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Nr. 263 — 91. Jahrgang Wilsdrusf-DreSden Mittwoch, den 9. November 1932 Tetegr.-Adr.: „Amtsblatt" Postscheck: Dresden 2640 Z Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter AnzeigeNPrcis: Lie 8Pcls»U«ne Raumzelle 20 Rpsg., die Igespalienc Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Reich»» Pfennige, die Sgejpaltcne Aeklamezeile im teitlichen Teile 1 RMK. Nachweijungsgebühr 20 Reichapsennige. Dor» Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 LLN'WA annahmcbisvorm.10Uhr. Für die Richtigkeit der durch Fernrus übermittelten Anzeigen übern, wir keine Garantie. Jeder Rabattantpruch erlischt, wenn der Betrag durch Klage eingezogen werden muß oder der Auftraggeber in Konkurs gerat. Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Das »Wilsdruffer Tageblatt' erscheint an allen Werktagen nachmittags S Uhr. Bezugspreis monatlich 2,— RW. frei Hau-, bei Postbestellung 1,80 RM. zuzüglich Bestellgeld. Einzelnummer» 10 Rpfg. Alle Postanstallen, Post- Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Be ¬ triebsstörungen besteht kein Anspruch aus ^reserung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung -ingesandter Echriststüche ersvlgt nur, wenn Porto beiliegt. Was nun? Mit der politischen Tatsache allein, daß wir nun wieder einen Reichstag haben, läßt sich vorläufig nur schwer etwas anfangen, und die Reichsregierung, oder vielmehr in diesem Falle der Reichspräsident, wird sich kaum mit der Einberufung der neuen Volksvertretung irgendwie beeilen; wahrscheinlich wird auch diesmal wie nach der Wahl vom 31. Juli die Verfassungsbestimmung ausgenutzt werden, wonach der neugewählte Reichstag „zum ersten Male spätestens am dreißigsten Tage nach der Wahl" Zusammentritt. Das wäre also der 6. Dezem ber. Und man hat mithin vier Wochen Zeit zum ja, wofür? Natürlich wird — was bereits angekündigt ist — der Reichspräsident mit den Führern der neuen Reichstags fraktionen sprechen. Aber heute liegen politisch-parla mentarisch die Machtverhältnisse in Deutschland ganz an ders wie früher oder wie in anderen Staaten, wo aus dem Ergebnis einer Wahl zum Parlament auch die „parla mentarischen Folgerungen gezogen" werden müssen. Ge schähe das jetzt auch noch in Deutschland, so müßte der Reichskanzler, da er ja auch im ne,nen Reichstag eine über aus große oppositionelle Mehrheit gegen sich hat, nun nach der Wahl ebenso zurücktreten, wie dies zum letztenmal 1928 geschehen ist, als durch die damalige Wahl das Kabi nett Marx seine Mehrheit verlor, mit der es über drei Jahre regiert hatte Der Reichspräsident übertrug darauf hin dem Führer der stärksten Fraktion die Kabinetts bildung, die allerdings erst nach wochenlangem Ver handeln zwischen den Fraktionen zustande kam. Aber schon 1930 war dies anders geworden. Das Kabinett blieb und stellte sich dem Reichstag; bei der Abstimmung über die Mißtrauensanträge der Opposition blieb diese in der Minderheit, so daß die Negierung damit, und zwar indirekt, der Bestimmung des Artikels 54 der Verfassung genügt hatte, wonach „der Reichskanzler und die Reichs minister zu ihrer Amtsführung des Vertrauens des Reichstags bedürfen". Und ganz anders wurde dies im September 1932, als der Konflikt zwischen Regierung und neugewähltem Reichstag zu offenem Ausbruch kam und die Auflösung herbeiführte, noch ehe dem Kabinett ver fassungsgemäß das Mißtrauen votiert wurde. Die Auf lösung durch den Reichspräsidenten erfolgte mit der Be gründung, daß die Gefahr bestehe, der Reichstag würde die Aufhebung der letzten Notverordnung verlangen; hier an zu erinnern ist deshalb notwendig, weil die Opposition vermutlich auch im neuen Reichstag die gleichen Anträge stellen wird, andererseits der Artikel 25 der Verfassung bestimmt, daß der Reichspräsident den Reichstag „nur ein mal aus dem gleichen Anlaß" auflösen kann. Nun hat sich der Wahlkampf seitens der National sozialisten, des Zentrums und der Linksparteien scharf gegen das Kabinett Papen als solches oder, wenn man will, persönlich gewendet, während diese Opposition keineswegs geschlossen, z. B. etwa gegen alle Bestim mungen der Septembcrnotverordnung ist. Diese Gegner schaft hat sich allerdings noch gesteigert nach den An kündigungen, die der Reichskanzler selbst oder der Reichs innenminister über die Pläne der Reichsreform gemacht hat. Schon erklärte der nationalsozialistische Führer unmitteldar nach der Wahl in schärfster Form der Re gierung Papen den Krieg und lehnte jedes Verhandeln mit Herrn v. Papen ab, von anderer Seite hört man, daß die Deutschnationale Partei „die Faust an der Gurgel der parlamentarischen Parteiwirtschaft habe" und gar nicht daran denke, eine „Wiederbelebung des Weimarer Par lamentarismus über die Bildung einer parlamentarischen Regierung" mitzumachen. Und obgleich der National sozialismus ein Drittel der neuen Volksvertretung stellt, dürfte ihm der Reichspräsident ebensowenig oder noch viel weniger die unbedingte Macht in die Hände geben als nach dem Siege dieser Partei am 31. Juli. Anderer seits mag auch beim Reichspräsidenten der Wunsch be stehen, der „Präsidialregierung" eine stär ke r e B e r w u r z e l u n g i m V o l k e bzw. in der Volks vertretung zu verschaffen, wo ja die politische Gegnerschaft gegen das Kabinett Papen auch bis tief in die Kreise der parlamentarischen Opposition hinein gerade bezüglich der wirtschaftlich-notverordnenden Tätigkeit für die Arbeits beschaffung doch einer teilweisen Billigung Platz gemacht hat. Und im übrigen sind die Bestimmungen der Not verordnung inzwischen soweit Wirklichkeit geworden, daß man einfach gar keine Möglichkeit für den Reichstag sieht, dieses ganze Notverordnungswerk in seinen wesentlichen Bestimmungen wieder aufzuheben. Gerade aber diese Reichs- und Versassuugsresorm scheint das Kabinett Papen zum Hauptinhalt seiner künf tigen Innenpolitik machen und es daher auch dem Reichs tag nach seinem Zusammentritt vorlegen zu wollen. Aller dings ist der betreffende Gesetzentwurf nicht in Arbeit, — und bis zum 6. Dezember ist Zeit genug, nach Verladern des Wahlfeuers Verhandlungen zwischen dem Reichs präsidenten und den Parteiführern einzuleiten, um zum mindesten zu versuchen, im Reichstag eine arbeitsfähige Mehrheit zu schaffen, wodurch dem gegenwärtigen Kon flikt zwischen dem Kabinett und der Volksvertretung ein Ende bereitet würde. Denn die wirtschaftliche Aufbau arbeit verlangt nicht eine bloß anbefohlene, sondern eine wirkliche politische Ruhe. M 8kW-, de« Der Kanzler Wer »ie Reichslagswahl Der Kanzler hielt auf einem Essen der ausländischen Presse eine Rede, in der er u. a. folgendes ausführte: „Sie werden von mir zunächst eine Äußerung über die Lage er warten, die durch den Ausgang der Reichstags- Wahlen bedingt worden ist. Ich kann meinen Gesamt eindruck dahin zusammenfassen: Eine erfreuliche Zunahme des Verständnisses für die Rcgierungsarbeit ist festzu- stcllen. Keine Partei wird noch Berechtigung zu der An nahme haben, daß sie die Alleinherrschaft in Deutschland ausübeu kann. Dagegen glaube ich die Hoffnung hegen zu dürfen, daß es nunmehr zu einer wirklichen nationa len Konzentration kommt; möge die erfreuliche Einigkeit, die das deutsche Volk heute in den großen Fragen der auswärtigen Politik durch alle Parteien hindurch beseelt, jetzt auch der Führung der Gesamtpolitik die notwendige breite Grundlage schiffen! Die sachlichen Ziele der Regierung, die Sie kennen, werden unverändert verfolgt werden. Ich habe Ihnen diese kurze Mitteilung über unsere Innenpolitik gemacht, weil ich das Interesse verstehe und würdige, das die öffentliche Meinung der Welt an unseren inneren Verhältnissen nimmt. Deutschland bildet das Kampffeld zwischen dem Rationalismus des Westens und dem Irrationalismus des Ostens. Politischer Kampf ist bei uns zugleich ein Kampf der Weltanschauung. Schöpferisch kann deshalb in Deutschland heute mehr denn je nur eine Politik sein, die aus dem Glauben kommt. Mancher, der heute im Auslande die Stärke unserer radi kalen, Strömungen mit Besorgnis verfolgt, wird sich ge stehen müssen, daß diese ihre stärksten Antriebe aus den politischen Methoden erhalten haben, die man seit 1918 von außen her gegen uns angewandt hat. Wie soll eine Regierung das nötige Ansehen vor ihren Bürgern haben, wenn sie mit einseitigen Dis kriminierungen gegenüber dem Auslande belastet und nicht imstande ist, ihnen das primitivste Lebensrecht, die Sicherheit nach außen hin, zu gewährleisten? Aus diesem geschichtlichen Zusammenhang von Jnnen- und Außenpolitik ergibt sich für das deutsche Volk die schicksalhafte Aufgabe eine Gestalt für seine Staatsführung zu finden, welche den dauernden Notwendigkeiten seiner Lage in Mitteleuropa und den besonderen Schwierigkeiten seiner heutigen Situation in gleicher Weise entspricht. Die erste Vorbedingung hierzu ist die Wieder herstellung der vollen Hoheit des Staates und die Einrichtung einer stetigen, machtvollen Re gierungsgewalt. Eine solche autoritäre Staats- führung, meine Herren, steht nicht im Widerspruch zu dem Grundsatz der Demokratie, der wie in vielen Staaten der Welt auch die Grundlage unserer Verfassung bildet. Demokratie und Autorität sind keine Gegensätze, sondern notwendige Ergänzungen. In unserem deutschen Reichs präsidenten hat sich die Wahl durch die Mehrheit des Volkes, also ein Akt unmittelbarer Demokratie, mit der geschichtlichen Autorität seiner Person vereinigt. Den Ent scheidungen, die von hier ausgehen werden, können wir mit Vertrauen und Zuversicht entgegensehen. Sie werden mit mir der Ansicht sein, meine Herren, daß die Herstellung einer innerlich starken deutschen Staatsgewalt nicht nur eine Lebensnotwendigkeit für Reichskanzler von Papen vor der ausländischen Presse. Unser Bild berichtet von dem Empfang der ausländischen Presse beim Reichskanzler (von links): Reichsaußen minister von Neurath im Gespräch mit einem aus ländischen Journalisten — der Presseattache der spanischen Botschaft, Rodino — Reichs kanzler von Papen in der Unterhaltung mit dem Vorsitzenden des Verbandes der ausländischen Presse, Blockzijl. Kurs z« Wern!" Deutschland, sondern das zentrale Problem Europas ist. Es wird nicht Ruhe und Frieden in Europa herrschen, bis man nicht dem deutschen Volke die lebensnotwendigen Voraussetzungen zugestanden hat, die ihm eine friedliche und sichere Entwicklung gewährleisten. Wir verlangen die Gewährung der gleichen Rechte, die für alle anderen gelten, nicht als eine Gnade oder Wohltat, sondern als unseren unverzichtbaren Anspruch. Unser Weg wird der Weg friedlicher Ver« ftändigung sein. Die Weltwirtschaftskrise hat den katastrophalen Charakter nur annehmen können, weil die internationale Verschuldung und die Hemmnisse des Warenverkehrs sich gegenseitig in ihren krisenhaften Wirkungen steigerten. Unter diesem Gesichtspunkt kann die Aufgabe und Bedeutung der Weltwirtschafts konferenz nicht hoch und entscheidend genug für eine weitere Erholung der Wirtschaftslage der Welt einge schaltet werden. Niemals wird die europäische Wirtschaft zur Ruhe kommen, niemals wird sie die für ihr Gedeihen sicheren Grundlagen erhalten, wenn nicht jene Konzeption einer einigen und friedlichen Völkergemeinschaft Wirklichkeit wird, die ich als das Endziel der deutschen Politik be zeichnet habe, und niemals wird dieses Endziel erreicht werden, wenn nicht die großen Grundsätze der Gleich berechtigung und des Selbstbestimmungsrechts der Völker aus allen Gebieten anerkannt und durchgcführt werden. Meine Herren, Sie würden enttäuscht sein, wenn ich mich heute nicht zu dem neuen französischen Plan für Sicherheit und Abrüstung äußerte. Der französische Plan setzt anscheinend voraus, daß alle europäischen Festlands staaten gleichartige Heere erhalten. Das erscheint vom deutschen Standpunkt aus durchaus diskutabel. Die französische Regierung geht anscheinend davon aus, daß erst gleichartige Wehrverfassung und gleichartige Bewaff nung die Heere der verschiedenen Länder wirklich ver gleichbar macht. Diesen Standpunkt erachte ich als einen großen Fortschritt. Die deutsche Regierung, die den Frieden wünscht, weil sie wie keine andere Nation der Welt der Segnungen des Friedens bedarf, stellt ihre Politik unter den Gesichtspunkt wirklicher, allgemeiner Abrüstung. Sie wird jede Maßnahme begrüßen, welche die Defensivkraft im Gegensatz zur Angriffskraft stärkt und Deutschlands Anspruch auf gleiches Recht und gleiche Sicherheit verwirklicht. Aber wir werden nicht an einer Abrüstungskonvcntion Mitarbeiten, solange wir nicht wissen, ob sie in ihrem ganzen Umfange für uns selbst Geltung haben soll. * Offene Hand für jede zur Mitarbeit bereite Partei. In einer Unterredung mit dem Chefredakteur des Transocean-Nachrichtendienstes erklärte Reichskanzler von Papen über das Ergebnis der Neichstagswahlen, er be trachte die Verschiebungen nicht als ausreichenden Grund, den Kurs zu ändern, den die Regierung unbeirrbar ge steuert habe. Das wichtigste Ergebnis der Wahl bestehe darin, daß die Mehrheit von Nationalsozialisten und Zentrum unmöglich sei ohne Hilfe der Deutschnationalen Volkspartei. Vielleicht dürfte es doch möglich sein, eine Grundlage zu finden, auf der diejenigen Parteien, die für Gesetz, Ordnung und christliche Weltanschauung eintreten, sich zu gemeinsamer Arbeit Vereinen können. Die Re gierung sei gerne bereit, ihre Hand jedem einzelnen und jeder Parteigruppe zu reichen, die guten Willens sei, loyal an der Lösung der nationalen Aufgaben mitzuarbeiten. SA. un-GG. im Gaargebiet verholen Von der NSDAP, wurde in diesen Tagen im Saargebiet ein Flugblatt mit scharfen Angriffen gegen die Rcgicrungskommission verteilt. Die Ncgierungs- lommission hat nunmehr aus Grund der bestehenden Ver ordnung, wonach im Saargcbict militärische und militär ähnliche Organisationen verboten find, die SA. und SS. der NSDAP, verboten. Völkischer Beobachter bis zum 14. November verboten. Die in München erscheinende nationalsozialistische Tageszeitung Der Völkische Beobachter ist mit sofortiger Wirkung bis zum 14. November verboten worden. Das Verbot wurde von der Münchener Polizeidirektion auf Grund der Notverordnung vom 14. Juni 1932 aus gesprochen, und zwar wegen eines Artikels, der tu der Ausgabe vom 6. und 7. November unter der Überschrift: „Herr von Papen hält eine von Verunglimpfungen gegen Adolf Hiller strotzende Rundfunkrede" veröffentlicht wurde.