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Dresdner Journal : 28.03.1882
- Erscheinungsdatum
- 1882-03-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188203288
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18820328
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18820328
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1882
-
Monat
1882-03
- Tag 1882-03-28
-
Monat
1882-03
-
Jahr
1882
- Titel
- Dresdner Journal : 28.03.1882
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W 72 Dienstag den 28. März. 1882. ^baoueiutnt^pret»: Im 8^»"» 4»ot»ck,» : ÜLdrlicl»: .... IS -sark. ^Mkrlied: 4 Usrlc b0 ?f. kinr«Ins Xvmmsro: I0?f. <i<>» äeotieken lteicbe» tritt I'oit- uott 8tomp»lrn,cklatx biaru. ln»c>r»tei>pr»>l8<>r k'ür «len k»»m pjoer ^-p-tttenen ?vtitreile 2V ?5 l-nter <Iie 2sile bi) kf. L^i l'itbellen- uvä 2iNsr»«»tr SO H >u5scbls^. DresiUMZollmal. Verantwortliche Redaction: Oberredicteur Rudolf Günther in Dresden. krselx-tneo: l^txlicd mit Xn-nsbme 6sr 8oon unä ksierts^a ^dentt, für üsu fol^vaüeo H. ^ranri«tetter, Oomwiiiontr üs« l>re«iner ^ourn»I»; S»wdviH V«rli»-Vi,i> l.«lp»i^L»,«iv-«-i»v?r»»kfurt ». » : , »«rUll-Viii» S»mknrx. kr»»s-I.«ip»ix rr-nilkur» ». H. Ukorti»»: /?„</ .V.- L«rU»: I»rakitir«ci«»itSrsmvQ: 8c^/ottr, vr«»I»a: /. , Lurenu /fvbat^),' kr»ollkurt » A : F? karger'»otie UnciiÜLNüIun^; üdrU'i: 6. ^/üN«r,' N»nvov«r: <7. §c/n«^irr, k,rt, L«rlto » N- Slut>b*" Daudet Oo., 8»wdllrx: llvr,n«xed«rr Lüoial. klrpeäition äs» l>r8,üoer 7nurn»I», Dresüeo, Lviaxentr»»»« klo. LV. Ämtlicher Lhei!. Se. Majestät der König haben Allergnädigst ge ruht, dem RegierungSossesior von Löben bei der Amtshaupimannscha t zu Leipzig daS Dienstprädicat als RegierungSrath zu verleihen und den Bezirks assessor l)r. Hape bei derselben Amt-Hauptmannschaft zum Regierung-asiesior zu ernennen. Bekanntmachung. Mit Genehmigung des Königlichen Finanz-Mini steriums wird vom l. April dieses Jahres ab daS Nebenzollamt I. El. in Neustadt b. St. aufgehoben und daselbst nur noch ein Untersteueramt fortbe- stehen. Auch wird vom gleichen Zeitpunkt ab der Aniageposten LüngburkerSdorf eingezogen und dem dasigen Nebenzollamte II. El. die Befugmß zur Ab fertigung von Leinenzwirn der Nr. 22c. deS Zolltarifs in Mengen b.S zu je 50 kg beigelegt. Dresden, den 27. März 1882. Königliche Zoll- und Steuer-Direction. Zenker. Wenzel. nichtamtlicher Theil. Uebersicht: Telegraphische Nachrichten. Zeitungsschau. (Russischer Invalid. Aftonblad. Rus sische St. P IcrSburger Zeitung. Nedelja. Golo» ) Tagesgrschichte. (Dresden. Berlin. München. Wien. Buda-P» st. Pacis. Bern. Rom. London. Belgrad. Bukarest. Konstantinopel. Washington.) Ernenuungeu, Versetzungen re. im östeutl. Dienste. Dresdner Nachrichten. ftkuilleton. TageSkaleuder. Inserate. Beilage. Dresdner Nachrichten. Provinzialnacdrichten. Vermischtes. Telegraphische Nachrichten. Wien, Sonntag, 26. Mär», AbendS. (W T B.) Der Großfürst Wladimir von Rußland empfing bald nach seiner beute Nachmittag erfolgten Ankunft (vgl. die „TageSqesch.chte*) dir Besuche der hier an wesenden Erzherzoge. Nachmittags unternahm der Kaiser mit dem Großfürsten in offener Hof- equipage eine Spazierfahrt in den Prater. Nach der Rückkehr stattete der Großfürst den Erz herzogen seinen Gegenbesuch ab. Abend» 6 Ubr fand Diner in der Hofburg Statt, an welchem der Kaiser uud die Kaiserin, der Großfürst und dir Großfürstin, die Erzherzoge, die Erzherzogin- nen, der Herzog v. Cumberland nebst Gemahlin nnd der Herzog von Nassau Theil nahmen. Pari», Sonntag» 26. März» AbeudS. (W. T. B.) Bei der heutigen Nachwahl zum Senat wurde in Koir der Republikaner Krszoul, in Mon tauban der Legitimist Drldreil gewählt. Depes^en au» Cherbourg und Havre melden von einem großen Sturm in Havre. Ein Ret tungsboot, welche» zur Rettung einer Sloop ans- lief, kenterte. Dit Bemannuvg des Rettungsbootes sowohl wie der Sloop, im Ganzen IS Mann, ertranken. Laut Nachrichten vom Senegal ist der fran zösische Posten in Sedhiou, welcher von aufständischen Stämmen blokirt war, am 25. vor. MtS. entsetzt, nnd find die unbotmäßigen Dörfer besetzt, sowie die Eingeborenen streng gezüchtigt worben. Unsere Verluste werden auf 3 Todte und 17 Verwundete angegeben. Dresden, 27. März. In Rußland ist von Seiten der kaiserlichen Familie der Geburtstag deS Kaisers Wilhelm in ebenso festlicher und herzlicher Weise wie in frühe ren Jahren gefeiert worden. Es verdient gerade in der jetzigen Zeit besondere Erwähnung, daß die Groß fürstin Konstantin, Alexandra Josesowna, jenen Ge- burl-tag in ostensibler Weise feierte durch ein Diner, welche» sie zur Borfeier de» TageS in den prachtvollen Räumen deS St. Petersburger Marmorpalai» gab. In Garschina fand zufällig an diesem Tage eine jener Besichtigungen auf dem Uebungimarsch begriffener Truppentheile Statt, welcher, wie gewöhnlich, der General- lreutenant v. Werder als einziger der ausländischen Militärbevollmächtigten beiwohnte. Nach Schluß der Besichtigung waren alle Offiziere, welche bei der Be sichtigung in der Front gestanden hatten, zum Frühstück bei Ihren Majestäten befohlen, und hier bereits ergriff der Kaiser die Gelegenheit, um, nachdem er den General v. Werder zu sich herangewinkt, mit weithin schallender Stimme daSWohl deS Kaiser-Wilhelm auszubrlngen. Mit aufrichtiger Begeisterung fielen die zahlreichen Anwesenden m daS dem Toast folgende Hurrah ein, und alle, selbst dem GeneralUeutenaot v. Werder nicht persönlich bekannte Offiziere drängten sich zu Jenem, um mit ihm auf da» Wohl deS Kaisers Wilhelm an zustoßen Der gestern erschienene „Russische In valide* berichtet über diesen Toast deS Kaisers bei dem Frühstück mit den Offizieren und sagt: Gegen daS Ende de» Frühstück» erhob sich der Kaiser und brachte einen Toast auf Kaiser Wilhelm aus. Der selbe endigte in einem lauten Hurrah, woraus ein brausendes Hurrah aller Anwesenden den Saal erfüllte. Die Musik mtomrte die deutsche Nationalhymne. Der „Invalide* fährt sodann wörtlich fort: „Mit dem Namen deS Deutschen Kaiser» verbindet jeder wahre Russe den Begriff jener engsten und aufrichtigsten Freundschaft mit unserm unvergeßlichen Zarbefreier, einer Freund schaft, nicht nur befestigt durch persönliche Gefühle, sondern durch die tiefe Erkenntniß, daß sie die Basis der Interessen der befreundeten Reiche ist. Die russischen Truppen haben sich stet» der wohlwol lenden und theilnehmenden Aufmerksamkeit de» Kaisers Wilhelm erfreut; der 22. März gab einen neuen Beweis dafür, daß die Freundschaft zwischen den Nachbarreichen fortdauern wird. Die so herzliche und so enthusiastische Antwort der Offiziere aus den Toast unseres Kaiser» dient al» klarster Beweis für die Gefühle, welche inmitten unserer Armee herrschen.* Bei der am Nachmittage folgenden Galalafel nahmen außer der gesammten kaiserlichen Familie Theil: der deutiche Bvtschafter nebst Gemahlin, Geuerallieutenant v. Werder, die sonst.gen Mitglieder der deutschen Bot schaft, der frühere Minister de» kaiserlicheu Hause», Graf Adlerberg nebst Gemahlin, sein Nachfolger, Graf Woronzow-Daschkow nebst Gemahlin, StaatSsecretär v. Gier» und Generaladjutant Wojcjkow. Der Kaller und die Großfürsten trugen die Uniformen ihrer preu ßischen Regimenter mit dem Bande deS schwarzen Adlerorden-, diejenigen, welche am Kriege theilgenom men, den Orden pour Is merite. Der Kaiser saß zwischen der Großfürstin Michael, Olga Feodorowna, und der Gemahlin deS deutschen Botschafter», die Kaiserin zwischen dem Großsürstrn Nikolaus und dem General v. Schweinitz. Während der Tafel erhob sich der Kaiser und sprach in französischer Sprache: „Ich trinkt auf da» Wohl deS Deutschen Kaiser-, meine- besten Freundes und Verbündeten; möge Gott sein Leben noch lange erhalten, zum Segen feiner Unter- thanen und zur Erhaltung der Ruhe und de» Frie den- von Europa!* E» läßt sich wohl nicht leugnen, daß diese wenigen Worte in der jetzigen Zett von der höchsten Bedeutung sind und alle die langen, schwülsti gen, panslawistischen Reden von St. Petersburg, Paris und Warschau in ihr erbärmliches Nicht» zurück finken lassen. In den maßgebenden militärischen Kreisen Ruß land« verhehlt man sich denn auch nicht, daß do» Zarenreich in einem Kampfe gegen Deutschland und Oesterreich allein stehen und nicht nur an der Türkei, sondern auch an Schweden natürliche Feinde haben würde. Der Hinwe>» auf die Haltung diese» skandi navischen SiaateS erscheint von besonderer Wichtigkeit für die baltischen Provinzen, gegen deren Be wohner deutscher Abkunft sich vor Allem der Haß der Panslawisten richtet. Der St. Petersburger Corre- spondent de- Stockholmer „Aftonblad*, welcher der schwedischen Diplomatie angehört, behandelt in einem Briefe eingehend die Stimmung, welche in Rußland Deutschland und den Deutschen gegenüber herrscht. Er erörtert speciell die Aufnahme, welche die Mani festationen Skobelew'S, der mit der nunmehrigen Be rufung an die Spitze einer Commission behufs der administrativen Reorganisation Turkestan- bei seinen eine- Attila würdigen Principien vielleicht ganz an den rechten Platz gestellt sein mag, in russischen VolkS- krrisen gefunden haben. „Er ist unmöglich* — schreibt der Gewährsmann deS der schwedischen Regierung nahestehenden politischen Blattes — „sich darüber zu täuschen, daß eine sehr große Majorität deS russischen Volkes mir einem „Schauder innern Wohlbehagens* den General Skobelew seinen Handschuh gegen Deutsch land und die Deutschen schleudern sah. Seine Worte waren geradezu jeden» Russen aus der Seele gesprochen, und eS war klar, daß auch Diejenigen, welche ernst lich eine Manifestation bedauerten, die sie als unpo litisch bezeichneten, von Herzen mit dem in der selben auSderücklen Gedanken sympathrsirten. ES besteht — ich will nicht sagen, zwischen Germanen und Slawen — sondern zwischen Deutschen und Russen ein tief eingewurzelter Antagonismus. Der Deutsche ist in der Regel ein besonder- nützlicher und pflichtgetreuer Staatsbürger, und wo er sich nitderläßt, leistet er durch seine ArbeitSsamkett, seinen nüchternen Verstand und seinen Ordnungssinn gute Dienste. Diese seine guten Eigenschaften offen bart er aber mit einem allzu überlegenen Celbstbe- wußtsein gegenüber der unpraktischen Gutherzigkeit und dem Leichtsinn, durch welche die Russen so leicht in Abhängigkeit von ihm gerathen. Auf diese Weise sind die Deutschen trotz ihrer unbestrittenen Verdienste um Rußlands Handel, Ackerbau und Industrie und trotz ihrer Biederkeit und Loyalität, dahin gekommen, daß sie ungefähr betrachtet werden wie ein tüchllger, aber strenger Lehrer von seinen Schülern, oder ein egoisti scher Fabrikbesitzer von seinen Arbeitern betrachtet wird. Herzliche Verbindungen entstehen nicht und können nicht entstehen; im Gegentheil wächst mit der zunehmenden Berührung der gegenseitige Widerwille, und während in anderen Ländern die Deut schen so schnell mit der Bevölkerung verwachsen, daß sie schon in zweiter Generation ebenso gute Engländer, Franzosen oder Amerikaner zu sein pflegen wie diese, erhält sich »n Rußland das deutsche Element in gleich strenger Abgeschiedenheit wie da» mosaische, dessen Jm- popularttät eL rheilt. Die Jmpopularttät ist um so größer, al- man Jahrhunderte gewohnt gewesen ist, die administrative Tüchtigkeit der Teuijchen m den höchsten StaatSstellen und den höchsten Commondo- stellen der Armee verwendet zu sehen, in denen sie unleugbar gewissenhafter und besser ihre» Amie gewaltet haben, al» die eigenen Söhne de» Lande-, aber andererseits selbstverständlich nicht daS Verständniß sür da« eigenthümliche Bedürf- niß nationaler Gebräuche, oder da» Interesse sür die Entwickelung dieser Gebräuche in deren natürlicher Richtung haben, welche man nur bei Männern erwarten kann, die aus den eigenen Gliedern der Nation hervorge- gangen sind. Die deutsche Intelligenz »st vor allen Dingen systematitch und dogmatisirend, und sie hat der russischen BerwaltungSmaschine, welche sie geschaffen hat, Einige» von ihrer Steifheit aufgedrückt, die die selbe wenig geeignet macht, sich den Forderungen de» Volksleben» anzupassen. Obgleich wir Fremdlinge im Allgemeinen geneigt sind, un» auf die Seite der Deutschen gegen die Russen zu stellen, deren StaatS- weiShett un» nicht ohne Grund sehr zweifelhaft er scheint, müssen mir doch zugeben, daß die Slawophilen nicht ganz Unrecht haben, wenn sie m dem fremden Ursprung dc» VerwaltungLsystemS eine der Ursachen deS geringen Einflusses der Organe deSselbrn auf die Massen und de» scharfen Gegensatzes zwischen Regie rung und Bolt erblicken, der in neueren Zetten eine so grelle Beleuchtung durch jene wiederholten Explo sionen einer nahenden Revolution gefunden hat.* Jedenfalls steht in geradem Gegensatz zu der schimmernden Erscheinung der russischen Aristokratie deren politische Bedeutung: der Adel bedeutet wenig mehr, als Null. Er regiert, aber er hat keinen Ein fluß. Seit dem Decemberaufstand de- Jahre» 1825 zu einer HöfttngSaristokratle heruntergedrückt, durch da- Erwachen deS jungrussischen Slawenbewußtsein» auf die Sette der Nation geschoben, durch die Bauern- emancipation der Macht und deS überwältigendcn ReichthumS beraubt, ohne solide Wurzeln »n der abendländischen Cultur, ohne ein gemeinsame« ideale» Band, lebt der russische Adel im Glanze de« Throne», wärmt sich in der behaglichen Temperatur der hohen StaatSämter, äußerlich (gesellschaftlich und dienstlich) vereint, aber im Grunde vereinzelt, Jeder seine Familien- interessen verfolgend. Auf diefem Umstande basiren denn auch wesentlicher die Jeremiaden der panslawisti schen Presse. Bor Kurzem brachte die russische „St. Petersburger Zeitung* einen höchst gehäs sigen Artikel: „Der Deutsche kommt!* In diesem Ar tikel wurde der „Deutsche* im Allgemeinen al» Schleicher und Intrigant charakterisirt und alle Uebel, an denen Rußland leidet, gleichsam al» von den Deutschen verschuldet dargestellt. Auch wurde bitter beklagt, wie sich, in ollen Sphären deS russischen StaatSlebenS „Deutsche*, d. h. russische Landsleute mit deutschen Namen, vorfinden. — In einem po lemischen Artikel der Zeitung „Nowoje Wremja* heißt eS u. A.: In der Hofsphäre und m der Diplo matie haben die Deutschen immer da» Ucbergewicht gehabt von Ostermann an bi» auf Nesselrode herab. Und im Militär sind die Ideen eine» Friedrich deS Großen bis in daS 19. Jahrhundert die maßgebenden gewesen und ihre Vertreter waren Deutsche. Selbst in unserm Jahrhundert standen noch gar ausländische Deutsche, wie Bennigsen und Diebttsch, an der Spitze der russischen Arme und im Stabe Barclay de Tolly^S fuchte Jermolow vergeblich Jemand, der Russisch ver standen hätte . . . Auch auf dem Gebiete der Lwilver- waltung haben die Deulschen alle Zeit eine Menge wichtiger Posten in ihren Händen gehabt, ja ganze Ressorts. Man hält un» vielleicht entgegen, daßs die Deutschen uns einen Grafen SieverS, einen Grafen Cancrin geliefert hätten? Ja, allerdings; aber auch die Grafen Kleinmichel, Denkendorf, Berg u. A. . . . Und wem, wenn nicht den Deutschen, verdankt unsere Bureaulratie die traurige Ansicht, daß da» Volk eine grobe Masse fei, au» der man machen könne, wa» man wolle?* Weiter führt die „Nowoje Wremja* ihre Leser durch Feuilleton. Nedigitt von Otto Bauet. L. Hoftheater. — Altstadt. — Sonntag den 26. März zum ersten Male „Da- Käthchen vou Heil bronn*, romantische Oper in 4 Acten, frei nach Kleist'» Schauspiel von Heinrich Bulthaupt, Musik von Karl Reinthaler. Diele Oper wurde vor mehreren Jahren infolge de» Frankfurter PreiSauS- schlelbenS (unter 33 emgegangemn Opern) von den Preisrichtern, welche sich die» Mal erfreulicher Weise nicht irrten, durch den ersten Preis ausgezeichnet. Der Texidichter hat in seiner freien Bearbeitung de» Slefft'- schen Schauspiels die dramatische Bewegung und Mo- twirung, die mittelalterliche Zeltschttderung, auch na- mmtlich die Charakteristik der Kunigunde sehr ab- geschwächt, und daS sentimental lyrisch» Element deS Stoffes überwiegend hervorgehoben, wodurch natürlich auch der Musik weniger eine dramatisch kräftige, als eine schwärmerisch lyrische Färbung und Stimmung-- malere» — der sogar Graf Wetter vom Strahl ver fällt — vorgezeichnet wurde. Aber hiervon abgesehen, ist der Text mit ungewöhnlichem Geschick gewählt und geschmackvoll in der Sprach« und bühnenkundig ver faßt. Ein Vorzug desselben ist, daß daS erste Zu sammentreffen der beiden Hauptfiguren nicht erzählt, sondern un- vor Augen geführt wird und de- Käth chen störende kaiserlichej Abstammung ausgegeben ist. Die wesentllchen Abweichungen vom Schauipiel, durch welche sich auch da» Verhältniß zwischen Käihchen und dem Grafeu etwa» ander» gestaltet, versprechen übrigen« den Vortheil, daß das immer noch rege Interesse des PublicumS für Kleist'» Dichtung durch die Oper keine Einbuße erleiden w»rd. Reinthaler, der in feiner Richtung der ältern musikalifchen Schule angehört, hat in seiner Musik sein bedeutende» und künstlerisch durchgebildete» Talent m liebenswürdiger und sympathischen sprechender Weise be währt. Er erweist sich — wenn auch nicht abweisend gegen zeitgemäß herrschende Einflüsse und Anklänge — in achtbarer Art geistig selbstständig. Seine Erfindung ist melodiereich und natürlich und sucht nie einen Mangel an Originalität und Tiefe durch Trivialität oder gesuchte Effecte zu ersetzen; nicht blo» in den überwiegenden lyrischen Stellen erhebt sich sein Aus druck oft poetisch fesselnd und mit wahrem, warmen Gefühl, sondern auch dramatisch bewegte Sceven, wie am Schluß deS zweiten Acres und mehrfach im dritten, bieten eine wirkungsvolle, gedankliche Steigerung und Gestaltung. Die Instrumentation ist fein, oft sehr stimmungsvoll und mklodljch im Colorit, und musika lisch tüchtig ausgearbeitet. Nur im ersten Act ist die Instrumentation zu lärmend gehalten. Vor Allem höchst wohlthuend ist der Eindruck deS „guten Ge sanges* in dieser Oper und die Wahrnehmung, daß wir e» hier nicht mit dem Werke eine» >o unsicher und mühsam als dreist producirenden Dilettanten zu thun haben Der erste Act erschien mit Ausnahme der Begeg nung der beiden Hauptfiguren al» der musikalisch schwächste. Der zweite, anfänglich in Handlung und Musik stockende Act hebt sich mit dem Duett zwischen Kunigunde und dem Grafen und bildet bi« zum Schluffe einen dramatisch bewegten Höhepunkt der Oper. Aber der dritte steht musikalisch nicht zurück, »st vielmehr in scinem ganzen Verlause musikalisch reicher an schönen Nummern, und der vierte bringt außer einem poetisch fein empfundenen Liede Gott schalk'» die traumselige, romantische Lcene unter dem Hollunderbaum und raschen Schluß deS Werks, ohne daß die Theilnahme erlahmt. Die Oper war vom Hrn. Kapellmeister Schuch vorzüglich emstuknrt, und wir Haden »hm umsichtig auSgeführte Siriche in der Partitur zu danken, durch welche eine monotone Dehnung im Ausdruck sentimen tat lyrischer Stimmungen vermieden wurde. Frau Schuch trat nach längerer Frist wieder zum ersten Male in der Partie de» Käthchen auf, und sang und spielte dieselbe — welche an ihre Vir tuosität im Coloraturgefange nicht die mindesten An sprüchemacht — außerordentlich reizend und anmulhig, mit feinsinniger Auffassung und Charakteristik. Stitt- Mischer Beifall wurde der beliebten Künstlerin gespendet, vielfacher Hervorruf und noch dem zweiten Act eine solche Fülle von Blumen, daß auch Graf W-t er vom Strahl mit gutem Recht daran Theil nahmen konnte. Hr. Riefe sang diese Partie sehr tchön und an ein zelnen Stellen (Schluß de» zweiten At«) mit ergreifen der Stimmwirtung. Sehr lobenSwerth führte Fel. Reuther die Kunigunde au», Hr. Degele den Vater Waffenschmied, Hr Anton Erl den Knappen Gott schalk, Hr. Decarli die sehr undankbare Rolle de» Rhemgrafen, endlich Hr Fischer die unbedeutende Partie de» Thürmer». Die Jnscenirung (Hr. Ueber- horst) war sehr sorgfältig, geschmackvoll und reich in der Ausstattung. Der Erfolg der Oper war ein glän zender. Der anwesende Componlst (au» Bremen) wurde gerufen. Von den in letzter Zeit uns hier vorgesührten Opern (abgesehen natürlich von Schumann'» „Geno veva*) ist diese ohne Zweifel da» beste, gelungenste Werk, welches — nicht schwierig für die Darstellung und dankbar für die Sänger — durch feine künstlerisch w'tthvollen und zugleich allgemein ansprechenden Eigen schaften jeder Bühne eine günstige Aufnahme von Seiten de» Publicum» verspricht. C. Banck. K. Hoftheater. — Neustart. — Am 25. März: „Epidemisch*, Schwant in 4 Acten von I. B. o. Schweitzer. (Zum ersten Male.) Die Vorstellung dieses Lustspiel» bewährte in er freulicher W ffe dessen Beim wortung an dieser Stelle. ES wurde von einem zahlreich besuchten Hause mit Interesse und in fröhlichster Stimmung entgegen- genommen. Da eS nicht ganz den Abend füll», wird sich »hm in den nächsten Aufführungen mit Voriheil eine dramatische Kleinigkeit oder eine Production unsere» fleißigen Balletcorp» zugejellen. Wie in ollen Bühn-'nproducl onen v. Schweitzer'« pulsirt auch in „Epidemisch* jene übermüthige leicht blütige Lust an vem heitern scenffchen Eflecl, die nur dem Schwank und der P sie eigen ist und dort die komffchen Hauptwirkungen dem überraschten Augenbl ck, dem Blindrkuhspiele de» bunten Zufall» abgewinnt. Bei Alledem ist gerade in diesem Kck angelegten und mit überraschendem Humor fortgefühNen Stück der Ton de» Lustspiel», wenigsten» deS derb realistischen, oft treffender al» sonst vom Autor angeschlagen. So gar an pikanten Cha akterfilhouetten fehlt e» nicht. Im Profil ist mit wenigrn Linien em mehr al» typischer Ausdruck gegeben.
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