Volltext Seite (XML)
Verantwortlicher Ncdactcnr und Verleger: Ludwig Donath in Schandau. Deiblatt zur „Sächsischen Elb-Zeitung" Montag, de» LS.Jmmar 18SS. 2. Fahrg., N n m in e r Motto: War' nicht das Auge sonncuhaft, Die Senne könnt' cs nie erblicken; Die Preisstücke. Novelle von L. Mühlbach. (Fortsetzung.) Marie zerknitterte daö Papier in ihrer Hand und warf es zu Bode». „Er ist ein Elender, ein Erbärmlicher!" sagte sie zähneknirschend. „Sehen Sic, ich weine nicht um ihn, oh nicht eine einzige Thränc! Ich verachte ihn so grenzenlos, wie ich chn eben noch geliebt habe, ich würde mich selber ver wünschen, wenn nur jemals ein Gedanke, ein Seuf zer nach ihm sich in mir regte! Aber ich will Rache haben, Rache für diesen Schimpf! Oh, er soll we nigstens sehen, daß Marie nicht die blöde Thörin ist, für welche cr mich halt! Romeo, Sic müssen mir helfen, daß ich mich rächen kann!" „Das will iä) und das werde ich!" sagte Ro meo, indem cr die dar-gestreckte Hand des jungen Mädchens ergriff. „Sie sollen Ihre Rache haben! Ernst soll sehen, daß Sic ihn erkannt haben und ihn verachten! Sie sollen ihn strafen, indem Sic ihm das Mädchen entreißen, welches cr liebt!" Aber der Parorismus ihrer Verzweiflung war schon vorüber, der Zorn hatte schon inihrderWeh- muth weichen müssen. DaS geringe Feuer ihrer Au- gen erlosch in ihren Thräncn und das stolz gehobene 'yaupt senkte sich auf ihre Brust. „Nein, nein," flüsterte sie, „durch mich soll cr keinen Kummer leiden, ich will ihm keine Schmerzen bereiten. Möge cr glücklich sein mit ihr, welche cr liebt, ich werde daran sterben, das ist Alles!" „Aber sic ist seiner Liebe nicht wcrth! Sic hat kein Herz, ihn zu lieben! Er würde nur unglücklich werden durch sic!" Marie hatte ihr Haupt wieder empor gerichtet, sie lauschte und,ein Lächeln überflog ihre Züge. „Er würde unglücklich durch sic!" rief sic. „Nein, Ernst soll nicht unglücklich werden! Ich liebe ihn nicht mehr, aber ich will nicht, daß cr unglück lich sei. Sagen Sie, was können wir thnn, um ihn zu retten?" Lüg' nicht in uns des Gottes eigne Kraft, Wie könnt' nnS Göttliches ent,nicken! v. Goethe. „Wir müssen ihm beweisen, daß dieses Mädchen ihn nicht liebt!" „Ja, das wollen wir!" sagte Marie mit einem freudigen Anfblitzcn ihrer Augen. Aber wie fangen wir es an?" „Horen Sic! Dieses Weib, welches er liebt, ist eine sehr vornehme und stolze Dame. Sic liebt ihn, weil sie ehrgeizig ist, und weil sie durch seine Ge dichte unsterblich zu werden hofft, wie die liedcrrcichc Laura des Petrarca. Sie ist entzückt von seinen Verse», aber, wie gesagt, sie ist ehrgeizig und sie hat geschworen, nur dann sein Weib zu werden, wenn er den ausgesetzten Preis für sein Drama empfängt, und von dem Publikum als Dichter gekrönt wird! Suchen wir also dies zu verhindern und diese stolze Schönheit wird sich von ihm abwenden und cr wird erkennen müssen, daß sie nicht ihn, sondern nur sei nen Ruhm geliebt hat. Und vielleicht, daß sein Herz dann von Neue erfüllt wird und er zu seinem Va- tcr, zu Ihnen zurückkehrt!" „Oh ich, ich will ihn nicht wieder zu mir zu- rückkchren sehen!" sagte sic stolz. „Aber dieses Mäd chen wollen wir entlarven, und sein Stück darf den Preis nicht erringen. Wie fangen wir cs an, dies zu verhindern?"' „Wir bedürfen dazu vieler Jntriguen, vieler Bestechungen und besonders vielen Geldes." „Oh, an Geld soll es uns nicht fehlen!" sagte Maric, indem sie aus der Tasche ihre gefüllte Börse hervorzog. „Es war Vas für Ernst bestimmte Mo natsgeld, jetzt wollen wir cS gegen und doch für ihn anwenden! Nehmen Sic, Romeo, und,,wenn cs nicht ausreicht, wollen wir das Doppelte, das Drei fache hinzufügcn! Bestechen Sie die Preisrichter, die Kritiker, bestechen Sic die ganze Welt, machen Sich daß sein Stück nicht den Preis erringt und dieses ehrgeizige Weib entlarvt wird!" „Und wenn ich dies Alles gethan habe?" fragte Romeo. „Wenn sein Drama fällt, seine Geliebte entlarvt wird, was für einen Lohn geben Sie als dann mir? Und wie wollen Sie alsdann Ernst be?