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N «2. Weißerih-Zeitung Verantworfficher Nedarteur: Tart Zehne in Dippoldiswalde. Dienstag. Erscheint Dienstagsund Freitags. Zu beziehen durch alle Postanstalten. 10. August 1869 Preis pro Quartal 10 Ngr. Inserate die Spalten-Zeile 8Pfg. Amts- und Anzeige-Dlatt der Königlichen Gerichts-Ämter und Stadtrathe zu Dippoldiswalde uud /rauensteiu. Das 2. Turnfest des Turngaues der sächs. Mittelelbe zu Dippoldiswalde am 8. August 1869. Es war am 17. Juli 1864, als bei dem 1. Gau feste des sächsischen mittelelbischen Gaubundes und dem damit verbundenen Gautage, die man in den Reisewitz'- schen Lokalitäten bei Dresden abhielt, der Beschluß ge faßt wurde, das nächste 2. Gauturnfest, das kommende Jahr, also 1865, in Dippoldiswalde abzuhalten. Die damals dort anwesenden Vertreter unserer Turngemeinde, geehrt durch diesen Beschluß, versprachen, in der festen Erwartung der thätigen Theilnahme der Stadt, die Zustimmung ihrer Wähler zu diesem Beschlüsse, uud so wurden denn auch im nächsten Jahre die Vorarbeiten zu dem beabsichtigten Feste rüstig begonnen, als eine nicht unbedenkliche Epidemie, die damals in Dippoldis walde sich festzusetzen drohte, die Abhaltung desselben verhinderte. Die Verhältnisse des Jahres 1866 waren derselben ebenso zuwider, als die in dem folgenden Jahre eingetretene politische Abspannung. U Wenn nun im Jahre 1868 eine Anregung zur Feier des Gaufestes von Dippoldiswalde nicht ausging, so hatte das seinen hauptsächlichsten Grund in der Er wägung, daß unsere Kräfte zur Ausführung eines uns ertheilten Auftrags wohl gern bereit waren, jedoch zum selbstständigen Anerbieten einer Festherstellung sich den Anforderungen nicht gewachsen fühlten, die ein durch die großen Feste der letzten Jahre verwöhnter Geschmack hätte stellen können. Also schwiegen wir weislich still, bis die Anregung wieder von verschiedenen Seiten an uns erging. — Als das aber geschehen und Dippoldis walde an sein bei'm 1. Gaufeste gegebenes Wort erinnert worden war, durften wir nicht länger säumen, und so wurde denn im Einverständnisse mit dem Vororte Dresden der 22. August d. I. zur Feier des Gaufestes bestimmt. Ein bereits bestimmtes Gesangfest in Freiberg machte die Verlegung auf den 8. d. M. nothwendig. Beinahe hätte die in den Burgker Kohlenwerken vorgekommene schauerliche Katastrophe die Feier abermals verhindert, wären nicht eineStheilS die Vorarbeiten schon soweit gediehen gewesen, daß eine Verschiebung, der Gauturn kasse gegenüber, sich nicht wohl hätte rechtfertigen lassen, und hätte man sich nicht anderntheils gesagt, daß ein Turnfest nicht gewöhnlichen Lustbarkeiten an die Seite zu stellen, sondern als ein ernste« Zeugniß de« Fort schrittes der Turnsache zu betrachten, zu dem aber auch bet einer größeren Vereinigung desto mehr Gelegenheit geboten sei, durch thätige Beihülfe für die Sache der Unglücklichen dem Feste einen höheren Inhalt zu geben. Das anhaltend heitere, wenn auch etwas warme Wetter schien das Fest noch besonders begünstigen zu wollen; und so gab man sich denn der Hoffnung hin, einen recht schönen Tag feiern zu können. Da änderte am Freitage der Himmel plötzlich seine bisher gute Laune; düstere Wolkenmassen verdeckten de« Himmels Blau; statt der warmen Sommerlüfte begann ein empfindlich rauher Nordwind z« blasen, und der Sonnabend, wo man mit dem Häuserschmucke doch nicht länger säumen konnte, fing sich so schön an einzuregnen, daß das Thermometer unserer Hoffnungen beinahe unter Null zu sinken drohte. Doch die etwas übermüthige Hoffnung, daß den Dippoldiswaldaern, wenn sie nur wollen, so leicht kein Fest verunglückt, ließ es wenigstens bei den in dieser Hinsicht Erfahrenen zu einer völligen, eigentlich sehr gerechtfertigten Verzweiflung nicht kommen, und siehe — als am Sonntage früh 5 Uhr der har monische Weckruf durch die Straßen tönte, und männiglich aus dem Schlafe fuhr, da lachte der herrlichste blaue Himmel über der inzwischen fast vollständig geschmückten Feststadt. Unter den bewandten Umständen nach meist sehr eilig hergestellten Dekorationen zeichneten sich be sonders die in der niederen Vorstadt aus kolossalen § hergestellte, 22 Ellen hohe Ehrenpforte, wie die an der Herrengasse und vor dem Rathhause aus. Auch an Privathäusern hatte man alles Mögliche gethan, und Vater Jahn's Bild prangte an mehr als einem Hause von Eichenguirlanden umwunden. Zu den bereits am Sonnabend Abend per Post eingetroffenen Turnern gesellten sich nun im Laufe des Vormittags nach und nach die Vereine: Allgemeiner Turn-Verein Dresden, Männer-Turn-Berein Dresden, Verein „Vorwärts" zu Dresden, Turn-Verein „Kraft club" zu Dresden, Fortbildungs-Verein zu Dresden, Turn-Verein zu Neu- und Antonstadt-DreSden, sowie die Vereine aus Kötzschenbroda, Loschwitz, Plauen, Dohna, Liebstadt, Tharandt, Plauenscher Grund, HainS- berg, Rabenau, Kleinnaundorf, Glashütte, Frauenstein und Altenberg, also mit Ausnahme der Vereine: Unter- Weißig, Radeberg, Königsbrück, Pulsnitz, die meisten zum Gauverbande gehörigen Vereine. Der Sammelplatz war auf unserer schönen schatten reichen Aue, dem Festplatze, von wo nach 11 Uhr der Zug sich auf den Markt bewegte, auf welchem die Begrü ßung in einer durch den Vorsitzenden de« DippoldiSwaldaer Vereins, Herrn Bürgermeister Heisterbergk, gehaltenen! Ansprache und dem Gesänge des weihevollen BundeS- liedeS von Mozart erfolgte. Hierauf vertheilten sich die Theilnehmer in die Gasthöfe oder in Privatquartiere, um gegen 2 Uhr sich zum Frstzuge wiederum auf dem Markte einzusinken.