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Sonnabend. DieZ^tung «scheint mU Ausnahme de« Montage täglich und wird NachmmagS 4 Uhr auS- gegeben. Preis für da« Viertel, ahr I'/, Lhlr., jede ein zelne Nummer 2 Ngr. - Nr. 71. 2S. März 18S4. DcuWe Mgemcinc Zcitung. «Wahrheit uud Recht, Freiheit und Scsctzk» Zu beziehe*, durch alle Postämter des Zn- und Auslandes, sowie durch die Expedition in Leipzig (Querstraße Sir. 8). yns«rtt»»»aebühr für dcnRaum einer Zeile 2 Nur. Deutschland. Preußen, t Berlin, 22. März. Heute, am Geburtstage dcs Prin. jen vonPreußcn, sind hier allenthalben Festlichkeiten angeordnet, wie es in früher« Jahren nie in diesem Maße der Fall war. Sind diese Fest, lichtesten auch keineswegs als Kundgebungen zu betrachten, so kann man wenigstens so viel sagen, daß sie nicht im russenfreundlichen Sinne ange ordnet worden sind. Wer sich über die tiefe Abneigung gegen Rußland, welche fast in der gesummten hiesigen Bevölkerung so entschieden vorherrscht, noch täuschen könnte, dem würde in der That wenig Auffassungsgabe in Erkennung der wirklichen öffentlichen Meinung beigcmesscn werden können. Daher muß auch der Ausspruch eines hochgestellten Mannes: daß Preußen nicht mit Rußland gehen könne, wenn die Gcsammtlage der Dinge erwogen werde, als ein durchaus berechtigter erkannt werden.— Gestern hatte, wie man hört, der hiesige französische Grsandte, Marquis de Moustier, eine Audienz beim Könige. Es heißt, daß Frankreich sowie auch England ihre Bemühungen fortsetzen, um Preußen zu einer der Auffassung der West mächte günstiger» Haltung zu veranlassen. ES wird in dieser Beziehung auch vvn einem hier überreichten eigenhändigen Schreiben der Königin Victoria gesprochen. Der hier anwesende Herzog von Sachsen-Köburg- Gotha soll seine Anschauung in Betreff der gegenwärtigen Weltlage sehr offen dargelegt haben. — In hiesigen Kreisen namhafter Männer wird ver sichert, daß der Kaiser von Oesterreich bei der jüngsten Anwesenheit des Flügeladjutanten unsers Königs, Oberstlieulenants v. Manteuffel, in München noch keine bestimmte Erklärung in Bezug auf den zwischen Preu ßen, Oesterreich und den sämmtlichen deutschen Staaten zu vereinbarenden Neutrasttätsbund abgegeben habe. Die nähern Feststellungen seien den Be- rathungcn in Wien zugewiesen worden. An dem Gelingen der Ueberein- kunft wird indessen nicht gezweifelt. — Die ComMifsiün der II. Kammer, welcher die Vorlage in Betreff der zu Machenden Anleihe von 30 Mill. Thlrn. zur Berichterstattung an die Kammer übertragen worden ist, hatte gestern Abend eine Sitzung, in welcher indessen Nur im Allgemeinen über diese so wichtige Angelegenheit beralhcn wurde. Aus Allem scheint aber hervörzugehen und sprechen sich Mitglieder dieser Commission auch offen so aus, daß vor einer bestimmten Erklärung, daß das Geld nie zu Guttst'eN Rußlands verwendet werden würde, die Bewilligung des verlangten Cre dits nicht gegeben werden dürfte. Auch scheint es in der Absicht der Mehr heit dtr Commission zu liegen, keine Beschlüsse zu fassen, bevor die Uebcr- eiükUnft zwischen Preußen, Oesterreich und den sämmtlichen deutschen Staa- ?e» ein festere Grundlage gewonnen hat. Im Allgemeinen wird es uns als eine in der Commission durchaus vorwaltetide Anschauung bezeichnet, daß man sich bei dieser so bedeutungsschweren Angelegenheit nicht übereilen, sondern den Gegenstand Nach allen Sekten hin aüf das reiflichste erwägen Mülle. Die Angelegenheit möchte deshalb so bald Noch Nicht zur Verhand- lung in der Kammer kommen. Die verschiedenen Parteien der Kammern, naMinffich aber die Kreuzzeitungspartci, hätten bereits älle abwesenden Mit glieder dringend aufgefodert, an dem entscheidenden Tage in der Kammer änwcstNd zu sein, Weil man noch in dieser Woche die Abstimmung erwar tet hätte.— Es ist hier schon vielfach in Anregung gekommen, in dem ge genwärtigen verhängnißvollen Augenblicke eine Adresse von Seiten der Bürger Berlins an deN König zu richten, um an höchster Stelle über die währe Meinüng der hiesigen Bürgerschaft keinen Zweifel zu lassen. Man hat indessen, wie wir hören, von der Ausführung dieses Vorhabens aus dem Gründe Abstand genommen, weil den Vertretern des preußischen Volts gegenwärtig die Gelegenheit geboten ist, der überwiegende» Meinung des Lanbes einen kräftigen Ausdruck zu verleihen. Von vielen Seiten wird iMffeN Noch immer die Unerlaßlichkeit einer Aeußerung der hiesigen Bür gerschäft aüfrechtethälten und ist auch die Veranstaltung einer Generalver- samMlung der Mitglieder eines großen vaterländischen Vereins angeregt wor den, welcher Ausfoderung indessen gegenwärtig keine Folge gegeben werden dürfte. Ein Artikel, welchen die gestrige Voß'sche und die Spener'sche Zei tung enthielten und der von den Redaktionen als von „beachteNswerther" Seite koinmend bezeichnet würde, hat, weil darin von einer 40jährigen Allianz Preußens mit Rußland und von Erinnerungen gemeinsamer Seiden und Siege die Rede war, hier das Gegentheil von Dem bewirkt, was der Der- ffasser bezweckt hatte. Auch die geringste AeüßerüNg zu Gunsten Rußlands erregt in den hiesigen bürgerlichen Kreisen sofort Misträuen. F Berlin, 22. März. Die Interpellation des Grafen Schwerin über die auswärtigen Verhältnisse Preußens hat den Unwillen der neu preußischen Partei erregt. Ihr Organ erklärt die Angelegenheiten des In nern für die Domäne der Kammern, die des Acußern belegt sie demnach für sie mit dem Interdikt. Eine eigenthümliche Ansicht über die Befugnisse der Landcsvertretung! als wenn die auswärtigen Angelegenheiten nicht vom größten Einflüsse auf das Wohl und Wehe eines Landes wären. In der That hängt von dem Wege, welchen die preußische Regierung jetzt cinschlagm wird, die Zukunft Preußens ab, und nur eine patriotische Unterstützung des Landes kann dieselbe sichern. Ist eS daher nicht von Wichtigkeit für die Negierung, die Stimmung des Landes in dessen Vertretern zu erforschen? Oder soll bloS auf die Ansichten jener Feudalaristokraten gehört werden, welche aus Furcht vor dem Verluste ihrer Privilegien oder vor der Wieder- kehr der Revolution sich eng an Rußland anschließen oder, wie sic meinen, den Bund Mit Rußland nicht gelockert wissen wollen? Aber besteht denn in der Wirklichkeit noch ein Bündniß zwischen Preußen und Rußland? Vergebens würde man in Thatsachen dasselbe als erwiesen suchen. Oder es beweist doch nicht für ein solches Bündniß, daß Rußland unserm Handel den ganzen Osten durch seine feindlichen Douanrn sperrte, daß es uns 1850 beim Conflict mit Oesterreich mit Krieg bedrohte, daß cs In der neuesten Zeit auf unsere Nathschläge in der orientalischen Angelegenheit nicht hörte? Nur unsere KreüzzeitungSmänner können darin einen Bund Rußland- mit Preußen ebenso erblicken, als sie es nützlich für uns erachten, wenn uns die Engländer jetzt unsere Handelsmarine nehmen und unsern Seehan- del vernichten. Gegenüber solchen lande-verderblichen Ratschlägen wird sich doch die Stimme der Mehrheit des Volk- in Interpellationen vernehmen lassen dürfen? — Das berliner Cörrespondenz-Bureau enthält folgende Mitteilungen: „Es ist, wie wir glaubhaft vernehmen, nunmehr die Gewißheit vorhanden, daß der russische Hof die von der diesseitigen Negierung adoplirte Neu tralitätspolitik vollständig zu respectiren bereit Ist. ES versteht sich aber von selbst, daß diese Neutralität Preußens in Petersburg als eine stricte aufgcfaßt wird und daß dort jede von preußischer Seite formell aus- gesprochene Gutheißung der kriegerischen Aggressiv» der Wcstmächte als eine Ueberschreitung des Neutralitätsprincips erachtet werden würde. Hiernach ist unser Berhältniß zu Rußland ziemlich klar. Man kennt in Wien durch die dort erfolgte Notifikation die russische Auffassung ebenso gut als hier, und dies dürfte die Uebereinkunft über eine gemeinschaftliche Stellung zwi schen Berlin und Wien wesentlich beschleunigen. Die russische Negierung weigert sich dagegen noch immer, die Neutralität Schwedens anzurrken- nen. Die schwedische Regierung scheint jedoch fest entschlossen, von der für ihre Stellung ausgestellten Politik nicht abzugehen. Zischen Riga, Reval und Petersburg ist jetzt ein Staffcitcndienst besonders eingerichtet und fin det ein täglicher Kurierwechsel statt." — Die National-Zeitung sagt: „Das Ergebniß der Kammerverhandlun gen über den gefoderten Credit von 30 Mill. Thlr. wird von den Eröff nungen abhängig sein, welche die Negierung der CümMission oder der Kam mer über ihre Stellung zu den fremden Mächten in der orientalischen An gelegenheit noch geben wird. Die vorbetathendc Commission hat schon iw der ersten Sitzung die Vorlegung eines weitern Materials und namentlich der wiener Verhandlungen verlangt. Es verlautet biSjeht noch nicht, ob die Negierung gesonnen ist, diesem Verlangen zu entsprechen." — Wir haben bereits vor mehren Tagen gemeldet, daß von Seiten der englischen Negierung 60 preußische Lootsen in Swincmünde engagirl worden sind, um die englische Flotte in die Ostsee zu führen, und daß die selben bereitwillig auf das Engagement unter der Bedingung eingegangen sind, daß sie von der preußischen Regierung Urlaub erhalten, worüber in Berlin angefragt worden sei. Wie die National-ZeitUng jetzt hört, ist den LootM der erbetene Urlaub ertheilt worden. — Aus Königsberg vom 14. März wird der Zeitung für Norddeutsch land geschrieben: „In einer Versammlung der Königshalle, eines Vereins der entschiedensten Anhänger der Krcuzzeitung, wurde kürzlich die russische Nationalhymne gespielt, bei deren Klängen sich die Versammelten er hoben und tief verneigten. Zugleich soll ein beleidigendes Gedicht gegen die Königin Victoria vorgetragen worden sein. Da auch hohe Militär- und Cibilbeamte an dieser Kundgebung sich bstheiligt haben, so hat der hiesige englische Cvnfül Beschwerde in Berlin erhoben und ist dieser Tage ein sehr ernstes Schreiben des Kriegsministevö a« den General v. Plehwe, eins der hervorragendsten Mitglieder der Russenfreunde, eingelroffcn, um seinen Eifer für Rußland zu dämpfen." — Von Seiten der königsberger Kaufmannschaft ist eine Pe tition an das Ministerium abgegangen, die um die Abwendung des Nationalunglücks bittet, das ein etwaiger Anschluß an Rußland herbeifüh ren würde. Baden. Dem Schwäbischen Merkur wird aus Bade» vom 19.März geschrieben: „DaS Gerücht, als ob der katholische Kirchenrath aufgc- löst werde und die excommunicirten Mitglieder desselben um Lösung von der Exkommunikation an den Erzbischof sich wenden würden, sowie daß die Besetzung der Pfarreien dem Erzbischöfe freigegeben, entbehrt allen Grundes.