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und Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. Donnerstag, den 7. October 1886 erhöhen soll, bis die Grenze von 70 Mk. erreicht ist. mitgetheilt, theologische in Fulda Geistlichen sich nach diesem zu Filialen: in Altstadtwaldenburg bei Herrn Kaufmann Max Liebezeit; in Peniq bei Herrn Kaufmann Max HLrtia am Mär'»; in Rochsburg bei Herrn Suchhalter Fauth; in Lunzenau bei Hrn. Buchhdlr. E. Dietze; in Wechselburg bei Herrn Schmied Weber; in Altenburg bei Hrn. Buchh. Ernst Geßner; in Lichtenstein b. Hrn. Buchh. I. Wehrmann. Staatssecretär von Bötticher begübt Varzin zum Fürsten Bismarck, um mit conferiren. Durch den „Reichsanzeiger" wird jetzt daß der preußische Cultusminister die Lehranstalt des Klerikal-Seminars zur wissenschaftlichen Vorbildung der Witterungsimssichten für den 7. Oktober: Bei westlicher Windrichtung durchschnittlich mittlere Bewölkung, Regen nicht ausgeschlossen. Temperatur verhältnisimäsiig warm. Zugleich weit verbreitet in den Städten Penig, Lunzenau, Lichtenstein-Callnberg und in den Ortschaften der nachstehenden Standesamtsbezirke: Ältstadt-Waldenburg, Braunsdorf, Callenberg, St. Egidien, Ehreilhain, Frohnsdorf, Gieba, Grumbach, Hohenkirchen, Kaufungen, Langenchurs dorf, Langenleuba-Niederhain, Langenleuba-Oberhain, Niederwiera, Obergräfenhain, Oberwiera, Oberwinkel, Oelsnitz i. E., Reichenbach, Remse, Rochsburg, Rußdorf, Schlagwitz, Schwaben, Steinbach, Wechselburg, Wiederau, Wolkenburg und Ziegelheim. Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Annahme von Inseraten für die nächster scheinende Nummer bis nachmittags 2 Uhr. Der Aöonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. 25 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., Einges. 20 Pf. Expedition: Waldenburg, Kirchgasse 255. "Waldenburg, 6. October 1886. Vor ein paar Tagen schien sich eine ruhige Aus einandersetzung zwischen Rußland und Bulgarien lang sam zu vollziehen; es war begründete Aussicht vor handen, daß der Zank endlich sein Ende nehmen würde. Die bulgarische Regierung hat dem russischen Bevoll mächtigten zugestanden, daß Fürst Alexander nicht wieder gewählt werden sollte, der Belagerungszustand war aufgehoben, mit der Freilassung der meuterischen Of- ficiere begonnen. Blieb nur noch die gleichfalls von Kaulbars gestellte Forderung der Verschiebung der Wahlen zur großen Nationalversammlung, die den neuen Fürsten wählen soll, übrig! Das wollte die bulgarische Regierung nicht zugestehen, angeblich, weil eine solche Verschiebung dem Wahlgesetz widerspräche. Rußland hatte es nicht nöthig, auf dieser Forderung unbedingt zu bestehen. Die Bulgaren konnten nur den Candidaten der Großmächte zu ihrem Fürsten wählen; war aber über einen solchen Candidaten bei Eintritt der Verhandlungen der großen Sobranje noch keine Einigung erzielt, nnn, so wären die Verhandlungen ganz von selbst vertagt worden. General Kaulbars verlangte aber in seinem Ungestüm, der den Gesinnun gen des Czaren entspricht, blinden Gehorsam von der bulgarischen Regierung, und um diese zu zwingen, hat er einen Streich begangen, der für einen Gesandten nicht nur unerhört, sondern auch ungemein thöricht gewesen ist, einen Streich, der alle Bulgaren, soweit sie nicht auf den russischen Rubel schwören, in das Lager der Regierung treiben, die Erbitterung gegen Rußland maßlos steigern wird. Jetzt können noch gewaltige Schwierigkeiten für die Russen entstehen. In Sofia fand eine von der Russenpartei einbe rufene Volksversammlung statt; die Russenpartei in Sofia ist aber gleich Null, und elf Zwölftel der Ver sammlung waren daher Gegner der Russen. Ein rus sischer Journalist hatte die Stirn, auf den früheren Fürsten Alexander zu schimpfen, und als ihm für diese Erbärmlichkeit der verdiente Lohn, eine gehörige Tracht Prügel, zu Theil wurde, da bestieg der General Kaul bars, der bevollmächtigte Vertreter des Kaisers von Rußland, die Tribüne und erklärte den Versammelten, die Forderungen des Czaren müßten erfüllt werden. Man bedenke, ein Gesandter erscheint unter den Bür gern des Staates und hetzt diese zum Ungehorsam gegen ihre eigene Regierung auf. Das war denn selbst den uncivilisirten Bulgaren außer allem Spaß, und es gab eine unerhörte Scandalscene. In der Erregung mag von beiden Seiten gesprochen sein, was eben nur die Erregung hervorbringen kann; es mögen auch Be leidigungen Wertens der Bulgaren gegenüber dem rus sischen General gefallen sein, aber weshalb begeht dieser den unerhörten Streich, die Aufhetzerrolle zu spielen? Das Ende von der Versammlung war, Kaulbars wurde niedergeschrieen und mußte zornbleich den Saal verlassen. Mag nun mehr oder weniger gegen seine eigene Person gesagt sein, jedenfalls fand er mit seinen Forderungen fden entschiedensten Widerspruch. Es ist'abzusehen, daß Kaulbars die Sache so hin stellen wird, die Bevölkerung sei von russenfeindlichen Agitatoren verführt und gegen ihn aufgehetzt worden. In seiner Person sei Rußland beleidigt, die bulgarische Regierung werde ihm Genugthuung gewähren müssen, andernfalls höchste Ungnade des Czaren. So wird russischerseits der Vorfall auszubeuten versucht werden. Die Versuche werden freilich in Bulgarien selbst keinen großen Eindruck machen, jedenfalls den schlimmen Ein druck nicht verwischen, den der Versammlungsscandal für geeignet erklärt hat. Es ist dies die erste Bekannt machung dieser Art auf Grund des diesjährigen Kirchen gesetzes. Die Studirenden der katholischen Theologie der Diöcese Fulda werden darnach in der bezeichneten kirchlichen Lehranstalt mit denselben rechtlichen Folgen ihre Studien absolviren, als wie auf den Staats- Universitäten. Die Disziplinaruntersuchung gegen den Amtsgerichts- rath Francke in Ratzeburg wegen der Wahlbriefaffaire soll nach einer Mittheilung der „Freis. Ztg." bei dem Oberlandesgericht in Kiel auf Anordnung des Justiz ministers Or. Friedberg angeordnet worden sein. Oesterreich-Ungarn. Das Organ des Auswärtigen Amtes in Wien, das „Fremdenblatt", tadelt das Auftreten Kaulbars in Sofia mit ganz entschiedenen Worten und nimmt die bulgarische Regierung in Schutz. Das Blatt schreibt: Die bulgarische Regentschaft sei ihrer schwierigen Auf gabe, für die Erhaltung der Ruhe zu sorgen, bisher mit Geschick gerecht geworden. In dem Streben, den auf die Mächte zu nehmenden Rücksichten zu entspre chen, aber dabei doch den gesetzlichen Boden zu behaup ten, könne sie ruhig die Verantwortung tragm. Da gegen sei das Auftreten Kaulbars in der Volksversamm lung zu einer Versöhnung nicht geeignet gewesen, eben so wenig wie seine Reise in das Innere Bulgariens. Bevollmächtigte seien überall bei den Regierungen und nicht bei den Volksmassen beglaubigt. Jede Regierung müsse offene Unterhandlungen mit der Menge als:eine Verletzung ihrer Autorität ansehen. Auch in Peters burg werde man das Bedauern über die Handlungs weise des Generals theilen. Kaulbars Auftreten ent spreche auch nicht den Tendenzen des Berliner Ver trages. — Das ist eine sehr derbe Prise für die Nase des Czaren, der ja persönlich General Kaulbars die Instructionen ertheilte. Im österreichischen Abgordnetenhause ist von dem Abg. Ruf eine Vorlage auf Errichtung von 26 Ar beiterkammern eingebracht. Werden wird wohl nichts daraus. Aus Temesvar ist der Redacteur Reusche ans poli tischen Gründen ausgewiesen. Dänemark. Dem dänischen Reichstage, der Montag seine Arbeiten wieder ausgenommen, ist eine Vorlage über Umwandlung von 157 Millionen 4procentiger Anleihe in Zprocentige zugegangen, außerdem das Budget. De fizit 8'/r Millionen. Frankreich. Für die Verhältnisse in der französischen Armee ist der folgende Vorfall charakteristisch: Ein Pariser Trainsoldat begegnete einem Lieutenant vom 34. Re giment und grüßte ihn nicht. Auf eine vom Offizier gemachte Bemerkung antwortete der Soldat, er sei Tags zuvor entlassen und habe keine Veranlassung mehr, die Offiziere zu grüßen. Darauf ließ der Lieutenant den Soldaten verhaften. Die Menge schaarte sich indessen zusammen, verhöhnte den Offizier und mit Mühe entging dieser Tätlichkeiten. In Tonking haben wieder Scharmützel zwischen hervorgerufen. Es soll uns gar nicht Wunder nehmen, .wenn die bulgarische Regierung jetzt den entschiedenen Muth findet, den Russen Widerstand zu leisten, denn Ministerpräsident von Tisza hat zudem im ungarischen Reichstage bekanntlich ausdrücklich erklärt: „Wir ge stehe» keiner Macht das Recht zu, die Balkanstaaten militärisch zu besetzen, oder einseitig Veränderungen in dem Besitzstände und der Verfassung derselben vorzu nehmen!" Vor einer russischen Occupation sind die Bulgaren also ziemlich gesichert, und die Regierung kann, wenn sie Volk nnd Armee für sich hat, die Un gnade des Czaren ziemlich ruhig ertragen. Darin liegt eben die Bedeutung von Kaulbars Auftreten. Statt das bulgarische Volk zu gewinnen, hat er es beleidigt, und der Regierung in die Arme getrieben. Der Fehler ist schwer, und wird nicht so schnell wie der gut gemacht werden. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Die Kaiserin Augusta hat dem Berliner Magistrat und den Stadtverordneten ein Dankschreiben für die Glückwünsche zu ihrem Geburtstag zugehen lassen. Der deutsche Kronprinz war in Santa Marghe rita bei Genua mit dem Grafen von Paris, dem Haupt der Familie Orleans, zusammengetroffen, eine Thatsache, die zu allen möglichen und unmöglichen Kommentaren herausgefordert hat. Wie jetzt offiziell mitgetheilt wird, war die ganze Begegnung ein Zufall. Der Graf reist, von einem Architecten begleitet, um sich in Ligu rien für den Winteraufenthalt eine Villa zu erwerben, im strengsten Jncognito, und seine Anwesenheit war dem Kronprinzen vor dem gelegentlichen Zusammen treffen gar nicht bekannt gewesen. Einen neuen Artikel gegen die ungarische Presse bringt die „N. A. Z." Sie sagt u. A.: „Es kann unmöglich ein Bündniß geben, durch welches sich ein Staat ganz in den Dienst des anderen stellt. In Ungarn hat man freilich schon früher (bei Gelegenheit der neuen deutschen Zollgesetzgebung) diese Auffassung gehabt und geglaubt, daß das Bündniß mit Deutschland nur dazu dienen sollte, ausschließlich die ungarischen Interessen zu fördern. Das deutsch-österreichische Bünd niß steht um deswillen fest, weil es nicht mit den Par lamenten und der Presse geschlossen, sondern weil es der Ausdruck der Freundschaft der beiden, in den Per sonen ihrer.Souveräne verkörperten großen Reiche ist. Darin besteht die Bürgschaft seiner Dauer." Zu gleicher Zeit kommen die Nachrichten, der englische Schatzkanzler Minister Lord Churchill wolle nach Berlin kommen und, Frankreich gedenke eine Conse ren z anzuregen, welche von England Rechenschaft über die Verwaltung Egyptens fordern soll. Lord Churchill hat eigentlich mit auswärtigen Angelegenheiten nichts zu thun, aber er ist trotz seiner jungen Jahre unbe stritten nächst Lord Salisbury das bedeutendste Mit glied des englischen Ministeriums. Zum Vergnügen reist er also wohl nicht nach Berlin. Zur Branntweinsteuerfrage wird der „Neuen Badischen Landesztg." aus Bayern geschrieben: Ich er fahre von zuverlässiger Seite, daß allerdings imEin- verständniß mit den süddeutschen Regierungen ein neues Project zur Erhebung einer allgemeinen deutschen Branntweinsteuer ausgearbeitet und dem Reichstage in der kommenden Session überreicht werden soll. Es ist darin eine allgemeine deutsche Besteuerung von ca. 40 Mk. per Hectoliter von 100 pCt. geplant, welche sich progressiv von zwei zu zwei Jahren um 10 Mark