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Ottendorfer Zeitung. Die „Dttendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners- tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich t Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme »»n Inseraten bis vormittag Uhr. Inserate werden mit w Pf. für die Spaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be- sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Nr. 52. Freitag, den 1. Mai 1903. OertUches und Sächsisches. 2. Jahrgang. Vttendorf-Gkrilla, zo. April 1903. sD Es ist der Schuldircktion zu danken, daß sie auch in diesem Jahre wieder Extraslunden im Deutsch und Rechnen einrichtet, um den Eltern Gelegenheit zu geben, ihren Kindern etwas mehr an Kenntnissen zukommen zu lasten, als die einfache Volksschule zu bieten vermag. Im vorigen Jahre sind bei denjenigen Schülern welche das ganze Jahr über an diesen Stunden teilgenommen und die rechte Aufmerksamkeit und den rechten Fleiß gezeigt haben, die Fortschritte im Deutsch und Rechnen sichtbar hervorgctreten. Der Preis ist verhältnismäßig sehr niedrig, niedriger wie an jedem anderen Orte. Es werden wöchentlich 4 Stunden für 50 Pf. er teilt (also 1 Stunde für 12*/, Pf.). Das ist zwar für manche Eltern immer noch eine merk bare Ausgabe, doch wenn man bedenkt, welchen Wert eine gute Schulbildung in der Jetztzeit hat, und daß die meisten Eltern ihren Kindern überhaupt nichts mit in den Lebenskampf hinausgeben können, als die Bildung durch die Schule, so wird der Groschen, den man an sein Kind wendet, noch lange nicht ein zu großes Opfer bedeuten. Sehr unrecht aber tun die Eltern, die, wo es nicht unbedingt nötig, ihre Kinder zur Arbeit gebrauchen, an statt ihnen Zeit und Gelegenheit zu geben, etwas zu lernen. Wenn aber die Kinder selbst keine Lust zum Lernen zeigen sollten, so müßten die Eltern vernünftiger sein und sie mit allen Mitteln dazu anhalten. Die Kinder werden es ihnen später einmal von Herzen danken. Wie aus dem Inseratenteile der vor liegenden Nummer ersichtlich, findet kommenden Sonntag im Gasthof zum Roß eine Zusammen kunft der hiesigen Radfahrer behufs Gründung einer Vereinigung statt, und sei an dieser Stelle Noch besonders darauf aufmerksam gemacht. — Auf der Linie Radebeul-Radeburg, die vom V rgnügungsverkehr belebt wird, zeigen stch für den Sommerfahrplan mehrfache Er weiterungen. So werden wieder täglich Züge Nachmittags 1 Uhr 42 Minuten von Radebeul "ach Moritzburg-Eisenberg und nachmittags 2 Uhr 5» Minuten von Moritzburg-Eisenberg nach Radebeul geführt, mit denen die vom hie sigen Hauptbahnhofe nachmittags 1 Uhr 14 Minuten abgehenden und nachmittags 3 Uhr 5k Minuten ankommenden Lokalzüge in Ver bindung stehen. Täglich, und nicht mehr nur zweimal wöchentlich, kommen auch die Abend- jüge: 9 Uhr 27 Minuten von Radeburg, 9 Uhr 56 Minuten von Moritzburg-Eisenberg üach Radebeul und 10 Uhr 57 Minuten von Radebeul nach Radeburg in Verkehr. Be sonders für den Ausflugsverkehr sind diejenigen neuen Züge ausgenommen, welche schon im Vorjahre gute Dienste getan haben. — Die am 1. Juli d. I. in Kraft treten den, vom Bundesrate erlassenen neuen Be stimmungen über die Beschäftigung jugendlicher Arbeiter bei der Bearbeitung von Faserstoffen, Tierhaaren, Abfällen oder Lumpen gelten nach einer den Behörden zugegangenen Erläuterung nicht nur für Fabriken, sondern auch für Werk stätten mit Motorbetrieb. Das Verbot der Veschäfligung und des Aufenthaltes jugendlicher Arbeiter ist ausgedehut worden auf Räume, in denen Tierhaare durch Handarbeit entstäubt oder gelockert (gefacht) werden. Zur Beseitig ung von Zweifeln, zu denen die frühere Faff- ung Anlaß gegeben hatte, sind außerdem auch die Tierhaare ausdrücklich neben den Faser stoffen aufgesührt worden. Demgemäß darf in Zukunft auch in Räumen, in denen Maschinen zum Oeffnen, Lockern, Zerkleinern, Entstäuben. Anfetten oder Mengen von Tierhaaren im Be triebe sind, jugendlichen Arbeitern eine Be schäftigung nicht gewährt und der Aufenthalt nicht gestattet werden. Der Bundesratsbeschluß vom N. Juni 1896, wonach in den Jute- Minnereien die Scheidewände zwischen den Räumen, in denen jugendliche Arbeiter be- tchäfligt werden, und den Kardenräumen mit Oeffnungen versehen werden dürfen, soweit solche für den Transport der Jute und die Durchleitung von Transmissionswellen und Treibriemen unentbehrlich sind, ist auch für die Folge maßgebend geblieben. In den Betrieben, die unter diese neuen Bestimmungen fallen, ist außer der nach der Gewerbeordnung auszu hängenden Tafel eine zweite Tafel anzubringen, die in deutlicher Schrift den Wortlaut dieser Bestimmungen wiedergiebt. Die letzteren haben für die Dauer von zehn Jahren, also bis zum 30. Juni 1913, Giltigkeit. — Eine vom Oberverwaltungsgericht ge fällte wichtige Entscheidung über die Durchsicht der Wählerlisten wird in der „Berl. Volksztg." mitgeteilt. Hiernach darf jeder Wähler bean spruchen, daß ihm die Wählerlisten vollständig zur Einsicht offen stehen und ihm nicht nur ge stattet wird, seinen eigenen Namen in den Listen zu suchen. Ein Verfahren, daß die Einsicht nahme der Liste in unzulässiger Weise ein schränkt, hat die Ungiltigkeit der Wahlen zur Folge. Natürlich bedeutet dies die Vernichtung des Steuergeheimnisses. Laußnitz. Sonntag abend nach 8 Uhr brach in dem jetzt unbewohnten früheren Zumpeschen Gute Feuer aus. Das Auszugs haus wurde ein Raub der Flammen. Die Entstehungsursache dürfte auf Brandstiftung zu rückzuführen sein. Königsbrück. Ein Waldbrand war am letzten Sonntag nach 5 Uhr nachmittags an dem Wege von Königsbrück nach der Grün- metzmühle, an der Ecke einer Schneiße, ent standen und halte sich bereits über eine Fläche von etwa 200 Quadratmeter verbreitet. Berbisdorf bei Radeburg. Gelegentlich der Feier der Konfirmation der jüngsten Tochter des Besitzers des hiesigen Rittergutes Freiherrn von Spürten hatte derselbe der Kirche einen elektrischen Kronleuchter gespendet, dessen Ein weihung Nächsten Sonntag erfolgt. Hierbei wird auch ein Kirchenkonzert abgehalten. Lo schwitz. Am Montag gegen 6 Uhr abends riß sich von zwei Fleischerlehrlingen in der Pillnitzer Straße ein Stier los, rannte auf einen vorbeifahrenden Radfahrer, einen Glas machermeister aus Pirna, zu und verletzte ihn erheblich. Das Fahrrad wurde zertrümmert. Es gelang, den Stier im dritten Steinweg ein zufangen. Dem Schwerverletzten wurde ein Verband angelegt, worauf er in seine Wohnung zu Pirna befördert wurde. Lockwitz. Sein 25jähriges Fahnenjubiläum feiert der Königlich sächsische Militärverein Lockwitz und Umgegend im August dieses Jahres. Radebeul. Anläßlich seines 25 jährigen Bestehens wird der Radebeuler Turnverein am 9. und 10. Mai eine Gedenkfeier, bei der auch die hiesigen Gesangvereine Mitwirken werden, veranstalten. Meißen. Nach langer Krankheit, die auch der Anlaß zu seinem Anfang vorigen Jahres erfolgten Rücktritte oom Amte war, starb am Dienstag abend Professor Dr. Loose, der der hiesigen Realschule 23 Jahre hindurch als Direktor vorgestanden hat. Neben seinem Schul amte hat er sich um die Erforschung der Ge schichte Meißens viele Dienste erworben. Er hat nur ein Alter von 63 Jahren erreicht. Meißen. Wegen Unterschlagung ist der Prokurist eines Verkehrsunternehmens hier, F., verhaftet worden. Die veruntreute Summe be läuft sich auf über 5000 Mark. Der unge treue Beamte hat vor kurzem seine Frau, die lange Jahre hindurch schwer leidend war, durch den Tod verloren. Blochwitz. In den sogenannten Bergen war am Montag vormittag aus unbekannter Ursache ein ansehnlicher Waldbrand entstanden. Derselbe konnte nur durch tatkräftiges Ein greifen der herzugeeiltcn Anwohner noch recht zeitig gelöscht werden. Es wurde ca- 1 Acker Waldland vernichtet. Riesa. Am Montag vormittag gegen Uhr wurde in Reußen die dem Gutsbesitzer Trapp gehörige Scheune mit den darin befind lichen Vorräten ein Raub der Flammen. Das Feuer ist durch Brandstiftung entstanden und soll das derselben verdächtige 15 jährige Dienst mädchen des Kalamitosen bereits verhaftet und an das Amtsgericht Riesa eingeliefert worden sein. Königstein. Im Auftrag des Wiener Magistrats ist Ober-Ingenieur Gustav Wärmer hier eingetroffen, um die hier im Betrieb stehende gleislose Straßenbahn zu besichtigen und zu studieren. Dieses System soll nämlich für die Linie Zentralfriedhof nach Kaiser-Ebers dorf bei Wien, die eben jetzt im Bau begriffen ist, verwendet werden. Leipzig. In einer Wohnung der Stein straße haben zwei Kinder eines dort wohnen den Fleischermeisters eine auf einem Stuhle stehende Wanne mit kochend heißem Wasser umgekippt und sich dabei schrecklich verbrüht. Das eine Kind, ein zweijähriger Knabe, ist an den Folgen dieser Verbrühung bereits verstorben, das andere, ein dreijähriges Mädchen, liegt schwer krank darnieder. Leipzig. Ein riesiges Schadenfeuer, durch welches ein vierstöckiges Fabrikgebäude voll ständig vernichtet wurde, entstand am Dienstag in dem Stadtteile Stötteritz. In dem Grund stücke betrieben vier Firmen ihre FabrikalionS- geschäfte; neben dem immobilen Schaden ist auch derjenige, welcher aus der Vernichtung der Maschine entstand, ein ganz bedeutender. Meerane. Zu der bereits gemeldeten, das größte Aufsehen erregenden sensationellen Ver haftungs-Affäre eines spiritistischen Mediums hier wird noch bekannt, daß der Ehemann der Verhafteten von Beruf Schmied ist und die nicht unbeträchtlichen Einnahmen der Frau bei Ausübung ihrer geradezu ungeheuerlichen und unglaublichen Flunkereien ein gut' Teil mit dazu beitrugen, einen angenehmen Lebensunter halt zu führen. War man bis jetzt gewohnt, derartige spiritistische Umtriebe vorzugsweise in den Großstädten zu finden, so beweist die Mee- raner Affäre, daß der Geist der Anna Rothe in den breiten Volksmassen fortlebt und auch kleineren Städten die schönsten Blüten zeigt. Die Sitzungen des „Blumenmediums" in Mee rane wurden streng geheim gehalten, und fanden, wie jetzt feststeht, in allen Stadtteilen statt, ohne daß davon Unberufene etwas gewahr wurden. In gewissen Zusammenhang mit der Mediumaffäre bringt man eine seit Jahren dort bestehende geheime Religionssekte, von vielen „Gesundbeterei" genannt, die Gottes dienste abhielt, in denen heilige Gesänge und die absonderlichsten Gebete zum Himmel stiegen. — Aus Meerane wird dem „L. T." geschrieben: Was der Meeraner Weberstreik für Geld an Unterstützungen verschlungen hat, darüber giebt jetzt eine Statistik genaue Auskunft. In Mee rane allein hat dieser langanhaltende Kampf 176122 M- gekostet. Wenn man nun die durch den Streik in Mitleidenschaft gezogenen Städte, wie Glauchau, Reichenbach, Netzschkau, Elsterberg und noch andere kleine Städte hin zurechnet, so belaufen sich die Kosten auf rund 216000 M. Meerane. Über den allgemeines Aufsehen erregenden spiritistischen Schwindel kann jetzt folgendes Nähere mitgeteilt werden. Die spiri tistische Gesellschaft soll seit ungefähr lOLahren bestehen, anfänglich 40 Personen gezählt haben, in letzter Zeit jedoch auf zirka ein Dutzend Personen zusammengeschrumpft sein. Das Me dium der Sekte war die Ehefrau Luise des Schmieds Frenzel, wohnhaft Böhmerstraße 36. Diese Frau hat es nun, genau wie die Rothe, im Zustand der „Trance", verstanden, die der Sekte angehörenden Mitglieder derart zu düpieren, daß letztere den Offenbarungen der Frenzel Glauben schenkten und zu allen von dem Me dium geforderten Opfer bereit waren. Mehrere Male in der Woche haben sich die Spiritisten in der Wohnung des Frenzelschen Ehepaares zu Sitzungen eingefunden, wobei die Mitglieder pro Woche 10 Pf. entrichten mußten. Was in solchen Sitzungen nun für Unsinn getrieben wurde, davon einige Beispiele. So hat das Medium die Anhänger dazu zu bestimmen ge wußt, daß die Seelen Verstorbener auch da durch erlöst werden müßten, daß man größere Reisen unternehme. Man ist nach Leipzig und Dresden gefahren, wo man sich vergnügt machte und Sehenswürdigkeiten in Augenschein nahm. Die Reisen wurden in zweiter Klaffe auSge- führt, wobei das Medium immer sehr gut weg kam, denn alle Auslagen mußten die übrigen Teilnehmer aufbringen. Das Medium be stimmte auch im „Trancezustand", daß die Spiritisten von ihm bezeichnete Tanzsäle der Umgebung aufsuchen und hier Terpsichore hul digen mußten. Dabei schrieb das Medium so gar vor, wieviel Touren (I!) getanzt werden dürften — und dies alles, um Verstorbene von ihren Sünden zu erlösen. (I!) Alle die Extra vaganzen des Mediums und deren Gesellschaft haben selbstverständlich viel Geld verschlungen, sodaß Spiritisten sogar von ihrem Eigentums verkaufen mußten, um die Mittel aufzubringen. Ferner brachte es das Medium so weit, dem Schwager ihres Gatten derart den Kopf zu verdrehen, daß er seine Schmiede an den Ehe mann des Mediums verkaufte. In ungefähr drei Fällen, in denen es sich ausschließlich um Geld handelt, hat das Medium sich drei Kapitale in Höhe von zirka 3600 M. gegen Zinsen geliehen. Die letzteren sind auch das erste halbe Jahr bezahlt worden, aber dann fällte der Geist des Mediums einen weisen Spruch. In einer Seance offenbarte das Me dium, daß man derartige irdische Güter (also die Zinsen) nicht annehmen dürfe. Das Geld müßte ohne Zinsen geliehen werden. Diesen Hokuspokus haben die Betreffenden auch ge glaubt und die ganzen Jahre her keine Zinsen mehr beansprucht. Der Prozeß, der gegen das Medium angestrengt werden wird, dürfte noch mehrere derartige interessante Enthüllungen bringen. Schedewitz bei Zwickau. Eine aufregende Szene ereignete sich im hiesigen Gemeindeamte. Der etwa 45jährige Handarbeiter Heinrich Friedemann Hüdel, ein arbeitsscheues, dem Trünke ergebenes Individuum, hatte sich da selbst eingefunden, um eine Unterstützung zu er bitten. Dem Hüdel, einem starken, kräftigen Männe, wurde bedeutet, daß er auf eine solche nicht zu rechnen habe, daß aber für ihn Arbeit vorhanden sei und daß er sofort beim Wasser- leitungsbau beschäftigt werden könne. Da Hüdel sich bei diesem Bescheid, der ihm in Abwesen heit des Gemeindevorstandes vom Ortskassierer zuteil wurde, nicht beruhigte, sondern durchaus den Herrn Vorstand persönlich zu sprechen wünschte, wurde ihm gesagt, er möge auf die Ankunft desselben warten. Hüdel wollte jedoch nicht warten, er begab sich auf den Flur des Grundstücks und feuerte dort einen Schuß aus einem Revolver gegen eine Wand ab. Als die Beamten des Amtes, sowie der diensthabende Schutzmann Gebler herbeieilten, gab Hüdel einen zweiten Schuß nach diesen ab, glücklicher weise ohne jemand zu treffen. Er kam zur Haft. Elsterberg. Der frühere Lübtauer Ge meindevorstand Oskar Weigert in Dresden hat die auf ihn gefallene Wahl zum Bürgermeister unserer Stadt abgelehnt. Aussig. Am Dienstag abend ist die in Aussig, Türmitzer Straße, gelegene Lackfabrik der Firma Karl Dürschmidt niedergebrannt. Die EntstchungSursache des Feuers ist unbe kannt. Den Schaden, den Herr Dürschmidt er leidet, beziffert er mit etwa 120000 Kronen; er ist bei den österreichischen Jndustriellenver- band versichert und zwar auf den Betrag von 177 000 Kronen, wobei aber das Wohngebäude nicht inbegriffen ist. Eine Betriebsstörung tritt nicht ein.