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Dresdner Journal : 22.07.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-07-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189907225
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18990722
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18990722
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-07
- Tag 1899-07-22
-
Monat
1899-07
-
Jahr
1899
- Titel
- Dresdner Journal : 22.07.1899
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^168 ve»»i»pret»r Für Dresden viertel jährlich: 1 Stark LO Ps , bei den tim^r- Uch deutschen Postaastalt« vterteljährlrch » Mark; außer, halt da« Deutschen Reiche- Post. und SlcuipklziUchlua Einzelne Kümmern: »0 Pp Erscheine« r LLgltch mit Slu-nahme der Gönn- »ud Feiertage abends. Vernspr.-Nllschluß.-Nr. 1»O» Dres-mr S Zmmmi. AukündtsungSgedühreu: Für den Raum einer gespal tenen Zeile kleiner Schrift so Pf Unter „Eingesandt" die Zelle L0 Pf. vei Tabellen- und Ziffernsatz entsprechender Aufschlag. » Herausgeber: Kvnigliche Expedition de» Dresdner Journals Dresden, Zwrngerstr so. Fernspr.-Anschluß: Rr. HOL 1899 Sonnabend, den 22. Juli abends. Amtlicher Teil. Dresden, 17. Juli. Se. Majestät der König haben Allergnädigst geruht, den Kaufmann Victor Schweizer in Annaberg für die Zeit bis Ende Sep tember 1900 zum stellvertretenden Handelsrichter bei -er Kammer für Handelssachen in Annaberg zu er nennen. Se. Majestät der König haben Allergnädigst ge ruht, dem früheren Direktor der gewerblichen Fort bildungsschule für Posamentiere und Vorstand deS Gewervevereins zu Geyer, Schuldirektor Ernst Friedrich Junghanns daselbst das Ritterkreuz 2. Klasse deS AlbrechtSordens zu verleihen. Dre-den, 14.Juli. Mit Allerhöchster Genehmigung ist der Privatdozent vr. pbil. Harry GraveliuS an der hiesigen Technischen Hochschule zum außeretat mäßigen außerordentlichen Professor ernannt worden. Ernennungen, Versetzungen re. im öffentlichen Dienste. Im Geschäftsbereiche des Ministeriums der Finanzen. Bei der Post-Berwaltung ist ernannt worden: Kolbe, seither Ober-Postdirektion-sekretär,: als Postkassirer bei dem Postamte 1» in Leipzig. Im Geschäft-bereiche deS evangelisch-lutherischen LandeSconsistorium- sind oder werden demnächst folgende Stellen erledigt; davon sind zu besetzen A. nach dem Kirchengesetze vom 8. Dezember 1896 im II Halbjahr 1899: vaoat; 8. im regelmäßigen BesetzuagSversahren: das Sub diakonat an der Jakobskirche in Leipzig (Leipzig I) — Kl. I — Collator: der Stadlrath zu Leipzig; das II. Sub diakonat für den Gesammtbezirk Alt-Leipzig (Leipzig I) — Kl. I — Collator: der Stadtrath zu Leipzig. Dagegen wurden angestellt, bez. befördert: Erhard Gustav Segnitz, Pfarrer in Weller-walde, als Pfarrer an der Annenkirche in Dresden (Ephoralort); Eduard Hermann Kruspe, Diakonus in Zschopau, al- 1. DiakonuS an der Frauenkirche zu Meißen (Ephoralort); Arthur Alfred Klee berg, Pfarrvikar in Treuen, als Pfarrer in Frankenthal (Oberlaasitz); vr. pbil. Paul Kroker, BereinSgeistlicher des Vereins für innere Mission in Leipzig, als 2. ständiger Geist licher diese» Verein» (Leipzig I); Heinrich Adolf Clemen- Stiehler, Archidiakonus in Auerbach, als Pfarrer in Erd- mannSdorf (Chemnitz II). Nichtamtlicher Teil. Die auswärtige Politik der Woche. Wieder einmal sind Nachrichten aus Samoa ein- ^etroffen, darunter die Meldung von einem Gefecht zwischen den Parteien der Eingeborenen. Ein Viertel jahr früher wäre dieser Vorfall der allgemeinen Auf merksamkeit sicher gewesen, während man ihn heute überall genau so ruhig betrachtet, wie es den nie ganz abreißenden Reibereien unter den paar Tausend Halb wilden zukommt. Seit dem Erscheinen der Kommission auf der Inselgruppe liegt eben kein Grund mehr vor, um SamoaS willen von neuem politische Erwägungen an zustellen, namentlich da der Draht zugleich mit der Kunde von jenem Scharmützel meldete, daß der bis herige Oberrichter Chambers abreist, um nicht zurück zukehren. Sein Verzicht auf den Posten zeigt einen weiteren Erfolg im Sinne des von Deutschland inne gehaltenen Standpunktes an. Mr. Chambers' Haltung hatte seinerzeit die Lage verschärfen geholfen. Mair darf in dem Rücktritt des amerikanischen Ober richters ein Entgegenkommen des Präsidenten Mac Kinley erblicken, ter im Interesse einer endgiltigen Beilegung der Minen dem Beamten diesen Schritt nahegelegt haben wird. Bei alledem wäre es aber nicht richtig, in Hrn. Chambers vorzugsweise den „bösen Geists zu suchen, welchem die Ereignisse im März und April zur Last fallen. Die unzutreffende Anschauung, die er vertrat, ging durchaus auf eng- ische Einflüsse zurück, wie sattsam erwiesen und er örtert worden ist. Als wichtigstes Ereignis der Woche ist das Ein- llenken der südafrikanischen Angelegenheit in fried lichere Bahnen zu verzeichnen, nachdem die Spannung schon einen bedrohlich aussehenden Grad erreicht hatte. Gewiß ist, daß am Montag und Dienstag auch die Vorfechter der FriedenSpartei in England trotz ihrer numerischen Mehrheit den Kopf hängen ließen. Chamberlains Erklärung, daß die Nachrichten aus Johannesburg, wonach eine Verständigung zwischen England und Transvaal erfolgt sein sollte, der Be gründung entbehrten, beherrschte fast 72 Stunden die Lage sehr ungünstig. Dann aber schlug die Stimm ung ebenso jäh um wie acht Tage zuvor, diesmal jedoch zum Guten. Den äußeren Anlaß bot die An nahme eines Beschlußantrages, den Präsident Klüger warm emofohlen hatte, durch den Volksraad in Pretoria. Hernach soll das Wahlrecht auf alle Uit- landerS, die sich bei Veröffentlichung des neuen Wahl gesetzes sieben Jahre in Transvaal befinden werden, ohne weitere- übergehen, und die Londoner „Time»" erklärten sofort, die Krisis in den Beziehungen zwischen England und Transvaal könne daraufhin als beendet angesehen werden. Die sehr vorsichtige und ab wartende Haltung der Regierung wie deS Parlaments in Kapstadt hat doch wohl die Rolle deS Zünglein» an der Wage gespielt. Milners Eröffnungsansprache an das Haus erwähnte die schwebenden Verwickelungen mit keiner Silbe, und als vier Tage später ein Mitglied den Minister zu Aeußerungcn über die Lage aufforderte, bat Hr. Schreiner, davon abzustehen, weil die redlichen Bestrebungen Transvaals dadurch Nachteil haben könnten. Man hat also in London gewußt, daß die Grundlage etwaiger kriegerischer Operationen in Süd afrika nicht ganz nach Wunsch vorbereitet war, und eine solche Wahrnehniung mag zu der neuesten Wendung beigetragen haben. Nachdem man an der Themse sich dann einen Augenblick dem angenehmen Gefühl der gebesserten Lage hingegeben hatte, brach sich freilich die Erkenntnis Bahn, daß Transvaals Entgegen kommen doch viel weniger bedeutend sei, als nach dem Salut der „Times" anzunehmen war. So ist denn der Ton der öffentlichen Meinung augenblicklich wieder viel nüchterner und kritischer gestimmt, be sonders nach Hrn. Chamberlains jüngster Unterhaus rede vom Donnerstag, in der alle die schwachen Punkte ziemlich klar beleuchtet wurden. Allein an dem definitiv friedlichen Charakter der noch zu er wartenden Verhandlungen ist kaum mehr zu zweifeln. Selbst Chamberlain erteilte namens der britischen Ne gierung dem Präsidenten Krüger schließlich eine Art Vertrauensvotum — Die gelegentlich verbreiteten Ge rüchte über Vermittelungsabsichten fremder Mächte — bald war Frankreich, bald Deutschland, bald Ruß land an die Wand gemalt — sind übrigen» lediglich Börsenakte gewesen, wie denn überhaupt als Brut stätten von gewissen Notizen dieser und verwandter Art immer solche Märkte erkennbar wurden, wo Gold shares gehandelt werden. Wenn jemand das Ver dienst beanspruchen kann, als Vermittler in der Transvaalkrise aufgetreten zu sein, so ist eS zweifel los niemand anders als Lord Salisbury, der sich von der ungemein rührigen Kriegspartei keinen Augenblick fortreißen ließ. Aber selbst Hr. Chamberlain hat be reits Ursache bekommen, die von ihm kaum frohen Herzens mitgemachte Schwenkung zu segnen, denn das Unterhaus scheint bei der zweiten Lesung der Niger-Vorlage am Mittwoch ganz auf eine Wieder holung gewisser peinlicher Erörterungen verzichtet zu haben. Der Staatssekretär für die britischen Kolonien ist nämlich Inhaber von Aktien der Royal Niger Company und hätte also, wie ihm die Opposition neulich vorrückte, ein etwas zu nahes Interesse an der Abfindung dieser Gesellschaft, deren Land jetzt Kronkolonie werden soll. ES muß festgestellt werden, daß Hr. Chamberlain sein streng korrektes Verhalten, das heißt sein Fernbleiben von den amtlichen Vor verhandlungen, sofort nachgewiesen hat, indessen entfiel ihm dabei die Bemerkung, es sei doch nur ein alter Zopf, von einem Kolonialminister zu verlangen, daß er nicht Besitzer derartiger Aktien sein möge. Damit hatte sich der allezeit kühne Redner einer prinzipiellen Erörterung für die zweite Lesung ausgesetzt, wobei seine eigenen Donnerworte vom Frühjahr 1895 gegen das Kabinett Rosebery aufs Tapet kommen mußten, mit denen er den damaligen Kap-Gouverneur Robinson, der sich in ähnlicher Lage befunden hatte, streng zu tadeln wußte. Doch nun stand die Verhandlung unter dem Zeichen des frisch gebrochenen OelblatteS, und das Unterhaus respektierte eS auch in der Nigeria-Debatte. Der Nationalfeiertag in Frankreich ging trotz seines befriedigenden Gesamtverlaufe» nicht ohne einen Mißton vorüber. Während in Paris und rund um her alles klappte, wie man wohl zu fagen pflegt, er lebte Cherbourg wüste Scenen, durch trunkene See soldaten hervorgerufen, die sich schwer gegen die mili tärische Disziplin und die öffentliche Sicherheit ver gingen. Die Bewältigung der Uebelthäter nahm einen vollen Tag in Anspruch, den die Bewohner der Hafen stadt nicht so rasch vergessen werden. — Die „Ent hüllungen" nahmen inzwischen den nachgerade gewohn ten Gang. Der frühere Kolonialminister Lebon legte wegen der fortdauernden Preßangriffe, die ihn als Quäler Dreyfus' zu brandmarken suchten, feine Ver- waltungSratSstclle beim Cr«dit Foncier nieder, General Pellieux, der im Prozeß Picquart eine nicht einwand freie Haltung gezeigt hat, verfällt einer neuen Unter suchung, und Esterhazy kam im „Matin" mit einem weiteren Bericht üoer seine dunkle Thätigkeit zum Vorschein. Eigentlich war er wohl nur durch die unmittelbar vorhergegangenen Mitteilungen seines Vetters Christian Esterhazy dazu veranlaßt worden, denen zufolge er als Spießgesell de» Hrn. Du Paty de Clam erschien. Walsin-Esterhazy warf jetzt alle Verantwortlichkeit auf die Generale BoiSdeffre und Gonse, von denen der letztere wiederum in beider Namen protestierte. Interessanter als diese gleichmäßig weiterrauschende Flut von gegenseitigen Bezichtigungen ist eine Veröffentlichung des Senators Ranc gewesen, die den Prinzen Viktor Napoleon als „Dreyfusard" in Anspruch nahm. Der bouapartistische Prätendent habe jeden Versuch, beim Wechsel der Präsidentschaft im März selbst an die Spitze seiner Anhänger zu treten, nur deshalb abgelehnt, weil er dann cm ge meinsames Handeln mit den kompromittierten Generalen nicht hätte vermeiden können. Es ist kein Dementi auf diese Darstellung erfolgt, wogegen der „Gaulois" das damalige Verfahren des Herzogs von QrleanS, daS Ranc als weniger klug bezeichnet hatte, mit Eifer zu rechtfertigen begann. — Das Beruhigendste in dieser Erscheinungen Flucht bilden eine Reihe energischer und sachdienlicher Anordnungen des Kriegs- ministerS General Gallifet. Sie zeugen von seiner festen Entschlossenheit, die Formen des militärischen Gehorsams wieder in der früheren Strenge herzu stellen, und diese-Bestreben wird sicher von heilsamer Wirkung sein. Nach oft wiederholten, erbitterten Angriffen hat der amerikanische Staatssekretär deS KriegS- departementS, Hr. Alger, seinen Gegnern das Feld geräumt und seinen Posten niedergelegt. War doch zuletzt auch Präsident Mac Kinley über zeugt Word n, daß ein ferneres V rbleiben Algers im Kabinett die künftigen Aussichten der Republikaner gefährde. Abgesehen von allgemeinen Vorwürfen gegen seine Verwaltung kam der bisherige Leiter de» Kriegswesens in Washington auch durch die letzten, unerfreulichen Depeschen aus Manila zu Fall. General Oti»' Maßnahmen schienen in erster Linie auf eine möglichst intime Fühlung mit seinen heimischen Parteigenossen hinausgelaufen zu sein. Schon längst zweifelte man daher m Amerika an der strengen Wahrhaftigkeit feiner Meldungen. Da lief am 17. in New-Aork eine telegraphische Protesterklär ung sämtlicher Berichterstatter amerikanischer Zeitungen zu Manila gegen daS System de» Oberbefehlshaber» ein: der General treibe in feinen Berichten den un verantwortlichsten Optimismus, „um das Volk zu Hause nicht aufsässig zu machen". Die Korrespondenten selbst hatten für ihre Kundgebung den Umweg über Hongkong wählen müssen, weil die Depeschenzensur ihnen bisher jede getreue Angabe unmöglich machte. Allem Anschein nach befindet sich also die Philippinen politik der Vereinigten Staaten nunmehr an einem entscheidenden Wendepunkte, denn auch dar reichste Land vermag einen Physisch, ökonomisch und moralisch so deprimierenden Kriegszustand, wie er bis jetzt auf Luzon geherrscht hat, nicht Jahre hindurch ohne em pfindlichen Nachteil durchzumachen. WaS namentlich aus den unzureichend disziplinierten Freiwilligen dabei für Leute werden, hat ein vor wenigen Tagen erst veröffentlichter Brief eine» solchen Milizmannes be wiesen. Sein Inhalt klingt, als stamme er aus den Zeiten des Dreißigjährigen Krieges. Tagesgeschichte. Dresden, 22. Juli. Se. Majestät der Deutsche Kaiser haben Sr. Majestät dem Könige aus Anlaß der 50jährigen Wiederkehr deS Tages der Verleihung des Ordens xour Is merite gestern durch eine be sondere Abordnung von Rittern dieses Ordens die goldene Krone zu letzterem überreichen lassen. Die Mission bestand aus Sr. Königl. Hoheit dem Generalfeldmarschaü Prinzen Albrecht von Preußen, Regenten des Herzogtums Braunschweig, ferner au« Ihren Excellenzen dem kommandierenden General des XVI. Armeecorps, General der Kavallerie Grafen v. Haeseler, und dem kommandierenden General des III. Armeecorps, General der Infanterie v. Lignitz, sowie dem mit Wahrnehmung der Geschäfte des In spekteurs der 3. Kavallerie-Inspektion beauftragten Generalmajor Frhrn. v. Schele. Se. Königl. Hoheit der Prinz Albrecht von Preußen traf mit den genannten Herren gestern vormittag 11 Uhr 40 Min. in Dresden, Hauptbahn hof, ein und setzte die Fahrt nach Niedersedlitz mittels Königl. SonderzugeS fort. Im Gefolge Sr. Königl. Hoheit befanden sich der Hofhaltungsvorstand Kämmerherr v.d Osten, der persönliche Adjutant Rittmeister v. Unger und der Flügeladjutant Rittmeister Graf Schimmelmann. Als Ehrendienst meldete sich bei Sr. Königl. Hoheit am Hauptbahnhofe der Kommandeur deS 2. Ulanen- regiments Nr. 18 Oberst Schmalh. Zum Dienst bei den Se. Königl. Hoheit begleitenden Generalen ist HauptmannFrhr.vSeckendorff-Gudcntvom2.Grenadier- regiment Nr. 101 befehligt. Am Bahnhose Niedersedlitz wurde der Hohe Gast von Sr. Königl. Hoheit dem Prinzen Friedrich August begrüßt und von da zu Wagen nach dem Königl. Sommerhoslager Pillnitz geleitet, woselbst Ihre Majestät die Königin Se. Königl. Hoheit empfingen. Unmittelbar danach erfolgte der Empfang der Ab ordnung durch Se. Majestät den König im Berg- palaiSsalon. Allerhöchstderselbe waren hierbei von Ihren Excellenzen dem Staats- rind Kriegswimster Kunst und Wissenschaft. Cornelius Gurlitt über die deutsche Kunst des 19. Jahrhunderts. Unter den wissenschaftlichen Werken der letzten Jahre, die sich an einen größeren Kreis nicht fachmännisch ge bildeter Leser wenden, hat wohl kein» so eingeschlagen wie Richard Muthers „Geschichte der Malerei im 19. Jahr hundert". Schon bald nach dem Erscheinen vollständig im Buchhandel vergriffen und antiquarisch kaum noch aufzutreiben, gelangt das Buch in den Bibliotheken, die eS angeschafft haben, überhaupt nicht zur Ruhe. Ein Leser wartet auf den anderen, und wer eS einmal in den Händen hat, giebt es nur ungern und gezwungen wieder her. Schon aus diesen Thatsachen geht hervor, daß da» Interesse an dem Gegenstände der Darstellung ungemein verbreitet ist, und daß daS Publ kum das Bedürfnis fühlt, sich Klarheit und Verständnis über den Werdegang der modernen Malerei zu verschaffen. Eine weitere Er klärung für den Erfolg des Buche» bildet die in manchen Partien geradezu hinreißende Schreibart Muther» und die Anschaulichkeit der Charakteristik, durch die er die meisten übertrifft, die sich bisher als Kunstschriftsteller versucht haben Diesen Vorzügen gegenüber kommt der Muther mehrfach gemachte Vorwurf des Plagiates, der obendrein nur mangelhaft begründet worden ist, kaum in Betracht. Jedenfalls haben sich die Kunstfreunde durch ihn von der Lektüre des Werke« nicht abhaltm lassen, und wenn heut zutage das Verständnis für die modernen Bestrebungen der Malerei weit größer geworden ist, als man e« vor wenigen Jahren noch erwarten konnte, so darf man ge trost diese glückliche Wendung mit zum Teil auf die Rechnung von MutherS Buch setzen. Dieser wohlverdiente Erfolg de» inzwischen zum Pro fessor der Kunstgeschichte an die Universität BreSlau be rufenen Verfassers hätte leicht andere davon abhalten können, sobald darauf mit einer ähnlichen Arbeit über denselben Gegenstand hervorzutreten, da der Wettbewerb mit Muther noch auf Jahre hinaus eine mißliche Sache ist, zumal wir eine gründliche Neubearbeitung des Werkes aus seiner Feder erwarten dürfen oder mindestens dringend wünschen. Cornelius Gurlitt scheinen jedoch derartige Bedenken nicht gekommen zu sein, und so haben wir denn vor kurzem von seiner Hand ein Werk erhalten, das mit der Beschränkung auf die deutsche Kunst den selben Gegenstand wie Muther behandelt und, wie wir gleich vorausschicken wollen, sich ohne Zweifel auch neben der älteren Arbeit behaupten und ähnliche Anziehung auf die Leser auSüben wird Während sich Muther nur mit der Malerei beschäftigt, hat Gurlitt das genannte Gebiet der bildenden Kunst in daS Bereich der Darstellung ge zogen und als Architekt namentlich auch die Baukunst be rücksichtigt, über deren bisherige Thaten und Ziele er manchen beachtenswerten Gesichtspunkt eröffnet. Dor allem aber kommt seiner Arbeit der Umstand wesentlich zu gute, daß Muther in seiner Geschichte die deutsche Malerei zu flüchtig und namentlich in ihren Leistungen au» den ersten Jahrzehnten unseres Jahrhunderts zu sehr von oben herab behandelt hat. Man wird sich leicht überzeugen können, daß Gurlitt das Bestreben hat, Männern wie Cornelius und Ooerbeck gerechter zu werden als Muther, und die Bedeutung ihrer Jugendwerke in besseres Licht zu stellen sich bemüht Sein Standpunkt, der sein Werk durchaus charakterisiert, ohne vorgefaßte, prinzipielle ästhetische Grundsätze an die Betrachtung der Kunstwerke heranzutreten und sie nur durch sich selbst wirken zu lassen, kommt ihm für die Würdigung der älteren Künstlcr- generation und ihrer Ideale sehr zu statten. Wir dürfen behaupten, daß seine Darlegungen über die Ver dienste dieser Männer im wesentlichen die Ansichten wiedergeben, die sich allmählich unter den Einsichtigen über diese lange Zeit streitige Frage gebildet haben. Ebenso kommt Prloty und seine Schule in Gurlitt« Beurteilung weit besser weg, als dies bei Muther der Fall ist, der sich auch hier zu sehr von der Stimmung beeinflußt zeigt, die gerade zu der Zeit, da er sein Werk niederschrieb, in den Kreisen der Münchner Künstlerschaft vorherrschte. Gemeinsam ist beiden Arbeiten der Mangel eigent licher historischer Forschung. Ihre Werke setzten sich, bei Lichte betrachtet, zusammen aus eine Reihe mehr oder minder vortrefflicher EssavS, versagen aber überall da, wo entweder eingehende Vorarbeiten fehlen, oder die Mög lichkeit, sich durch eigene Anschauung zu unterrichten, nur durch Ueberwindung von Schwierigkeiten geboten war. So erweist sich z B Gurlitt auffallend unwissend über die Entwickelung der Münchener Landschaft. Ein Mann wie Heinlein, der seinerzeit eine führende Stellung in München einnahm, wird bei ihm gar nicht genannt, während Morgenstern und eine Reihe anderer Landschafter, die neuerdings Lichtwark in Hamburg auSgegraben hat, von ihm überschätzt werden Und wa» er gar über die Be gründer der neueren Münchener StimmunaSmalerei, über Schleich sen. und Lier vorbringt, ist nicht nur höchst dürftig, sondern direkt verkehrt. Eine alle Einflüsse berücksichtigende, wirklich geschichtliche Dar legung der Entwickelung der deutschen Kunst in unserem Jahrhundert ist daher weder durch Muther, noch durch Gurlitt überflüssig geworden: sie läßt sich auch in der Kürze der Zeit, die auf die Ausarbeitung dieser Bücher verwendet worden ist, unmöglich Herstellen. Einen Vorzug aber besitzt Gurlitts Arbeit: d i. die durchgehende Berück sichtigung der zeitgenössischen Kritik, sodaß wir gleichzeitig eine Geschichte oder, sagen wir lieber, die Anfänge einer Ge schichte der ästhetischen Würdigung der einzelnen Kunst- erscheinunzen empfangen. Allerdings hat Gurlitt auch in diesem Punkte nachgearbeitet, indem er sich der Haupt sache nach nur an Broschüren und Bücher gehalten, die viel umfänglichere Zeitschriftenlitteratur aber unberück sichtigt gelassen hat Dabei sind ihm allerhand Menschlich keiten passiert, die bei größerer Sorgfalt zu vermeiden gewesen wären. Al« Beispiel führen wir den höchst ge wagten Schluß an, daß die „Herzenkergießungen eine« kunst- liebenden Klosterbruder«"» Wockenrodcr, die Gurlitt in einem Exemplar der Dresdner Königl. öffentlichen Bibliothek be nutzt hat, nicht inS Publikum eingedrungen seien, weil da« betreffende Exemplar nicht einmal gebunden ist und trotz seiner leichten Heftung ein Jahrhundert Benutzung zu über dauern vermochte. Gurlitt hat sich jedoch nicht darum ge kümmert, daß noch ein zweite« Exemplar vorhanden ist, daS durchaus genügende Spuren von Benutzung aufweist, und nicht gewußt, daß das von ihm geliehene erst später in die Bibliothek gekommen ist, in der es nur wegen seines besseren Papiers und wegen seines breiteren Randes auf bewahrt wird. DaS Verdienstliche der Gesamtleistungen wird ja gewiß durch solche Wahrnehmungen kaum berührt, doch wird man durch sie zum mindesten zur Vorsicht gegenüber gewissen Behauptungen bestimmt, in denen e« sich um die Feststellung historischer Thatsachen handelt. Indessen ist die historische Betrachtungsweise überhaupt nicht die Stärke Gurlitts Der Reiz seine« Buche« be ruht vielmehr auf dem seinen künstlerischen Verständnis, da» er überall an den Tag legt, und auf der unver hohlenen Subjektivität, mit der er seine eigenen Erfahrungen und die Tradition seiner Familie durchweg zum Aus gangspunkt seiner Betrachtungen macht. Hier spricht kein Geschichtsforscher, der den Stoff au« tausend Ecken und Enden mühsam zusammengeklaubt hat, zu dem Leser, sondern ein geistreicher Mensch plaudert über seine Kunst- erfahrungen, meist sehr anmutig und unterhaltend, dann wieder kritisch abwägend und falsche Richtungen und Vorurteile treffend abwehrend, immer ehrlich und offen,
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