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Anjeralr ii u. s. w. Sonnabend, den 29. Januar 1881. 43. Jahrgang. ' i Fnf^ateu- «NttahmrftrTmr D«e. »Moldifihe Lin rmterhaltendes Blatt für den Bürger und (andmann. Amtsblatt für die kgl. Amtshauptmannschaften Dresden-Altstadt und Dresden-Neustadt, für die Ortschaften des kgl. Amtsgerichts Dresden, sowie sür die kgl. Forstrentämter Dresden, Tharandt und Moritzburg. Verantwortlicher Redakteur und Verleger Kerrmann Müller in Dresden. Utzped«. Redaktion Are-den-RenftaDt kl. Methner Vage 3 Die Zeitung erscheint Dienstag, Dannrrsta, und Saunastenv f^th. Atounemeut»- Preis: »iertrljährl. M 1M Z» beziehen durch die kaiserlähen Posi- «istalten und durch unsere Boten Bei freier Lieferung W< Hans erhebt die Post noch eme Ge bühr von 25 Pfg. . .»rrd-n bi« «ontag. ächsislhe AlnsMMM VaasenfteinLLog! Rudolf Mosse, G L Daube « i Abonnements - Einladung Bestellungen aus die „Sächsische Dorfzettung" sür die Monate Februar und März nehmen alle kaiserliche Postanstatten und Posterpeditionen gegen Vorausbezahlung von 1 Mark entgegen. Die Verlags Expedition. Politische Wellschau. Deutsches Reich. Der große Gedanke, welcher die Politik deS Fürsten BiSmark bewegt, besteht nach der einen Seite in der Stärkung deS Reichs durch Fest» aung feiner Institutionen, nach der anderen in der Bewältigung feiner principiellen Gegner. Nach beiden Richtungen hin ist daher daö UnfallversicherurgSgesetz ein neuer und kühner Schachzug, dem bald ein weiterer folgen wird. Die Vorlage bildet die erste Etape auf dem weitausschauenden Wege, den bisher feindselig beiseite stehenden, durch die focialistischrn Agitationen verhetzten vierten Stand für das Reich zu gewinn«n. Der ganze Komplex der betreffenden Reformen führt den Gedanken auS, dem Arbeiter, der bei Verthrilung der Glücksgüter zu kurz kam, wenigstens seine Existenz, sbweit dieö von staatswegen möglich, zu sichern und -war erstens gegen die Folgen von Unfällen, welche ihn in feiner Lhätigkeit betroffen haben und zweitens für die Lage des Alters und der Invalidität. Das Elend ist nun einmal nicht auS der Welt zu schaffen, aber Niemand wird leugnen, daß es durch die Neu schöpfung solcher bedeutungsvoller Garantien für die arbeitenden Klassen wesentlich gemildert werden kann, Während die von der Social-Demokratie den Massen kröffneten Perspektiven einer Lheilung der Güter oder der Erwerbsmittel bei Besonnenen längst allen Kredit mrlvren haben. Auf jeden Fall sorgte der Kanzler durch daS Socialistengesetz vor, daß die CharlatanS ihm keine Konkurrenz im großem Stile ihrer Phrasen machen können. Welches aber auch der Erfolg des Projekts bei den Massen sein wird, brr parlamentarische ist ihm unter allen Umständen gesichert. Die zweite Lesung der die Erhebung von Reichö- ßtmpelabgaben und die Brausteuer betreffenden Gesetz entwürfe wird im Bundeörathe schon in den nächsten Lagen stattfinden. Bei dieser Gelegenheit soll den in Kovurg getroffenen Vereinbarungen gemäß, in die De krete eine Bestimmung ausgenommen werden, wonach die auS diesen Steuern sich ergebenden Beträge ganz und unverkürzt an die Einzelstaatrn abzuführen sind. in Folge eines vor einigen Tagen ihn b«troffenen Schl^- anfalleS in einem Alter von 71 Jahren gestorben. In dem Dahingeschiedenrn hat ein Kirchenfürst daS Zeitliche gesegnet, der immer einen richtigen Begriff hatte von der bischöflichen Würde und Selbstständigkeit und nie zu der erniedrigenden Relle einer vatikanischen Puppe herabgesunken ist. Kardinal Kutschker zählte zu den gegenwärtig leider immer seltener werdenden Pr estetn, welche nicht nur Gott und dem Papste geben, «aS ihnen gebührt, sondern auch dem Kaiser zu gebtn wünschen, war des Kaisers ist; mit anderen Worten, Kutschker wollte die Hoheitsrechte deS StaateS nichr Im preußischen Abgeordnetenhaus« spielte sich inso fern am 26. u. 27. d. M. wieder einmal ein Stückchen Kulturkampf ab, als der brkannte Antrag Windthorst tsiehe Nr. 5) zur Debatte kam. Der Antragsteller bemerkte, er bezwecke keine Aufhebung der Maigesetze, sondern er wün'che nur die Noth der katholischen Ge meinden abgestellt zu sehen. Die Gestattung deS Meffe- lesenS und deS SakramentespendenS verletze nicht die Maigesetze, denn die Funktionen der Pfarrer gingen weit über diese beiden hinaus. Man könnte auS aller Noth herauSkommen, werde dem Cmtrum gesagt, wenn sich die Katholiken zur Anzeige entschlössen und sich den Maigesetze» unterwürfen Wenn daS so leicht ginge, hätte die katholische Kirche nicht so lange gekämpft. Ein solches Verlangen gleiche ganz dem Anfordern Des jenigen, der Jemand überfalle, aber auf Bitten ihm daS Leben unter der Bedingung schenke, daß er eine Dosis Gift nehme. Kultusminister v. Puttkammer erklärte, daß der Antrag des Vorredners dem bei der Berathung des Juligesetzes eingebrachten entspreche. Sollte daS HauS denselben annehmen, so werde dazu noch Zeit sein; jedenfalls hätten der Vorredner und seine Freunde keine Berechtigung, von der Regierung und dem Landtage einen solchen Schritt zu verlangen, nachdem ihnen daS mildernde Juligesetz fast mit Gewalt, jedenfalls gegen ihren Willen abgerungen worden sei. Abg. v. Bennigsen sprach in ähnlichem Sinne. Auf die Maigesetze könne keine Regierung verzichte» . Würde sich der Staat unterwerfen, dann müßte er schließlich seine Stellung wilder erkämpfen und vielleicht mit drastischeren Mitteln als im Augenblicke. Jetzt, wo der andere Theil schwach werde, müsse der Staat fest bleiben. Die Feind seligkeit des Papstthums gegen die Errichtung deS evan gelischen Kaiserthums sei die Wurzel deS Kampfes und je sicherer das Reich stehe, desto mehr werde man auch in Rom daS Interesse der katholischen Kirche wahr- nehmen. ES versteht sich von selbst, daß der Abg. Windt horst gegen alle Redner polemisirte; er wandte sich nament lich gegen Bennigsens Lövrt vom evangelischen Kaiser- thum; es gebe nur einen deutschen Kaiser evangelischer Konfession, den die katholische Kirche niemals bekämpft habe. Redner bedauerte kein Entgegenkommen zu finden, aber eS sei erfreulich, daß die Konservativen in ihrer moti- virten Tagesordnung die Nothwendigkeit der Beseitigung deS Kulturkampfes ausgesprochen hätten. Gelegentlich der Fortsetzung der Debatte am anderen Tage ergriff der Abg. Bennigsen noch einmal daS Wort und betonte, daß der Anlaß zum Kulturkämpfe im Gegensätze deS Papst- thumS zum evangelischen Kaiserthum liege und Rom " w!-d > m.mal» d-n «nlpruch .1". i- Ketzer wieder m den >. l Do« H"-"w-<An «Smgchum« WS« d,m P-vft- ft»" nanzm.hm gt. ! wesen wie daS Breve Clemens XI. vom Jahre 1701 ! beweise, worin auSeinandergesetzt se», warum dem ketze- i rischen Markgrafen von Brandenburg d»e Kon'gSnürde > nicht zu LheU werden könne und er seiner Würden ent. ! setz werden müsse. -Die hierauf erfolgte Abstimmung ergab kie ANehnung des Windthorst'sch-n Antrages mit i 254 aeaen 115 Stimmen. , i Durch kaiserliche Ordre ist die Umstellung der soy. ' Revolver-Kanone nach dem Modelle Otschkiß m die ! SchiffS-Artilllrie der deutschen Marine genehmigt worden. ! Nach Maßgabe deS Etats sollen alle Fabrz.uge m der Regel so weit mit dieser Waffe auSgerüst«t werdm, ' daß jeder Punkt der Umgebung der betreffenden Schiffe ' in einer Entfernung von 200 Metern und darüber hinaus ' von mindestens zwei Geschützen gleichzeitig unter Feuer gehalten werden kann. Qesterr.-Ung«?. MoEckio. Die Bauern, beweaung ist dock nicht so schnell »m Sande verlaufen, ' wie einige Politiker beim erste« Auftreten derselben an- ! nahmen. Die Landbewohner »erfolgen mit ungeschwäch- ! tem Muthe ihr Ziel und haben am 26. d. M. dem : Ministerpräside-ten Grafen Taaffe ihre Wünsche be züglich der Grundstcuererleichterung rorgetra^en. Die hierbei gewechlelten Reden sind überaus bezeichnend für den Charakter der Bewegung, auf welche die Liberal«»» so große Hoffnungen setzten. Die Deputation dank,« dem Minister wiederholt für sein im Abgeordnetrnhause ent wickelte- Ag-ar Programm und erklärte, die Bauern schaft habe nur noch Vertrauen zum Kaiser und zur Regierung, von anderer Seite erwarte sie keine Hilfe. Die Regierung möge ihre Hand nicht von der Bauern schaft abziehen. E» kommen in Wien fast täglich neue Bauerndeputationen an. Alle bekunden, daß die Re gierung eS verstanden habe, die ganze Bewegung, welche Andere anfachten, dem eigenen Zwecke entsprechend -u lenken. — Am 27. d. M. ist der Erzbischof Kutschker eine Vorlage nach dieser Richtung hin in der bevor- strherden Session deö Reichstags noch nicht erwartet. Feuilleton. Der Hrrr Baron. Novelle von Ludwig Habicht. (9 Fortsetzung.» Sie wich nicht einen Schritt zurück und schien i entschlossen, selbst einem persönlichen Angriff zu trotzen. Beide waren von gleicher Größe, nur sah die schlanke elastische Gestalt deS BaronS dürftig auS, im Gegensatz »u den vollen, über schwellen den Formen der Fürstin. Auch in ihr war daS heiße Blut der Italienerin bis ttzm Wahnsinn erhitzt und so übersprang sie die letzten Schranken, Wage eS, Elender! mich zu berühren, bebte eS von Aren wuthzitternden Lippen — und mit unterschlagenen Armen stand sie hochaufgerichtrt da, zur energischen Abwehr bereit. Die Augen deS Mannes funkelten unheimlich, plötzlich mochte ein Rest von ruhiger Ueberlegung in ihm zurückkrhren, denn er ließ die schon zum Schlage erhobene Havd fallen und einen Schritt rurücktretend stieß er ein höhnische» Gelächter au». Mein Kammer diener wird sich gewundert haben, daß unsere zärtliche Unterhaltung so lange währt und um vn» nicht in den Augen der Dienerschaft völlig lächerlich zu machen, halte ich r» doch für gerathen, wenn wir dieselbe abbrechen, Madame! — Er verbeugte sich mit einem nicht mißzu- »rrsthenden Blicke nach der Thür. Durch diesen Spott erwachte auch die Fürstin au» ibrer an Raserei grenzenden Wuth und bemühte sich in einem ähnlichen Lone zu antworten, obwohl eS ihr nicht völlig gelang. Sie haben Recht. Aber seien Sie überzeugt, daß ich diese Unterhaltung zu gelegener Zeit wieder anknüpfen werde, denn ich fürchte, daß mein Herr Gemahl nicht« weiter ist als ein gefährlicher Abenteurer, wenn nicht noch mehr. Um die Lippen des Barons glitt ein halb mit leidige», halb geringschätziges Lächeln. Also gute Nacht, Carlotta, sagte er, die schwere Portiere zurückschlagend und ihr die Lhür öffnend. Ich danke Ihnen, daß Sie so gütig waren, mir noch so spät diese interessanten Nachrichten mitzutheilen und er verbeugte sich artig vor seiner Gattin, die stolz erhobenen Haupte», ohne ein Wort zu entgegnen, ohne ihn auch nur eine« Blicke« zu würdigen, da« Zimmer verließ und mit raschen, festen Schritten ihre Gemächer aufsuchte. III. Seit jener Stunde war daS Herz der Fürstin wie verwandelt; so leidenschaftlich sie ihren Gemahl geliebt hatte, so tief und glühend haßte fie ihn jetzt. Die Binde, die so lange ihre Augen umfangen, war plötz lich fort und nun sah sie ihren Gatten in seiner wahren Gestalt. Sir wurde die Vorstellung nicht mehr los, daß fie e« nicht mit einem Edelmann«, sondern mit einem bloßen Abenteurer zu thun habe Sein Be nehmen war zu wenig edelmännisch grwesen, al« ob er diese Manieren nur nachahme, alS ob ihm eine aristo kratische Haltung nicht anerzogen und angeboren fei. Sie begriff sich selbst nicht, warum ibr die- Alle« nicht schon irüber an ihrem Manne ausgefallen sei, warum sie einen Menschen so sehr bewundert, der kein Herz, keine wahi Haft edle Gesinnung besaß? — Er hätte sonst nimmermehr gegen fie in solcher Weise auftreten können! — Nun erfolgte der Rückschlag und so groß und so bedeutend er ihr früher vorgekommen war, so armselig erschien ihr jetzt sein ganzer Charakter. Und fie hatte Niemand, geaen den sie sich auSfprechtn, dem sie klagen konnte, wie bitter und grenzenlos die LLuschlMg war, der fie sich so lange hingegeben . . . Sich ihrer Dienerin völlig anvrrtrautn, dazu war die Fürstin zu stolz. Wohl hatte fie mit Enrichetta gern über All,» geplaudert, denn fie zeigte fich treu und aufopfernd, aber die schmerzliche Entdeckung, die sie gestern gemacht, mußte fie trotzdem sorgfältig in ihrer Brust verschließen. Enrichetta durfte nicht ahnen, »Vie tief die Niedeilage gewesen, die fie fich in jener vvr- hängnißvollen Nacht geholt hatte. Und dennoch wollte fie Gewißheit haben, ob ihre schreckliche Bermuthung eine Wahrheit sei oder ob fie fich nur H'rnyespinnstrn hingebe. Zuweilen wünschte fie daS Letztere, — aber es war doch Alles vorbei, — zwischen ihr und diesem Manne kam e» zu keiner Versöhnung mehr und dann erwachte auch in ihrem grollenden Herzen di« Sehnsucht, ihn für seine Unverschämtheit und Nichtswürdigkeit so hart zu züchtigen, als er eS verdiente. Einig« Lage später fand sich Doklor Bernard ""Oer " traf auch heut seinen verehrten Freund mcht dahe,m; ab r dies Mißgeschick schien ihm nicht ganz unangenehm zu sein, denn die Fürstin war gegen so liebenswürdig, daß der treffliche und rin wenig tttle Mann von der stattlichen, noch immer schönen Frau ganz bezaubert wurde. Sie wußte geschickt da»