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'MelßW-Stmmg" Erscheint wöchentlich drei- mctl: Dienstag, Donners tag und Sonnabend. — Preis vtertekjährltch 1 M. 25 Pfg., zweimonatlich 84 Pfg-, einmonatlich 42 Pfg. Einzelne Nummern 10 Pfg. — Alle Postan. italten, Postboten, sowie die Agenten nehmen Be stellungen an. Anzeiger für T und Umgegend. Inserat«, welch« bei d« bedeutenden Auflage d«S BlatteS eine sehr wirk same Verbreitung finden, werden mit 10 Pfg. die Spaltenzeile oder oerm Raum berechnet. — Ta bellarische und complieirte Inserate mit entsprechen dem Ausschlag. — Einge sandt, im redaktionellen Theile, die Spaltenzeile 20 Pfg. Amtsökatt für die Königliche Urntshauptmannschast, das Königliche Kmtsgerichi und den Stadtrath zu Dippoldiswalde. Verantwortlicher Redacteur: Paul Ithllt in Dippoldiswalde. üvttt achtseitigem »^llustrirte« UnterhaltmrgSblatt". Mit land- «ad hauSwirthschastlicher MonatSbeilage. Nr. 48. Donnerstag, den 30. April 1896. 62. Jahrgang. Der „Wkltfcikrlag des Proletariats." Der erste Mai steht wieder vor der Thür, mit ihm aber jener Tag, welcher nach der Absicht dec sozialdemokratischen Führer durch eine möglichst all gemeine Aussetzung der Arbeit von Millionen schwie liger Fäuste den Charakter eines gewaltigen und ein- müthigen Protestes der internationalen Sozialdemokratie gegen die heutige Staats- und Gesellschaftsordnung tragen soll. Aber obwohl nunmehr der erste Mai bereits sechs Mal in diesem Sinne begangen worden ist, entbehrt er noch immer durchaus jener Bedeutung, welche ihm nach den Wünschen und Absichten der Leiter der internationalen Arbeiterbewegung inne wohnen soll. Es wird gewiß Niemand behaupten wollen, daß sich der erste Mai wirklich zu einem „Weltfeiertage" gestaltet hat, im Gegentheil, alle Versuche, ihm diesen Charakter aufzuprägen, sindbis lang kläglich gescheitert, die realen Verhältnisse haben sich eben auch in diesem Punkt noch immer als mäch tiger erwiesen, denn all' die Verheißungen und groß sprecherischen Ankündigungen der sozialistischen Führer. Speziell bei uns in Deutschland hat sich die Maifeier stets in einem verhältnißmäßig engen Rahmen bewegt, die Belheiligung der Arbeiterschaft an den sozialistischen Demonstrationen des ersten Mai ist eine vergleichs weise geringe geblieben, während die betreffenden fest lichen Veranstaltungen selber Jahr aus, Jahr ein das gleiche einsörmige Antlitz zeigen, und ähnlich sieht es mit der Begehung der Maifeier auch in anderen Kul ur- ländern aus. In den „leitenden Kreisen" der Sozial demokratie weiß man wohl selbst am besten, daß das „Fest der Arbeit und Kultur" trotz seiner alljährlichen Feier durchaus nichts Jmponirendes besitzt, daß es eigentlich nur eine Farce, nichts wie eine ungeheuere Phrase darstellt. Dessen ungeachtet wird immer wieder für die Maifeier nach Kräften Propaganda gemacht, wie das auch im gegenwärtigen Jahre geschieht, und allerorten sind bei uns die sozialdemokratischen Agi tatoren erneut thätig, um Stimmung für das Mai- sest der Umsturzpartei zu machen. Gerade in diesem Jahre werden alle Hebel angesetzt, um die Feier mög lichst effektvoll zu gestalten und die Arbeitermaffen in gröberem Umfange wie früher zu ihr heranzuziehen, welche» Vorhaben durch die im jetzigen Frühjahr be sonders zahlreichen Arbeitseinstellungen tn den ver schiedensten Gewerben anscheinend begünstigt wird. Wenn eS zunächst ausfällig erscheint, daß die maß gebenden Persönlichkeiten in der Arbeiterbewegung die Agitation für die Maifeier trotz der Werthlostgkeit der ganzen Demonstration hartnäckig sortsühren lasten, so ergeben sich dir Gründe für eine solche Haltung schließlich doch leicht. Einmal gilt eS, daß sich die sozialdemokratische Partei keine Blöße giebt, und eine solche würde zweifellos in einem Verzicht auf die Maifeier liegen. Dann jedoch bietet dieselbe allerdings eine willkommene und bequeme Gelegenheit, die breiten Masten der „Genoffen" durch schwülstige Festreden und all' den herkömmlichen äußerlichen Aufputz des „Welt- feiertageS" aufs Neue im Sinne des internationalen sozialistischen ZukanstsstaateS zu bearbeiten, und ihnen immer wieder zu Gemülhe zu führen, daß die Ideen der Arbeiter keine Stammes- und Völkergrenze kennen, ein Gedanke, der unverkennbar eine gewiffe AgttationS kraft besitzt. Es wird nun gewiß jeder Einsichtsvolle dem fleißigen Arbeiter einmal einen außergewöhnlichen Ruhetag gönnen, nimmermehr darf aber derselbe den Charakter einer staats - und gesellschaftsfeindlichen Kundgebung tragen, wie ihn die Feier deS ersten Mai ausweisen zoll. Daher bleibt eS di« unausweich liche Pflicht der Arbeitgeber, mit aller Entschiedenheit gegen den „Demonstration»-, Feier- und Ehrentag der Proletarier" Front zu machen und aus der Wetter führung der Arbeit am ersten Mai zu bestehen. Speziell in unserem Vaterland« steht zu erwarten, daß das Gros der Arbeitgeber auch diesmal den Versuch der Arbeiterführer, eine weitreichende Aussetzung der Arbeit für den ersten Mai zu erzwingen, vereiteln und somit das Bürgerthum vor einer schmählichen Kapitulation gegenüber der Sozialdemokratie zu be wahren misten wird. Lokales und Sächsisches. Dippoldiswalde. Die auf vorigen Sonntag im Saale der hiesigen Reichskrone angesetzte Generalver sammlung des seit 2 Jahren bestehenden conser- vatioen Vereins, im Amtsgerichtsbezirk Dippoldis walde, die von über 100 Personen besucht war, wurde von dem Vorsitzenden, Herrn BergwerkSdirektor Dannen berg mit einem Bericht über die inneren Verhältnisse des Vereins eröffnet. Nach demselben zählt dieser 332 Mitglieder aus 39 Ortschaften. Der Vorstand hat sich bis auf 20 Mitglieder erweitert, um möglichst große Anregung zu geben, und brachte der Herr Vor sitzende den berechtigten Wunsch zum Ausdruck, daß sich alle Gleichgesinnten im Bezirke dem Vereine an- schließen möchten gegen die Partei, die Thron und Altar zertrümmern will. Seit seinem Bestehen hat sich der Verein an 3 Wahlen betheiligt und dabei erfreulicher Weise im ländlichen Bezirk Herrn Guts besitzer Steyer in Reinholoshain und im städtischen Bezirk Herrn Hosrath Ackermann durchgebracht, während der 6. Neichstagsmablkreis an die Sozialdemokraten verloren ging. Bei den letzten Wahlen haben sich die abgegebenen conservatioen Stimmen im Amtsgerichts bezirk Dippoldiswalde von 11«/« auf 30«/« vermehrt. Nach Vortrag und Richtigsprechung des Rechnungs abschlusses wurde vas Wort Hrn. Major v. Blumen thal, Königl. Kammerherrn, zu seinem Vortrage über „das Wahlrecht", erlheilt. Es lag nahe, daß Redner ganz besonders das neue, sächsische Landtagswahlgesetz besprach, das zwar Aehnlichkeit mit dem preußischen Landtagswahlrecht habe, aber im Gegensatz zu diesen Maßregeln treffe gegen den Druck des Geldsacks auf die Mittleren und Kleinen durch die Bestimmung, daß bei Ausstellung der 3 Wählerklaffen eine Steuerleistung nur. bis 2000 Mk. in Anschlag gebracht wird, und daß, wer 300 Mk. Steuern zahle in die 1., und wer 38 Mk. zahle in die 2. Abtheilung kommen muß. Eine weitere Garantie gegen das allzugroße Ueber- gewicht der Reichbegüterten liege darin, daß jeder Wahlbezirk nach eigenen Verhältnissen selbständig die Abgrenzung der 3 Wählerklaffen vornehme. So führte Redner Orte an, in denen schon 18 M., bez. 40 M. Steuern zur I. Klaffe und 7, bez. II M. Steuern zur 2. Klaffe berechtigten. In 14 kleinen Städten würden in die 1., bez. 2. Klaffe solche Steuerzahler kommen, die weniger als 300, bez. 38 M. entrichten. Wäre für das ganze Land eine gleiche Steuergrenze festgesetzt worden, so würden an manchen Orlen keine Wähler in der 1. und 2. Klaffe vertreten sein, und auf die großen Städte würde das Uebergewicht fallen. Man müffe der Regierung Anerkennung zollen, daß sie bestrebt gewesen sei, das neue Wahlgesetz für alle Volksschichten möglichst gerecht zu gestalten, weswegen auch auf die Vorschläge, die Steuer- oder Altersgrenze der Wähler zu erhöhen, nicht eingegangen werden konnte. Freilich ohne kleine Härten gebe es überhaupt kein Gesetz. Für den Mittelstand komme es darauf an, daß er in seiner Gesammtheit denjenigen Einfluß auf die Staatsmaschine behalten habe, der ihm ge zieme, denn er bilde das Zünglein an der Waage, aber persönliche Eitelkeit dürfe nicht in Frage kommen. Kämen einige Vertreter deS Mittelstandes in die 3. Klaffe, so würden sie dort einen günstigen Einfluß auSüben können, und wer nicht in köntgstrsuer Ge sinnung sein Wahlrecht zum Wohle des Staates auS- übe, auf den sei auch nicht beim alten Wahlrecht mit Zuversicht zu rechnen gewesen. Caprivi habe z. B. als Reichskanzler auch zur 3. Wählerklaffe für den preußischen Landtag gehört. Allerdings werde da» neue, sächsische Wahlrecht weder von der Regierung noch von dem Landtage als Ideal hingestellt, es sei nur jetzt der einzig mögliche Weg, auf dem man den Zweck einer Aenderung überhaupt erreichen könne, und von allen Kritikern, auch von Herrn Professor Eohm, sei kein anderer, besserer Vorschlag erfolgt. Aus dem Zwecke entspringe aber die Nothwendigkeit der stattgefundenen Gesetzesänderung, denn habe ein mal die Sozialdemokratie tm Landtage die Majorität erreicht, dann habe auch die Möglichkeit einer Aende rung deS Wahlrechts ausgehört, dann sei nur noch Revolution oder Staatsstreich möglich, denn mit wüsten Agitationsreden und knöchernen Prinzipienreiterei, wie sie manche Parteien im Reichstage und sächs. Landtage beliebten, werde kein Staatswesen auf die Länge der Zeit wohl regiert, sondern mit Besonnenheit und Ruhe. Da aber die Sozialdemokratie im sächs. Landtage seit 1879 von 6«/« auf 33,7«/« zugenommen habe, so müffe man der Regierung Dank schulden, daß sie tn der Gefahr mit fester Hand zugegriffen habe, denn nach Bismarcks Ausdruck sei die Sozialdemokratie nicht mit Worten, sondern nur mit Thaten zu bekämpfen, weil die Führer derselben nur die Unzufriedenheit der Masten erstrebten. Höchst interessant war die Gegen überstellung unserer Sozialdemokraten und der anderen Länder, die nirgends wie bei uns antinational gesinnt seien. So laS Redner die Ansprache deS sozialdemo kratischen Bürgermeisters von Marseille an den von Madagaskar heimkehrenden General vor, die von glühendem Patriotismus zeugte, während unsere Sozial demokraten die Großthaten unserer Armee verhöhnen und verschimpfen. Das Wahlrecht sei ein Recht, das der Staat und die Krone dem Einzelnen verleihe zum Wohle de- Vaterlands, und weil dasselbe in Gefahr, so gebühre der Regierung und dem Landtage volle Anerkennung, daß sie zur Abwehr dieser Gefahr die Aenderung deS Wahlgesetzes durchgeführt haben. Lauter Beifall belohnte den Redner für seinen 1 stündigen, wohlgeformten, sachlich gehaltenen, von jeder empfind lichen Gereiztheit und jeglichem verletzenden Seitenhieb freien Vortrag, nach besten Beendigung der Vorsitzende die Versammlung mit einem Hoch auf Se. Maj. den König schloß. — Nach einigen ernsten Theaterabenden trat tn der gestrigen Vorstellung wieder der frische, über- müthige Humor in seine Rechte ein durch den Schwank „Das Täubchen von Amsterdam" („Die beiden Reichen müller"), welchen sich das geschätzte Künstlerpaar Schlei- chardt als Benefizvorstellung gewählt hatte. De: tolle Schwank besteht von Anfang bi» zu Ende in den un glaublichsten Verwechslungen und Verwicklungen und täuscht aufs Angenehmste über einige Abendstunden hinweg. Aufs Beste wurden die Benefizianten durch das vortreffliche Spiel der Frau Ludwig und der Herren Zahn und Petzold, welche die nächstbesten Rollen inne hatten, unterstützt. Das volle Haus ließ es an Anerkennung durch Applaus nicht fehlen. Frau Schleichardt zeichnete man sogar durch duftige Blumen spende aus. — Vom 1. Mai ab werden die zur Postsachen beförderung benutzten Privatpersonenfuhrwerke zwischen Kipsdorf und Altenberg (Erzgeb.) mit folgendem Gange verkehren: aus Kipsdorf: 9" Vorm., 2" Nachm. »nd I(M Nachm., au» Allenberg: 3jv Vorm., 3" Voim. und Nachm. — Die Nacht zum I. Mat, welche unter dem Namen Walpurgisnacht seit uralten Zeiten im Mittelpunkt eines sehr ausgedehnten Sagenkreises steht, hat ihren Namen von der angelsächsischen Nonne Walpurgis, die auf Veranlassung des heiligen Boni- saciu« mit ihren Brüdern Willibald und Wunibald um 74S als Missionarin nach Thüringen kam und 777 oder 780 starb, nachdem sie seit 7L3 Aebttssin des von ihrem Bruder Wunibald gegründeten Klosters Heidenhelm gewesen war. Da sie auf den I. Mai heilig gesprochen wurde, übertrug sich ihr Name auf diesen Tag und aus die vorhergehende Nacht. Sie