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NEUNTES GEWANDHAUS-KONZERT DONNERSTAG, DEN 14.DEZEMBER 1922. Dirigent: Professor Karl Straube. Jephtha. Oratorium von Georg Friedrich Händel (1685—1759). Gedichtet von Thomas Morell. Übersetzt (auf Grundlage der Übersetzung von Gervinus), bearbeitet und nach Fr. Chrysanders Grundsätzen für die Aufführung eingerichtet von Max Seiffert. Soli: Frau Margarete Peiseler-Schmutzler (Iphis), Fräulein Hilde Ellger-XbexXvtx (Storgd), die Herren Antoni Kohmann-X?rankfurt a. M. (Jephtha), Dr. Hans Joachim Moser-Halle a. S. (Hamor), Reinhold Gerhardt (Zebul). Knabenchor: die Thomaner. Cembalo: Herr Günther Ramin. Orgel: Herr Max Fest. Ouvertüre. Erster Akt. 1. Achtzehn Jahre lang hatte Israel unter der Hand der Phi lister und der Kinder Ammons zu seufzen. Endlich tat es die fremden Götter ab und diente wieder dem Herrn. Zebul. So muß es sein — soll Ammons Tyrannei, (Die achtzehn lange Jahre dies arme Volk bedrückt), Nicht Israel ganz zermalmen! Da Gott uns gram ist und mit seinem Wink Nicht mehr, wie sonst, den Führer uns bestimmt, Müßt ihr nun selbst ihn wählen. Wer wär’ ein bessrer Mann als Gileads Sohn, Mein Bruder, unser Jephtha? Weh! daß wir ihn verhöhnt und dann verbannt Als einer Fremden Sproß; ich aber kenn’ ihn: Sein edles Herz ist frei von niedrem Groll, Er wird verzeihn, sobald sein Land ihn ruft. Und Jehova wolle uns erhören, Wenn wir reuevoll um Gnade beten. (Arie.) Beugt euch nicht mehr mit schalem Gebet Vor Götzen taub und leer; Entweiht mit frech-unheil’gem Sang Des Herrn Altar nicht mehr. Chor der Israeliten. Nicht mehr der Zymbeln Klang erschallt, O Moloch, deiner Schreckgestalt Zu grausem Tanz um deinen Opferherd. Kamos, nicht dir lobsingen wir Im heil’gen Liede, das nur Gott verehrt. Jephtha, den einst die Brüder ausgestoßen hatten, ist nun der streitbare Held, von dem Israel die Errettung aus seiner Not und Bedrängnis erhofft. Die Ältesten des Volkes wählen ihn zum Führer. Zebul. O Jephtha! mitleidigen Auges sieh Auf deiner reuevollen Brüder Not. Vergiß, was dir geschah, und rette du Das Land, die Freunde aus der Hand des Feindes. Jephtha. Ich will, wenn’s Gott gefällt. Doch dies fordre ich: Die Macht, die mir als Feldherrn im Krieg gebührt, Soll auch im Frieden — gibt Gott uns den Sieg — Die meine sein. Zebul. So sei’s! Jehova hör’! 2. Der Schmerz der Storgö über die bevorstehende Trennung von ihrem Gatten. Storgt. Welch herbeTrennung wartet meiner Jephtha, Wenn du geharnischt ziehst ins blut’ge Feld! Doch ach! was gilt des schwachen Weibes Gram, Wo blutend unser Volk zu Boden liegt, Schmachtend nach Freiheit und Leben. (Arie.) In sanften Lauten stimm’ ich dann Ein Klaglied gleich der Taube an. Und sehnend ruf ich dich zurück Zu Freiheitslust und Liebesglück. 3- Der Abschied der Iphis von ihrem Verlobten Hamor, der mit ins Feld zieht. Hamor. O glückliche Fügung, teure Iphis, Die mir noch einmal dich zu sehn vergönnt!