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ZlhimtmM TnnMll und Waldenburger Anzeiger Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster, scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. Der Abonnementsxreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. SO Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. —— ^182. "Waldenburg, 7- August 1882. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Der Kaiser machte in Gastein gestern Sonntag früh mit der am Sonnabend daselbst eingetroffenen Herzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin eine Promenade und besuchte sodann den Gottesdienst in der evangelischen Kapelle. Das Petersburger Cabinet soll den Fürsten Bis marck darauf aufmerksam gemacht haben, daß mit der Lösung der egyptischen Frage die Verhält nisse des Orients noch nicht eine definitive Regelung gefunden haben, sondern daß in kürzester Frist die kleinasiatische Frage aufgeworfen werden würde. Es soll die Frage angeregt werden, ob es nicht zweckmäßig erscheine, den englisch-türkischen Vertrag, betreffend die Abtretung Cyperns und die Verwal tung der kleinasiatischen Besitzungen des Sultans, welche die Zustimmung Europa's noch nicht gefun den haben, bei der Conferenz zur Sprache zu brin gen. Fürst Bismarck soll nicht abgelehnt, sondern nur gerathen haben, daß ein derartiger Antrag in passender Form von der Pforte selbst gestellt werden müßte. Es heißt zwar, diese Mittheilung stamme aus zuverlässiger Quelle, doch steht zu bezweifeln, daß Rußland heute schon darauf vorbereitet ist, die orientalische Frage wieder aufzurollen und bedenklichen Verwickelungen die Stirn bieten zu wollen. Unter dem Titel: „Die armen Consumenten" schreibt die Correspondenz des Or. Klee: „Bekannt lich bekämpfen Freihändler und Fortschrittler das indirecte Steuersystem und namentlich die Schutz zölle mit dem Einwand, daß diese Steuern und Zölle den armen Consumenten die Waaren und Lebensbedürfnisse vertheuern. Dieses Eintreten für die Interessen der armen Consumenten hat etwas sehr Bestrickendes und ist geeignet, denen, die dies als Parole ausgegeben hüben, die Herzen Vieler zu gewinnen. Was kann populärer sein, als seine Opposition gegen die Regierung mit der Nothwen digkeit zu begründen, die Bevölkerung vor Ueber- thouerungen und Ueberlastungen zu schützen! Viel leicht verdankt die Fortschrittspartei ihre Erfolge seit Jahresfrist gerade dieser Parole. Aber wenn die Meinung, daß indirecte Steuern und Zölle dem armen Consumenten die Waaren und Lebensbedürf nisse verlheuern, auch hundert Mal wiederholt und mit dem ganzen Aufgebot sophistischer Gründe „bewiesen" wird, so wird dieselbe dadurch doch nicht zur Wahrheit. Die Erfahrung, die man mit den bisherigen Wirkungen des Zolltarifs gemacht hat, widerlegen sie auf das Vollkommenste. Ein inte ressantes Beweismaterial bringen in dieser Beziehung gerade die Berichte der in den Augen der Freihänd ler unverdächtigen Handelskammern. Sie klagen über den Zoll, der manchen Jndustrieen das Ge schäft erschwert, klagen aber noch mehr über die gedrückten Preise, welche durch die innere Concurrenz hervorgerufen werden. Wem anders, als den armen Consumenten kommen die gedrückten Preise zu gute? Ein von den Freihändlern mit Vorliebe gerittenes Steckenpferd ist aber die angebliche Vertheuerung der Lebensmittel durch die Zölle. Nun hat zwar noch Niemand etwas hiervon in seiner Wirthschaft bemerkt; viele aber haben trotzdem an die Nichtigkeit der Behauptung geglaubt, daß das Pfund Brod durch die Getreidezölle um '/- Pf. vertheuert werde und daß auch für die übrigen landwirthschaftlichen Products infolge der Zölle höhere Preise gezahlt werden müssen. Nun liegt jetzt in der Zeitschrift des Vereins zur Förderung des Wohles der Arbeiter »Concordia" eine interessante Zusammenstellung der durchschnittlichen Lebensmittelpreise vor. Aus den Dienstag, den 8. Angnst selben geht hervor, daß der Gesammtpreis für Mehl, Kartoffeln, Fleisch, Speck, Butter und Milch für eine Arbeiterfamilie von 3 bis 4 Köpfen 39,9 Mk. monatlich beträgt und um 1,48 Mk. geringer ge worden ist als in den letzten Jahren. Diese That- sache spricht lauter als alle Theorie und Beweis führung: sie stellt fest, daß die Lebensmittel trotz der Zölle um ein Geringes billiger geworden. Werden die Freihändler und Fortschrittler trotz solcher Zeug nisse sortfahren, mit ihren falschen Behauptungen über Vertheuerung der Waaren und Lebensmittel auf die Leichtgläubigkeit der armen Consumenten zu speculiren? Werden die armen Consumenten auch in Zukunft ihren Vorspiegelungen Glauben schenken? Wir glauben, daß die armen Consumenten ein Einsehen haben und ihren vermeintlichen Anwälten den Dienst kündigen werden." Der „Nalional-Zeitung" wird aus Paris gemel det: „Die Lage ist jedenfalls sehr ernst, da in Folge des Auftretens Englands europäische Verwicke lungen zu befürchten stehen. Rußland zeigt sich England besonders feindlich gesinnt und will angeb lich bei der Conferenz die Revision des Vertrages, betreffs der Abtretung Cyperns an England, bean tragen. Nach den bisherigen Ergebnissen darf man den Jahresertrag der Börsensteuer mit Einrechnung der Lotleriesteuer auf 10 Millionen Mk. veran schlagen. Die Börse ist also außerordentlich glimpflich weggekommen. Fürst Bismarck Hal den deutschen Gesandten in Paris Fürsten Hohenlohe beauftragt, Herrn v. Frey- cinet sein tiefes Bedauern über den Sturz des bis herigen französischen Kabinets auszusprechen. Er hoffe, Herrn v. Freycinet wieder zu den Ge schäften zurückkehren zu sehen. Beigefügt war, die deutsche Regierung sei geneigt, soweit es in ihren Kräften stehe, die französische Orient-Politik zu unterstützen. Die Hauptergebnisse der Waarenverkehrs- Statistik des deutschen Zollgebiets im Jahre 1881 liegen jetzt nach Mengen und Werlhen zusammen gestellt vor. Danach wurden im genannten Jahre 1,823,959,OOOKilogramm imWerthe von 49,945,000 Mark mehr aus- als eingeführt. Die neueste Bekanntmachung des Reichspostamts, nach welcher Chile denjenigen Ländern des Welt- .postvereins beigelreten ist, nach welchen Postkarten mit Antwort abgesandt werden können, bietet eine hübsche Illustration zur Briefmarkenfrage. Wenn ein deutscher Reichsangehöriger nach Chile schreibt, so kann er sich dazu einer „Postkarte mit Antwort" bedienen. Wollte aber Jemand im Verkehr zwischen Berlin-München, Berlin-Stuttgart oder München- Stuttgart sich einer Postkarte mit Antwort bedienen, weil er dem Empfänger die Portoauslage nicht zu- muthen kann, so wird die Antwort in München resp. Stuttgart von Berlin vorschriftsmäßig in den Pa pierkorb geworfen. Der Deutsche ist mithin im Weltpostverein besser gestellt als im deutschen Reiche. Fürstbischof Or. Herzog erließ ein Schreiben an die „Slaats"-Pfarrer der Diöcese Breslau, in welchem es heißt: Das Trienter Concil bezeichnet die Uebernahme des geistlichen Amtes ohne kirchliche Sendung als unerlaubt und belegt dieses Vergehen mit dem Anathema. Da Sie sonach dieser schweren Censur verfallen sind, so befehle ich Ihnen, das von ihnen usurpirte Amt sofort niederzulegen, sich jeder Amtshandlung und geistlichen Function zu enthalten. Ich bitte Gott, daß er Sie zu dem Ent schluß führe, sich mit der Kirche wieder zu versöhnen. Ich beschwöre Sie der Pflichten zu gedenken, die Siß Ihrem Oberhirten schulden, den es freuen wird, Milde gegen die walten zu lassen, welche in auf 1882. richtiger Reue und rückhaltloser Unterwerfung schweres Unrecht zu sühnen bereit sind." Der Fürstbischof erließ zugleich ein Schreiben an den Lischnitzer Kirchenvorstand, wonach der Weltpriester Sterba aufgefordert wird, die Pfarrei zu verlassen. Oesterreich. Das in Triest begangene Bubenstück ruft in allen Schichten der Bevölkerung Oesterreich-Ungarns eine ungeheuere Empörung hervor. Das „Pager Tageblatt" schreibt: „Für die reichstreue Bevölkerung Triests möge die unqualificirbare Schandthat ein Ansporn sein, aus ihrem Phlegma herauszutreten, sich zu sammeln und energisch an die Säuberung des eigenen Hauses zu schreiten. Der Staat kann Repressivmaßregeln ergreifen, die Polizei wird ihres Amtes walten; jedoch das richtigste Mittel, Triest von dem Schandflecke des irredentistischen Hochoer- ralhs zu säubern, besitzt nur die Triester Gesellschaft einzig und allein. Ein zielbewußtes, einträchtiges Zusammenwirken aller reichstreuen Bewohner kann Großes leisten und wird es leisten müssen im In teresse Oesterreichs, im Interesse der Ausstellung, welche unter dem Eindrücke des Bubenstückes nicht leiden darf und vor Allem im Interesse der Stadt Triest selbst." Ungarn. In der Tisza-Eszlar-Affaire enthält „Füg- getlenseg" eine im geheimnißvollen Tone gehaltene Depesche, welche von der Auffindung neuer Spuren berichtet, denen zufolge sich der Untersuchungsrichter veranlaßt sah, in aller Eile und Stille abzureisen. Ueber den Zweck der Reise könne im Interesse der Untersuchung nur so viel mitgetheilt werden, daß dieselbe mit der Wegschaffung der Leiche Esther's im Zusammenhänge stehe. Das Untersuchungsgericht habe nämlich erfahren, wo Esther's Leiche zuletzt vergraben war, sowie daß die Absicht bestehe, die wirkliche Leiche Esther's dort zu vergraben, wo die falsche vergraben sei; damit bei einer zu begehrenden Exhumirung constatirt werden müsse, die falsche Leiche sei doch die Esther's gewesen. Weitere De tails werden für die nächsten Tage versprochen. Nach einem Telegramm der „N. Fr. Pr." aus Pest macht der Untersuchungsrichter Bary nunmehr im Verein mit einem Mitglieds der Staatsanwalt schaft alle Anstrengungen, um den objektiven That- bestand durch Erforschung des Oovxms äslioti, der Leiche der Esther, herzustellen und den Beweis zu erbringen, daß dis vielen dunklen Flecken an den Kleidern der Verdächtigen Blutflecken seien. Von allenthalben kommen Anzeigen, Juden hätten in finsterer Nacht einen geheimnißvollen Gegenstand dahin oder dorthin geführt, und die Organe der Justiz folgen allen diesen Anzeigen, jedoch bisher resultatlos. Die angeblichen Blutflecken sollen nun den sachverständigen Fachmännern an der Universität zur Beurtheilung übergeben werden. Eine beson ders auch von jüdischen Blättern gern colportirte Nachricht hatte erzählt, daß sich in Nyiregyhaza eine Hetze gegen die Vertheidiger der verhafteten Juden vorbereile. Natürlich war dies Wasser auf die Mühle jener Blätter. Der kurzen Freude wird nun durch eine Erklärung des Vicegespans Johann Zoltan eine Ende gemacht, welcher die ganze Nach richt, sowie die Ausweisung des angeblichen Haupt hetzers für ein grundloses Geschwätz erklärt. „Bud. Hirlap." meldet, daß nunmehr den Vertheidigern gestattet worden sei, von den Leichenschauprolokollen Einsicht nehmen, ferner, daß auch jene Kleider, welcher seinerzeit in der Wohnung des Schächters Schwarz gefunden wurden und an denen sich roth- braune Flecken zeigten, an des Landeschemiker vr. Felletar gesendet wurden, damit er untersuche, ob die Flecken von Blut, und zwar von Menschen-