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ZchMlmWi Tageblait Filialen: in Altstadtwaldenburg bei Herrn Kaufmann Beruh. Schuppe; in Penig bei Herrn Kaufmann Rob. Härtig, Mandelgafse; in Rochsburg bei Herrn Buchhalter Fauth; in Lunzenau bei Hrn. Buchhdlr. E. Dietze, in Wechselburg bei Herrn Schmied Weber; in Lichtenstein b. Hrn.Buchh. I. Wehrmann. Krscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Annahme von Inseraten für dis nächster- scheinende Nummer bis nachmittags 2 Uhr. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Ml. 25 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., Einges. 20 Pf. Txpedition: Waldenburg, Kirchgasse 255. Amtsblatt für dm Aadtrath zu Watdeadmg. Zugleich weit verbreitet in den Städten Penig, Lunzenau, Lichtenftein-Gaüttberg und in den Ortschaften der nachstehenden Ätandesamtsbezirke: Altstadt-Waldenburg, Braunsdorf, Callenberg, St. Egidien, Ehrenhain, Frohnsdorf, Falken, Grumbach, Kaufungen, Langenchursoorf, Langen leuba-Niederhain, Langenleuba-Oberhain, Niederwiera, Obergräfenhain, Oberwiera, Oberwinkel, Oelsnitz i. E., Reichenbach, Remse, Rochsburg, Rußdorf, Schlagwitz, Schwaben, Steinbach, Wechselburg, Wiederau, Wolkenburg und Ziegelheim. und aldenburger Anzeiger Freitag, den 14. October 1887. Windrichtung um West. Witterungsaussichten für den 14. October: Zeitweise heiteres, theils wolkiges Wetter mit wemg veränderter Temperatur. Barometerstand am 13. October, nachmittags 3 Uhr: 75o mm. Neues Eisenbahn-Unglück in Nordamerika. > *Wuldenburg, 13. October 1887. Bei den am letzten Sonntag stattgehabten Wahlen zur bulgarischen Nationalversammlung hat die Regie rung des Fürsten Ferdinand einen großen Erfolg er rungen. Die Männer, welche das jetzige Ministerium bilden, gelten dem Lande vor Allem als Verfechter seiner Unabhängigkeit und Selbstständigkeit, und ihnen in erster Reihe gilt das Vertrauensvotum des Volkes, aus dem deshalb auch kein Mißtrauensvotum gegen den Fürsten Ferdinand werden konnte. 258 Abgeord nete der Regierungspartei wurden gewählt, und nur 27 Candidaten der Russenpartei. Sieben Wahlen blieben unentschieden. Der Wahlsieg des Minister präsidenten Stambulow, der Seele des bulgarischen Widerstandes gegen Rußland, ist um so bemerkens- werther, als er nicht unter dem Druck des Belagerungs zustandes stattgefunden hat. Die Opposition hat freie Hand, für ihre Ziele zu agitiren, ihren Standpunkt . mit Wort und Schrift zu Vertheidigen. Die Anhän- > ger der Russenpartei nahmen auch kein Blatt vor den l Mund, und ihre Wühlereien gegen den Fürsten Fer- ! dinand und seine Regierung überschritten alte Grenzen, i Ihnen ist es in erster Linie zuzuschreiben, daß bei den ! Wahltumulten 25 Personen getödtet und 40 verwundet : wurden. Was die zankowistischen Journale produzirten, ' war der reine Hochverrath, was sie predigten, war Rebellion. Aber ihre Rede verhallte im Winde, der sie nicht weiter trug. Wenn je ein Wahlresultat, so bildet dies den unverfälschten Ausdruck der Gesinnung des Volkes. Weder die Umtriebe der Demagogen, noch die Agitation der Russenfreunde, noch auch die klingenden Argumente, mit denen von Rußland aus die revolutionäre Propaganda in Bulgarien unterstützt wurde, noch die angezettelten Unruhen vermochten das bulgarische Volk in seiner mannhaften und entschlosse nen Haltung zu erschüttern. Es stand treu zu dem Banner der Unabhängigkeit, welches die Regierung des - Fürsten Ferdinand entfaltet hat. Und stolzer als je j flattert es heute im Winde. Der Wahlsieg der Regierung ist von großer Wich tigkeit und Bedeutung. Die Sache des Koburgers ' wäre total verloren gewesen, wenn sich das Volk an der Wahlurne gegen ihn erklärt hätte. Nun, da es sich für ihn ausgesprochen hat, wird die bulgarische Regierung mit erhöhtem Selbstbewußtsein an die schwierigen Aufgaben herantreten, die ihrer noch zur Bewältigung harren. Ihre Position im Lande ist gestärkt, wenn dies überhaupt noch möglich war, nach dem sie schon früher auf der festesten Grundlage zu ruhen schien. Auch die Position gegenüber dem Aus lands ist nunmehr imponirend geworden, mehr als je wird sich Ministerpräsident Stambulow darauf berufen können, daß die Politik, welche er vertritt, die der bulgarischen Nation ist. Wir stehen gegenüber einer nicht zu unterschätzenden Demonstration des kleinen, heldenmüthigen Volkes am Fuße des Balkans für die Prinzipien, welche Fürst Alexander Battenberg zu den Leitzielen Bulgariens gemacht hat. Diese Prinzipien wurden nicht aufgegeben, haben vielmehr immer festere Wurzel im Lande gefaßt, und Europa wird nun da mit rechnen müssen. Vergebens mag Rußland, wie es nun voraussichtlich wieder geschehen wird, gegen die „Ungesetzlichkeit" der bulgarischen Wahlen, gegen die angebliche „Verfälschung der öffentlichen Meinung", gegen den „Terrorismus" und die „Gewaltacte" der ? bulgarischen Regierung, die in Wahrheit niemals in die Erscheinung getreten sind, protestiren. Die Groß mächte werden diese einseitige und gesuchte Beschuldi gung des Petersburger Cabinets nicht gelten lassen können. Sie können gegen den Bruch des Berliner Vertrages durch den Fürsten Ferdinand Einspruch er heben, aber doch nun und nimmermehr dem bulgari schen Volke anbefehlen, einen russischen Generalgouver neur mit offenen Armen aufzunehmen. Der Gedanke an die Entsendung eines solchen, wenn er überhaupt noch bestanden hat, muß nunmehr doch ganz definitiv geschwunden sein. Die Bulgaren wollen nun absolut nichts mehr von Rußland wissen, und wer will sie anderer Meinung machen? Das kann weder Rußland, noch die Türkei, noch ganz Europa. Die russische Politik hat sich überhaupt nicht so beliebt bei den friedlich gesinnten Staaten von Europa gemacht, daß es für diese ein Vergnügen wäre, den Bulgaren an dere Denkungsart beizubringen. Politische Rmrvschau. Deutsches Reich. Das Befinden des Kaisers ist andauernd das beste. Der Kaiser erledigte während seines Aufenthaltes in Baden-Baden täglich in gewohnter Weise die laufenden Regierungs-Angelegenheiten und nahm die regelmäßigen Borträge entgegen. Am Mittwoch ertheilte der Mo narch eine größere Zahl von Audienzen und unternahm vor der Tafel wieder eine Spazierfahrt. Aus London, woselbst Dr. Mackenzie wieder einge- trofsen, erhält das „Berl. Tgbl." ein Telegramm über das Befinden des Kronprinzen. Darnach sind Appetit und Humor des Kronprinzen vorzüglich, was absolut nicht der Fall sein könnte, wenn eine bösar tige Wucherung seit Monaten im Halse vorhanden wäre. Allein der chronische Kehlkopf-Katarrh zeigt leider Neigung zu acuter Luftröhren-Entzündung, und an dieser, begleitet von starkem Fieber, litt der Kron prinz während der letzten Tage seines Aufenthaltes in Toblach. Diese acute Luftröhren-Entzündung wurde Dank sofortiger vorzüglicher Behandlung beseitigt, auch erwies sich der Aufenthalt im südlicheren Klima be reits von günstigem Einfluß. Eine derartige Luft röhren-Entzündung, selbst der oberen Schleimhäute, falls sie sich wiederholte, könnte eine Entzündung der tiefer liegenden Gewebe, unter den mucosen Membra nen (feuchten Schleimhäuten) herbeiführen, welche zu structurellen Veränderungen dieser Gewebe Anlaß ge ben könnte. Die Hauptaufgabe der Aerzte ist nun die Verhütung einer abermaligen Entzündung der Luft röhre, wozu vor Allem warmes Klima und Enthal tung vom Sprechen nothwendig sind. Wahrscheinlich wird der Kronprinz sich in Kurzem nach San Remo oder Nervi begeben. Augenblicklich besteht die Krank heit, wie erwähnt, lediglich in chronischem Kehlkopf- Katarrh, aber von ziemlich hartnäckigem Charakter. Viel zur Hoffnung auf baldige Genesung trägt das vorzügliche Allgemeinbefinden und die gewöhnliche vor treffliche gute Laune des Kronprinzen bei. Kaiser Alexander von Rußland wird am Mon tag von Fredensberg bei Kopenhagen nach Petersburg zurückkehren und sich sodann mit der ganzen Familie zu längerem Aufenthalte nach Moskau begeben. Im Kreml werden bereits große Vorbereitungen getroffen. Bei der Ersatzwahl zum preußischen Landtage im Wahlkreise Sangerhausen ist der conservative Can- didat gewählt worden. Das Colonisationswerk in Posen und Westpreu ßen macht allmählig Fortschritte. Bis jetzt sind zwei Gemeinde-Kolonien fertig, zwei weitere hofft man noch in diesem Jahre fertig zu stellen. Für das nächste Jahr ist die Errichtung von 15 weiteren Gemeinden auf dem von der Colonisationscommission angekauften Areal in Aussicht genommen. Fürst Alexander Battenberg ist mit seinem Bruder, dem Prinzen Franz Joseph, von Darmstadt nach England gereist. Es wird jetzt versichert, die Reichsregierung werde dem nächsten Reichstage bestimmt eine Vorlage wegen Erhöhung der Kornzölle unterbreiten. Nach einer der „Pol. Corr." aus Petersburg zu gehenden Mittheilung ist die bekannte Brochüre des Fürsten Nikolaus Galitzyn „Brief ,an den Figaro", als Antwort auf dessen Artikel „Ueber die Theorieen Katkow's", nunmehr in zweiter, vermehrter Auflage erschienen. In dieser Erweiterung seiner Flugschrift i führt der Verfasser aufs Neue mit großer Bestimmt heit und in eingehender Weise aus, daß nach seiner Ansicht und derjenigen zahlreicher Gesinnungsgenossen die Sympathien der Russen für Frankreich in den letzten 25—30 Jahren sich merklich vermindert haben,s daß die Idee einer Allianz Rußlands mit dem heutigen Frankreich ausschließliches Eigenthum der op portunistischen Politiker sei und keineswegs aus Sym- pathieen beider Nationen für einander beruhe. Auch Katkow habe, trotzdem er sich für die russisch-französi sche Allianz aussprach, die Meinung der wohldenkenden Russen getheilt und diese sei keineswegs dem gegen wärtigen republikanischen Staatswesens Frankreich's vollständig günstig. In dem Rechenschaftsbericht, welcher dem socialdemo kratischen Parteitage in St. Gallen unterbreitet ist, befindet sich u. A. auch ein Posten von rund 86,000 Mark für Diäten an Reichstagsabgeordnete. Deutschland wird keine Kriegsschiffe nach Marokko entsenden, sondern die englische Regierung bitten, im Nothfalle den Schutz der dortigen Angehöri gen des deutschen Reiches zu übernehmen. Wir haben in Marokko nur ein, allerdings nicht unbedeutendes Handelsintereffe, das indessen keinen Anlaß bietet, eine j hochpolitische Demonstration vorzunehmen, wie sie Eng- > land, Frankreich, Italien und Spanien betreiben. Nach i den letzten Meldungen aus Tanger ist es ja übrigens - auch wieder sehr zweifelhaft geworden, ob ein Einschrei ten der interessirten Mächte von Nöthen sein wird. Das Befinden des Sultans hat sich gebessert, und so lange er lebt, wird es nicht zu inneren Unruhen kom men, die den Anlaß zu einer Besetzung marokkanischen Gebietes geben könnten. In Westpreußen tritt in ganz bestimmter Weise das Gerücht auf, daß Graudenz, welches aus der Reihe der Festungen gestrichen war, wieder zur Festung erhoben werden soll. Veranlassung zu dieser Annahme geben die von Generalstabsofficieren mehrfach vorge nommenen Besichtigungen der dortigen umliegenden Höhen. Vor einigen Tagen war auch der Chef des Ingenieur- und Pioniercorps und Generalinspecteur der Festungen, General der Infanterie von Stichle in Graudenz anwesend und besichtigte in eingehendster Weise die Umgebung der Stadt. Man versichert, daß um Graudenz ein Kranz von Forts errichtet werden soll. In Thorn, bekanntlich eine Festung ersten Ranges, werden gegenwärtig sechs neue Forts bezw. Zwischen forts erbaut.