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Tageblatt Kricheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Annahme von Inseraten für die nächster- Meinende Nummer bis mittags 12 Uhr. Ter Abonnemsntspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. LS Ps. Einzelne Nrn. 5 Pf. Hvserate pro Zeile 10 Pf., Einges. 20 Pf. Expedition: Waldenburg, Obergasse 291 L. Und Wal-enburger IlMiger. Filialen: in Altstadtwaldenbxrg bei Herrn Kaufmann Otto Förster; in Kaufungen bei Herrn Fr. Janaschek; in Langenchurs dorf bei Herrn H. Stiegler; in Penig bei Herrn Kaufmann Max Härtig, Leipzigers. 163; in Rochsburg bei Herrn Paul Z-^r; in Wolkenburg bei Herrn Ernst -L,che; in Ziegelheim bei Herrn Edner» Kirsten. Amtsblatt für den Stadlrath zu Waldenburg. Zugleich weit verbreitet in den Städten Penig, Aruzen.?«, Ll trnfteiu-Eallnderg und in den Ortschaften der nachstehenden Standesamtsbezirke: Altstadt-Waldenburg, Braunsdorf, Eallenbera, St. Sgidien, Eyrenhain, Frohnsdorf, Falken, Grumbach, Kaufungen, Langenchursdorf, Langen- ..euba-Niederham, Langenleuba Oberhain, Nieverwiera, Oberwiera, Oberwinkel, Oelsnitz i. E., Neichenbach, Nemse, Rochsburg, Rußdorf, Schlagwitz, Schwaben, Wolkenburg und Ziegelheim. a-W 8. Tommstag, den lO. Aanuar 1895. Witteruugsbericht, ausgenommen am 9. Januar, nachm. 4 Uhr. Barometerstand 754 mm. reducirt auf den Meeresspiegel. Thermometerstand — 5" 0. (Morgens 8 Uhr — 7".) Feuchtigkeitsgehalt der Luft nach Lambrechts Polymeter 76"/o. Thaupunkt — 9 Grad. Windrichtung: West. Daher Witterungsattssichten für den 10. Januar: Trübe mit Neigung zu Niederschlägen. "Waldenburg, 9. Januar 1895. Man soll die Dinge nehmen, wie sie sind, und nicht, wie sie Manchem erscheinen wollen. Als Fürst Bismarck seinen Posten verließ, und Graf Caprivi die dornige Nachfolgerschaft als ein Offizier übernahm, welcher dem Rufe des obersten Kriegsherrn willig Gehorsam leistete, da hieß es, der neue Reichskanzler und fein Vorgänger würden gute Kameradschaft halten, und wenn auch des Fürsten Bismarck persönliches Auftreten der Reichspolitik fehlen werde, so werde ihr doch sein Rath zu Gute kommen. Daß es nicht so, sondern ganz anders ge kommen ist, weiß man, und wer die Verhältnisse unbe fangen beurtheilte, konnte auch von vörnherein nicht im Zweifel darüber sein, daß ein unverantwortlicher und ein verantwortlicher Reichskanzler nicht zusammen würden amtiren können. Fürst Bismarck hat zu keiner Stunde Unklarheit darüber gelassen, wie ein solches Verhältniß einfach unmöglich sei, denn der amtirende Reichskanzler könne doch im Reichstage ganz unmöglich für die Ge danken des früheren ersten Beamten des Reiches einstehen. Ein solches Verhältniß ist praktisch unhaltbar, und nur eine völlige Uebereinstimmung zweier Staatsmänner in politischen Dingen könnte nähere Beziehungen in der Politik fesseln. Wo giebt es aber zwei Personen, die derartig harmoniren? Jetzt, wo Graf Caprivi der Ge- schichte angehört, ist seit Amtsantritt seines Nachfolgers wieder und wieder die Rede davon gewesen, Fürst Hohen lohe wolle den greisen Altreichskanzler in Friedrichsruhe besuchen. Es konnte darin nichts Auffallendes liegen, weil Beide, die so lange zusammen gearbeitet haben, einander befreundet sind; nun, wo es aber heißt, die Reise werde auch eine politische Bedeutung haben, scheint mit einem Male, und zwar unter Zustimmung des „Alten vom Sachsenwalde", ein Aufschub eintrcten zu sollen. Warum? Die Antwort liegt nahe, nachdem in zwischen die Reichstagsverhandlungen wieder ihren Anfang genommen haben. Es soll kein Jrrthum darüber be stehen bleiben, daß einer solchen Reise eine politische Be deutung nicht beiwohnen würde. Fürst Bismarck will diesen Jrrthum ebensowenig entstehen und gepflegt sehen, wie die leitende Stelle in Berlin. Ein unverantwortlicher Rathgeber der Krone war dem Fürsten Bismarck stets ein Dorn im Auge, so lange er noch im Amte war. Er weiß schon, was es bedeutet, wenn er diese Rolle übernehmen würde; aber er weiß nicht, wer sich zu einer solchen Nolle einmal vordrängen mag, wenn er einst nicht mehr ist. Damit könnte eine Einrichtung geschaffen werden, die für jeden ferneren Reichskanzler verhängniß voll werden müßte. Will Fürst Hohenlohe den Rath des Fürsten Bismarck einmal einholen, so kann er das brieflich oder durch eine Vertrauensperson jeden Tag, an welchem der liebe Gott die Sonne scheinen läßt, thun. Und Fürst Bismarck wird auf eine ehrliche Anfrage nie mit offener und ehrlicher Antwort zurückhalten. Aber osficiell so etwas einzuführen, das geht nicht, und daß cs nicht geht, weiß Fürst Bismarck selbst am besten. Fürst Bismarck hat durchaus nicht immer dieselben politischen Prinzipien befolgt. Unter seiner Amtsthätig- keit hatten wir zuerst auf wirthschaftlichem Gebiete den Freihandel; als er dann nach seiner Ueberzeugung einen Wechsel für geboten hielt, erfolgte der Uebergang zum Schutzzoll. Der erste Kanzler hat selbst einmal gesagt: „Es giebt Zeiten, in welchen man liberal, es giebt Zei ten, in welchen man dictatorisch regieren muß!" Aber m Einem hat sich der Altreichskanzler niemals geändert: stets war er darauf bedacht, für seine Politik eine feste Mehrheit zu haben oder zu bilden, wenn auch diese Mehrheit oft bedeutende Unterschiede zeigte. Fürst Bis marck hat sich in Mitteln nicht wählerisch gezeigt, wir wollen nur an seine Annäherung an den Vatikan zur Zeit des Karolinenstreites und der von ihm eingebrachten großen Militärvorlage denken. Fürst Bismarck that, was ihm die Zeit zu erfordern schien, und wenn demgemäß verschiedene Schritte von ihm ergriffen wurden, so wußte er im kritischen Moment doch ganz genau, was er wollte. Fürst Bismarcks Ruhm als Staatsmann beruht auf seiner Energie und Entschlossenheit, und die kann er keinem von seinen Nachfolgern abtreten, wenn dieser sie nicht an und für sich schon besitzt. Das ist der Kernpunkt in dieser ganzen Angelegenheit, um welchen sich Alles dreht. Ein guter Rath allein macht es noch nicht, wenn der, welcher ihn befolgen soll, nicht der Mann ist, ihn ent schlossen auszusühren und weiterhin dann entschieden das zu thun, was die Zeitverhältnisse gebieterisch fordern. Das muß man sich vor Allem vergegenwärtigen, wenn man von einem allgemein anerkannten, aber Niemandem verantwortlichen Rathgeber des deutschen Reichskanzlers oder auch des deutschen Kaisers spricht. Energie und Entschlossenheit schaffen allein den Erfolg für die Politik, welche als richtig erkannt worden ist. Die Geschichte der Reichskanzlerschaft des Grafen Caprivi wird noch einmal geschrieben werden, und dann wird Vieles klar werden, was bisher eigenartig erschien. Seine Stellung ist unendlich schwer gewesen, schon seit der un glücklichen Geschichte mit dem preußischen Schulgesetz, und gerade aus seiner politischen Laufbahn kann ein Jeder seiner Nachfolger erkennen, daß es nicht angeht, wenn es hier „Hott!" heißt und da „Hüh!" Mo Mische Nnns schau. Deutsches Reich. Der Kaiser arbeitete am Dienstag mit dem Chef des Militärcabinets. Abends sollte im Neuen Palais eine kleine parlamentarische Gesellschaft stattfinden. Kein Tag ohne die Veröffentlichung amtlicher oder sonstiger vertraulicher Schriftstücke durch die so cialdemokratische Presse! Jetzt theilt die socialdemokra tische Wiener „Arbeiterztg." ein auf den bekannten Wege bau neben der Eisenbahn in Deutsch-Ostafrika be zügliches Schreiben der Colonialabtheilung des deutschen Auswärtigen Amts an die ostafrikanische Gesellschaft und die Eisenbahngesellschaft in Ostafrika (Usambaralinie) vom 28. Octobcr v. I. mit, sowie auszüglich einen demselben beigefügten Bericht des Bezirksamtmanns Rechenberg in Dar-es-Salaam. Im ersten Bericht wird den Beamten die eigenmächtige Benutzung der Presse untersagt; im zweiten Bericht werden geradezu sensationelle Mittheilun- gcn über die Behandlung der Neger gemacht. Die betr. Stelle lautet: „Klagen der Neger über erlittene, oft recht rohe Mißhandlungen sind nichts Seltenes. Zur Zeit liegt mir ein auf dem Bezirksamt Pangani aufge nommenes Protokoll vor, worin sich drei entflohene Ar beiter darüber beschweren, daß sie, als sie wegen Müdig keit mit dem Baumfällen pausiren wollten, sie von Herrn Rowehl (Besitzer der Plantage Nguelo) mit dem Revol ver bedroht wurden. Derartigen Vorgängen gegenüber befinde ich mich in einer schwierigen Lage; während ich als Richter dieselben verfolgen soll, muß ich als stellver tretender Bezirksamtmann sehen, daß die Verfolgung der Sache der Plantage unberechenbaren Nachtheil bringen muß. Aehnliche Zustände herrschen bei der hiesigen Eisen bahn, wo die Arbeiter sehr hohe Löhne beziehen. In einem für kranke Eingeborene eingerichteten Raum der Bana befindet sich jetzt ein geisteskranker Eisenbahnarbei ter. Derselbe hat sechs bis auf die Knochenhaut gehende Wunden am Kopfe und ist an Rücken und Arm mit Striemen bedeckt. Diese Wunden hat der Geisteskranke, weil er sich in das Eisenbahndirectionsgebäude begeben hatte, von dem Lokomotivführer Kohlip erhalten; die ein geleiteten Erhebungen müssen noch ergeben, ob der Di rector Bernhard persönlich an den Mißhandlungen be- theiligt ist, und ob Kohlip, wie in der Stadt behauptet wird, auf Befehl des Directors geschlagen hat. Ein an derer Eisenbahnangestellter ist neulich wegen Mißhandlun gen zu einer Geldstrafe, ein dritter, der in die Häuser der Eingeborenen zur Nachtzeit eindrang, um sich Weiber zu holen, zu Gefängniß verurtheilt worden. Daß da, wo derartige Rohheiten vorkommen, die schwarzen Ar beiter nicht verbleiben, bedarf wohl keiner Erörterung." Der Berliner „Vorwärts" scheint allmählich zum in ternationalen Publikationsorgan geheimer amtlicher Actenstücke, welche durch Entwendung aus den amt lichen Kanzleien der verschiedenen Länder in die Hände der Revolutionäre gekommen sind, zu avanciren. Heute ist er in der Lage, „für seine russischen und polnischen Freunde" zwei geheime amtliche Verfügungen resp. Cir- kulare russischen Ursprungs bekannt zu geben. Eine sehr bedeutende Zunahme der deutschen Han delsausfuhr nach den Vereinigten Staaten von Nord amerika ist während des letzten Quartals von 1894 zu constatiren. Der Gesammtbetrag der Mehrausfuhr dürfte an die zehn Millionen Mark betragen. Mit Klagen von Deutschen im Auslande wird sich der Reichstag bei der Etatsberathung noch mehrfach zu beschäftigen haben. Obenan stehen die Beschwerden der centralamerikanischen Deutschen über die Energielosig keit des deutschen Vertreters Peyer in Guatemala, dem bereits ein „Erholungs-Urlaub" erthcilt ist, sowie die Beschwerden der deutschen Ansiedler in Syrien, die mit dem türkischen Fiskus Landstreitigkeiten hatten. Hoffentlich wird in allen Fällen eine wirklich befriedigende Regel ung gelingen. Der Berliner Magistrat will demnächst in die Bc- rathung darüber eintreten, in welcher Weise die Stadt Berlin den bevorstehenden 80. Geburtstag ihres Ehren bürgers, des Fürsten Bismarck, begehen wird. Die „Münchener Neuesten Nachrichten" bringen zwei viel beachtete Artikel, welche sich mit der Stimmung in Süddeutschland beschäftigen und vom nationalen Standpunkt aus mit Freimuth die gegenwärtige Lage behandeln. In dem ersten Artikel: „Das höchste Ge setz" wird ausführlich der Gedanke im patriotischen Sinne erörtert, daß die Wohlfahrt des Volkes, nicht der Wille des Herrschers die einzige Richtschnur aller Gesetze sein müsse. Der zweite Artikel: „Partikularismus" führt gleichfalls vom nationalen Standpunkte aus diese in jüngster Zeit viel erörterte Frage auf das richtige Maß zurück. Wir billigen den Partikularismus nur, soweit er Werthung und Bewahrung der Eigenart bezeichnet. Wir verwerfen und verdammen ihn, sofern er Streben gegen das Reich oder Abwendung vom Reich bedeutet, denn das Reich sei Einheit. Wollten die Feinde des Reichs auf den Partikularismus bauen, so würden sie zu eigenem Verderben erfahren, daß der Bau des Reichs unerschütterlich sei. Wenn das Vaterland ruft, gilt nur ein Gefühl, ein Gesetz, nach dem Dichterwort: „Wir wollen sein ein einig' Volk u. s. w."