Volltext Seite (XML)
Dienstag lÄLKNS Au beZeb«" dur-b alle Postämter des In- und Auslandes. Nr. 46. L6 Mai L843 Deutsche Allgemeine Zeitung. -HM , «Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz!» Ueberblick. Deutschland, »Lcipjig. Ist Deutschland unfrei? »München. Die Kammer hat sich auf kurze Zeit vertagt. Ein Gesetzentwurf m Cn- minalsachen. »Dresden. Verhandlungen der 11. Kammer über die Ruge'sche Beschwerde. » Hannover. Das Erkenntniß gegen die Ma gistratsglieder. »»Frankfurt a. M. Graf Münch-Bellinghausen. Graf Senfft v. Pilsach. Fürst Metternich. Bevorstehende Zusam menkunft des Kaisers von Rußland und des Königs von Preußen. Wagner's Maschinenbau, ch Frankfurt a. M. Rothschild. Gerüchte von einer österreichischen und einer russischen Anleihe. * Hamburg. Die Anträge des Senats an die Bürgerversammlung und deren Aufnahme. Spanien. »Paris. Die Cabinetskrisis. Scnatsverhandlungen. Car- listische Versuche. Großbritannien. Geschenke des Kaisers von China an die KLittgin. Ein Anti-Duellverein. Ein Lunnel von Dover nach Calais. »Lon don. Die Debatte über das Dankvotum an Lord Ashburton. Hr. Hume. Frankreich. Deputirtenkammer: Wahlprüfung. Nachträgliche Bewilli gung für Napoleon's Grabmal, -s- Paris. Eine Redncrphrasc. Die Quotidienne. -Paris. Der Proceß der «Mode» und seine Bedeu tung für die französische Presse. Die Amendements zu den Eisenbahn- Gesetzentwürfen. s» Paris. Nachrichten aus Algerien. Türkei. » Konstantinopel. Nachrichten aus Persien. Der Drusenhäupt ling Schible- Halil-Pascha. Die Ministerfrage. Die Stimmung ge gen die Großmächte. Ghina. Die Unterhandlungen über die Zollsätze. Ein Schreiben des kaiserl. Commissars. Südamerika. Nachrichten von Brasilien. Nachrichten von Montevi deo und Buenos Ayres. Handel und Industrie. Leipzig Eisenbahnfrequenz. Berlin. Ankündigungen. D rutsch land. ^tivsig, iS. Mai. Deutschlands Land und Volk soll unfrei, ja es soll frei gewesen und unfrei geworden sein? Nun, schon die Germanen des Tacitus hatten Leibeigne. Durch alle Jahrhunderte des Mittelalters finden wir vielfache persönliche Unfreiheit und einen unfreien, belasteten und gebundenen Boden. Jetzt gibt es inDeutsch- , land keine Leibeignen mehr, und auch für die Entfesselung des Bodens hat die Gesetzgebung säst in allen deutschen Landen mit wahrhaft groß artiger und erfolgreicher Anstrengung gearbeitet. Außerdem wird das deutsche Volk nach Gesetzen und es wird in der größten Mehrzahl sei ner Regierungen und ihrer Regierungsacte treu, gewissenhaft und wohl wollend beherrscht. In dem Beamtenstande ist ein Geist der Hinge bung» Gewissenhaftigkeit und Pflichtliebe, von dem man in Frankreich keine Ahnung hat. Das deutsche Volk hat seine durch Verfassung und das Vertrauen der Bürger berufenen Vertreter, die mit hohen Rech ten gerüstet sind. Mit alleiniger Ausnahme zweier kleinen Staaten bestehen jetzt in allen deutschen Landen ständische Gewalten zum Mit- rathcn und in der großen Mehrzahl sind sie auch mit einem gewichti gen Veto, und mit einem stärkern und stctern Einfluß auf das Staats leben, selbst auf vielen, ihnen früher ganz entzogenen Seiten ausge rüstet, auch viel besser zu einem wahrhaft volksvcrtretenden Charakter organisirt als jemals in Deutschland seit länger als einem Jahrtausend. Deutschland hat eine unvergleichlich größere Gemeindcfreiheit als z. B. die Franzosen, und auch seine meiste übrige Gesetzgebung trägt lange nicht den beengenden Charakter der französischen. Viele Seiten des Staatßlebens sind viel besser vor Willkür und Verderbniß geschützt. In neuern Zeiten hat die Freiheit der Bewegung wesentlich zugenom men. Für Bildung und Sittlichkeit wird redlich gesorgt. Der Kern des Volks ist gesund und voll Kraft und Einsicht. Und dieses Land, dieses Volk soll nicht frei sein? Es soll die früher besessene Freiheit verloren haben? Oder wenn man auf einzelne Ausnahmen von den gerühmten Vorzügen, die doch die Regel bilden, hinweist, glaubt man etwa, daß daö französische und das englische «taatslcben nicht auch seine Schwä chen und Schattenseiten hat? Weiß man nicht, daß in Frankreich in Al lem, in England wenigstens in Dem, was man politische Freiheit nennt, viel mehr Schein als Wesen, der öffentliche Einfluß mehr ein gebildet als reell, die öffentliche Gewalt in den höchsten Beziehungen dort in den Händen einiger Jntrigants, hier in denen einiger Grund- und Gcldaristokratcn ist? Das englische Volk ist ein ssUAovvrninK pevplv, aber nicht weil nach dem Willen der Mehrzahl des Volks re giert würde — dabei würde England schlecht genug fahren; sondern weil dort jeder Einzelne in seinen eignen Angelegenheiten mehr selbst entscheidet als in andern Ländern. Darauf beruht auch Das, was dort an politischer Freiheit zu finden ist; daraus ist es erwachsen und dadurch wird es gehalten. *EÜnchen, ii. Mai. Unsere Kammer der Abgeordneten hat gestern nach einer kurzen Versammlung ihre Sitzungen bis zum iS. Mai vertagt. Es geschah dies auf den Antrag des einzigen Rechts anwalts, welcher 1840 die Erlaubniß zum Eintritt in die Kammer er hielt, des jetzigen Appellationögcrichtsrathcs Ritters v. Flcmbach. ES kommt nämlich von der nächsten Sitzung an ein von dem Justizmini- stcr eingebrachter Gesetzentwurf zur Bcrathung, der an sich von Wich tigkeit ist, und über den gestern in der Kammer ein höchst ausführli cher Vortrag erstattet wurde. Der letztere umfaßt, ausführliche Bei lagen ungerechnet, nicht weniger als 178 Druckseiten. Der Gesetzent wurf betrifft „einige Abänderungen der bestehenden strafgcsetzlichcn Be stimmungen" und zerfällt in folgende zwei Abschnitte: von einzelnen Verbrechen und Vergehen und-dcrcn Bestrafung; von einzelnen Be stimmungen über das Verfahren in Strafsachen. * Dresden, 9. Mai. (Fortsetzung der Verhandlungen der II. Kam mer über die Ruge-Wigand'sche Beschwerde.) Abg. Schu mann: „Der vorliegende Gegenstand scheint mir einer der wichtig sten zu jein, wenigstens wichtig genug, daß ich im Allgemeinen meine Gedanken darüber aussprechcn will. Leider sind mir aber die Ideen der Deutschen Jahrbücher nicht so bekannt, wie ich cs wünschte. Ei nige Principien, die mir bekannt worden sind, weichen allerdings von meinen Ansichten ab, frage ich aber: was thun die Verfasser der Jahr bücher? so ist die Antwort: sie stellen Untersuchungen über Gott, Re ligion und Staat an und zwar in einer Weise, daß sie lebhaftes In teresse bei allen Denjenigen erregen müssen, die sich für diese Fragen interefsiren und die Wahrheit suchen. Ein Mann aber, der die Wahr heit sucht, bleibt mir immer sehr verehrungswürdig; denn selbst dann, wenn er nur Jrrthum findet, führt dies durch den darüber und über die Berichtigung des Jrrthums sich entspinnenden Kampf am Ende Koch' zur Wahrheit. Wer will sich aber vermessen, zu behaupten, die Wahr heit gefunden zu haben? Auch die Regierung hat die Wahrheit nicht gefunden. «Irren ist menschlich», sagte noch vor kurzem in diesem Saal ein Minister von seinem Sitz aus, und die Kammer hat den Mann, der da gestand, sich geirrt zu haben, deshalb nicht unterdrückt. Der Jrrthum ist aber auch unvermeidlich, wenn man die Wahrheit sucht. Lessing, den Goethe selbst den scharfsichtigsten der Deutschen nennt, kleidete diese Wahrheit in folgendes Glcichmß ein. «Wenn Gott, sagt Lessing, zu mir träte mit geschlossenen Händen und in der einen Hand die volle, reine Wahrheit hielte, in der andern die Wahrheit mit Irr tümern gemischt und zu mir sagte: wähle! ich würde ihm in den Arm allen und sagen: Allmächtiger, öffne die Hand mit dem Jrrthume, »enn die reine Wahrheit ist uns schwachen Sterblichen doch nicht zu gänglich!» Deshalb, weil die Jahrbücher etwa irrige Ansichten aus- prachen, waren sie nicht verdammlich, man mußte sie vielmehr weiter gehen lassen und ihnen Gelegenheit geben, ihre Ansichten berichtigen gu lassen. Das war der einzige Weg, der zur Wahrheit führte. Vcr- chmäht man denselben, so versündigt man sich an dem menschlichen Aciste, der das Recht der freien Forschung hat. Nur dann kann die Regierung eine Philosophie zurückweisen, wenn sie in das Rechtsgebiet ich wirkliche Eingriffe erlaubt. In den Motiven zur Unterdrückung »er Jahrbücher wurde jedoch ein solcher Grund, daß sie sich z.B. eines )ochoerraths schuldig gemacht, nicht angeführt, wohl aber, daß sie die Religion und den Staat unterwühlten. Ich gestehe, die Untersuchun gen der Jahrbücher in dieser Beziehung sind nachtheilig für den Staat und das Bestehende ausgefallen. Soll dies aber der Rcchtfertigunas- grund ihrer Unterdrückung sein, was sagt man damit? Nichts Ande res alS: das Bestehende darf nicht überdacht, untersucht und besprochen werden. Daß ein solcher Grundsatz nicht wahr ist, zeigt die Geschichte nserer eignen Staatsverfaffung. Denn wenn im Jahr 1831 eine neue Verfassung eingcführt wurde, so geschah es doch nur deshalb, weil man durch Prüfung der alten Verfassung gefunden hatte, daß sie nicht ut sei. Wenn nun Niemand behaupten wollen wird, daß die neue Verfassung die beste unter der Sonne sei, so kann auch Niemandem untersagt werden, darüber Untersuchungen anzustellen, wie die Verfas- üng besser gemacht werden könne. Wenn man mir den Beweis führt.