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Sächsischer Landes-Anzeiger : 10.11.1887
- Erscheinungsdatum
- 1887-11-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512384622-188711105
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512384622-18871110
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-512384622-18871110
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsischer Landes-Anzeiger
-
Jahr
1887
-
Monat
1887-11
- Tag 1887-11-10
-
Monat
1887-11
-
Jahr
1887
- Titel
- Sächsischer Landes-Anzeiger : 10.11.1887
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> Nr. Stil. — 7. Jahrgang.—, Der ieden Wochentag Abend (M Datum ,,«» volaenden Tageö) Aur Äerrendung Angende..Sächsische LandeS-Anzcgev- mit täglich ein«» besonderen Unter, baltnngrblatte nnd nrtt deni Extrabeiblatt MIM Bilderbuch kostet bei den Ausgabe. Men monatlich 70 Pfg. be den Post. Anstalten 7bP.,ZtgS..PrcislisteNr. 4860.) FSchsisch'k LoonerStag, 1». November 1887,' SIIuslrirtkSIahrcdbuchdesLandkS-Aiizeigers. mit „Chemnitzer Stadt-Anzeiger". Unparteiische tägliche Zeitung für Sachsen und Thüringen. JnsertwnSbetrag (in Briefmarken) beiMeu lie 8Silben CorpuSschrift bilden ca. 1 Zeile.) Ännoncenannahme nur bis Vormittag. Seck«: MMn Wtdr, Buchdruckcrei, Chemnitz. Theaterstratze 8 (Fernsprechstelle Nr. ISS). Telegr.'Adr.: Landes-Anzeiger, Chemtiitz. Mit täglich einem besonderen Unterhaltnngsblatt: i. Kleine Botschaft — 2. Sächsischer Erzähler — 3. Sächsische Gerichts-Zeitung 4 Sächsisches Allerlei — 5 Jllnsirirtes Unterbaltnngsblatt — 6. Sonntagsblatt — Ertra-Beiblatt: Lustiges Bilderbuch. Telegraphische Nachrichten. ^ .v- Vom 8. November. ' Hameln. Gestern stürzte der nördliche Theil der hiesigen Wesemühle ein, wobei eine Anzahl Personen sowohl in der Mühle, wie auch im Nachbarhaus verschüttet wurden. Aus Minden wurden Pioniere zur Rettung requirirt. Elf Tobte hat man bereits heraus geschafft. Die Katastrophe soll durch die Entzündung des Mehlstaubes infolge der Explosion einer Petroleumlampe herbcigeführt sein. Die Verletzungen der Verunglückten sind ganz furchtbare. Die Gewalt der Explosion war so groß, daß Mauerwerk und Maschinentheile Veit fortgeschleudert worden. Halle a. S. Im Schacht „Agathe" der Staßfurter Werke sind gestern durch Zerreißen eines Förderseiles sieben Arbeiter ver unglückt. ... Wien. Professor vr. Schröter, der zur Konsultation wegen der Gesundheit des deutschen Kronprinzen berufen ist, ist bereits gestern nach San Nemo abgereist, vorbereitet zur Vornahme für die Trache otomie beim Kronprinzen. — In Pest erregt die Revolte einer A Heilung des Infanterie-Regiments Rodich großes Aufsehen. Die vor Hqem eingestellten Rekruten griffen ihren Exerzier-Unteroffizier mit ,grMem Bajonnet an und verwundeten ihn; auch ein Offizier, Mlchcr die Nevoltanten zum Gehorsam zwingen wollte, wurde ver wundet. Die Abtheilung wurde erst nach heftiger Gegenwehr ent waffnet. Politische Rundschau. Chemnitz, den S. November. Deutsches Reichs. In dem Befinden des Kaisers war am Dienstag eine wesentliche Aenderung nicht eingetreten. Der Monarch hatte etwas später als an den vorhergehenden Tagen das Bett ver lassen und nahm am Nachmittag den Vortrag des Grafen Perponchcr und des Generals von Mbedyll entgegen. — Zum Befinden des Kronprinzen wird aus San Remo weiter telegraphirt, daß Or. Mackenzie bereits am Sonnabend dort konstatirte, daß sich die Wucherung im Halse nach unten verbreitert habe. Prinz Wilhelm von Preußen und die berufenen Spezialärzte treffen heute Mittwoch nn der Riviera ein. Zu den ärztlichen Konsultationen ist auch I)r. Moritz Schmidt aus Frankfurt am Main zugezogen, vr. Schmidt ist bereits in Ems vom Kronprinzen konsultirt. Seine aus gedehnte Praxis in der Behandlung von Erkrankungen der Stimm- organe wird auch in Fachkreisen als eine sehr erfolgreiche bezeichnet. Ueber das Resultat der Konsultationen wird umgehend ein amtlicher Bericht erfolgen. Bemcrkenswerth ist eine Auslassung Birchow's über die neueste Wendung der Krankheit. Er tagte, er sehe noch keinen Grund, die hoffnungsvolle Prognose hinsichtlich des Halsübels des Kronprinzen, welche er im Sommer gestellt, aufzugeben. Als der Kronprinz vor einigen Tagen Baveno verließ, waren die Symptome seines Leidens höchst erfreulich; die gegenwärtige lokale Geschwulst im Halse könnte unmöglich in so kurzer Zeit die Folge eines neuen Ge wächses an dem ergriffenen Theile sein, sondern müßte lediglich ans dessen Entzündung entstanden sein, was etwas ganz Anderes sei, ob wohl unter gewissen Umständen auch dies sich als gefährlich erweisen könne. Ein frisches organisches Gewächs, von welchem einige Tage vorher keine Spur vorhanden war, bedürfe einer beträchtlichen Spanne Zeit, während eine Geschwulst durch Entzündung in wenigen Minuten erzeugt werde. Weitere Meldungen aus San Remv berichten, daß der Kronprinz unverändert guter Laune sei. Alle seine Familienglie der hüten sich, ihm irgend welche Bcsorgniß zu zeigen. Er erhält zunächst nur lindernde Mittel. Eine mikroskopische Untersuchung der neuen Geschwulst ist zur genauen Konstatirnng des Charakters der selben von nöthen, und hofft Mackenzie, auch diesmal vom Munde, aus einzelne Stückchen entfernen zu können. Die Geschwulst bildete sich sehr rasch, und die den Kronprinzen begleitenden Äerzte beriefen daruin schleunigst Mackenzie. Namentlich die Kronprinzessin war über diese Wendung heftig erschüttert, verdoppelte aber nur ihre Sorgfalt in der Pflege ihres Gemahles. Es läßt sich übrigens erhoffen, daß auch die neue Geschwulst durchaus gutartiger Natur und hauptsächlich die Folge einer Entzündung ist. Die Theilnahme ist allgemein. In Wien, Rom und London las man die Bulletins mit größtem In teresse. Auch dort war die Ucbcrraschung sehr groß. Man dachte nach den letzten günstigen Nachrichten auch nicht entfernt an solchen Umschwung. — Die Ankunft der russischen Kaiserfamilie in Berlin ist nun definitiv für die Tage zwischen dem 1b. und 13. dieses Monats in Aussicht genommen, bis wohin, wie zuverlässig gehofft wird, auch Kaiser Wilhelm vollständig wiederhergestellt sein wird. Der Besuch wird aber nur auf den Tag der Ankunft ausgedehnt werden. Der Kaiser und die Kaiserin werden Absteigequartier im russischen Bot schaftshotel nehmen, während die jungen Prinzen und Prinzessinnen aus Gesundheitsrücksichten den Salonwagen nicht verlassen werden. Wie die „Nat.-Ztg." im Gegensatz zu anderweitigen Mittheilungen vernimmt, wird Fürst Bismarck während der Anwesenheit des Zaren gleichfalls dort sein; nur Krankheit könnte den Reichskanzler ver hindern, bei dieser Gelegenheit sich an der Seite des Kaisers zu finden. Von dem Kommen oder Fernbleiben des Herrn von Giers wäre daS ganz unabhängig. Was nun Herrn von Giers betrifft, so meldet man aus Petersburg, daß er sich schon in Kopenhagen dem Zaren anschließen werde, um ihm über die Gestaltung der euro päischen Lage Vortrag zu halten. Indessen würde auch das Zu sammentreffen der beiden leitenden Staatsmänner in Berlin an dem allseitig betonten unpolitischen Character des Besuches nichts ändern. — Zur Jubelfeier des Papstes fand in München eine zahlreich besuchte Festversammlung statt. Abg. Rnppert hielt auf derselben eine Rede, in welcher mit besonderem Nachdruck betont wurde, daß der Papst die Wiederherstellung der weltlichen Herrschaft in Rom er leben möge. — Dem Bundesrath ist am Dienstag der neue Reichspostetat zugegangen. — Das Reichsgericht hat das vom Danzigcr Landgericht gegen 20 Sozialisten am 28. Mai d. I. gefällte Ürtheil aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückgewiesen. — In Danzig ist am Dienstag die erste westpreußische Provinzialsynode eröffnet worden. Man beschloß die Absendung einer Adresse an den Kaiser. — Das Preußische Landesökonomiekollegium sprach sich am Dienstag dahin aus, daß die Beseitigung der kleineren Lokalwoll- märkte anzustreben, die Provinzialwollmärkte dagegen beizubehalten Die Veilchendame. Kriminal-Roman von Carl Görlitz.. Fortsetzung. Nachdruck verboten. Der geheimnißvolle Trottoirläufer vom Nachmittag deutete mit dem Finger auf ihn: „Das ist der Diamantendicb!" / „Was soll das heißen?" fuhr Ortmann brüsk auf; „ich verbitte mir energisch solche Beleidigungen. Ich weiß nichts von Diamanten!" „Glaubt ihm nicht!" rief die Gräfin Plötzlich, indem sie den Schleier znrückschlug; „er lügt, denn er trägt das Etui mit den ge raubten Diamanten in der rechten Tasche seines Ruckes bei sich. Ich habe Euch das Wild gestellt, das Weitere ist nun Eure Sache." Bei diesen Worten der Gräfin wankte Ortmann, die Entdeck ung kam zn jäh und unvorbereitet; seinen Körper überlief ein Zittern, seine Knie bogen sich, cs hatte den Anschein, als ob er zu Boden stürzen würde. Aber diese Anwandlung von Schwäche dauerte nur «inen Augenblick, er richtete sich sofort wieder aus und maß die Gräfin mit einem verächtlichen Blick. Die Dame sah ihm fest in das Auge; Beider Blicke kreuzten sich wie die Klingen von ein Paar feindlichen Schwerter». „Also eine Polizeispionin?" rief er mit unbeschreiblicher Ver achtung im Ton, zuckte die Achseln und kehrte ihr den Rücken. Er hatte eingesehen, daß er verloren war; an eine Flucht aus dieser Umgebung von Polizeibeamten konnte er nicht denken, noch weniger daran, seine nächtliche Anwesenheit hier im Hanse der Frau Kampe Ms eine unverfängliche Art zu erklären; die Pseudogräfin stand als klassische Zeugin ihm gegenüber, und was das Allcrschlimmste war, das ihn mit eiserner Wucht erdrücken mußte: die geraubten Edelsteine des Herrn Lcnclos befanden sich in seiner Tasche, sie mußten gefunden und von dem Brüsseler Juwclenhändler, der anwesend war, sogleich rekognoszirt werden. Da blieb ihm als einzige, freilich traurige Genugthuniig nur, daß er die Frau, welche zu seiner Entlarvung beigctragen, dcmütksigtc und beleidigte. Deshalb hatte er ihr das Wort „Polizeiffsionin" entgegen geschleudert und dann sich rücksichtslos und höhnisch von ihr abgewcndct. Er hatte dieser Frau gegenüber, welche sich nun als seine Tod semdin entpuppt hatte, wenigstens „das letzte Wort" gehabt. Aber der Schurke sollte auch diese Genugthuung nicht behalten, auch in dieser Absicht sollte er sich schmählich verrechnet haben. «Polizeispionin?!" sagte sie ruhig und fest, „Du täuschest Dich, wenn Du nur eine Polizeispionin in mir vermut Heft; freilich konntest Du " — Die bereits angekündigte Schrift des Abg. Peter Reichen- ,'perger gegen die Erhöhung der Getreidezölle ist soeben erschienen. Reichensperger sagt darin, er sei ein Gegner des Freihandel-, aber, gerade als Anhänger der Schutzzollpolitik müsse er die extremen AÜ-- i Wüchse derselben bekämpfen. ^ — Ein neues Repetirgewehr kommt noch nicht! Die „Köln. Ztg." l chreibt: Die Nachricht, daß die Neubewaffnung unsere- Heere- mit: einem Gewehr von kleinem Kaliber beschlossen sei und der nächste Reichstag bereits in diesem Sinne umfassende Forderungen der Reichs regierung werde zu bewilligen haben, ist in dieser Form unrichtig. Schon seit mehr als zehn Jahren wird freilich in den zuständigen Kreisen die Frage erwogen, ob da- größere oder ein kleinere- Kaliber für unsere Bewaffnung vortheilhaster sei. Die Frage ist namentlich auch eingehend geprüft worden, als e- sich darum handelte, da- neue Repetirgewehr anzuschaffen. Sie war aber noch nicht zur Lösung reif und zudem besaß die Einführung de- Repetirgewehre- eine solche Bedeutung für unsere Wehr- und Vertheidigungssähigkeit, daß eine Verzögerung der Anschaffung des Repetirgewehre- von den allerbedenklichsten Folgen hätte werden können. Inzwischen haben aber natürlich unsere Militärbehörden die Kaliberfrage nicht au- dem Auge verloren, zumal sich Frankreich für das kleinere Kaliber aus gesprochen hat. Doch dauern die Erwägungen noch fort. Die Frage ist bei Weitem noch nicht gelöst und insbesondere wird versichert, daß eine Etatsforderung für die Beschaffung des kleineren Kaliber- in der nächsten RcichstagSsession nicht zu erwarten sei. Im Uebrigei» wird darauf aufmerksam gemacht, daß im Falle der Einführung deS kleinen Kalibers die Kosten für die Gewehre nicht so sehr hoch sein würden, weil die jetzigen Gewehre ohne große Schwierigkeit in solche mit kleinerem Kaliber umgewandelt werden könnten, daß aber aller dings die Anschaffung der neuen Munition erhebliche Kosten verur sachen würde. In dieser Hinsicht sei aber zu berücksichtigen, daß die vorhandenen reichlichen Munitionsvorräthe für das jetzige Repetir gewehr nicht unnütz angcschafft seien, sondern auch nach der etwaig-» - Einführung eines neuen Gewehrs noch lange für die Uebungen der Landwehr u. s. w. benutzt werden müßten. Italien. Der päpstliche „Moniteur de Rome" veröffentlicht da» Programm der Festlichkeit zum Priesterjubiläum des Papstes. Hier nach wird der Papst am 31. December die internationale Deputation des Jubiläums-ComiteeS empfangen, am 1. Januar die Jubelmeffe celebriren; am 2. Januar findet in der Kirche San Lorenz» ei» Vortrag von Gedichten und Reden über das Jubiläum statt. Am 3., 4., 5. Januar werden die italienischen und fremden Wallfahrer vom Papste empfangen, am 6. Januar wird der Papst unter An wesenheit der Cardinäle und fremden Diplomaten die vatikanische Ausstellung eröffnen. — In Livorno wurde ein Bombenattentat gegen das Polizeigcbäude verübt. Es ist Niemand verletzt; zahlreich» seien, die Konzentration des Wollmarktes in einem Centralpuiiktedcrl Verhaftungen wurden vorgenommen, doch bestreiten alle Arrestanten Monarchie aber nicht als im allgemeinen Interesse liegend angesehen werden könne. — Als Baurate für das folgende Jahr sind 16 Millionen Mark für den Nvrdostseckanal ausgcworfen. Preußen trägt hierzu 5,200,000 Mark bei, die übrigen 10,800,000 werden vom Reiche getragen. Der Gesetzentwurf, betreffend die unter Ausschluß der Oeffent- lichkeit stattfindenden Gerichtsverhandlungen, der schon zweimal den Reichstag beschäftigt hat, ohne daß es zn einem festen Beschluß gekommen wäre, wird in der nächsten Session abermals vorgebracht werden und zwar in einer Form, welche den Kommissivnsbeschlüssen der vorigen Session entspricht. — Gegen den Wucher auf dem Lande werden nach der „Post" neue gesetzgeberische Maßregeln geplant, die schon den kommenden Reichstag beschäftigen dürsten. nicht ahnen und kannst es jetzt noch nicht, wer in mir Dir gegen über trat; ich mußte Dir als Fremde erscheinen, denn aus dem Kinde ist ein Weib geworden." Drohend trat sie ihm einen Schritt entgegen und rief mit lauter Stimme: „Johanna Lamprecht, die Todtgcglaubte, steht vor Dir!" Wie die Posaune des jüngsten Gerichts schallte dieser Name Ortmann in das Ohr. Wie vom Blitz getroffen wandte sich derselbe mit einem Aufschrei nach ihr um und riß zum ersten Male die ver hüllende Brille vom Gesicht, um die jüngere Schwester seiner ver storbenen Frau genauer anschen zu können; dann knickte seine Gestalt ein, er wankte zurück und sank auf einen Stuhl zusammen. „Auf welche Weise", fuhr sie mit dem Jener einer zürnenden Rachegöttin fort, „ich bis zu dieser Stelle gelangt, welche Schicksale für mich zwischen dem „Heute" und dem „Damals" von vor zwölf Jahren liegen, soll durch keine Aufzählung vor Deinen Ohren profanirt werden. Dir genüge zu erfahren, daß ich als junges Mädchen am Sterbebette meines Vaters aus seinem Munde erfahren, daß der Kummer über Deine Unthatc» ihm das Herz gebrochen, daß Deinet wegen meine Mutter vorher ein trauriges Ende im Jrrenhause ge sunden hatte." Sie schwieg einen Augenblick, als ob bei der Erinnerung an eine grauenvolle Vergangenheit und an den herzerschütternden Tod ihrer Eltern die Rührung sie übermannte, aber als ob sie sich auch sogleich erinnerte, daß in Gegenwart dieses Menschen jedes Gefühl verbannt werden müsse, fuhr sic mit der Hand über das Gesicht, um eine unwillkürlich aufstcigende Thräne zurückzudrängen, indem sie mit nngcschwächter Kraft weiter sprach: „Als ich dann am Sarge nielnes Vaters stand und zum erste» Male die furchtbare, grauenvolle und doch erhabene Majestät des Todes begriff, als ich es nicht fassen konnte und durch den Anblick doch glauben mußte, daß diese fremd artige, wachsbleiche, wie versteinerte Gestalt mein geliebter Vater gewesen war, ging eine unbeschreibliche Aenderung in mir vor; ich war in meinem Urthcil, in meinen Anschauungen um Jahre älter geworden. Als ich mich dann der letzten Worte meines Vaters cnt- sann, wonach Du sein Mörder gewesen bist, that ich mir selbst ein Gelübde. Frühling war's zu jener Tranerzcit; man hatte den Sarg meines Vaters mit Cypresscnzwcigcn nnd Veilchen geschmückt; ein kleiner Veilchenstrauß lag auf seiner Brust, in welcher kein Vater- Herz mehr klopfte, einen zweiten hatte man ihm in die im Tode erstarrten Hände gegeben. Seit jenem Augenblick ist das Veilchen für mich das Symbol der Trauer geworden, aber auch ein Er innerungszeichen für mein Gelübde, daß ich nicht eher ruhen wollte, bi- ich den Mörder meiner Eltern der wohlverdienten Gerechtigkeit ihre Schuld. Frankreich. In der Deputirtenkammer haben am Montag die Radikalen den Versuch gemacht, dem Kriegsminister Ferro» etwa- anzuhängen, indem sie ihm Langsamkeit der Eisenbahnbeförderung bei der Probemobilmachung vorwarfen. Der Vorstoß glückte aber nicht, die Kammer empfahl nur dem Minister, auf die Schnelligkeit de» Militärtransportwesens ein wachsames Auge zu haben. — Der vor dem Pariser Zuchipolizeigericht geführte Ordensschwindelpyozeß gege» den Exgeneral Caffarel nnd die „Damen" Limousin und Ratazzi (den flüchtigen General Andlau hat man nicht zur Stelle schaffe» können) wird voraussichtlich drei Tage dauern. Die speciellcn Punkte der Anklage behaupten, mehreren Gewerbtreibenden Geldbeträge unter dem Verspreche», ihnen Orden zu verschaffen, entlockt zu haben. Neues bieten die Verhandlungen nicht. Caffarel wälzt alle Schult» auf die Limousin und will von der ganzen Sache keinen finanzielle» überliefert hätte, damit ihr früher Tod gesühnt würde. Nun bist Du entlarvt!" Nach diesen Worten schleuderte sie ihr Veilchenbouquet Ortman« vor die Füße. Ortmann fuhr scheu zusammen, als ob er sich fürchte, von dem duftenden Veilchenstrauß wie von einer todtbringende« Waffe berührt zu werden. Alle hatten auf das Tiefste erschüttert der Rede der Dame ge lauscht; als sie nun schwieg, da war es Jedem so beklommen z» ' Muthe, als müsse sich die Erde öffnen, wo die Veilchen lagen und an ihrer Statt die Geister der Tobten aufschweben, deren Tochter diese Stunde der Vergeltung herbeigeführt hatte. Eine unheimliche Stille war gefolgt. Niemand wagte, dieselbe zu unterbrechen. Die Dame, welche sich bis jetzt im Aufträge und mit voller Autorisation der Polizeibehörde „Gräfin Schönmark" und nun „Jo hanna Lamprecht" genannt hatte, ließ ihre drohend ausgestreckte Hand langsam sinken; dann wandte sie sich an den Criminal-Inspektor. „Meine Mission ist hier zu Ende", sagte sie viel leiser, als sie bis her gesprochen, „ich bitte Sie, mir einen Ihrer Beamten zur Be gleitung zu geben, damit ich in dieser nächtlichen Stunde sicher und ungefährdet in meine Wohnung zurückkehren kann." Der Jnspector verneigte sich. „Das gnädige Fräulein habe« zu befehlen!" Nach diesen Worten gab er einem der Polizisten de» Austrag, die Dame nach Hanse zu geleiten. Nach der Entfernung der Dame wurde in dem Kampe'schen Hause ein strenges Gericht gehalten. Zunächst fand eine genaue Vi sitation Ortmann's statt, da mit Recht befürchtet werden mußte, daß er sonst Gelegenheit finden möchte, sich der gestohlenen Edelsteine zu entledigen. Das Etui mit den Diamanten wurde somit bei ihm ge funden nnd gelangte unversehrt in den Besitz des glücklichen Eigen- thümers zurück. Bei der Haussuchung fanden sich außer sehr vielen Kostbarkeiten auch eine Menge goldener Uhren vor, welche von dem Beamten als aus dem Wenck'schen Diebstahl in der Brückcnstraße herstammend er kannt wurden, da ci» Vcrzeichniß der daselbst geraubten Werthsachen sich im Bcsiv der Criminalbchörde befand. Die Folge dieser letzten Entdeckung war, daß auch „Mutter Kampe" verhaftet wurde und ebenso wie Orlmann, Goliath und die Scheere das freie Logis in der Untersuchungshaft beziehen mußte. Nur August und die Dogge blieben von den alten Insassen des Kampe'schen Hauses in demselbe» zurück; aber nicht allein. Vorläufig wurden ihnen zwei Criminalbeamte als Mitbewohner zugesellt, um eine etwaige Verdunkelung der Thatsachcn durch B«ß» seiteschaffnng von Gegenständen zu verhüten.
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