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Wochenblatt für (Dienstag und Freitag) für Wilsdruff, Tharandt, Nossen, Siebenlehn und die Umgegenden für die Königl. Amtshauptmannschast zu Meißen,^as^önigl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff. Vierzigster Jahrgang. Erscheint wöchentlich S Mal AbonnementSpretS vierteljährlich 1 Marl. Eine einzelne Nummer lostet 10 Pf. Jnseratenannahme Montags u. Donnerstags bi» Mittag 1S Uhr. Erscheint wöchentlich 2 Mal (Dienstag und Freitag). Abonnementspreis vierteljährlich 1 Mark. Eine einzelne Nummer kostet 10 Pf. Jnseratenannahme Montags u. Donnerstag- bis Mittag 12 Uhr. Nr. 74. Freitag, den 10. September 1880. Bekanntmachung. Unter Hinweis auf die Bekanntmachung der Königlichen Amtshauptmannschaft zu Meißen vom 3. August ds. Js., No. 65 dieses Blattes, die pneumatischen Druckapparäte beim Bierfchank betr., machen wir andurch noch darauf aufmerksam, daß wir in kürzester Zeit durch einen Sachverständigen eine gründliche Prüfung der sämmtlichen in hiesiger Stadt aufgestellten pneumatischen Bierdruckapparate vornehmen lassen werden. Hierbei und bei später stattfindenden Revisionen vorgefunden werdende Zuwiderhandlungen werden unnachsichtlich mit den angedrohten Strafen belegt werden. Wilsdruff, am 9. September 1880. Der Stadtgememderath. Ficker, Brgmstr. Tagtsgeschichte. Der zweite Sohn des deutschen Kronprinzen, Prinz Heinrich, wird von seiner Seereise um die Welt, welche er vor zwei Jahren auf der Corvette „Prinz Adalbert" angetreten, am 26. d. M. in Kiel zurückerwartet. Er wird dort von seinen erlauchten Eltern und wahr scheinlich auch von seinem Bruder, dem Prinzen Wilhelm, und dessen Braut empfangen werden. Unmittelbar nachher wird Prinz Heinrich zu seinem Großvater, dem Kaiser, nach Baden sich begeben. Bezüglich des Kölner Dombaufestes hat man in Berlin in maßgebenden Kreisen nicht besorgt, daß dem ausgesprochenen Willen des Kaisers über die Veranstaltung des Festes irgend welche Maß nahmen der kirchlichen Behörden dem Zustandekommen des Festes hinderlich cntgegcntreten mochten. Der Kaiser legt ein ganz besonderes Interesse für die möglichst feierliche und denkwürdige Veranstaltung des Dombausestes an den Tag. Beide Majestäten, das kronprinzliche Paar, womöglich alle preußischen Prinzen und, wie cs heißt, mehrere deutsche Souveräne werden dem Feste beiwohnen, über dessen Einzel heiten eine Vereinbarung zwischen den Kölner Veranstaltern und den Berlinern Centralstellen stattfinden wird. Der französische Premierminister Freycinet scheint seinen Posten nicht mehr behaglich zu finden; in Bayonne soll er geäußert haben, die Tage seines Ministeriums seien gezählt; er würde durch sein Bleiben nur einer ihm aufoclroyirten Politik, die er als verderb lich für Frankreich erkennen müßte, Vorschub leisten. Die Art und Weise, wie die Dekrete bezüglich der Kongregation in Vvllzvg gesetzt werden, hat den ganzen Zorn der Organe Gambetta's erregt, und die Erklärung der Kongrcgations-Oberen, in welcher sie ihre christliche Unterwerfung unter die Republik versichern und deren Fassung von Freycinet mit dem päpstlichen Nuntius vereinbart sein soll, wird für einen dreisten Spott der Klerikalen erklärt, den die Regierung vor der Wiedereröffnung der Kammern im nächsten Monate nicht unbeant wortet lassen könne. Es wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Man hat in Paris ans Anlaß des bekannten Unterwerfungsaktes der nicht an erkannten Kongregationen Herrn v. Freycinet schon als einen ver lorenen Mam? betrachten wollen. Sogar Freycinets muthmaßlicher Nachfolger wurde bereits in der Person Challemel-Lacour's, des fran zösischen Gesandten in London, gewittert. Die Kandidatur des Letzteren begründete man durch den Hinweis, daß sein Eintritt in das Kabinet keinen anderen Pvrtefeuillewechsel nothwendig machen und die Krise auf Freycinet's Person beschränken würde. Indessen beginnen die Wogen des Mißvergnügens gegen den derzeitigen Ministerpräsidenten sich bereits merklich zu glätten, und dieser selbst hat neueren Nachrichten zufolge keine Lust, schon jetzt sein politisches Testament zu machen. In der früheren so freundschaftlichen Beziehungen zwischen Frank reich und Italien ist seit Kurzem ein gewaltiger Umschwung bemerk bar; an Stelle derselben ist in Italien ein förmlicher Haß gegen die Franzosen getreten, und die Annäherung an Deutschland ist bereits im Gange. Die Partei, welcher das gegenwärtige italienische Mini sterium angehört, hat ursprünglich die Freundschaft mit Deutschland auf ihre Fahne geschrieben, und sic kehrt, indem sie sich von Frank reich abwendet, zu ihrer alten Liebe zurück, schreibt die „Neue Fr. Presse", welche die fraglichen Verhältnisse mit besonderer Aufmerk samkeit verfolgt. Der Hochmuth und die Schroffheit, womit die fran zösische Regierung Italien in der Tunesischen Frage behandelte, haben nicht nur für die nächste Zukunft, sondern für lange Jahre hinaus ein französisch-italienisches Bündniß unmöglich gemacht. Die italie nischen Politiker lieben es zwar, freie Hand zu behalten, allein sie empfinden dennoch die Nothwendigkeit eines Rückhalts. Der alte biblische Spruch: „Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei", läßt sich bei den heutigen Verhältnissen Europa's auf die Völker anwenden. „ES ist nicht gut, daß ein Staat allein sei", hat selbst der Eiserne Kanzler des großen, gewaltigen deutschen Reiches gedacht, und hat von Versailles aus jene berühmte Depesche an Beust gerichtet, welche dem eben entstandenen deutschen Reiche gute Beziehungen mit Oester reich sicherte. Das heutige Italien ist nicht so stark, daß es keinen Freund braucht, und nicht so stolz, daß es ihn verschmäht. Da der -Streit in Tunis zeigte, wie wenig ans Frankreich zu zählen sei so richten sich die Blicke Italiens wieder, wie in den Jahren 1870 bis 1876, nach Norden. Nach Ragusa! — So lautete die versiegelte Ordre, welche einer Anzahl stattlicher Kriegsschiffe aller Großmächte auf hohem Meere den weiteren Kurs angab, als die Commandeure sie erwartungsvoll öffneten. Trotz aller Dementis ist die Flottendemonstration in Scene gesetzt Ragusa ist zum Sammelplatz einer stolzen Armada ausersehen, wie fie unser Jahrhundert in so eigenartiger Zusammensetzung noch nicht gesehen hat. Oesterreich, Deutschland, Rußland, Frankreich, Eng land und Italien, fürwahr ein stolzer Bund zu Meere, der wohl ge eignet ist, auch einen mächtigeren Staat als die arme Türkei einzu schüchtern! In dieser bunten Flotte sind stolze Panzerschiffe, Avisos, Corvetten und sogar einige alte Holzschifse vertreten. Die 15 Schiffe repräsentiren Tausende von Pferdekräften und ihre Bemannung gleicht einer kleinen Armee, denn sie zählt über 6000 Mann. Die dalmati nische Küste wird ein interessantes Schauspiel sehen und die illustrirten Zeitungen werden ein prächtiges Bild davon liefern. Die Flotten demonstration, an welcher deutscherseits nur ein Schiff, die Glattdecks- corvette „Victoria" mit 10 Geschützen und 230 Mann, theilnimmt, erfolgt, weil die Antwort der Pforte bezüglich der montenegrinischen Frage die Großmächte nicht befriedigt hat. Es ist leider nicht ersicht lich, ob die hohe Pforte die Großmächte, wie es den Anschein hat, durch ihre Verzögerungspolilik an der Nase herumführt, oder ob sie, was ebenfalls möglich ist, thatsächlich zu schwach ist, um die Albanesen zur Ruhe zu verweisen. Wie die Dinge in Albanien liegen, so ist die Aussicht auf eine friedliche Beilegung des Conflikts eine äußerst ge ringe. Wäre die Pforte ehrlich, so würde sie im Verein mit den tapferen Montenegrinern gegen die Albanesen kämpfen müssen; daß sie dazu keine ernstliche Lust zeigt, liegt jedenfalls an dem Mangel an gutem Willen, und so dürste die Flottendemonstration mindestens das Gute haben, daß sie der Pforte beweist, wie die Großmächte die Sache nicht leicht nehmen und endlich auf energische Durchführung der Abtretung von Dulcigno dringen. Allerdings wäre eine Unter stützung Montenegros zu Lande, welche durch österreichische Hilfstruppen zu erzielen wäre, wichtiger; aber gegen diesen naheliegenden natürlichen Schritt sträubt sich die Eifersüchtelei unter den Großmächten, und ferner scheint Oesterreich nicht gewillt, für Europa die Kastanien ans dem Feuer zu holen. Man muß nun zunächst den moralischen Ein druck abwarten, welchen unfehlbar die Vereinigung aller Flaggen der Großmächte aus die Türkei machen wird. Die Türkei muß sich sagen, daß eine fernere Ordre genügt, um Stambul zu blockircn und sie wird nunmehr sicherlich Ernst machen, um den Ansprüchen der Großmächte und den berechtigten Forderungen Montenegros zu genügen. Wird in Kürze den Anforderungen Europas genügt, so dürfte sich die einmal mit großer diplomatischer Mühe und mit erheblichen Kosten vor Ra gusa versammelte „europäische Flvtille" schwerlich tu alle Winde zer streuen, sondern nach den griechischen Gewässern segeln, denn man wird Griechenland nicht dieselbe Unterstützung versagen dürfen, die man Nikita, dem Herrn der schwarzen Berge, gewährt hat. Der französische Osficiöse der „Polit. C." schildert die augenblick liche Situation in folgender Weise: „Läuft der allgemeine Friede Gefahr, so ist die Pforte dafür veantwortlich, weil sie ihre aus dem Berliner Vertrage fließenden Verpflichtungen nicht erfüllt. Man be greift nicht in Konstantinopel, daß man liquidiren müsse, um stärker zu werden. Ist einmal die montenegrinische Frage durch Europa ge regelt, so kann man sagen, daß alsdann die griechische Frage bis zur Hälste gelöst ist. Die Flotten-Demonstration wird ein Präcedens schassen, dem dann schwer auszuweichen sein wird. Die Haltung der Mächte ist in kurzen Worten folgende: Ueber die Einstinmugkeit und Uebereinstimmung derselben herrscht kein Zweifel mehr. Allein Ruß land drängt mehr zur Action uud zu einer orientalischen Krise, um die Bande des Berliner Vertrags zu lockern, die es für allzuenge hält. Es heißt, daß Rußland die Balkan-Pässe befestigt. Der Widerstand der Türken dürfte zu blutigen Feindseligkeiten zwischen Griechen und Albanesen führen und auf den Kriegslärm dürften sich auch die Bul garen erheben. Es liegt demnach im Interesse der Pforte, keinen un nützen Widerstand zu leisten. Die gemeinsame Action Europas ver schafft dem englischen Cabinete Ehre und ist sogar gewissermaßen eine Garantie seiner Existenz. Das englische Cabinet will gleichfalls