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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 25.01.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-01-25
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110125011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911012501
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911012501
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-01
- Tag 1911-01-25
-
Monat
1911-01
-
Jahr
1911
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Bezugs-Preis »4«ielitdrl vrl u»»« IiU«I„ ». »o. >«tz»Mleür» «b,«d«tn 7d H M«uUÜ, ».rs » rrttULdrt. vvrch »4« *,»! U»«S«ld Demxdlano« »nv d« »««Nld«i 0ol»»t«» ««r»l,Lyu. ».»» ^U, «««Ul. täte a»«1<dl. Poftdrslellaeld. ,,«rn«r t» Belgien, Dänemark, den Donanllaolrn, JtaUeu. Liurmdurg, «»«verlande, «or» w«ven. Oeslerreich llnger». «ntzland, Echiueve», Schwer n. Spanien. I» «üe« üdrrgen Sraatt» »nr drrev durch dt» SelchtlrlneL« de» Slerre« «rtzäillich. Da» Leiv,i^r len edlen «rjcherni K »et Mgttch. Senn.» Kueri«^ «r m«,«»«. Ndmu>»..i,»t>>»»nal,M«> Lngnkndvletz 8^ bei nut«»» Lrtgerii, Mia»«», Spedueu«« und »»»«hiaetzell«». i»«u »eütnuern «Md ivneslrtgern ai«,»»»»rta,l»»re«4 »« Dt»rnm» i»4g»d« K d« <ide»dr»«aad« » «edekn», «,» »rlchttt«SeL« Iedaon irgofie »> a«ntz>«ch— ldtÄL 14«^ t4«S Morgen-Ausgabe. MMr Tageblatt Handelszeitung. Ämlsölatk des Nates imd des Nolizeiamtes der Ltadt Leipzig. Äuzelgeu-Prei- Mr Intern» en« reivn, -n° amzedn«, dl« j^ipalren» SV nun drei» veN«»eü- 2L ch, dt» 74 Mw breu» «»NamMeU« l aU: d»v en,war» 4- ch» «tevanie» t.» Jnlera» «»» «ebdrve» >» «wMche» let! 4» 74 mw drei» -en«»«» 4t- ch Oelchau«auieiqen -in 4t ad»dr-chriiie» «u» « de, »t>«ndau«,ade >n> drei» erd»dt. «adari nach Laril «onlageuedaln i »U o. tameno exkl. -jjostgedudr. Fefterretl» AuirrLg« Wunen nichi ,«OL» -«»ogrn werden. ZS, da« 4r»ch«,iM, en beliimmten tage» und tjltH»» «M letn» Gnraotie Ldernomiuen Lnzeigrn- »naahiuei UnGullodplnH bet ILmrlichen Filialen a. allen Lanancen» Elpedumnen de» ,)n» und »utUmoe«. Henn«-Stil»» Serlt» Tarl Da»cke, 0er»o«i San». H»tduch» Handlung ruyowltiad» IU a«l-l>d°» Vl. «r. 4t1Ut. Haunl-^tltnl« L re «den» Serlrru»- 4,1 ltrleptzaa »E. Nr. 25 Mittwoch, Len 2S. Isnusr ISll. 105. Jahrgang. Vas Dlchtiglte. * Unter den neuernanntcn Rittern des preußi schen „Pour le merite" besinnet sich auch Geheim rat Hering, der Direktor des Physiologischen Instituts in Leipzig. (S. d. des. Art.) * Der Reichst.ag setzte am Dienstag die zweite Lesung des Wertzuwachssteuer gesetzes fort. (E. Reichstagsber.) * Auch der Oesterreichische Volkswirt schaftliche Ausschuß sprach sich gegen die Erhebung von Schtffahrtsabgaben auf der Elbe aus. sS. Ausl.) * Der Haupttäter bei der Ermordung des Deutschen Unger in der Nähe von Haifa wurde von dem türkischen Gericht zum Tode verurteilt. sS. Ausl.) * Die Verhandlungen wegen der Un ruhen am Wedding, die vor der ersten Straf- kammer des Landgerichts Hl Berlin stattfanden, wurden gestern beendet. sS. Eerichtssaal.) * Auf denBremerDom wurde ein Bomben- attentat versucht, das aber verhütet werden konnte. (S. Tageschronik.) * Beim Brande des Metzer Garnison lazaretts verbrannten fast die gesamten Kriegsbestände im Werte von über einer Million Mark. sS. Tageschronik.) * Den neuesten Depeschen zufolge ist die Pest bereits bis zum Roten Meere vorgedrungen. sS. Tageschronik.) Moabit II. Teil. Der erste Prozeß wegen der Moabiter Un ruhen. der vor den gelehrten Richtern des Berliner Landgerichts wochenlang sich hinzog. hatte allen denen eine herbe Enttäuschung be reitet, die auf die Feststellung einer staats revolutionären Aktion gehofft hatten. Der zweite Moabit-Prozeß, der sich elf Tage lang vor den Laienrichtern des Schwurgerichts ab spielte, hat diese Enttäuschung noch ganz wesent lich vergrößert. Hier waren die achtzehn „Rädelsführer" bei den Ausschreitungen wegen schweren Aufruhrs und Landfriedens bruchs angeklagt; hier durfte man füglich viel härtere, empfindlichere Strafen erwarten als sie die Strafkammer ausgeworsen hatte. Statt dessen hat die Beweisaufnahme dahin geführt, daß nur vier Angeklagte wegen der genannten schweren Gesetzesverletzungen, einer nur wegen einfachen Aufruhrs verurteilt worden sind. Vier andere Angeklagte wurden völlig freigesprochen, den anderen wurden Strafen zugemessen, die hinter den Anträgen der Staatsanwaltschaft noch zurückblieben. Sämtlichen Angeklagten wurden mildernde Umstände zugebilligt, bei allen rech nete der Gerichtshof die Untersuchungshaft an: das Gesamtergebnis des zweiten Moabiter Pro zeßes bleibt, soweit die Strafmaße in Betracht kommen, weit hinter dem Ergebnis des ersten Prozeßes zurück; und doch war man infolge der Anklage viel eher auf das Gegenteil gefaßt. Es hat eben manches Bild, das durch der Parteien Haß und Gunst verzerrt erschien, in der Hellen und klaren Beleuchtung durch vor urteilsfreie Richter ein ganz anderes Aussehen bekommen. Die Herren, die kürzlich noch im preußischen Abgeordnetenhaus« die Polizei beamten so kritiklos über den grünen Klee lobten, find durch die Beweisaufnahme vor einem Eelehrtengerichte und vor einem Laien gerichte und durch die Urteilsfällung von beiden recht bedenklich desavouiert worden. Die Sozialdemokratie, die noch während eines Teils des ersten Prozeßes eine große Rolle als Schuldige zu spielen berufen schien, aber schon am Ende des Prozeßes in der Versenkung ver schwand, ist bei dem zweiten Prozeße völlig ausgeschieden. Das war das einzig Richtige. Denn man mag zehnmal an einen ursächlichen Zusammenhang zwischen den Hetzartikeln des „Vorwärts" und den Brandreden der rötesten Genoßen einerseits und den argen Ausschrei tungen in Moabit anderseits glauben: ein mathematisch sicherer, ein juristisch einwand freier Beweis für diesen Glauben war die schwerste Aufgabe, die sich die Staatsanwalt schaft gestellt hat, deren Unlösbarkeit sie leider aber zu spät selbst einsah. Durch die grundsätz liche Ausschaltung des politischen Moments j blieb der Schwurgerichtsprozeß auch freier von Sensationen, wie wir sie in dem Strafkammer prozeß leider erleben mußten. Die Beweisaufnahme sollte ergeben, daß Landfriedensbrecher und Aufrührer die öffent liche Ordnung in gefährdender Weise gestört hätten. Sie ergab die Tatsache von verkehrs hemmenden Pöbelaufläufen, von Exzeßen wider wärtiger Art, von allerhand Ausschreitungen und Unfug; sie ergab aber bei weitem nicht für alle achtzehn Angeklagte den Nachweis der schwersten Delikte. Dagegen fö rderte sie ebenso wie bereits im Strafkammerprozeß Dinge zu tage, die einzelnen beteiligten Polizeibeamten noch sehr gefährlich werden können, und jeden falls gezeigt haben, daß die Behauptung von einer Schuldlosigkeit der Polizei an der Verschärfung der Lage in Moabit in alle Wege nicht aufrecht erhalten werden kann. Die Urteilsbegründung im Strafkammerprozeß er klärte es als erwiesen, daß „die Polizisten ihre Befugniße weit überschritten" haben; und in der Begründung der Strafmaße des Schwurgerichts wird festgestellt, daß „Aus schreitungen einzelner Beamter vorgekommen" find. Es ist von einem Zeugen beschworen worden, daß er gesehen hat, wie ein Mann namens Hermann ganz allein die menschenleere Straße entlang ging und ohne jede Veranlaßung von Schutzleuten so heftig mit dem Säbel ge schlagen worden ist, daß er später den Tod erlitt. Der Oberstaatsanwalt hat erklärt, daß man diesen Vorfall als vorsätzliche Körperverletzung mit tödlichem Ausgang bezeichnen kann. Er hat weiter um Nennung von Zeugen gebeten, die die für den Fall in Frage kommenden Beamten bezeichnen können, damit auch in diesem Fall der Gerechtigkeit Genüge geschieht. Aber viel bemerkenswerter ist, daß mit Hinblick auf diesen Fall von „Brutalität" Landgerichts direktor Unger, der Leiter der Schwurgerichts verhandlung, erklärt hat, daß er im Falle eines solchen Angriffs Gegenwehr beispielsweise durch einen wohlgezielten Revolver schuß nicht für rechtswidrig halte. Darin liegt die schärfste Mißbilligung der nach gewiesenen Uebergriffe der Polizisten. Wenn weiterhin der Eerichtsvorsitzende für die einzelnen Verfehlungen der Polizisten nicht die gesamte Polizeibehörde verantwortlich machte, so hat er darin unsern vollen Beifall; denn auch wir sind weit entfernt davon, blind lings zu verallgemeinern. Wir können deshalb aber auch verlangen, daß die Behörden und gewiße Abgeordnete, die im Schutze der Im munität über die Moabiter Vorgänge ge sprochen haben, sich ebenfalls vor allgemeinen Urteilen hüten und Licht und Schatten gleichmäßig verteilen. Der „Vorwärts" schreibt natürlich einen Siegesartikel und sagt an deßen Schluß: „Unser Feind steht vor dem Nichts — wir aber vor der Ernte!" Die kühne Zuversicht, die aus dem ersten Teil des Satzes spricht, ist eine starke Illusion. Mit dem In halt der zweiten Hälfte des Satzes dürfte das Blatt hier und da leider recht behalten, und diesen Triumph der Sozialdemokratie verdanken wir denen, die jeden ungehörigen Straßenauf- lauf gleich als eine „Uebung zur Revolution" bezeichnen, die so wenig Zutrauen zu der inneren Festigkeit des Deutschen Reiches haben, daß sie, schlotternd nach neuen Zwangsmaßregeln schreien in Fällen, wo die gerichtliche Beweis aufnahme ergibt, daß nicht einmal die ärgsten Delikte vorliegen, die unser Strafgesetzbuch mit den schärfsten Strafen ahnden kann. Der Sailer über üen Alkohol. „Die Alkoholfrage", eine Zeitungskorrespondenz, will den stenographischen Wortlaut der Kaiserrede bei Eröffnung der Marineschule in Murwik mitzuteilen imstande sein. Wir lassen den angeblichen Wortlaut der Rede hier folgen: „Noch eine kleine Ermahnung will ich Ihnen mit auf den Weg geben, eine Frage, die mir sehr am Herzen liegt für meine Nation. Es ist die Frage de» Alkohols und des Trinkens. Ich weiß sehr wohl, daß die Lust zum Trinken ein altesErbstückder Germanen ist. Immerhin müßen wir uns aber in jeder Be- ziehung durch Selbstzucht von diesem Uebel befreien. Ich kann Ihnen versichern, dag ich in meiner 22jährigen Regierung die Erfahrung gemacht habe, daß die größte Menge der Verbrechen, die mir zur Ab- » urteilung oorgelegt wurden, zu neun Zehntel auf di« I Folgen des Alkohols zurückzuführen ist. Zn früherer Zeit galt es für außerordentlich schneidig und forsch in der Jugend, ein großes Quantum zu sich zu nehmen und zu vertragen. Ich als junger Offizier habe Ge- egenheit gehabt, solche Beispiele zu sehen, ohne es elbst je nntzumachen. Das sind srüh « re An - chauungen, die für den Dreißig, ährigen Krieg passen, aber jetztnicht mehr. Ganz abgesehen von den Folgen, die ich Ihnen nicht weiter auszumalen brauche, möchte ich Sie aus einen Punkt für Ihren zukünftigen Beruf in erster Linie ausmerksam machen. Wie Sie das selbst beobachten werden im Laufe Ihrer Dienstzeit an Bord, ist der Dienst in meiner Marine zu einer Höhe der Anstrengung gelangt, wie sie wohl kaum noch über troffen werden kann. Diese ungeheuren Friedensanstrengungeil ohne Ab nutzung durchmachen zu können, um i m E r n st - falle frisch zu sein, daraus kommt es für Sie an. Der nächste Krieg und die nächste Seeschlacht fordern gesunde Nerven von Ihnen. Durch Nerven wird er entschieden. Diese werden durch Alkohol untergraben und von Jugend auf durch Alkoholgenuß gefährdet. Sie werden später Gelegenheit haben, die Zielschiffe zu sehen und die Wirkung der modernen Geschosse auf den Schiffen, und Sie werden sich daraus ein Bild machen können von den Zuständen im Gefecht. Sie werden grauenhafte Verwüstungen sehen, wenn Sie daraus sind, und oiel- ache Bilder. Da heißt es: feste Nerven und ! ühlen Kopf! Diejenige Nation, die >as gering st e Quantum von Alkohol zu ich nimmt, die gewinnt. Und das sollen Sie ein, meine Herren! Und durch Sie soll den Mann- chaften einBeispiel gegeben werden! Das wirkt am meisten bei den Menscljen. Und infolgedessen er warte ich von Ihnen, daß Sie schon jetzt auf der Marineschule oder eingeschlfft in aller Kameradschaft und Freundlichkeit, in keiner Weise gestört, doch unter, einander darauf achten, und daß dafür gesorgt wird, daß die Einnahme von Alkohol nicht als zu Ihren Privilegien gehörig gilt. Es sind in meiner Marine in der Bildung begriffen oder bereits gebildet die Euttemplerlogen und Blau- Kreuz-Vereine. Einzelne Offiziere und einige hundert Mann sind beigetreten. Ich hoffe, daß Sie alles tun, was Sie können, um die Mannschaft zu unterstützen, da beizutreten. Und ich brauche ja bloß auf das vor bildliche Beispiel der englischen Marine hinzuweisen, wo 26 000 Mann und Offiziere schon beigetreten sind zum großen Vorteil der Marine. Es ist eine Frage der Zukunft für unsere Marine und für unser Volk. Wenn Sie die Leute erziehen zum Verzicht auf den Alkohol, bekomme ich gesunde und vernünftige Unter tanen. Es ist eine große Frage der Zukunft, denn durch die abgebenden Leute wird der Gedanke aus das flache Land gebracht. Wenn Sie diese Grundsätze vertreten, wird mein Volk moralisch gehoben. Das ist eine Arbeit, an der zu beteiligen ich Sie bitten möchte." Einzelne Stellen der Rede, die wir hier unter allem Vorbehalt wiedergeben, sind sehr mißverständ lich. Nachdem diese zunächst doch wohl nicht für die Oeffentlichkeit bestimmte Ansprache von interessierter Seite doch noch bekanntgemacht worden ist, wird wohl von offiziöser Seite für die Veröffentlichung des authentischen Wortlauts gesorgt werden. SÄmisle Rechtspflege. Die Bedeutung des jetzt im Reichstag zur Bera tung stehenden Entwurfs für einen obersten Kolonial- gerlchtshof ist bis jetzt wohl kaum weiteren Kreisen m der Heimat klar geworden, weil nur wenige Leute eine Ahnung haben, wie die Rechtsprechung in den Kolonien vor sich geht. Die meisten Leute bilden sich vermutlich ein, daß die Rechtsverhältnisse draußen dieselben seien wie zu Hause. Wer dies meint, be findet sich sehr im Irrtum. Und auch die Leute, die hinausgehen in die Kolonien, pflegen sich erst darüber klar zu werden, wenn sie die koloniale Rechtsprechung am ergenen Leibe erfahren. Die Kolonien stehen bisher unter der Konsular gerichtsbarkeit, sie werden also genau so behandelt, als ob sie sich in einem fremden Staate primitiverer Sorte, z. B. Haiti oder Liberia, befänden. Ja, sie sind eigentlich noch schlimmer daran. Denn wenn ein Deutscher in einem solchen Raubstaat sein Recht nicht bekommt, so pflegt sich die öffenttrche Meinung in der Heimat seiner anzunehmen. Wie es aber den Deut schen in unseren eigenen Kolonien geht, danach kräht kein Hahn. Wenn da alles gestimmt hätte oder stim men würde, so hätten unsere Landsleute nicht in lang jähriger Agitation eine Reform der kolonialen Ge richtsbarkeit angestrebt. Ja der aufmerksame Zei- tungsleser konnte während der letzten Jahre auf Grund von zahlreichen Prozeßen wohl auf den Gedan ken kommen, daß da drüben recht unzulängliche Rechts verhältnisse herrschen müßen. Wir haben in der Heimat drei Instanzen, unsere Kolonien haben dage. en nur zwei. Die Revisions instanz fehlt ganz. Verschlimmert wird die Sache auch dadurch, daß die beiden kolonialen Instanzen, das Bezirksgericht und das Obergericht, den beiden ersten in der Heimat, dem Amtsgericht und Landgericht, nicht entfernt entsprechen. Der Richter beim Bezirks gericht ist immer, der beim Obergericht häufig ein ganz junger Beamter, dem in der Hermat niemals eins auch nur bald so schwierige und verantwortliche Aufgabe übertragen würde. Ja, beim Bezirksgericht fungiert nicht selten sogar ein Gerichtssekretär als Richter, also nicht einmal em Jurist. In den meisten Fällen verfügt sowohl der Bezirksrichter, wie der Oberlichter schon nach heimischen Begriffen über eine geringe Erfahrung, der kolonialen Praxis ist er aber ganz und gar nicht gewachsen. In der Heimat könnte er nicht allzuviel Schaden anrichten, denn hier haben wir Gesetzbücher, die einigermaßen den Lebensverhält' rußen gerecht werden. Und wenn je einmal ein un erfahrener Richter einer allzu drastischen Fehlspruch tut, so kann er von der nächsten Instanz korrigiert rmrden. Dazu kommt, daß den Parteien rn der Hei mat fast stets Rechtsanwälte zur Seite stehen, die den Richter auf Irrtümer aufmerksam machen können, während dies in den Kolonien nur in beschränktem Maße der Fall ist. Die Rechtsanschauungen und Rechtsgewohnheiteu, die sich m den Kolonien rm Laufe der Zeit heraus- gebildet haben, sind nicht kodifiziert, wo also das heimische Recht versagt, da kann der koloniale Rich ter, namentlich der Oberrichter, urteilen, wie es ge rade seinen persönlichen Anschauungen entspricht, und den Bezirksrichtern bleibt nichts anderes übrig, als sich diesen Anschauungen anzupaßen. Für sie sind die Entscheidungen des Obergerichts dasselbe, wie für die heimischen Richter üre Entscheidungen des Reichsge richts. Wenn man sich nun vergegenwärtigt, daß die Mitglieder des Reichsgerichts alte erfahrene Juristen, unbedingte Autoritäten sind, die Oberrichter m den Kolonien aber jugendliche Herren ohne besonders lange und lehrreiche Praxis, so kann man sich die koloniale Rechtspflege ungefähr ausmalen. Als Schulbeispiel möchten wir eine jüngst ergangene Ent scheidung Les Obergerrchts in Kamerun anführen. Da hatte ein Europäer seine Arbeiter verprügelt und war Labei anscheinend das Maß erheblich überschrit ten. Er wurde, wie recht und billig, wegen Mißhand- lung verurteilt. Damit hatte nun aber der betref fende Oberlichter nrcht genug, sondern er fühlte sich berufen, bas zum Gewohnheitsrecht gewordene, jetzt von der Kolonialoerwaltung ausdrücklich anerkannte Züchtiaungsrecht des weißen Arbeitgebers gegenüber dem schwarzen Arbeiter zu verneinen. Er hat damit versucht, Rechtsnormen zu schaffen, die den in lang jähriger Praxis von den Ansiedlern wie von der Kolonialoerwaltung gewonnenen Anschauungen widersprechen. Die Wirkung blieb nicht aus: ein Bezirksrichter teilte unter Bezugnahme auf dieses Urteil den Weißen seines Bezirks mit, daß er, ent gegen der bisher geübten Praxis, in Zukunft jede Züchtigung schwarzer Arbeiter als strafbar behandele. Das war von dem Bezirksrichter entschieden gut ge meint. Er wollte seinen Landsleuten unangenehme Erfahrungen ersparen und Lachte offenbar gar nicht daran, Lag diese Verallgemeinerung eines abnormen Falles geeignet war, Las Vertrauen der Bevölkerung aus die Objektivität der Rechtsprechung zu schädigen. Auch abgesehen davon, daß die Deutichen in den Kolonien nachgerade dasselbe Recht für sich in An spruch nehmen können wie ihre Landsleute in der Heimat, ist die Errichtung eines obersten Kolonial gerichts. wie die koloniale Praxis mannigfach es dar tut, aus Gründen der Rechtssicherheit eine zwingende Notwendigkeit. Freilich muß dafür gesorgt werden, daß dem heunffchen Kolonialgericht absolute Unabhängigkeit von vornherein gesichert wird. Nach dem Gesetzent wurf sieht di« Regierung vor. daß dem Gerichtshof zwei Derwaltungsbeamte als Mitglieder angrhören. Das ist ein ganz undiskutierbares Verlangen, über das man nur den Kopf schütteln kann. Der Beamte der Kolonialoerwaltung als Mitglied des Kolonial gerichtshofes besitzt nicht diejenige Unbefangenheit, die man von einem Richter ooraussetzen muß. Aus dem einfachen Grunde nicht, weil er als Vertreter der Interessen der Kolonialoerwaltung gedacht ist: denn sonst hätte die betreffende Bedingung der Regie rung doch gar keinen Sinn. Die Kolonialoerwaltung tritt verhältnismäßig viel häufiger als andere Be hörden im ordentlichen Gerichtsverfahren als Partei auf oder ist wenigstens am Ausgang von Prozeßen interessiert, und das ist ein doppelter Grund dafür. Kolonialbeamte nicht als Mitglieder in den obersten Gerichtshof zuzulassen. Auf demselben Blatt steht das Bestreben der Re- gierung, die Zuständigkeit des Gerichtshofes nicht Lurch Gesetz, sonLern Lurch kaiserliche Verordnung zu regeln. Di« kaiserliche Verordnung in allen Ehren, sie mag in mancher Hinsicht ganz praktisch sein wandel baren Verhältnissen gegenüber, in vielen Punkten ist sie aber heute nichts anderes als ein Machtinstrument in der Hand eines autokratisch veranlagten Staats sekretärs und entspricht in vielen Fällen nicht mehr den heutigen fortgeschrittenen Verhältnissen in Len Kolonien. Sie als Grundlage zu nehmen für die erste feste Institution, die dem kolonialen Leben -'ne ge wiße Sicherheit geben soll, halten wir für ganz ver fehlt, und wir möchten hier wünschen, daß sich der Reichstag aus den Standpunkt stellt: prineimis obsta! Der Kolonialoerwaltung darf keine Möglichkeit ge geben werden. Rechtfälle, die ihr nicht angenehm sind, der Zuständigkeit des zur Sicherung unabhängiger kolonialer Rechtsprechung geschaffenen Gerichtshofes zu entziehen. Es wäre überhaupt zu bedauern, wenn das Reichskolonialamt auf Forderungen beharrte, die ge eignet sind, dem Kolonialgerichtshof von vornherein das Vertrauen der kolonialen Bevölkerung zu ent ziehen. Gine mohwerülente Abfuhr. Der konservative Vorsitzende eines Kriegervereins im Wahlkreise Labiau- Wehlau hat sich bei der Besprechung der letzten Reichstagswahl, aus der der Konservatismus be kanntlich als zweiter Sieger hervorging, den ebenso anmaßlichen wie provozierenden Satz geleistet, nur konservativ Gesinnte „verdrenten" er, in einen Kriegerverein ausgenommen zu werden. Darauf hat jetzt in der „Parole" der Vor stand des „Preußischen Landeskriegerverbandes" diesem Vereinsvorsitzenden folgende kräftige Abfuhr erteilt: „Der Vorstand des Preußischen Landeskrieaer- verbandes kann nicht glauben, daß einem Vereins vorsitzenden so wenig die Grundlagendes Kriegervereinswesens bekannt sein sollten, daß er eine so irrige Ansicht äußern könnte. Der Vorstand hat indes Bericht durch den zuständigen Verbandsvorstand eingefordert und wird, falls sich die Nachricht bestätigen sollte so unzutreffende Auffassungen nicht dulden. Wem die Grundsätze des deutschen Kriegervereinswesen bekannt sind, der weiß, daß Anhänger aller bürgerlichen nationalen Parteien gleich will ¬ kommen in den Kriegervereinen sind. Ob deutschkonservatio, ob freikonservatio, ob nationalliberal, ob Zentrumsmann, ob fortschritt lich oder welch einer anderen der nationalen Par teien ein Kamerad angehöre, ist im Kriegerverein gleich. Das ist gerade die Stärke des Krieger- vereinswesens, dag es alle Anhänger der nationalen und monarchischen Parteien als gleichberechtigt an»
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