerikal sozialistischen Mehrheit gegen den Reichskanzler und den zvnischcn Schmähungen Preußens. Da offenbarte sich von neuem d c r i n n i g e Z u s a in m c n - Hang zwischen K l e r i k a l i s m u s und Pol v niS - m il S. Beide gehören zueinander, wie Kopf und Leib der Schlange ein giftiges Ganzes bilden. Wo„aber.ist heute der. Schlangentöter?? — — l WZ