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Das Konzert G-Dur, zur gleichen Zeit entstanden wie das Klavierkonzert für die linke Hand D-Dur („Es war ein interessantes Experiment, gleichzeitig zwei Konzerte auszudenken und zu verwirklichen", schrieb Ravel an Alfred Cortot), erlebte seine Uraufführung am 14. Februar 1932 in Paris. Ravel diri gierte, Solistin war Marguerite Long. Ihr wurde das Konzert auch gewidmet. Wenige Tage nach der Uraufführung begann Ravel mit Marguerite Long eine ausgedehnte Konzertreise durch Mitteleuropa. Ein transparentes, geistreiches und echt französisches Musizieren eröffnet (Allegramente) das Konzert, gläsern und durchsichtig im Klangbild, gebändigt im Gefühl, dabei von starken Empfindungen durchströmt. Ohne Aufdringlichkeit wirkt die dezente Motorik einzelner Episoden. Die eigenartige Mischung süd ländischer Folklore und aparter Exotik läßt verstehen, daß Ravel sein Werk ursprünglich „baskische Rhapsodie" nennen wollte. Liedhaft einfach beginnt das Klavier den zweiten Satz, der von Ravel „Takt für Takt unter Zuhilfenahme des Klarinettenquintetts von Mozart" geschrieben wurde. Weit ausschwingend die Melodiebögen. Wundersam schwebend, ruhe voll und schwerelos reiht sich Ton an Ton. Ein wunderbares Stück Romantik unseres 20. Jahrhunderts. Kurz, in sich gestrafft, ironisch und effektgeladen schließt das Konzert mit einem schnell vorüberjagenden Presto: Jazz-Aphorismen blitzen auf, raffiniert die Diskrepanz zwischen Metrum und Rhythmus, ein Witz, eine Kapriole und doch mehr: Teil des Ganzen, Finalsatz des Klavierkonzertes G-Dur. Sergej Rachmaninow gehört zu den vielseitigsten Persönlichkeiten der Musikgeschichte. Seine Bedeutung ist im Grunde bis heute noch nicht völlig erkannt worden. Die Zeitgenossen verehrten in ihm einen großartigen, inter national geschätzten Pianisten und Dirigenten. Er selber sagte einmal: „Ich habe nie feststellen können, wozu ich in Wahrheit berufen bin, zum Kompo nisten, zum Pianisten oder zum Dirigenten." Heute wahrt man das Andenken an seine großen nachschöpferischen Leistungen. Das kompositorische Erbe ist geblieben. Es sollte stärker als bisher berücksichtigt werden, vor allem das elegant-elegische Kiavierschaffen (vier Konzerte und mehrere Sonaten), dem Rachmaninow wohl seine schönsten musikalischen Einfälle anvertraut hat. Aber auch die Orchesterwerke, namentlich die drei Sinfonien, sind bedeutende Arbeiten. Der unruhevolle Lebensweg Rachmaninows, der ihn nach Deutsch land (wo er übrigens von 1906-1908 in Dresden lebte), Frankreich und zuletzt nach Amerika führte, hatte zur Folge, daß er die gesellschaftlich-kulturelle Entwicklung in seiner russischen Heimat nur aus der Ferne, aber doch mit größter Anteilnahme verfolgen konnte. Im Gouvernement Nowgorod geboren, besuchte er das Petersburger und das Moskauer Konservatorium als Schüler der konservativen Musiker Tanejew, Arenski und Siloti. Früh wurde bei ihm der Grund gelegt zu einer tiefen Liebe zur russischen Volksmusik, deren nationale Traditionen er später in seinem Schaffen, in der elegischen Thematik, in der Neigung zur Epik, niemals verleugnete, obwohl Rachmaninow nicht zur national-russischen Schule des „Mächtigen Häufleins", vertreten u. a. durch Mussorgski und Rimski-Korsakow, gehörte. Vielmehr darf man ihn in die Linie Liszt-Tschaikowski stellen mit seiner konservativ-romantischen, an westeuropäischer Musik geschulten Tonsprache. Rachmaninows Stil besitzt die Farbigkeit der Spätromantik. Er ist gekenn zeichnet durch Ausdruckstiefe, balladeske, dunkle Pathetik, schwärmerisch pastorale Lyrik und eine Neigung zu Moll-Stimmungen. Seine Musik ist immer verständlich. Eine gewisse weltmännische Eleganz ist ihr eigen, auch dann, wenn die lyrisch-elegische Melancholie sich zu kraftvollem, manchmal etwas wild lärmendem Pathos steigert. Das wert- und wirkungsvollste seiner Klavierwerke ist die Rhapsodie über ein Thema von Paganini für Klavier und Orchester op. 43 aus dem Jahre 1934 (ein Thema übrigens, das schon Liszt und Brahms zu Klavier variationen und neuerdings Boris Blacher zu Orchestervariationen, 1947, angeregt hat). Die Bezeichnung Rhapsodie — eine locker gefügte Fantasieform — umfaßt hier einen Zyklus von 24 Variationen, die in ununterbrochener Folge das kurze, rhythmisch-tänzerische Paganini-Thema, das am Anfang vorgestellt wird, verän dern, abwandeln, umspielen, es zu etwas Eigenem, völlig Neuem „umfunktio^^B ren". Die Stimmungen wechseln, Leidenschaft und Melancholie, virtuose Vehe menz und träumerische Besinnlichkeit. Klar ist das Soloinstrument geführt (die technisch-physischen Anforderungen an den Pianisten sind enorm!). Das Werk gilt als das „modernste" unter Rachmaninows Kompositionen. In der Tat sind Harmonik und Rhythmik recht „gewürzt". Der kluge Aufbau, die rasanten Steige rungen, die lyrischen Einschübe machen das Stück zu einem fesselnden, virtuosen Konzertwerk, das gleichermaßen dankbar (wenn auch anspruchsvoll) ist für Soli sten, Orchester und Hörer. VORANKÜNDIGUNGEN: 25. und 26. Dezember 1968, jeweils 19.30 Uhr, Kongreßsaal 8. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Dirigent: Borislaw Iwanow, VR Bulgarien Solist: Atanas Kareew, VR Bulgarien, Klavier Werke von Wladigerow, Liszt und Tschaikowski 31. Dezember 1968, 19 Uhr, Kongreßsaal 9. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Dirigent: Kurt Masur Solisten: Renate Krahmer, Berlin, Sopran Johannes Kemter, Dresden, Tenor Karl-Heinz Stryczek, Dresden, Bariton Chor: Philharmonischer Chor Dresden Carl Orff: Carmina burana; Adam Krieger: Arien 17. Januar 1969, 19.30 Uhr, Kongreßsaal 10. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Freier Kartenverkauf Freier Kartenverkauf Gastspiel des Berliner Rundfunk-Sinfonieorchesters, der Solistenvereinigung und des Großen Berliner Rundfunk-Chores Dirigent: Rolf Kleinert Freier Kartenverkauf Programmblätter der Dresdner Philharmonie — Spielzeit 1968 69 — Chefdirigent: Kurt Masur Redaktion: Dr. Dieter Härtwig — Die Einführung in das Klavierkonzert von Ravel schrieb Gott fried Schmiedel Druck: Grafischer Großbetrieb Völkerfreundschaft Dresden, Zentrale Ausbildungsstätte 42559 III 9 5 0,8 1168 ItG 009 101 68 »HilHarnnoni 7. AUSSERORDENTLICHES KONZERT 1968/69