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Blatt und des StadtraLhes des Aönigl. Amtsgerichts Wutsnrh Abonnements-Preis: Vierteljährl. 1M. 2b Pf. Auf Wunsch unentgeltliche Zusendung. Geschäftsstellen bei Herrn Buchdruckereibes. Pabst in Königsbrück, in den An» noncen-Bureaus von Haast n- stein L Vogler u. „Invalide n- dank" in Dresden, Rudolph Moffe in Leipzig. Inserate sind bis Dienstag u. Freitag, Vorm. 9 Uhr aufzugeben. Preis für die einspaltige Cor- Puszeile (oder deren Raum) 10 Pfennige. Erscheint: Mittwoch und Sonnabend. Als Beiblätter: l. Mnstr. Sonntngs- ötatt lwöchentlich), 2. Kine lcrndrvirth- schnstlich« Weitage (monatlich). ->m- m.d V-rl-, L Erb.» Amemudvierzigster Jahrgang. d°.°"M°«ch-r G-s'a° SonnavenS. 88. 1. November 1890. Bekanntmachung die Einkommensdeklaration betr. Aus Anlaß der im Laufe des nächsten Jahres stattfindenden allgemeinen Einschätzung zur Einkommensteuer werden zur Zeit Aufforderungen zur Deklaration des steuer pflichtigen Einkommens ausgesendet. Denjenigen, welchen eine derartige Aufforderung nicht zugesendet werden wird, steht es frei, eine Deklaration über ihr Einkommen bis 10. November d. I. bei dem unterzeichneten Stadtrathe einzureichen. Zu diesem Zwecke werden bei Letzterem Deklarationsformulare unentgeltlich verabfolgt. Gleichzeitig werden alle Vormünder ingleichen alle Vertreter von Stiftungen, Anstalten, Personenvereinen, liegenden Erbschaften und andere mit dem Rechte des Vermögens erwerbs ausgestatteten Vermögensmassen aufgefordert, für die von ihnen bevormundeten Personen beziehentlich für die von ihnen vertretenen Stiftungen, Anstalten u. s. w., soweit dieselben ein steuerpflichtiges Einkommen haben, Deklarationen bei dem unterzeichneten Stadtrathe auch dann einzureichen, wenn ihnen deshalb besondere Aufforderungen nicht zu gehen sollten. Pulsnitz, am 30. Oktober 1890. Der Stadtrat h. Schubert, Brgrmstr. Nächsten Dienstag, den 4. November 18W, 'Rachmittag 3 Uhr, gelangen im König'schen Gasthofe in Kleindittmannsdorf 1 Taschenuhr, l Pelz mit Tuchüberzug und 1 Ueberrock gegen Baarzahlung zur Versteigerung. Pulsnitz, den 29. October 1890. Kunath, Gerichtsvollzieher. Reformationsfest! Die Bedeutung des Reformationsfestes liegt in der Gegenwart. Denn es ist nicht nur dem dankbaren Ge dächtnisse von Männern geweiht, welche schon längst aus dem Leben geschieden sind, nicht nur der pietätvollen Er innerung an Ereignisse, die für uns der Vergangenheit angehören, sondern wir feiern mit diesem Feste eine große, herrliche That, deren Früchte noch jetzt unser Eigen sind, eine geistige Bewegung, die noch heute lebendig unter uns wirkt und uns täglich reichen Segen spendet. Alle Er rungenschaften der Gegenwart auf religiösen! und sittlichem Gebiete, in Kirche und Staat, Gesellschaft und Familie, Wissenschaft und Kunst, kurz alle Blüthen und Früchte der neueren Zeit, haben ihre Wurzeln in jener geistigen Bewegung, in der Reformation, so daß wir dieselbe mit Recht als einen Wendepunkt der Geschichte, als das Ende eines alten und den Beginn eines neuen Zeitalters kenn zeichnen. Wenn diese weittragende und tiefgreifende Be deutung der Reformation selbst von denen anerkannt wird, die ihr nach Nationalität und Bekenntniß fremd oder gar mißbilligend gegenüberstehen, so muß umsomehr eine ge rechte Würdigung derselben von uns erwartet werden, die Wir in einem protestantischen Laude geboren und erzogen sind, das als die Wiege und Pflegstätte der Reformation, mit der Geschichte derselben tausendfach verknüpft, durch Spuren und Denkmäler sonder Zahl an ihre großen Männer und Begebenheiten erinnert. Unser geliebtes Fürstenhaus war es, unter dessen mächtigem Schutze Luther aufstand, um dem unklar geahnten und sehnsüchtig empfundenen Drange seiner Zeit nach Befreiung von den Banden des Geistes und Gewissens wahren und lebendigen, gewaltig wirkenden Ausdruck zu geben; und an wie vielen Orten des sächsischen Vaterlandes zeigt man den Platz — sei es nun unter dem himmelanstrebenden Gewölbe eines ehrwürdigen Domes oder unter dem Schattendach einer Luthereiche —, wo der große Reformator aus der unge trübten Quelle des göttlichen Wortes schöpfend unseren Vorfahren die frohe Botschaft von der christlichen Fre heit gepredigt hat. Auf geistigem Gebiete zeugen für den Segen der Reformation in unserem Lande am beredtesten unsere sächsischen Schulen, die in denselben Klosterräumen, wo man vormals die Menschen der Welt entzog, um sie dem Himmelreiche näher zu bringen, nun unsere Jugend in der Welt und für die Welt lehrt und erzieht zum Dienste Gottes und des Vaterlandes. Vor Allem aber sind die großen Thaten der Liebe zu neunen. Sie sind die edelsten Früchte der Reformation. Denn der Beweg grund des Mittelalters, welches Liebeswerke nur zum Verdienste der eigenen Seligkeit übte, wäre nimmer mehr stark genug gewesen, um Alles das hervorzubringen, was in der Gegenwart durch Staat und Kirche und Innere Mission zur Fürsorge für Arme und Kranke und allerlei Hülssbedürftige gethan worden ist. Das vermochte nur der von Luther zuerst wieder geforderte Glaube, das heißt die Gemeinschaft mit dem Geiste Gottes, welcher selbst die Liebe ist. Wegen aller dieser Errungenschaften der Reformation ist ihr Gedenktag für uns ein froher, ein festlicher Tag. Und wenn es in der jetzigen Zeit noch viele Wunden giebt, die der Heilung bedürfen und viel Armuth, Noth und Elend, das nach Erlösung schreit, so sagt uns das Reformationsfest hierzu zweierlei: Einmal: Hier kann nur die Liebe helfen, welche Gott in den Menschenherzen anzündet; und sodann: Eine Auflehnung gegen Gottes Ordnung kann nimmermehr helfen. Wohl zerbrach die Reformation die menschliche Ordnung des Mittelalters, doch sie that es im Geiste und in der Kraft Gottes. Auf ihrer Fahne stand geschrieben: „Eine feste Burg ist unser Gott!" Oertliche und sächsische Angelegenheiten. — Die Verkehrsanstalten und die Ober-Postcassen sind veranlaßt worden, am 31. Oktober festzustellen, welche Beträge an Reichs-Goldmünzen, an Einthalerstücken, an Reichssilbermünzen und an Reichskassenscheinen am be zeichneten Tage beini Schlüsse der Dienststunden vorhanden sind. Das Ergebniß ist der vorgesetzten kaiserlichen Ober- postdirection unverzüglich anzuzeigen, die darüber an das Reichspostamt zu berichten hat. — Das Reformationsfest wird heute in Sachsen zum 223. Male öffentlich begangen. Kurfürst Johann Georg II. ordnete die Feier im Monat Oktober des Jahres 1667 an. Die Verordnung lautete: „Wir haben aus schuldigster Dankbarkeit gegen Gott gnädigst beschlossen, forthin den 31. Oktober, er falle auf welchen Tag es in der Woche sei, zu Ehren und Gedächtniß des großen Herrn Luther seligen am selbigen Tage angefangenen Reformationswerkes, jährlich vor Mittage als einen halben Feiertag, durch unser Kurfürstenthum und desselben inkor- porirten Landen, in Städten und Dörfern mit Singen und Predigen, dazu entweder die Superintendenten den Text bestimmen, oder den Pfarrherren freistellen,' feierlich begehen zu lassen." — Wie verlautet, hat die sächsische Regierung auf Anregung von Sachsens Militärvereinsbund angeordnet, daß die Behörden möglichst dahin wirken, daß alle Militär vereine ihren Anschluß an genannten Bund bewirken. Eventuell soll ihnen die Führung des Namens „Militär- Verein" untersagt werden. (Letzteres erscheint allerdings recht unwahrscheinlich.) — Nachstehende Bahnhofs-Restaurationen werden pachtfrei: die zu Lommatzsch und Weischlitz am 31. De zember d. I., die zu Lunzenau am 28. Februar, die zu Bautzen, Waldheim und Zwota am 31. März k. I. Pacht gebote sind unter Anerkennung der allgemeinen Bedingungen bis zum 5. November d. I. an die Generaldirection der sächsischen Staatseisenbahnen einzureichen. — Die Vase, welche König Albert dem Generalfeld marschall Grafen Moltke zum Geburtstag verehrte, ist fast einen Meter hoch und zählt unter die feinsten Modelle der königl. Porzellanmanufactur. Sie trägt ein Medaillon mit dem Bildniß Sr. Majestät, von Genien und Amoretten umgeben, den Abschluß (Deckel) bilden Amoretten, welche die Königskrone emporhalten. Um den ganzen Vasenkörper schlingen sich Ranken mit Blattwerk, darauf verstreut sind Vögel und Schmetterlinge, die Zwischenflächen sind durch aufgelegte Blüthen des Schneeballs ausgefüllt. Bautzen. (Landgerichts-Hauptverhandlungen.) Der 1875 in Pulsnitz geborene Klempnerlehrling Robert Paul Kind in Bischofswerda erhielt wegen Urkundenfälschung und Betrugs zwei Monate Gefängniß zudictirt. Der jugendliche, bisher unbestrafte Angeklagte hatte am 18. März dieses Jahres, zu welcher Zeit er bei der Firma C. G. B. und Co. in Pulsnitz im Lehrlingsverhältniß stand, eine ihm zur Erhebung beim Postamte daselbst ein- gehändigte, bereits quittirte Postanweisung über 63 Mark 65 Pf. durch Umänderung der Zahl 3 in 5 sowohl in der Aufschrift, als auch im Postvermerk unter dem Striche verfälscht in der Absicht, den Betrag von 65 Mark 65 Pfennige ausgezahlt zu erhalten, der Schalterbeamte hatte auch in der Eile nur die Zahlen, nicht den in Buchstaben unverändert ausgedrückten Betrag verglichen und die um 2 Mark erhöhte Summe zur Auszahlung an Kind gebracht. Letzterer hatte nach Entdeckung der That sofort Ersatz geleistet. — Wegen fahrlässiger Tödtung hatte sich der 44 Jahre alll, bisher unbestrafte Kirschenpachter Moritz Her mann Schmidt aus Ohorn zu verantworten. Schmidt hatte die herrschaftliche Kirschennutzung an der von Ohorn nach Pulsnitz führenden Allee erpachtet. In der an dieser Allee errichteten Bude verwahrte er auf einem Brette ein mit Pulver und Schrot geladenes Doppelterzerol mit be reits aufgesetzten Zündhütchen, welche Waffe er zur Ab gabe von Schreckschüssen auf Vögel zu verwenden gedachte. Von dem Vorhandensein dieser Waffe in der Bude hatte der 10jührige Sohn des Angeklagten, Klemens Schmidt, welcher auf Veranlassung seines Vaters die schulfreien Nachmittage behufs Besorgung des Verkaufs der Kirschen an der Bude zubrachte, Kenntniß. So auch am 14. Juli dieses Jahres. Gegen Abend kam mit einem Handwagen von Pulsnitz her der gleichalterige Schulkamerad Schmidt's, Otto Oßwald, gefahren, verweilte an der Bude und ver zehrte einige erkaufte Kirschen. Beide Jungen gingen in die Bude, woselbst Oswald auf Betreiben Klemens', der gern einmal „knappsen" wollte, die Waffe herablangte und in die Hände Les kleinen Schmidt gab, worauf Oßwald durch den offenen Schieber in's Freie stieg, um sich um zuschauen, ob Leute in der Nähe seien. Plötzlich krachte ein Schuß und — Oßwald stürzte zu Boden. Er war sofort eine Leiche. Erschrocken kam der kleine Schmidt aus der Bude, rüttelte seinen Kameraden, kehrte aber bei Annäherung mehrerer Leute in die Bude zurück. Sehr gefährdet war bei diesem Vorgänge ein gewisser Gräfe, der, von Ohorn kommend, nur 2 Schritte von der Schuß-