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MsdnOrTageblatt Nr 151 — 88. Jahrgang Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2840 Telegr.-Adr.: »Amtsblatt' Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meitze^ des Amts- gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Dienstag, den 2 Juli 1S2S Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Tageblatt* erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis: Bei Abholung in und den Ausgabestellen 2 AM. im Monat, bei Zustellung durch die Boten 2^0 AM., bei Postdesteilung 2 NM. zuzüglich Abtrug- gebühr. Einzelnummern Wochenblatt für Wilsdruff». Umgegend P°sttw--nunduns-Eu-. tt«,erund DeIchastLftcllkN ! ! nehmen zu jeder Zeit V«. steuuugen entgegen. JmFalle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung Verleitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Aückseuduug eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. für Sürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. F-r»s»r-ch-r: Am» Wilsdruff Nr. S IMM VMSlhMS Wll Polk« politischer Sommerschlaf. „LeLtus ills, qui proevl ne^otiis . . preist ein alter römischer Dichter den „Glücklichen, der fern den Staats- geschästen" sich an Gottes freier Natur erfreuen kann. Der deutsche Reichskanzler und der Wohl noch intensiver der Erholung bedürftige Außenminister Dr. Stresemann haben demgemäß den Staub der Akten und Amtsstuben von sich geschüttelt — übrigens genau so wie auch die M. d. R.'s — und haben Berlin aufatmend den Rücken gekehrt. Nicht für allzu lange Zeit, aber der Streit zwischen Paris und London über die Frage, welcher Tagungsork für die kommende politische Großkonferenz gewählt wer den soll, hat den daran wenig interessierten deutschen Staatsmännern die Möglichkeit gewährt, sich der Wohl verdienten Erholung zu widmen. Ein wenig haben es auch die „Reichsbotcn" verdient, denn sie haben ja den Reichshaushalt glücklich unter Dach und Fach gebracht, wenn auch mit einer Verspätung von einem Vierteljahr, und dadurch das sicher unerfreuliche Schauspiel vermieden, ihrer Hauptaufgabe nur mit vielmonatlichen Verspätun gen gerecht zu werden. Außerdem droht ja auch ihnen eine Unterbrechung der Sommerferien, sobald jene Konferenz stattgefunden hat; auch andere sehr wichtige Aufgaben zu lösen steht ihnen dann noch bevor. -r- Eine Art Sommerschlaf sinkt also über das politische Deutschland herab und Politiker wie Staatsmänner interessieren mehr die Wirkungen des Karlsbader, Mergentheimcr oder Baden-Badener Spru dels» mehr der Salzhauch des Meeres oder die „Höhen sonne" auf den Berggipfeln als das ja doch niemals ganz abrcißende politische Getriebe. Und Dr. Stresemann wird unter leichtem Gähnen die Zeitungsberichte über den .Kampf lesen, der zwischen Paris und London tobt. Reichs kanzler Müller geruhsam und verstehend lächelnd Kenntnis davon nehmen, wie sich sein Kollege Poincare mit der Französischen Deputiertenkammer herumärgern mutz, weil die Mehrheit durchaus die Schulden nicht bezahlen will, die Frankreich vor zehn Jahren bei Amerika gemacht hat. Schulden zahlen ist ja immer eine sehr unerfreuliche Sache, die man meist gern auf die lange Bank schiebt Amerika freilich will diese „Schiebung" nicht dulden und daher ist in Paris der diplomatische Sommer noch nichk eingckehrt. * Ein paar Wolken ziehen ja trotzdem immer wieder über den Sommerhimmel der politischen Gegenwart. Da übt sich z. B Polen weiter in der Politik der Nadelstiche gegen alles Deutsche, läßt durch seinen diplomatischen Vertreter in Danzig — der übrigens den urpolnischen Namen Dr. Straßburger führt — pro testieren, und zwar in feierlichster Form, dagegen, daß man es am 28. Juni gewagt hat, zu betonen, daß Danzig eine deutsche Stadt ist und bleiben wird. Als Antwort darauf droht Polen unverhüllt mit w i r tf ch a ftl i ch e m Druck. Wie ja die Warschauer Regierung die Mahnung der Pariser Sachverständigen im Youyg-Plan, endlich mit den Liquidationen veütschen Eigentums aufzuhören und Verhandlungen hierüber zwischen Deutschland und Polen in die Wege zu leiten, prompt damit beantwortet hat, daß eine neue Liste über Enteignungen deutsch- stämmiger Grundbesitzer in Polen veröffentlicht wurde. Wobei es schon gar nicht mehr auffällt, daß mehrfach die zugebilligte „Entschädigung" für das enteignete Besitz tum durch die Kosten des Enteignungsverfahrens nicht bloß glatt ausgezehrt wurde, sondern der Enteignete noch zuzahlen mußte. In der fortgesetzten Amtsentlassung deutschstämmiger Rektoren und Lehrer an den Minder heitsschulen findet die Deutschenverfolgung der polnischen Behörden die schon lange übliche Ergänzung. Darin kennt man jenseits unserer Ostgrenze keinerlei Ferien. , Im W e st e n soll es nun aber doch besser werden, Werl — mit allem Vorbehalt sei es mitgetcilt — die Franzosen angeblich aus der zweiten, der Koblenzer Be- sgtzungszone Truppen herausziehen. Bis zum 10. Januar 1930 muß fix an sich schon geräumt sein, aber möglich ist's schUeßlrch doch, daß die Pariser Regierung schon jetzt damit einen schüchternen Anfang macht, um die Gesamt räumung nicht gerade im Winter vollziehen zu müssen. Und wenn auch die andere Meldung richtig sein sollte, daß nämlich die englischen Truppen im besetzten Gebiet keine Mannover abhalten, daß man in London davon Abstand nehmen wm, sich militärisch auf deutschem Boden auszutoben, — dann wäre das Heller Sonnen glanz am politischen Sommerhimmel, dann würde dies bei den deutschen Staatsmännern jedenfalls die Hoff nung erwecken, daß die Arbeiten auf der kommenden Konferenz nicht ganz so schwer sein werden, wie man dies heute noch befürchten muß. „An -er Laterne aufhängen!" Eine aufsehenerregende Rede des preu ßischen Innenministers. Nach einem Bericht des Vorwärts vom 30. Juni 1S2N hak der preußische Innenminister Grzesinski in einer Versammlung des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold in Frankfurt a. Main am 29. Juni folgende Ausführungen äemacbt: Zurückweisung polnischer Anmaßung Kein Recht auf Einmischung in Danzig. Am 28. Juni hatte bekanntlich der polnische diplo malische Vertreter in Danzig an den Senat der Freien Stadt Danzig eine Note gerichtet, in der er der Regierung der Freien Stadt Danzig Vorhaltungen wegen ihrer Ein stellung zum Vertrage von Versailles und. wegen der in Danzig abgehaltenen Trauerkundgebung machte. Der Danziger Senat hat daraufhin dem Vertreter Polens jetzt eine Antwort überreichen lassen, die an deutlicher Zurückweisung der polnischen Anmaßung nichts zu wünschen übriglätzt. Die Regierung des Freistaates Danzig betont, di: Danziger Bevölkerung habe natürliches Recht auf frei: Meinungsäußerung, das durch die vom Völkerbund garantierte Verfassung durchaus gewährleistet sei. Die Polnische Republik könne nicht den geringsten Anspruch aus eine Einmischung in innere Angelegenheiten Danzig: erheben. Der Wortlaut des Danziger Protestes. „Bei den Kundgebungen, welche in den lebten Tagen statt gefunden haben, handelt es sich um einen elementaren AuS druck der Trauer, welcher die Bevölkerung der Freien Stab» Danzig, die gegen ihren Willen vom Vaterlande abgetrennt ist, aus Anlaß der zehnjährigen Wiederkehr des Tages der Unterzeichnung des Vertrages von Versailles, aufs tiefste be wegt hat. Die Danziger Bevölkerung hat ein natürliches Rech! auf freie Meinungsäußerung, das durch die vom Völkerbund garantierte Verfassung ausdrücklich anerkannt ist Die Kund gebungen gehören einer Sphäre an, die lein internationaler Vertrag je wird regeln können. Im übrigen ist bei den Veranstaltungen nichts zutage ge treten, was zu der Annahme berechtigen könnte, daß die Freie Stadt Danzig sich der bisher streng befolgten Erfüllung der bestehenden Verträge, insbesondere auch der Republik Polen gegenüber, entziehen wollte. Dem Senat ist der vom Rat des Völkerbundes am 17. November 1920 angenommene Bericht wohlbekannt. Es ergibt sich aus diesem Bericht, daß die Bestimmungen des Vertrages von Versailles durch die Freie Stadt Danzig voll kommen zu beachten sind: cs ergibt sich aber aus keiner Steve dieses Berichts, daß irgendein Mitglicdstaat des Völkerbundes oder speziell die Polnische Republik ein Sonderrecht besitzt, die Innehaltung der Bestimmungen des Vertrages von Versailles durch die Freie Stadt Danzig zu überwachen. Es ist im Gegen teil im Bericht wörtlich folgendes gesagt: , „Der gemeinsame Schutz durch den Völkerbund schließt mit „Es ist im Reichstag neulich von rechts der Zuruf: „An der Laterne aufhängen" gefallen. Man sollte mit solchen Bemerkungen vorsichtig sein. Die deutsche Arbeiterschaft würde diejenigen, die frevelhaft auch nur den Versuch machten, ihre politischen Rechte mit Gewalt anzutasten und auf Kosten des Volkes eine Vorherrschaft aufzurichten, diesmal wirklich an die Laternen pfähle aufknüpfen und sich von niemand dabei in den Arm sollen lassen!" Die deutschnationale Fraktion hat daraus hin im Preußischen Landtag eine große Anfrage ein gebracht, in der sie fragt: Ist der Bericht des Vorwärts zutreffend? Wenn ja, welche Stellung nimmt das Staats- ministerium zu der — mindestens indirekt — zur Ge walt, zu Verfassungsbruch und Verbrechen auffordernden Rede des für Ruhe und Ordnung im Innern verantwortlichen Ministers ein? Mrd die englische Sesatzung abberufen? Noch keine Anweisungen sür die Herbstübungen. Wie Reuter erfährt, sind bisher keine Anweisungen an das Hauptquartier des Besatzungsheeres in Wies« baden über die Räumung ergangen. Nach derselbe» Quelle ist es aber angesichts der möglichen baldige« Zurückziehung der britischen Streitkräfte bezeich nend, daß die Anweisungen für die diesjährigen mili tärischen Übungen im Herbst nicht abgesandt wurden. Die wehrlosen Opfer -es Krieges. Zur Revision der Genfer Rotkreuzkonvention. Zur Revision der Genfer Notkreuzkonven tion vom Jahre 1906 und zur Ausarbeitung eines inter nationalen Übereinkommens über das Kriegsgefan genenrecht ist in Gens eine Staatenkonferenz zusam- mengetreten, die von 46 Staaten mit rund 130 Dele gierten beschickt ist. In der Eröffnungsansprache sührte der Bundespräsident Dr. Haab u. a. aus: Ein Krieg er scheint heute als eine ferne, unwahrscheinliche Möglichkeit. Solange aber der Friede nicht völlig gewährleistet erscheint, ist es die Pflicht der Regierungen, einen künftigen Krieg so menschlich zu gestalten, als seine tragischen Notwendigkeiten es zulassen. Darin liegt die Ausnahme ver vek Errichtung der Freien Stadt Danzig vor gesehenen Einschränkungen den Ausschluß jeder persönlichen Einmischung anderer Mächte in die Angelegenheiten Danzigs ein."" Oie Skan-alaffäre van Hamel. Der frühere Danziger Völkerbundkommissar als Ehestörer. Der seit dem 20. Dezember 1926 bei den Danziger Gerichten anhängige Ehescheidungsprozetz des Komman deurs der Danziger Schutzpolizei, Oberst von Heyde- breck, gegen seine Ehegattin ist nunmehr beendet wor den. Die Ehe wurde Ende Juni geschieden. Der Prozeß hat seinerzeit insofern großes Aufsehen erregt, als in der Anklageschrift der ehemalige Danziger Völker bundkommissar, der holländische Professor van Hamel, als ehestörender Teil genannt wurde. Van Hamel war durch aufgefundene Briefe bloßgestellt, hat sich aber während des ganzen Prozesses hinter seine Exterritorialität verschanzt. Er wurde seit Beginn dieser gesellschaftlichen Skandalaffäre von den Danziger Kreisen vollständig geschnitten. Am 21. Juni d. I. hat van Hamel Danzig verlassen. 19 Jahre Kerker für Hauptmann Faloutl Prag, 1. Juli. Hauptmann Falsch wurde wegen militäri schen Verrats zu 19 Fahren schweren Kerkers, verschärft durch Einzelhaft im ersten und sechsten Monat eines jeden Jahres, durch Fasten einmal im Monat und Dunkelhaft an jedem 28. Septem ber, sowie zur Degradation verurteilt. Wie die Begründung des Urteils aussührt, hat Falout acht vertrauliche und vier geheime Aktenstücke ins Ausland verkauft. Die Aktenstücke stammten hauptsächlich aus der 3. Abteilung des Generalstabes, der Falout zugeteilt war. Die Sachverständigen sprachen sich dahin aus, daß durch den Verrat dem Staat bedeu tender Schaden zugefügt wurde. Im Dokumentenreferat der 3. Abteilung des Generalstabes wurden auf einzelnen Dokumenten Spuren von photographischer Entwicklungsflüssigkeft gefunden. Das Gericht hat trotz Leugnens Falouts als erwiesen angenommen, daß Falout diese Dokumente gleichfalls photographiert hat. Falout nahm das Urteil ruhig entgegen und erbat sich drei Tage Be denkzeit zur Ergreifung von 'Rechtsmitteln. Rechtfertigung, darauf gründet sich die Notwendigkeit ver Anstrengungen, die die Konferenz zur Linderung des Schicksals der wehrlosen Opfer des Krieges, nämlich der Verwundeten, der Kranken und der Gefan genen, unternehmen wird. Oer To-essturz in -en Bo-ensee. HättendieOpfergerettetwerdenkönnen? Das schwere Flugzeugunglück auf dem Bodensee hat ein sechstes Todesopfer gefordert. Der Apotheker Finley aus Friedberg ist im Krankenhaus seinen Ver letzungen erlegen. Nach den Feststellungen der Sachverständigen ist der Pilot, der das verunglückte Flugzeug führte, beim Landen durch die Sonne und die Spiegelungen auf dem Wasser geblendet worden. Dadurch hat er sich in der Höhenbemessung geirrt und die Maschine schlug so hart auf das Wasser auf, daß die Spitze mit dem Führer und dem Motor vom Rumpf losgelöst wurde. Von Augenzeugen des Unglücks war dem Kapitän des an der Unglücksstelle vorüberfahrenden Dampfers „Bade n" der Vorwurf gemacht worden, daß er sich nicht an der Rettungsaktion beteiligt habe. Wenn er gestoppt und an der Bergung der Verunglückten mitgcarbeitet hätte, so wäre es möglich gewesen, noch einige zu retten. Von der Reichsbahndirektion Karlsruhe wird zu dem Verhalten des Kapitäns jetzt eine Darstellung gegeben, in der es heißt, der Kapitän, der durch Insassen eines Ruderbootes auf das Unglück aufmerksam gemacht wurde, habe festgestellt, daß sich an der Unfallstelle bereits zwei Motorboote und 10 bis 12 Ruder« und Segelboote zur Hilfeleistung befanden. Er sei des halb zu der Annahme gekommen, daß schon genügende Hilfskräfte vorhanden waren und daß er deshalb, weil sein Schiss ohnehin mit 400 Fahrgästen schwer belastet war, im Interesse der Sicherheit seiner Passagiere diese erst in Bad Schachen hätte absetzen müssen. Zudem habe der Kapitän geglaubt, daß das Manövrieren des großen Dampfschiffes, dessen Rader sehr starke Wellen erzeugen, nur die Hilfsmaßnahmen an Ort und Stelle behindern würde.