Volltext Seite (XML)
Die Sozialdemokratie am Pranger Gm Zre»irm>O>R«»t ln Kiel Siel. N. August. ReichSminlster Treviranns sprach heute abend in einer Wahlversammlung der Konservativen volkspartei. Dabei sührte der Minister ». a. auS: Gegen über de» Maßlosigkeiten der sozialdemokratischen Agitation «uh «an darans Hinweisen, das, die Verantwort«»« der Re gierung Müller—Wiffell nicht mit ihrem Rücktritt abgeschlosse« ist, sonder« baß die Folgen der zweijährigen Vorherrsch«?« der Sozialdemokratie im Reich sich bis ln unsere Tage hinein in steigenden Zahlen der Arbeitslosigkeit, in der Kesährdung der Sozialversicherung und in der Erschwerung jeder wirtschast- lichen Ansbanarbeit a«swirken. Der Kampf gegen die Steger- waldsche Reform in der Sozialpolitik läßt anßer acht, bah die Beseitigung der Srisenlttrsorge. Einführung der Kranken scheine, die Herabsetzung gewisser Leistungen der Arbeitslosen versicherung bereits unter der sozialdemokratischen Verant wortung gefördert und vorbereitet wurden. Aünbholzmonopol, steuerfreie Anleihe, Polenabkomme» sind weitere Stichworte. an denen die Haltlosigkeit der marxistischen Doktrin gegenüber den tatsächlichen Ver hältnissen ausgczeigt werden muß. Die fetzige Rcichsrcgiernng hat Schritt sür Schritt mit der Erbschaft aufgeräumt nnd mit den gestrigen Beschlüssen di« Reformen der künftigen Monate Umrisse«. Sie hat dadurch gezeigt, das» sie das Gesetz des Handelns weiterhin sür sich in Anspruch nimmt, weil ein« «ene Welle der Unsicherheit Volk Mlb Wirtschaft erschüttern müßte, wen« nicht Klarheit darüber geschafft« ist. daß der neue Kurs stetig verfolgt werden muß. Der Gedanke der Sammlung in Parteien, die das be- schlossen- Reformwerk der Regierung gestützt haben, wird ge tragen von der gemeinschaftlichen Verantwortung sür einen ruhigen, gesicherten Fortgang der Gesundungsarbeit. Wir glauben, daß abseits vom Streit der Parteien die breitesten Schichten des Volkes sich einem solchen Führungswillen willig unterordnen werden. Und wenn damit neues Vertrauen wächst, ist die erste Voraussetzung für eine Wiedergesundung auch der Wirtschaft geschaffen. Schützinger gegen -j- Slaalspartei Berlin» 29. August. Eine Berliner Ortsgruppe der Sozial demokratischen Partei veranstaltete gestern in Gemeinschaft mit dem Reichsbanner eine Wahlkampskuudgebung, in der als Hauptredner der frühere ' Dresdner Polizeioberft Dr. Schützinger austrat. Dr. Schützinger führte im verlaus« seiner Rede aus, in diesem Mahlkamps ginge eS darum, ob die Sozialdemokratische Partei die Macht im Staat« behalten solle oder nicht. Man dürft niemals vergessen, daß die 8 er - sassnngssrage« stets Machtsrage« seien. I» diesem entscheidenden Kampfe richte sich die Kampskrast der Sozialdemokratischen Partei gegen sämtliche bürger lichen Parteien. Mit besonderer Unterstreichung stellte Schützinger fest, daß die Demokratische Partei mit ihrer schwarz- rot-goldenen Fahne in der Versenkung verschwunden sei. An ihrer Stelle sei ein neues Gebilde entstanden, et« gerade-« lächerlicher Popanz, die sogenannte Staatspartei. Auch der Staatspartet sagte Schützinger stärksten Kamps an. Diese Sampsansage wird sür die Gründer »nd Führer der Staatspartei von besonderem Interest« sein» da diese bei jeder Gelegenheit betonen, daß ihnen viel darans ankomme, nach der Wahl mit der Sozialdemokratie z»sa««en- zuarbeite«. Reichsbanner -egen gung-o Frankfurt a. M„ 29. August. In der Versammlung der Staatspartet tm Zoo am Donnerstagabend waren außer Ver tretern des Reichsbanner» mit ihren Fahnen auch Angehörige de» Jungdeutschen Orden» mtt Standarten erschienen. Die sozialdemokratische „BolkSstimme" wendet sich in ihrem Bericht gegen die Ausführungen des stellvertretenden Kanz lers des Jungdo, Hermann: „Hier sehen Sie schwarz-rot^old und schwarz-wetß-rot. das wir mtt Stolz tragen, brüderlich vereint." Das Blatt teilt mit, daß der 1. Vorsitzende des Frank furter Reichsbanners, von Huttkammer, im Zusammenhang mit diesem Vorgang seinen Vorsitz niedergelegt hat. zumal ei« Vertreter der Staatspartei im Frankfurter Reichsbanner vorstand erklärt habe, baß di« Anngdoleute weder in Uniform noch mit Fahne« erscheine» würden. Wllost SklMle um »ie RMswchr El« Artikel »rS öeneralS ven Sammeritetn Vrabtmvlcknng unoaror SarUuar Sobrlttloltnng Berlin, 29. August. Gewisse demokratische Blätter, die sich in der Kompromittierung Deutschlands vor dem Aus land nicht genug tun können, wiederholen mit konstanter Bosheit, daß der frühere Reichswchroberleutnant Am- linger in Rußland seinen Tod bei einer „diskreten Dienst aufgabe" gefunden habe. Das Rcichswehrministerium weist erneut daraus hin. das, bei dem Todesfall keinerlei irgendwie geartete dienstliche Beziehungen bestanden haben. Es erklärt ferner, daß es sich nicht darum kümmern könne, was jeder einzelne Offizier nach seiner Verabschiedung täte. Amlinger sei seit über einem Jahr Privatperson und was er unter nehme, sei seine Privatangelegenheit. Gleichzeitig wird von anderer Seite daraus htngewicsen, daß die fortgesetzte Wieder, holung dieser Notizen in gewissen Zeitungen, die natürlich begierig von der deutschfeindlichen Presse des Auslände» aus genommen werden, unter Umständen unter den LandeS- vcrratSparagraphen fallen könnten, auch wenn sie nicht zu- träsen und lediglich geeignet seien, gegen die Interessen de» Deutsche» Reiches zu verstoßen. Angesichts der Erörterungen über da» Verhältnis der Reichswehr zu S o w j e t r u ß l a n d. die sich zur Zeit in der in- und ausländischen Presse finden, verdient ein Zettungs- aussatz besondere Beachtung, den der voraussichtliche Nach, solger des Ehess der Heeresleitung. General v. Hammer- stein, veröffentlicht hat und in dem das Gerede, als ob die Reichsregierung zu Rußland irgendwelche besondere geheim gehaltene Beziehungen unterhalte, mit aller Schärfe zurückgewiesen wird. In diesem Aussatz heißt es u. a.: Di« Reichswehr ist im Kampfe gegen den Kommunis mus entstanden Er war niedergeworsen. als Deutsch land das Versailler Diktat annahm. Damals hat es wohl Stimmen gegeben, die rieten, sich mtt dem geschlagenen Gegner zu versöhnen und sich der bolsche wistischen Idee in die Arme zu werfen, um mit Hilfe Ruß land», der einzigen Macht Europa» außerhalb de» Versailler Systems, den FreihettSkamps auszunohmen. Während de» Vordringens der russischen Heere nach Polen stand der „NattonalbolschewismuS" aus seinem Höhepunkt. 1928 während de» Ruhrkampse» lebte er noch einmal aus. Damals bändelte Ruth Fischer mit rechtsstehenden Kreisen an, um mtt ihnen »ein Stück Wege» znsammenzugehen". Damal» richtete eine angebliche »Gruppe kommunistischer Offiziere" — in Wahrheit August Tbalheimer — einen Werbebrtes an die Offiziere und versprach ihnen Rußlands Hilfe gegen Frankreich, wenn sich die Reichswehr aus die Sette der Kom munisten stellte. Damals ging die Initiativ« also von de« Kommunisten a«S, als ei« versuch, die Reichswehr sür de» Ansstanb »am Herbst 1Ü2» »» »entralistere» ober M gewinne«. Seitdem ist der Gedanke des NationalVolschewiSmu» tatsäch- lich tot. „Wir kämpfen nicht um die Reichswehr, sondern gegen die Reichswehr", heißt es in einem kommunistischen Rundschreiben. Sie von innen heraus zu zersetzen, ist da» Ziel dieser Partei. Zwischen Reichswehr und Kommunisten herrscht offensichtlicher Kampf. Wie er auf beiden Seiten auS- gefochten wird, lehrt die Zusammenstellung, die da» Reich»- wchrmtnisterium kürzlich der Presse übergeben hat. Niemals hat die Ncichswehrleitnng, haben maßgebende Persönlichkeiten, hat überhaupt ein nennenswerter Teil der Reichswehr» angchörigen die kommunistischen Bestrebungen gebilligt. Schon ISA» wandte sich der damalig« Ches der Heeres leitung in einem Erlaß gegen de« „Rational- bolschewismnS" und schrieb: »Wollen wir mtt Rußland in einen freundlichen wirtschaftlichen Austausch treten, ihm bei seinem inneren Wiederaufbau helfen, so müssen wir ihm als geschlossen er Staat gegenübertreten und den internationalen BolschewtS- mus auss entschiedenste ablehnen. Das bedingt absolute Ordnung im Innern und schärfsten Kampf gegen jeden Um sturz". und 1923 »Die Interest«« ber Offiziere «nd der Nation sind nicht mit denen einer Klasse verbunden Sie liegen in dem deutschen Staat, den wir gegenüber allen Klassen» »nd Partei» kämpfen zu bewahren habe«, der von jeder Klaffe die gleiche« Opfer für sich fordern muß nnd dem uns hinzngeben nnd unter Hintansetzung ber eigenen Persönlichkeit z» dienen, unsere sittliche Pflicht ist. Jeder Schritt vorwärts aus diesem Wege wird uns auch dem Auslande gegenüber stärken und unS be- fähigen, uns die Staaten zn Freunden zu machen, ohne daß wir ihnen dabei die natürlich« Entwicklung unserer inner«« Verhältnisse opfern müssen." Ans diesem Standpunkt steht die Reichswehr hente «och Die Bestrebungen de» Kommunismus, der Dritten Inter nationale bekämpft sie aus» schärfste. Und wenn behauptet wird, sie triebe irgendwelche Sonderpolittk gegenüber Rußland, so ist das in jeder Beziehung falsch. Politik be treibt die Reichswehr überhaupt nicht, sonder» die Richtlinien sür ihr Handeln empfängt sie von der ReichS- leitung. Gegenüber Rußland sind diese Richtlinien dieselben wie gegenüber jedem Staat, zu dem da» Deutsche Reich gute Beziehungen unterhält. Wie suchen militärisch von ihm zu lernen und zeigen seinen Offizieren auch, was wir militärisch können, ebenso wie wir e» mit Schweden, Spanien, der Schweiz und den Vereinigten Staaten von Nord- amerika und anderen halten. Die Sowjetunion etwa ander» zu behandeln al» jene Staaten, wäre unsinnig und gefährlich. Denn so sehr wir auch die weltrevolutionären Bestrebungen ablehnen und bekämpfen, so darf Deutschland darüber nicht vergessen, daß Moskau nicht nur daS »Ekki" ist, sondern in erster Linie die Regierung des russischen Reiche» beherbergt, daß e» auch heute noch ein wirtschaftlicher «nd politischer Racht- faktor ist, mft dem jeder europäische Staat rechne» unrß. Russisches Schicksal Immer, wenn sich in den russischen Zeitungen die Mel dungen über vollzogene Erschießungen häufen, ist das für die Umwelt ein Zeichen, daß wieder etwas faul ist im Staate der Sowjets. Und die Gründe, die für die massenhafte Ver hängung des „höchsten Strafmaßes" angegeben werben, ver raten uns, wo es fehlt. Wenn kürzlich vier Sowjetbeamte ihre angeblich „destruktiven Maßnahmen gegen die kollektiven Bauernwirtschaften" mit dem Leben bezahlen muhten, so steckt die Verzweiflung ber Machthaber über die unlösbaren Schwie rigkeiten des Agrarproblems hinter so barbarischer Streng«. Wenn andere wegen .prinzipienloser Gruppenbilbung" trupp weise in -ie Verbannung nach Sibirien wandern müssen, so sind eS neue Regungen der Opposition und Auswüchse der Vetternwirtschaft, die der allmächtigen Partei zu schaffen machen. Und wenn jetzt in immer größerer Zahl Hamsterer von Dilbergelb erschossen werden, so ist das ein untrügi licheS Kennzeichen ber allgemeinen Wirt schaftskrise, die, von der Agrarnot herkommenb, nach und nach das ganze Gefüge der Volkswirtschaft erschüttert. Man muß sich vorstellen, welch bittere Dramen deS täglichen Lebens, welche Kämpft um die nackte Existenz mit einer solch trockenen Nottz zusanrmenhängen. Wir kennen eS ja aus eigener Erfahrung, wie es ist, wenn man für das staatlich sanktionierte Papiergeld von Tag zu Tag weniger kaufen kann. Wie man sich, von ber Sorge umS Brot getrieben, zum Hartgeld, zu Devisen zu Waren flüchtetz wie der ganze Güteraustausch zerstört wirb und die Natural wirtschaft die Geldwirtschaft verdrängt. Das ist ber Zustand de» heutigen Rußland. Nur mtt dem Unterschieb, daß bei unS die Devtsenhamsterer, soweit man sie erwischen konnte» mit Geldstrafe» belegt wurden, während man sie dort kurzer hand an die Wand stellt. Wir wollen uns gewiß hüten, daraus übereilte Schlüffe zu ziehen und etwa das nahe Ende der Sowjetherrlichkeit zu prophezeien. Denn vor den Grenzen eines Landes mit so un erschöpflichen Kräften, mit so einfacher agrarischer Struktur, «nd vor einem Volke mit so unerhörter Leibensfähigkeit machen auch die ehernen Gesetze der Wirtschaft, die ein empfind licheres StaatSwesen unter gleichen Bedingungen längst über den Haufen geworfen hätten, halt. Niemand kann berechne«, wo in Rußland die Grenze liegt, an der das marxistische Ex periment scheitert und die gequälte Kreatur sich aufbäumt gegen ihre Peiniger. Aber was Menschen an Elend zu er trage« vermögen, davon geben die trotz aller Zensur allmäh lich aus Rußland durchsickerndeu Berichte ein erschütternde» Zeugnis. Die deutschen Moskowiter erklären solche Anklagen gegen da» von ihnen verherrlichte System in Bausch und Bogen als kapitalistischen Schwindel und suchen sie mft dem Hinweis auf die Durchführung des KünfjahreSplane» zu entkräften, ber doch nicht mit solcher Energie in die Tat umgesetzt werden könnte, wenn die wirtschaftliche Lage der Sowjetunion so katastrophal wäre. Gewiß, der FünfjahreS- plan zur Industrialisierung Rußlands ist da, und er wird gewaltsam, in überstürztem Tempo, gefördert. Die Bilder von den aus dem Erdboden gestampften groben Jndustriewerke« und Industriestädten, die die Sowletpropaganda eifrig ver breitet. lügen nicht. Auch deutsche Wirtschaftssachverständige» die diese Fortschritte mit eigenen Augen gesehen haben, sprechen mit Achtung von solchen Leistungen. Die Vergottung der Maschine feiert Triumphe. Und der Kult der Technik tritt an die Stelle des verabscheuten religiösen Kultes. Wie wäre e» sonst möglich, daß der erste in eigener Regie gebaute Trak tor wie ein grober Nationalheld mit Demonstrationen, mft Fahnen, Musik und feierlichen Ansprachen begrüßt wurde. Aber dieser Götzendienst an der Maschine kann uns nicht darüber hinwegtäuichen, daß alle diese äußeren Fortschritt« erkauft sind mtt unsäglichem Menschen- ieid und ungeheuren Menschenopfern. Das ist die Kehrseite ber Medaille. Sie zeigt, daß das russische Volk mft Hunger und Entbehrungen, die bereits über alles daS htnausgehen. was wir in Deutschland während des Kriege» und der.Inflation gelitten haben, die Industrialisierung be zahlt. von der e» nicht weiß, ob sie ihvi auch nur den gering sten Nutzen bringen wird. Alle Berichte und Briefe aus Rußland bestätigen diese» Bild de» Jammers. Man muß gewiß vorsichtig sein in der Wertung solcher Schilderungen, aber man darf zum Beispiel dem Abgeordneten Toole von der englischen Labourpartet auf» Wort glauben, ber sich als warmer Freund Sowjetrußländ» bekennt und auch weiterhin für alle russischen HandelSkrebit« stimmen will, wenn er nach einer langen Reis« dursh»Rußlanb schretbt: „Ich bin erschrocken. Niemals habe ich irgendwo in der Welt, weder tn Amertka noch in Europa, eine solche grauenhafte Armut gesehen als tn Leningrad und Moskau." Ein schreckliches EhapS, alarmieren- hohe Preise, Roggenbrot und Gemüse al» Nahrung ber bevorzugten Arbeiterklasse» Schlangen vor ben Lebensmittelläden, schwarze Prtvatmärkte mtt noch viel höheren Preisen, völliger Warenmangel — da» sind die Eindrücke deS Engländer», trotzdem man alle An- stren»ungen gemacht hat, um sein UrteU durch bevorzugte ve- handlnng »» trüben, «ber dt« Preise, dt« er zahlen mußt»,