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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 06.06.1912
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1912-06-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19120606018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1912060601
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1912060601
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1912
-
Monat
1912-06
- Tag 1912-06-06
-
Monat
1912-06
-
Jahr
1912
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MiWger TllgMM l»« Handelszeitung. «-»„k-»,-: l jl46S4 L» j D«p,.Kalse Tnm«.Steinweg L Amtsvkatt des Aales «nd des Votizeiamles der Ltadt Leipzig. «AM Lnzeigen-Prei» »>r Inserat« au, l!«tp,ta und llmg«b,n, di« lsoaltig«P<tit,eile L Pf . di« Reklame teile 1 Mt. von auswär«, ZO Ps, Reklamen U» Mk. Inserat» von Behörden im amt lichen Teil di« Petitt.il« Sv Ps. Teschasr.anzeigen mir Platzoorschristen ,m Preis« «rdöht Rabatt nach Taris. Beiiagegedühr Eelamt- aujiag« ä Mt p. Tausend erkl. P»stg«oühr. Teilbeilag« höher. F«st«rteiltr Aufträge können nicht »«rück» aerogen werden, «zür da. Erscheinen an bestimm,»» Tagen und Plätzen wird keine Garantie übernommen. Anzeigen »Annahme: I»h»n»i,,»ss« st, bei sämtlichen Filial«n u. allen Annoncrn- E»pedrtionen de» In- und Ausland«». Druck und «erlag »,n Fisch«, L Rürft«, Inhaber: Paul Rürst««. R«dattion und G«Ichäst»ft«lle: Iohannirgasse L Haupt-Filiale Dr««d««: Serstra»« 4, l (Telephon 4821). M. 284. los. Zstzrgsng Donnerstag, üen 6. Juni 1912. UV" Unsere gestrige Abendausgabe umsaht 1V Zeitei:, die vorliegende Morgeunummer 18 Zeiten, zusammen 26 Leiten. Vas DicktWe. »In der gestrigen Litzung des ungari schen Abgeordnetenhauses ist es wie der zu Tumulten gekommen. (L. bcs. Art. S. 1.) * In der gestrigen Stadtverordneten- si tzung wurde der Vertrag mit der Garten vorstadt Marienbrunn genehmigt. (S. aus führlichen Ber. Seite 7.) * Auf einem Neubau in der Wettiner Straße in Leipzig wurde der Zimmermann Golschc durch einen he r ab stürzen denBalkentöd- lich verletzt. (S. Leipzig S. 6.) * Da? englische Derby wurde von Mr. W. Raphaels Stute Ta gälte unter Jockey Reiff gewonnen. (S. Sport S. 8.) * Theateranzeigen siehe Seite 16. Der Sttmisltreich in Unimrn. „Um Vaterland und Parlamentarismus zu retten", wie er selbst sagt, hat der neue Prä sident des ungarischen Abgeordnetenhauses, Graf Stefan Tisza, die parlamentarischen Formen vergewaltigt Das war keine Phrase. Diese Formen sind nicht um ihrer selbst willen da, sondern um die ordnungsmäßige Abwicklung der Geschäfte zu fördern, nicht den an der Ver hinderung von Neuerungen interessierten Kreisen Waffen zu liefern. Die Ansichten der Minder heit sollen zu Gehör gelangen, um die Gründe ihrer ablehnenden Haltung bekannt, in seltenen Fällen vielleicht auch die Mehrheit selbst gegen ihre Absichten bedenklich zu machen. Aber ihren Willen gegen den Geist der Verfassung durch den Buchstaben der Geschäftsordnung durch- zuseZen, darauf hat leine Minderheit einen Anspruch. Tisza hat den Buchstaben ge tötet, um jenen Geist wieder lebendig zu machen in Ungarn, und hat nach zwei ver geudeten Jahren endlich das Volksurteil voll streckt, das eine überwältigende Majorität in Ungarns verfassungsrechtlich außerordentlich günstig gestellter Wählerschaft damals über die Misere des alten Parteigetriebes gefällt hatte. Selten ist ein Staatsstreich so gerechtfertigt gewesen, wie der des 4. Juni 1912. Die Opposition hatte sich ja auch nicht einmal den Schein gewahrt, daß sie gegen den eigentlichen Inhalt der Vorlage kämpfe. Wenn jeder Zugehörige ihrer im Wahlkampfe dezimierten Reihen eine sitzung füllende Rede zur Generaldebatte gehalten und dann die Spezialberatung im Plenum oder Ausschuß durch ganze Bündel von Ab änderungs-Anträgen ins Endlose verschleppt hätte, dann war das Obstruktion; aber trotzdem konnte, wer es so nannte, möglichen falls als Beleidiger zur Verantwortung ge zogen werden. Man hat es aber diesmal überhaupt kaum zur sachlichen Besprechung kommen lassen, sondern die Verschleppung in der Art bewirkt, daß Tag für Tag der Ein tritt in die Tagesordnung durch Debatten und Abstimmungen verhindert wurde, die an die Verlesung des Einlaufs geknüpft waren. Es geht die Sage, daß am ersten Beratungs tage, Ende Juli vorigen Jahres, und dann wieder in der Pfingslwoche ein- bis zweimal wirklich über das Rekruten - Kontingent ge sprochen sei; sonst ist in den zusammengerechnet etwa fünf der ersten Lesung gewidmet ge wesenen Monaten überhaupt nicht von ihm die Rede gewesen. Es liegt ja auch ein schlüssiges Indizium vor, daß der Opposition gar nichts an einer Verwerfung der Vorlage gelegen war, daß sie bloß um Machtfragen gekämpft hat: sonst hätte sie nicht wiederholt nicht allein die Ein stellung ihrer Obstruktion, sondern sogar ihre Zustimmung zu den Gesetzen der Regie, rung gegen Bedingungen andieten können. Ihr ganzes Bestreben lief darauf hinaus, mit ein paar neuen Zugeständnissen in der Heeressprachenfraqe vor die Wähler ^reten und sich als die berufensten Vorkämpfer des national-madjarischen Interesses empfehlen zu können. Die Rücksicht auf die Volksstimmung verbot der Opposition sogar den sachlichen Kampf gegen die Reformgesetze. Nicht als ob die schärfere Anspannung der allgemeinen Wehrpflicht in den breiten Volksschichten so sonderlich populär wäre, da weder unmittelbare Kriegsgefahren bestehen, noch Objekte eines Revanchekrieges — die ausgeprägte Nussenseindschaft der Zeit zwischen 1849 und 1877 ist wohl allmählich mit dem damaligen Geschlecht ins Grab gestiegen. Aber die Verkürzung der Dienstzeit auf zwei Jahre macht das Opfer um so mehr wett, als sie den Grund zu ausgebreiteten Neservisten- Einstellungen, um die schwachen Cadres aufzu füllen, aufhebt: war doch die Einschränkung dieses Kronrechtes ein besonders eifrig erstrebtes Douceur, das sich die Kossuthianer für ihre Waffenstreckung zahlen lassen wollten! Und die Reformen im Mi litärproze ß mit ihrer ausgedehnten Zulassung der Landessprache sind auch kein zu verachtender Bissen. Dazu kommt, daß erst die Erledigung der Heeresfragen die Bahn für die Wahl re form wirklich sreimachen wird, an der der Bevölkerung unendlich mehr liegt als den Parteien, die sie zum Schacher objekte mißbrauchen wollten. Es scheint seit längerem bei den Oppositions- Parteien die Erkenntnis gedämmert zu haben, daß man den Widerstand nicht zu weit treiben dürfe. Sowohl bei der Erwählung Tiszas zum Präsidenten, dessen Absichten man kannte, als bei der entscheidenden Sitzung, in der er inmitten eines großen Lärmes plötzlich durch die um seinen Sitz gescharte Arbeits partei die S ch l u ß a b st i m m u n g vornehmen ließ, hat das Wldertoben der Gegner einen krampfhaften Eindruck der Kampf müdigkeit und sich in das Unabänderliche fügenden Gebrochenheit gemacht. Vor Jahren hatte Tisza schon einmal dasselbe Stückchen auf geführt, als er in einem ähnlichen Lärm eine revidierte Geschäftsordnung für angenommen erklärte, ohne daß die weiter ab sitzende Oppo sition seine Abstimmungs-Aufforderung ver nommen hätte. Damals aber erzwangen diese, sobald ihnen der Vorgang zum Bewußtsein ge kommen war, die Aufhebung der Tagung und ruhten nicht eher, als bis die Krone auf den erschlichenen Beschluß verzichtet hatte. Diesmal sind auch Beschwerden an die Magnaten tafel und die Krone abgesandt. Aber über ihren Erfolg gibt man sich keiner Täuschung hin. Die Verbesserung der Geschäfts ordnung war nur ein Mittel zur leichteren Erledigung von Staatsnotwendigkeiten auf parlamentarischem Wege; die Wehrgesetze sind selbst die allergrößten Staatsnotwendigkeiten. Diese schwer genug errungene Beute läßt die Negierung gewiß nicht wieder aus den Händen fallen. Hoffentlich ist nunmehr Ungarns schwerste Krisis überwunden. Die an sich auch dringend nötige Reform der Hausordnung läßt sich durch eine geschickte Politik vielleicht mit Zugeständ nissen in der Wahlfrage verkuppeln. Dann würde der Weg frei, bis zum neuen Aus gleiche von 1918! Neue Sksnüsllzenen im ungarischen Nbgeorünetentisule. Pest, 6. Juni. Auf der Tagesordnung der heutigen Sitzung des Abgeordnetenhauses stand die Beratung der Milrtär- strafprozeßordnung. Der Beginn der Sitzung war aus >;io Uhr anberaumt. Die Zugänge zum Parla ment waren von Gendarmerieabteilungen und Poli zisten besetzt. Als Graf Tisza im Sitzungssaal erschien, brachen neuerdings Sturmszenen aus, und er wurde mit einer Flut von Beschimpfungen und Ver wünschungen empfangen. „Rufen Sie die Polizei herbei", wurde ihm entgegengerufen. Dabei herrschte ein entsetzliches Lärmen. Toben, Stampfen und Zischen. Es wurden die verschieden sten Lärminstrumentc angewendet. Graf Tisza ließ sich mit eiserner Ruhe auf dem Präsidentenstuhl nieder, machte einige Aufzeich nungen und suspendierte unter großem Lärm die Sitzung. Die Abgeordneten sowohl der Regierungspartei als auch der Opposition blieben auch während der Pause im Sitzungssaal, wobei sich ein leidenschaft licher Wortwechsel entspann. Gegen den Schluß der Pause entfernten sich die Abgeordneten der Regierungspartei aus dem Sitzungssaal: Polizisten betraten den Saal und entfernten 88 Ab geordnete der Opposition au« dem Hause. Die Abgeordneten wurden in zwei Gruppen aus dem Hause geführt. Als erster wurde Graf Michael Karolyi entfernt, der gegen die Polizisten Tätlich keiten verübte: es f-'lgte der Sohn des Parteiführers I u st h. Graf Apponyi rief: Ich identifiziere mich mit meinen Kollegen, führen Sie mich auch heraus. Der Polizeikommissar antwortete: Dazu habe ich keine Weisung. Es wurden verschiedene Abgeordnete hinausge führt, weil sie mit L ä: m i n st r u m e n t e n die Verhandlung störten. Der Quästor Angy al überreichte dem Polizei kommissar eine Liste der Abgeordneten. Zwischen den Polizisten und den einzelnen Abgeordneten ent spann sich ein kurzer Wortwechsel. Als die Abgeordneten sich weigerten, der Aufforderung zu folgen, legte der Polizeikommissar den Abgeordneten die Hand auf die Schulter, worauf die Abgeordneten von zwei Polizisten geleitet wurden und sich herausführcn ließen. Hierauf ver suchte Graf Tisza neuerdings, das Präsidium zu übernehmen. Als die Lärmszencn sich wiederholten, wurde eine neue Liste der zu entfernenden Abgeordneten angefertigt. Die meisten der Abgeordneten sind Mit glieder der Iusth-Partei; doch befanden sich darunter auch Mitglieder der Kossuth - und der Volks- Partei. Ucber 66 der ausgeschlossenen Abgeord neten wird der Immunitätsausschuß wegen Verletzung der Hausordnung und der Freiheit der Beratung auch eine parlamentarische Strafe ver hängen. Nachdem die Ausschließung vollzogen war, erschien Graf Tisza neuerdings auf der Präsidentencstrade, wo er abermals mit ungeheurem Lärm emp fangen wurde. Sämtliche oppositionellen Abgeord- ncte verließen hierauf den Saal. Zwei Oppo sitionelle, die beim Hinausgange mit Pfeifen einen Höllenlärm verursachten, wurden wegen reni tenten Benehmens an den Ausschuß verwiesen. Präsident Graf Tisza verlas hierauf das Urteil des Zmmunitätsausschusses, durch das der Abg. Julius Iusth wegen der gestern verübten Widersetzlichkeit gegen den Präsidenten und Störung der Beratung im Rückfalle zur Ausschließung von 15 Sitzungen verurteilt wird, die Abgg. Bitady, Folinyi, Eit n er und Lovaszy von 10 Sitzungen ausgeschlossen und die übrigen 31 Abgeordneten zur Abbitte verurteilt werden. Darauf ging das Haus zur Beratung der Militär- strasprozeßordnung über. Die Wehrvorlagcu und des Maguatenhaus. Wie die „Neue Freie P esse" aus Pest meldet, hat das Maguatenhaus die Beratung der Wehrreform bis zu deren Erledigung durch das öster reichische Parlament verschoben. Die Beratung des Rekrutengesetzes für Ungarn ist ebenfalls zurück gestellt worden. Gelterreichilch - üeutsthe Bestellungen. Von Dr. Albrecht W i r t h - München. England ist mir Nordamerika durch die mannigfachsten Bunde verknüpft. Die Sprache ist dieselbe. In der Gesetzgebung wird das englische Muster zugrunde gelegr, dergestalt, daß englische Präsiden,)iollc aus dein 16. Jahrhundert noch für Panteerichter maßgebend sein rönnen. In An schauungen, Sitten und Lebcnsgebaruuzen ergeben sich viele Bccüyrunge». Auf religiösem Gebiet treffen sich die Presbyterianer und die Katholiken beider Länder. Am gleichmäßigsten sind aus beiden Seiten des Atlantischen Ozeans sic Arbeiter. Zu Zehntausendcn gehen alljährlich britische Arbeiter über den Ozean, um im Herbst mit wohlgefüllter Tasche dir Vereinigten Staaten wieder zu verlassen. Sozialistische Agitatoren stehen ebenso im Austausch miteinander, wie oic Prosißoren. Die oberen Zehn tausend bei den Pankees ahmen Aussprache uns Ledcnsgewohnheiten des cnglstchen Adels nach. Der kaufmännische und technische Betrieb ist hüben nicht sehr verschieden non drüben. Bor allem aber findet das englische Schrifttum überaus eifrige Leser in der ganzen Union, und umgekehrt wird Mark Twain und Emerson in Großbritannien gern ausgenommen. Dagegen rrennt der Ozean und die völlig abweichende geschichtliche Entwicklung. Aehnlich ist Deutschland mit Oesterreich durch vielfache und enge Beziehungen verbunden. Diese sind jedoch nicht so umfassend, wie bei den zwei angelfächjifchen Staaten. Erstlich erstrecken sicl' die Beziehungen bloß aus die Deutschen, die von der Bevölkerung des Douaustaates nur ein Viertel ausmachen. Bei den Ungarn uno Polen licn man nicht viel deutsche Bücher, und auch dort, wn solche Eingang finden, bei dem Tschechen, Slowenen und Italienern, ist man kcinesivegs deutschfreundlich gesinnt. Sodann fft der sprachliche Unter schied Zwischen Engländern und Panlees, selbst denen von Iowah, wo der Dialekt schon ins In dianermäßige verfällt, und Arizona geringer als zwischen einem Holzknccht aus Kärnten und einem Slipper von Apenrade. Auch in A u s ch a n u n g e n und in der Lebensführung dürste eine tiefere »lüft zwischen Oesterreichern und Norddeutschen walten, als zwischen Engländer» und Amerikanern innerhalb derselben Klassen. Trotzdem ist die V c r k n ü p f u n g der beiden mitteleuropäischen Staaten inniger als die der großen angelsächsische» Gemeinwesen ani Atlantisckfen Ozean. Ter gegenseitige Besuch ist unvergleichlich reger. Ganz abgesehen von dem Touristenverkehr, der den amerikanischen Verkehr in Großbritannien unendlich übersteigt, geschweige denn den englischen in Amerika, werden alljährlich zahlreiche Kongresse abgehalten, durch die entweder österreichische Fachgenosscn aus deutschen Boden, oder Reichsdeutsche nach Oesterreich gezogen werden. Auch auf politischem Gebiete fehlt cL nicht an Fäden, die herüber und hinüber gehen. Ter So zialistensührer Perncrstorfer ist auch bei uns durch Bortragsrcisen gut bekannt, Schriften und Reden der Alldeutschen Oesterreichs wecken bei uns Wider hall. Besonders häufig aber besuchen sich gegen seitig die Lhristlicl>»Sozialen und die ZentrumS- männer. Ter konservative Grundbesitz ist durch Zwischenheirat in beiden Ländern verbunden. Die einzige Partei, die so gut Ivie keine Fühlung bei nn-Z hat, ist die liberale, dafür werden Dichter und Künstler Wiens in Berlin gut ausgenommen, wie umgekehrt das reichsdenlschc Schrifttum in Oesterreich starken Absatz findet. Alles das wäre aber nocl» nicht geeignet, eine größere Innigkeit dec Wechselwirkungen, ein klcbcrgewicht über die eng- liscl>ainerikanischcn Beziehungen zu erweisen. Ten Ausschlag gibt erst die Verwandtschaft der T h n a sl i e n und die merkwürdige Rolle, die der Hochadel spielt. Kaum eine Woche vergeht, ohne daß ein Wittelsback>cr zur Jagd oder sonst zu einem Besuch nach Wien oder dem Gute eines Erzherzogs reiste. Dazu erwäge inan die Stellung, die das wclsische und das sächsische Königshaus bei den Habsburger« einnehmcn. Ten regierenden Familien folgen die nicht souveränen Fürsten. Der Herzog von kljest hat ausgedehnten Besitz in Böhmen uni» Ungarn, und fühlt so stark österreichisch, daß er sogar dem madjarischcn Schulverein eine Spende zulvandtc. Der Fürst von Thur» und Taxis und der Fürst Loclvcnstein-Wcrtksiiin-Freudcnberg haben große Interessen in beiden Neichen. Die bedeutsamst« Rolle aber spielt der Fürst Fürstenberg. Er ist Mitglied des österreichischen, des badischen und des preußischen Herrenhauses und ist ein Vermittler zwischen den Kaisern beider Reiche. Endlich die kontinentale Stellung! An und für sich ist Landverbindung durchaus nicht der Scctrennung überlegen. England und Kanada stehen sich näher als Schweden und Norwegen, ass Rumänien und Rußland, heißt es doch schon in der Frithjofssage: Weit ist's zum Feind, wenn auch gegenüber sein Haus, und nah zum Freund, wenn er auch drei Tagereisen entfernt wohnt! Das nahe Frankreich kauft weniger deutsche Bücher als das ferne Japan. In unserem Fall jedoch handelt es sich um den Gegensatz zwischen ozeanischen und kontinentalen Interessen. Die Ziele Amerikas sind ganz wesentlich von denen Englands verschieden, laufen ihnen häufig unmittelbar zuwider; die mittel» europäischen Ziele, insofern sie in dem Bündnis von Deutschland und Oesterreich verkörpert sind, saufen einander gleich. Bei der Belagerung Wiens durch die Türken kam es vor, daß ein Soldat, dem der linke Arm abgehauen war, sich neben einen: Kameraden auspflanzte, der den rechten Arm ver» loren; beide vereint hielten dann mit Erfolg den Feind ab, mit je einem Anne wciterfcchtend. Aehn» lich 'hat Deutschland die Ausgabe iibernoinmen, nach Westen Wache zu stehen, Oesterreich aber, nach Osten das Deutschtum zu schützen. Ta? einzige Gebiet, auf dem eine Zwiespältigkeit der Ziele eintreten könnte, ist die Türkei. Frankreichs Marokkoopker. sVon unserem Pariser Mitarbeiter.) Paris, 4. Juni. Was die marokkanischen Kämpfe Frankreich an Leuten kosten, erfährt man nicht aus den offiziellen Berichten, wohl aber allmählich aus Privatmeldungen. Man kann danach berechnen, daß die Franzoien bei den Gefechten rings um Fez und am Muluyafluß zusammen etwa IW Tote uno 200—300 Verwundete hatten. In der Nacht vom 25. zum 26. Mai betrugen die Verluste in Fez 42 Tote und 85 Verwundete; bei dem Ausfall des Obersten Gauraud am 1. Juni gab es wieder 12 Tote und 31 Verwundete: bei den An griffen an den Zwischentagen auf Fez und Sefru ging es auch nicht ohne Opfer ab. Was am Muluya vorging, wo General Girardot langsam den Vor marsch auf Taza vorbereitet (Lyautcy soll ihm mittels Funkentelcgramms befohlen haben,nach Msun vorzurücien, das nur noch 35 km von Taza entfernt liegt), erfährt man aus einem vom „Temps" ver- öffentlichren Bries eines Offiziers aus dem Gefolge Girardots „Genera! Girardot setzte sich mit seinen Truppen in Fritisfa fest, südlich von der ungeheuren Tasrataebene. Eine reiche Quelle liefert den 4000 Mann der Kolonne sowie den Pferden frisches Wasser. Fünf englisch? Meilen südwestwärts dehnt sich in Trapezsorm das zerrissene und duntle Gebirge von Debdu aus, über 100l> m hoch, während süd östlich die ferne und schneebedeckte Gebirgsmasse des mittleren Atlasses in der Sonne glänzt. Dort ist das unangetastete Gebiet der wilden Veni-llarain und anderer Berberitämmc. Die seltenen Versuche, in die steilen Berge vorzndringen, mahnen an schauer liche Erinnerungen: an die Aluanaschlucht, wo Haupt mann Labordette und LG Legionäre vor Jahresfrist fielen, an das Tai der Beni Riis, das zum Grab Major Roumens wurde, an den Paß Kebibicha, wo man 0 Tirailleurs zuriicllassen mußte, tot oder lebendig. Diese Tapfer» wurden noch nicht gerächt. Mehr noch» der Feind, der nach jedem Treffen Herr des Terrains bleibt, schrieb sich den Sieg zu. Seine Unverschämtheit wurde jo groß, daß er aus seinen Schlupfwinkeln herabstieg und uns in der Ebene angrifi. Am 1!«. Marz, als Oberst Färaud an der Spitze von 1500 Mann sein Lager von Merada abbrach, warfen sich die Beni-Uarain aus die Nachhut, die sich mit dem Bajonnet Durchhauen mußte. 28 Tote und 60 Verwundete auf unserer Seite bekunden, wie heftig der Kamps war. Vor einer Woche, in der Nacht vom 15. zuni 16 Mai versuchte in Merada selbst ein kühner Dichich die Rinderherde des Postens wegzuführen; sieben der Räuber blieben im Stachel drahtgehege hängen. aber 18 Ochsen verschwanden. Schade um die 'Vereinzelten oder die kleinen Patrouillen, die sich aus den Verschanzungen ent fernen! Spahis und Goumiers wissen davon zu er zählen. Am Ist. Mai wurde General Girardot mit seinem gesamten Korps auf einem Streifzug. 5 Km von Guercif, heftig von 3t)0 — 400 Reitern ange griffen: nur die Kanonen vermochten sic in die Flucht zu schlauen, nach mehrstündigem Gcwebrseuer und Bajonnetkämpsen. Wir dürfen nicht in die Man beachte auch die Inserate in ber Aben--A«Sgabe.
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