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Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meisten, des Stadl rats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt Nr. 109 — 94. Jahrgang Telegr.-Adr.: „Tageblatt' Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Sonnabend, den 11. Mai 1935 Kamps um Ausfuhr. Tie Einrichtung der Ausgleichskassen — Ausfuhrhinder- niffe — Die Breslauer Südostausstellung — Politik gegen Wirtschaft — Währungschaos. Nach wie vor hält die gesunde Aufwärtsentwicklung auf dem deutschen Inlandsmarkt an. Die Ärbeits- beschafsungsmaßnahmen sind von Erfolg begleitet, die Arbeitslosenziffer ist auf 2,34 Millionen zurückgegangen. Der Einzelhandel weist gegenüber dem Vorjahr eine 14- bis 16prozentige Steigerung auf. Die Sparkassen einlagen haben die 13-Milliarden-Grenze überschritten. Dagegen ist die Ausfuhr immer noch das Sorgenkind der deutschen Wirtschaft. Und doch kämpft zur Zeit gerade Wohl der Außenhandel auf dem wichtigsten Front abschnitt der deutschen Wirtschaft. Wir brauchen ihn und vor allem eine ansgeweitete Ausfuhr als notwendige Er gänzung unserer Volkswirtschaft. Von der Entwicklung des deutschen Außenhandels, so betonte kürzlich Reichsbankdirektor Brinkmann in einem grundlegenden Vortrag auf der Unterrichtswochc für Rcichsbankbcamte, ist cs abhängig, ob unsere Binnenkonjunktnr durchgeführt werden kann. Wir be dürfen der Ansfuhr, um uns durch sic die Devisen für den Bezug der uns notwendigen industriellen und land wirtschaftlichen Rohstoffe zu beschaffen. Mit diesen Roh stoffen wird nicht nnr der Inlandsbedarf an Ferlig- waren gedeckt, sondern wiederum einer ganzen Reihe Ausfuhrlndustrien nnd damit vielen Millionen deutscher ^cichäftignng gegeben. Gerade von diesem A'! es erforderlich, die Ausfuhr nach Möglichkeit trotz aller entgegenstehenden Hemmnisse Wieder m Gang zu bringen. Zn diesem Zweck ist die so genannte Ausgleichskasse für die Industrie geschaffen worden. Jh"r liegt der Gedanke zugrunde, einen Teil der hauptsächlich durch staatliche Hilfe und Anregung ermöglichten Gewinne der B i n n e n m a r k t industrien in den Dienst der Ausfuhrförderung zu stellen. Das geschieht in der Weise, daß Industrien, deren Haupt- absahgebiet der Binnenmarkt darstellt, aus ihren Über schüssen Ausfuhrüberschüsse für die übrigen Industrien auf- brinacn die ihre Erzeugnisse zum großen Teil an das Ausland zu verkaufen pflegen. In der Einrichtung der Ausgleichskassen kommt wiederum in vorbildlicher Weise das qusammenstehen eines ganzen Volkes für das ge meinsame Ziel einer gesunden Wirtschaftserneuerung zum Ausdruck. Fraglos sind die Opfer, die von so mancher Industrie zugunsten der Ausfuhr jetzt gebracht werden, groß, aber sic sind notwendig, um dem Ganzen, der Gesamtheit des Volkes zu dienen. Wenn es trotz aller Bemühungen bisher nicht ge lungen ist, die deutsche Ausfuhr in dem gewünschten Maße zu vergrößern, so liegt das nicht an der mangeln den Rührigkeit oder Opferbereitschaft deutscher Wirt- schaftskrcise, sondern zum größeren Teil an den Hemm nissen, die unserem Export gerade von seitcn der früheren Abnehmerländer hindernd in den Weg gestellt werden. Die wichtigsten dieser Handelshindernisse sind die Ent - kvertung der Währungen zahlreicher Konkur- wnzländer, überhöhte Schutzzölle, allgemeine Einfuhr beschränkungen durch Kontingente oder gar Einfuhrver bote, der Aufbau eigener Industrien in den Rohstoff ländern, die stimmungsmäßige Beeinflussung auslän discher Kreise und Käufer gegen deutsche Waren, die niedrigere Kaufkraft in den Rohstoffländern, die ge sunkene Kaufkraft in den Ländern, die eine ausgesprochene Deflationspolitik betreiben, die Verrechnungsabkommen und der mangelhafte internationale Kredit- und Finanz apparat. Gegen einen Teil dieser Hemmnisse sind wir völlig Machtlos. Wir können nicht unsere Währung ebenfalls ent arten, nm auf diese Weise auf dem Weltmarkt wett bewerbsfähiger zu werden. Es ist heute eine Binsenwahr heit, daß in dem Augenblick, in dem wir Deutschen von unserer Währung abgchen würden, sofort die übrigen Ab- wertungsländcr, allen voran England nnd die Vereinig ten Staaten, ihre Währung noch weiter abwerten würden, nur um den Vorsprung gegenüber dem deutschen Kon kurrenten zu haben. Ähnlich verhält es sich mit den zoll- Politischen Maßnahmen. Wir können nicht die Zölle be- nehig hcranfschranben, da auf diese Weise Preisverteue rungen entstehen würden, die unserer Arbeitsbeschaffungs- poutik nachteilig werden müßten. Um ver Ausfuhr die Tür ofscnzuhalten, ist von deutscher Seite immer wieder versucht worden, einmal eine möglichst weite Preisangleichung an die Aus landserzeugnisse hcrbeizuführcn, und zum anderen soge nannte Kompcnsations- oder Tauschgeschäfte abzuschließen. «re werden besonders mit den kanfkraftarmen Rohstoff ländern getätigt, die auf diese Weise in die Lage Versetzt werden, von ihrem Überfluß an Rohstoffen abzngebsn und dagegen deutsche Fertigwaren cinzntanschcn. Das beste Beispiel für unsere Bemühungen um das Zustandekommen eines gesunden Tanschverkehrs ist die Breslauer Südost-Ausstellung, die vom Lavals Wenge Warschauer Ausgabe Kühle Begrüßung durch die polnische Presse — Paris ohne große Erwartungen Der französische Außenminister Laval fuhr aus seiner Reise nach Warschau über Berlin. Auf dem Bahnhof Zoologischer Garten stieg der französische Bot schafter in Berlin, Franko is-Poncet, m seinen Wagen, um ihn bis nach Frankfurt a. d. O. zu begleiten. Auf dem Schlesischen Bahnhof, wo der Zng einen Aufent halt von 20 Minuten hatte, waren der russische Botschafter Suritz und Herren der französischen Botschaft zur Be grüßung erschienen. Von deutscher Seite war Legations rat von Rintelen, der Leiter der Abteilung Westeuropa des Auswärtigen Amtes, zugegen. Die polnische Presse widmet Laval ausführ liche Begrüßungsartikel, die trotz gewisser Freundlichkeiten mit bemerkenswerter Offenheit den Standpunkt Polens zum sranzösisch-sowjetrussischen Beistandspakt darlegen. Alle Blätter veröffentlichen die Meldung über die Absage des Empfanges Lavals bei Marschall Pilsudski. Die halbamtliche „Gazeta Polska" versichert Laval höflich, daß er in Polen ein immer gern gesehener Gast sei, aber der Vertrag Frankreichs mit Sowjetrnßland mache Auf klärungen über die politischen Absichten erforderlich. Zu den Irrtümern der französischen Presse gehöre auch die Auffassung, daß der Vertrag erstens Polen gegen sich habe und zweitens die Richtung der polnischen Außenpolitik ändern könne. Die Annahme der Nichtungsändernng, fährt das Blatt fort, entstehe aus dem Ünver st ändnisfür die Methoden der polnischen Außen politik, die einzig und allein auf ihrer Selb ständigkeit beruhe. Deutlicher wird der ebenfalls dem Regierungslager angehörige „Expreß Poranny". Er schreibt, Minister Laval werde die Aufgabe haben, die nicht immer gut orientierte öffentliche Meinung Frankreichs zu unterrichten. Das Blatt hält Laval einen keineswegs erfreulichen Rück blick auf die einzelnen Etappen der französisch-polnischen Beziehungen vor Augen: In den ersten Nachkriegsjahren habe Frankreich Polen als notwendigen Verbündeten be handelt, zugleich aber auch als Leibwächter, der blind den Befehlen zu gehorchen hat. Dann gab es einen Abschnitt, in dem Frankreich in dem Bestreben, sich mit Deutschland zu verständigen, Polen als störend empfand und versuchte, die Annäherung an Deutschland auf Kosten Polens zu erreichen. Erst die Verständigung und Entspannung in den polnisch- dcutschcu Beziehungen habe diesen Berechnungen eine Ende gemacht. Aber Frank reich habe sich bisher noch nicht damit aussöhnen können, daß Polen nicht Objekt, sondern Subjekt der europäischen Politik und im Ostraum ein maßgebender Faktor ist. Die französische Presse ist sehr zuversichtlich bezüglich der Aussichten Lavals in Warschau. Selbst verständlich fehlt es nicht an Versuchen, den Polen klar zumachen, wo ihr eigentliches Interesse liege, und daß Frankreich der einzige aufrichtige Freund Polens sei. So versucht der „Figaro" den Polen klarzumachen, daß Franzosen und Polen der gleichen geistigen Familie an gehören, und das sei stärker als alles andere. Der „Oeuvre" erklärt wesentlich nüchterner, daß man beim Empfang Lavals nicht das „Vivo la Francs!" hören werde, das einst Barthou begrüßt habe. Das wichtigste Ergebnis, das man für dis Sache des Friedens erwarten könne, würde sein, wenn es Laval gelinge, Polen in irgendeiner Form zur Teilnahme an dem berühmten Ost pakt zu bringen. * Der Pariser Sowjetbotschafter Potemkin ist in Moskau cingetroffen, um Litwinow über die sowjet- russisch-französischen Beziehungen in Zu sammenhang mit dem bevorstehenden Besuch des franzö sischen Außenministers Laval Bericht zu erstatten. Nach einer Meldung der Telegraphenagentur der Sowjet union wird der Besuch des tschechischen Außen ministers Benesch in Moskau, der für den 20. Mai geplant war, auf Juni verschoben. Militärpakt Moskau—Prag. Unterzeichnung demnächst. — Ähnlich dem Vertrag Moskau—Paris. Der sowjcttussische Nachrichtendienst Tass veröffent licht eine anscheinend von führenden tschechoslowakischen politischen Kreisen beeinflußte Prager Zeitungsmeldung, wonach mit einer baldigen Unterzeichnung des sowjet- russisch - tschechoslowakischen Beistandspaktes gerechnet wird. Der Pakt werde dem Vertrag zwischen Frankreich nud Sowjetrußland ähnlich sein. Der beabsichtigte tschechoslowakisch-sowjetrussische Pakt werde schon in der nächsten Woche paraphiert werden. Englische Falschmeldungen über Äußerungen General Görings. Nach einer Meldung des „Daily Telegraph" vom 9. Mai soll General Göring in der vorigen Woche auf einer halböffentlichen Versammlung deutlich zu ver stehen gegeben haben, daß Deutschland seiner Lüftmacht einen Zweimächte st andard zugrunde zu legen gedenke, V. h. eine Luftstreitmacht zu schaffen, die der gemeinsamen Stärke von je zwei anderen europäischen Staaten gleich sei. Ähnliche Nachrichten bringen andere englische Blätter. Diese Meldungen entsprechen nicht den Tatsachen. General der Flieger Göring hat weder bei einer halb öffentlichen Versammlung in der vorigen Woche noch bei einer anderen Gelegenheit jemals davon gesprochen, daß Dentschland dem Ausbau seiner Reichsluftwaffe einen Zweimächtestandard zugrunde legen wolle. Er hat auch niemals eine Andentnng weder mündlich noch schriftlich in diesem Sinne gemacht, zumal ein derartiger Ausbau der Reichsluftwaffe nicht beabsichtigt ist. Die Meldung des „Daily Telegraph" muß daher als freie Erfindung bezeichnet werden. 16. bis 19. Mai stattfindet. Das Programm der Aus stellung gipfelt darin, deutsche Kleinmaschinen und Fertig waren gegen ausländische Landwirtschaftserzeugnisse und Rohstoffe zu tauschen. Alle in Frage kommenden südost europäischen Staaten einschließlich Polens haben diese An regung mit größtem Interesse ausgenommen und beteili gen sich an dieser Ausstellung. So kann heute schon gesagt werden, daß gerade diese Tauschmesse neue, kräftige An regungen für die Verlagerung unserer Rohstoffbezüge aus dem Südosten Europas an Stelle der bisherigen Waren bezüge aus Übersee geben wird. Südslawien wird vor allem Landwirtschaftserzeugnisse, Rohstoffe, Erze und Holz, Bulgarien Tabak, die Türkei nnd Rumänien eben falls ihre Agrarprodukte zur Ansstelluny bringen. So gut neuerdings die handclspolittschen Verbindun gen mit dem Osten und Südosten geknüpft sind, so schwierig gestalten sie sich mit dem Westen. Frankreich macht unseren Ausfuhrindustrien, wie und wo es nur kann, das Leben schwer. Kein Wunder, daß daher der deutsch-französische Warenverkehr nicht nur von Monat zu Monat, sondern von Woche zu Woche zurückgeht. 1930 be lief sich das deutsche Geschäft mit Frankreich im Monats durchschnitt noch auf 662 Millionen Francs, 1933 waren es 254, 1934 nnr noch 185 Millionen und im März dieses Jahres nur noch 138 Millionen. Dieser auffällige Rück gang ist nicht nur wirtschaftspolitisch bedingt, sondern ist, das ist heute ein offenes Geheimnis, zum großen Teil aus politischen Gründen künstlich geschaffen. Fn Frank reich herrscht neuerdings das Bestreben, alle Daren mit ihrem Ursprungsland zu versehen, nicht etwa, um die Ware für sich werben zu lassen, sondern vielmehr, um die deutsche Ware als deutsche zu kennzeichnen und damit möglichst vom Kauf in Zukunft auszuschalten. Selbst die sranzösische Presse reihte sich in den Kampf gegen Deutsch land ein, indem sie kürzlich in ihren Zeitungen gegen die in Frankreich tätigen Deutschen, teilweise unter Angabe ihrer Namen und Adressen, reichlich durchsichtige Hetz artikel veröffentlichte, die ihren Zweck nicht verfehlten. Auch die Ausfuhrverbote, die für Holz und Textilerzeugnisse, für Aluminium und Bauxit, eine Tonerdemasse, die den Ausgangsstoff für Aluminium darstellt, erlassen wurden und mit Landesschutzmaßnahmen begründet wurden, ent springen nur der Einstellung, Deutschland Schwierigkeiten zu machen. Zu diesen handelspolitischen Schwierigkeiten kommen schließlich noch die währungspolitischen, die die Ausfuhr erschweren. Die Ungewißheit über die Währungen unterbindet von vornherein den Abschluß größerer Waren geschäfte. Wie unsicher heute selbst die reichlich durch Gold gedeckten Währungen der Schweiz nnd Holland sind, geht ans der Tatsache hervor, daß die beiden genannten Länder neuerdings ihre Diskontsätze wieder um ein Prozent erhöht haben, um sich damit gegen die Spekulation zu schützen, die den Währungsstand gefährdet nnd durch Devisenabzüge Mißtrauen geacn die eiaene Währung im eigenen Lande hervorruft.