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n §11* V §11* §11^1111 §1 ^/LLLßWDLEL ^ZTTLÜZM. l Die „Vttendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich z Mark. Durch die Post bezogen ,,20 Mark. Druck und Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inseraten bis vormittag w Uhr. Inserate werden mit ,o Pf. für die Spaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be- sonderem Tarif. Verlag von Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Vkrilla. Nr. 90. Mittwoch, den 29. Juli 1903. 2. Jahrgang. Oertliches und Sächsisches. Gttendorf-Dkrilla, 28. Juli 1903. *** Am Sonntag früh ertönten in unserem Orte Feueralarm-Signale und zwar fand die schon in letzter Nummer angekündigte Probe- Alarmierung der hiesigen freiwilligen Feuerwehr statt. In verhältnismäßig kurzer Zeit war die selbe zum Abrücken bereit und kam auf der an genommenen Brandstelle, Brauerei zu Medingen als zweite Spritze an. Das sich dort ent wickelte Treiben, es waren vier auswärtige Wehren vertreten, zeigte, daß die hiesige Wehr allen an sie gestellten Anforderungen vollstän dig gewachsen war und wurden alle Übungen mit größter Schnelligkeit und Exaktheit auö- geführt. Nach Schluß der Übung begaben sich die verschiedenen Wehren zur Löschung des sich eingestellten innerlichen „Brandes" und hatte Herr Brauereibesitzer Wäntig in ausgiebiger Weise für Löschung dieses Brandes gesorgt. — 19 03 ist oder wird doch ein gutes Obst-, Wein- und Bierjahr zugleich. Die Obst- bäume haben einen sehr reichen Fruchtansatz. Von einer eigentlichen Raupenplage kann man in diesem Jahre nicht reden, die schädlichsten Insekten sind zumeist dem kalten April- und Maiwetter zum Opfer gefallen. Man sieht denn auch nicht so viele Schmetterlinge wie sonst. Die Jugend, die ihre Freude an den in schönen Farben schillernden Tierchen hat, mag das bedauern, Gärtner und Landwirte aber freuen sich — was dem einen seine Eule, ist dem anderen seine Nachtigall. Die Nachrichten aus den Weingegenden lauten andauernd er freulich, die Herbstaussichten sind sowohl hin sichtlich der Menge wie der Güte überaus günstig. 1903 dürfte eins der reichsten Wein- jahre werden. Vom günstigen Wetter unter stützt — heiß mit häufigen Niederschlägen — entwickeln sich die Trauben in ihrem Wachstum Ungemein rasch. An der Mosel ist der Tranben- behang so reich wie selten zuvor. Aber auch den Biertrinkern wird gute Kunde. Der Hopfen steht fast überall sehr gut und verspricht eine schöne Ernte. — Der Juli eilt mit Geschwindschritt seinem Ende zu, an die Stelle der Rose tritt nun bald die Georgine. Das ist so der Lauf der Welt, und daher dürfen sich junge Mütter auch nicht beklagen, wenn sie einmal alte Tanten werden. Jugend und Schönheit verblühen; ehe manS gedacht, sind sie dahin. Aber die Natur bleibt jung und in jedem Jahr aufs neue beschenkt sie uns mit morgenschönen Veilchen und duftenden Rosen; allerdings felgen diesen Schönheiten nach ehernen, ewigen Gesetzen dann auch die Tulpen, Astern und Georginen. Im großen Ganzen scheint das Erntewelter noch ganz günstig geworden zu sein, sodaß in weiten Gebieten des deutschen Vaterlandes das Getreide trocken und glücklich wird eingcbracht werden können. Dresden. Nach beendeten Übungen kehrte am Sonnabend das 13. Jägcrbataillon von Königsbrück nach hier zurück. Zur Beförder ung diente ein Sonderzug, der in Königsbrück nachmittags 5 Uhr 17 Minuten abging und 6 Uhr 25 Niinuten in Klotzsche eintraf. Von dort aus trat das Bataillon den Fußmarsch nach seiner Kaserne an. — Wieder ist die Heidcbahn Klotzschc-DreSden außer Betrieb. Schon Sonnabend früh machte eine Störung notwendig, den Betrieb vorläufig einzustellen. — Wie vorsichtig man mit dem Einkauf von Eßwaren sein sollte, erwies sich hier wieder in den letzten Tagen, wo eine Anzahl Personen, auch Kinder, nach dem Genüsse von sauren Gurken, die von einem herumziehenden Händler gekauft wurden, nicht unbedenklich erkrankten. Es ergab sich, daß die Gurken nvt Grünspan versitzt waren. Man siehi hieraus, daß es noch immer Menschen giebt, die der Unsitte huldigen, eine gescheuerte Kupfermünze in die Gurken zu legen, um ihnen die grüne Farbe zu erhalten, oder sie in kupfernen Gefäßen zu bereiten, trotzdem es zur Genüge bekannt sein ollte, daß das Kupfer durch die Säure oxydiert und so der giftige Grünspan erzeugt wird. Auch Spinat wird leider von manchen noch mit einer kupfernen Münze oder in einem Kupfergefäße gekocht, um ihm eine schöne grüne Farbe zu geben, wodurch natürlich schwere Schäden für die Gesundheit verursacht werden. — Durch das tatkräftige Eingreifen einiger Spaziergänger wurde am Sonntag in den Nachmittagsstunden ein größerer Waldbrand verhütet. An der rechten Seite der Bahn anlage Dresden-Görlitz in der Nähe der Über brückung des Schienenstranges durch die Königs brücker Straße bemerkten die Passanten eine lärkere Rauchentwicklung und kurze Zeit darauf jelle Flammen. Schnell entschlossen wurde von den drei Herren, zu denen sich dann einige Soldaten gesellten, mit starken Birkenzweigen das rasch um sich greifende Feuer ausgeschlagen und von den Soldaten mit Sand überworfen. So wurden die bald meterhoch aufschlagenden Flammen, ehe sie noch an dem hohen Bestände größeren Schaden anrichten konnten, unterdrückt und weiteres Umsichgreifen (das Feuer war be reits in das eingezäunte Areal der Munitions fabrik nahe den Pulverhäusern übergesprungen) verhütet. Nach einer Stunde angestrengter Ar beit, in der man vergeblich auf die durch Boten herbeigerufene Hilfe wartete, war das ungefähr 120 Quadratmeter große Brandseld, das in dem trockenen Bodenbelag und dem Preißel- beerkraut reiche Nahrung bot, außer Gefahr gesetzt. Großenhain. Diebe statteten, wie sich herausgestellt hat, dem Sommerbad der Carola stiftung einen Besuch ab. Sie stahlen Holz, Decken u. a. m.. wurden aber alsbald von der Polizei „als alte Bekannte" ermittelt. Auch I. F. Caspari und Arnolds hatten die Lang finger eine unerwünschte Visite gemacht und dort Hühner mitgehen heißen. Priestewitz. Einem Radfahrer, der sein Nad in der hiesigen Ofenfabrik eingestellt hatte, wurde dadurch Schaden zugefügt, daß ihm am Rade ein Gummireifen zerschnitten wurde. Der Verüber ist nockr »vermittelt. Buchholz. Über den Eisenbahnunfall auf dem hiesigen Haltepunkt schreibt das „Erzgeb. Grenzbl." folgendes: „Kurz vor der Einfahrt in den Haltepunkt Buchholz verspürten wir einen starken Stoß, wie wenn der Wagen über einen großen Stein gefahren wäre, im selben Moment aber bemerkten wir mit Entsetzen, daß der Zug entgleist war und die Wagen in wilden Sprüngen über die Schwellen sausten. Plötz lich stürzte durch einen besonders heftigen Stoß unser Wagen um und wurde nun von dem immer noch nicht zum Stillstand gebrachten Zug auf dem Bahnkörper entlang geschleift. Mein Kind fest umklammernd, erwartete ich die Katastrophe, die nach meiner Meinung durch die vollständige Zertrümmerung unseres hin- und hergeschleuderten Wagens folgen mußte. Ringsum ein kaum mehr menschliches Geschrei der Verwundeten und der durch Angst Ge folterten, ein jeder auf Rettung bedacht und doch die Unmöglichkeit einer solchen einsehend. Es waren die fürchterlichsten Augenblicke, welche ich je erlebt. Plötzlich lag unser Wagen still. Mil ejnem Gefühl unbeschreiblicher Erleichter ung stellte ich fest, daß wie durch ein Wunder ich und mein Kind völlig unverletzt geblieben waren. Gleich Herrn Grund war auch der getötete Husar Langer ein Insasse desselben Wagens. Die getöteten Frauen hatten im folgenden Wagen gesessen." Deuben. Hier ertrank ein 17 jähriger junger Mann während eines Krampfanfalles im Wannenbade. Tharandt. Am Sonntag vormittag in der zehnten Stunde begegneten sich hier vor dem Erblehngericht der Omnibus einer auf einer Vergnügungsfahrt begriffinen Gesellschaft von ungefähr 15 Personen und ein Tandem, das von zwei Dresdner Herren besetzt war. Ob ¬ wohl hier die Straße breit genug ist, sodaß beide Fahrzeuge aneinander vorbeifahren konnten, so geschah doch das unerwartete, daß das Tan dem vorn in die Pferde hereinfuhr. Der Kutscher, wahrscheinlich durch den Schreck an raschem Handeln gehindert, hielt das Geschirr nicht an und so kam es, daß dem Lenker des Tandems das schwere Geschirr mit den beiden rechten Rädern über den Körper fuhr und ihn sofort tötete. Der Getötete ist der Kaufmann Ernst Klinkhardt aus Dresden-Neustadt. Sebnitz. Sonntag früh ist der Fabrik besitzer Strohbach, der Kandidat der deutsch freisinnigen Volkspartei im 4. Reichstagswahl kreise Dresden-N. war, in seiner Fabrik von Gasen erstickt aufgefunden worden Ostritz. Die Näherin Marie Krause, welche vor einigen Monaten das falsche Gerücht von einem räuberischen Überfall auf ihre Person in die Welt setzte, ist am Donnerstag dem Gru- nauer Krankenhaus überwiesen worden, um auf ihren Geisteszustand untersucht zu werden. Leipzig. Unter Mitnahme von 1600 M. hat am 22. Juli ein 15 jähriger Schüler von hier die elterliche Wohnung heimlich verlaßen und wahrscheinlich das Weite gesucht. Der Leichtsinnige ist mittelgroß, kräftig, hat läng liches Gesicht und dunkelblondes Haar. Eibenstock. Gutsbesitzer Süß aus Stützen grün, der wegen Notzucht, begangen an seiner 14 jährigen Tochter, hier interniert war, beging im Gefängnisse Selbstmord. Mühlberg a. d. E. Der wegen Verdachts, sich gegen das Nahrungsmittelgesetz vergangen zu haben, indem er zur menschlichen Nahrung ungeeignetes Fleisch zu Wurstwaren verarbeitet haben soll, im hiesigen Amtsgerichts-Gefängnis in Untersuchungshaft befindliche Fleischermeister Paul Döhler aus Chemnitz hat sich am Sonn abend nachts in seiner Zelle erhängt. Gegen die beiden anderen, des gleichen Vergehens Be schuldigten, dem Fleischer Carl Rülke und den Abdecker Max Fischer von hier, welche sich ebenfalls hier in Haft befinden, ist die Unter suchung noch im Gange. Plauen i. V. Daß, wie kürzlich gemeldet wurde, am oberen Bahnhof auf arbeitswillige Maurer ein Schuß abgegeben worden sei, be stätigt sich nicht. Wie die polizeiligen Erörter ungen ergeben haben, hat auf dem Bahnhofe niemand mit Bestimmtheit einen Schuß fallen hären. Nach sachverständigem Urteile stammt das aufgefundene Geschoß aus einer groß kalibrigen Scheibenbüchse und ist seinem Aus sehen nach schon vor längerer Zeit verschossen worden. Höchstwahrscheinlich ist es von jemand geworfen oder mit einem sogenannten Katapult auf das Wellblechdach des Bahnsteiges ge schleudert worden und hat -beim Aufschlagen das schußähnliche Geräusch verursacht. Plauen i. V. Der Klempnerstreik ist be endet. In einer am Sonnabend vormittag stattgefundenen Verhandlung erklärten sich die streikenden Gehilfen mit den Beschlüssen der Meister einverstanden. Der Streik, der acht Wochen dauerte, wurde als beigelegt betrachtet. Nus der Woche. In Rom und in der ganzen katholischen Welt kljngen die Trauerglocken. Der 267. Nachfolger Petri im Schlüsselamt hat nach langem Todeskampfe seine Augen zum ewigen Schlummer geschloßen und früher, als das ber dem Tode der vorhergegangenen Päpsten üblich war, sollte die Beisetzung Leos XIII. erfolgen. Alle die 44 Kardinäle, die im Jahre 1878 dem Kardinal Joachim Pecci ihre Stimmen gaben, sind ihm im Tode vorausgegangen nicht weniger als 102 andere Kardinäle dazu; sind in die Ewigkeit hinübergeschlummert und nur ein einziger, Oreglia, ist von allen denen übrig geblieben, die auch an dem Konklave teilnahmen, daß Leo XIII. auf den päpstlichen Stuhl hob. In einigen Tagen wird wiederum das Konklave zusammentreten und wie die ganze zivilisierte Welt während der lctzten vier ¬ zehn Tage auf die Nachrichten vom Sterbe lager des Pontifex gelauscht hat, so wird sie wiederum in Spannung gehalten werden hin sichtlich des Mannes, der von der Zweidrittel mehrheit des Kardinalkollegiums zum Antritt des Erbes Petri bestimmt wird. Die Ent scheidung in den beiden letzten Wahlen ließ nicht lange auf sich warten, sowohl Pius IX. wie Leo XIII. wurden nach wenigen Wahl gängen gewählt. Indessen hat es auch Wahl akte gegeben, die sich länger als drei Monate hinzogen. Das ist diesmal nicht zu befürchten. Die Zahl der Kardinäle, die für die Tiara durch die nötigen Qualitäten geeignet erscheinen, ist gering und eine Einflußnahme der Mächte in bestimmendem Sinne ist ausgeschlossen. — Was sonst in der Welt passiert, konnte die öffentliche Aufmerksamkeit wenig fesseln. Die Depotunterschlagungen sind neuerdings so zur „Modesache" geworden, daß der Einzelfall keine besondere Aufmerksamkeit erregt und die Ver tagung des Pommsrnbank-Prozeßes zeigt, daß unser Richterstand es schwer hat, sich in den tausendfach verschlungenen Windungen unseres heutigen Geschäftslebens vorurteilslos zurecht- znfinden. Glückt eine Spekulation, so wird sie chwerlich zum Gegenstand einer Anklage ge- nacht werden, es wüßte denn dabei besonders „blutig" hergegangen sein; mißglückt sie aber, dann muß wohl der Staatsanwalt zugreifen. Der Erfolg macht alles; er stellt die glücklichen Spekulanten wie Vanterbilt den Fürsten gleich. — Aus dem fernen Ostasien dringen die widersprechendsten Meldungen zu uns. Die Engländer sehen dort einem Zusammenstoß zwischen Rußland und Japan mit Sicherheit entgegen oder wollen doch wenigstens glauben machen, daß sie einen solchen befürchten. Ruß land dagegen will das nicht wahr haben und meint, es sei alles in bester Ordnung. In Marokko scheinen sich die Dinge allmählig wieder ins Lot zu rücken; denn glaubhaften Versicherungen zufolge sucht Bu Hamara nur noch seine Haut über die algerische Grenze in Sicherheit zu bringen. Mit Venezuela sollen die alten guten Beziehungen wieder hergestellt werden, nachdem es seine alten Schulden „voll und ganz" abgezahlt hat. Castro wird den neuernannten deutschen Geschäftsträger in feier licher Audienz empfangen und wenn die Diskontogesellschaft abermals Geld für Bahn- bauten in Venezuela hergeben will: Herr Castro wird es ihr Mt verwehren; er ist großmütig und wird das Vergangene vergeßen. Es ist langweilig zu registrieren, daß das englische Parlament sich wieder einmal mit Deutschland beschäftigt hat und daß dabei Wendungen zum Ausdruck gebracht worden sind, die den zu Gaste anwesenden französischen Schiedsgerichts abgesandten wie das hohe Lied geklungen haben müßen. Kommt noch hinzu, daß die englische Regierung ihre Cunard-Linie verpflichtet hat, zwei Personendampfer zu bauen, die die Reise zwischen England und Amerika vermitteln und betreffend Schnelligkeit und Bequemlichkeit die deutsche Konkurrenz völlig, aus dem Felde schlagen sollen. Bleibt nur noch Macedonien übrig. Dort ist jetzt größere Ruhe cingekehrt; den macedonischen Komitees scheint das „Pulver" ausgegangen zu sein. Von ernstlichen und durchgreifenden Reformen seitens der Pforte ist natürlich keine Rede, so gut es der entsandte Gouverneur auch meint. Bulgarien hat klein beigeben müssen, denn es hat eingesehen, daß es nirgendwo, am wenigsten bei Rußland, Rück halt findet und da dieses offizielle Nachgeben im Bulgarenvolke kein Verständnis findet, so erklärt sich auf die einfachste Weise, wie das Gerücht von der Vertreibung des Fürsten Ferdinand entstehen konnte. Wie die Dinge auch wirklich liegen mögen: Fürst Ferdinand hat sich bei der ganzen Affäre in die Nesseln gesetzt und im Geiste wenigstens hat sein treues Volk die Lokomotive Heizen helfen, die den Landesvater einstweilen über die Grenze ge bracht hat.