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Wochenblatt für für die König!. Amtshauptmannschaft zu Meißen, das König!. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff. Erschein! Wöchentlich L Mal Dienstag und Freitag. AbonnementSpreik vierteljährlich 1 Mark. Eine einzelne Nummer k.stet^O Pj. Znseratenannahme Montags ».Donnerstags bi« Mittag IS Uhr. Erschein^ wöchentlich S Mal Dienstag und Freitag AbonnemenlSprei» vierteljährlich 1 Mark Eine einzelne Nummer — , kostet-w Pf. WilsdruI', Nossen, Siebenlehn und die Umgegenden. Nr. 20. Freitag, den 7. März 1884. Von dem unterzeichneten Königlichen Amtsgericht soll den 18. März 1884 das dem Wirthschaftsbesitzer Heinrich Mdolph Pietzsch in Steinbach bei Kesselsdorf zugehörige Haus- und Gartengrundstück Nr. 9 des Katasters und Fol. 3 des Grund- und Hypothekenbnches für Steinbach, Leuteritzer Antheils, welches Grundstück am 30. Dezember 1883 ohne Berücksichtigung der Oblasten auf 57»« Mark -- gewürdert worden ist, nothwendiger Weise versteigert werden, was unter Bezugnahme auf den an hiesiger Gerichtsstelle aushängenden Anschlag hierdurch bekannt gemacht wird. Wilsdruff, am 31. Dezember 1883. Königliches Amtsgericht. Nr. NaiiAloü. TageSgeschichtk. Der am 6. März zusammengerufene Reichstag wird ein ganz bedeutendes Arbeitsquantum zu bewältigen haben. Neben den großen Vorlagen über Unfallversicherung und Aktiengesellschaften stehen in erster Linie die Novelle zum Hilfskossengesetz und der Feingehalt der Gold und Silberwaaren. Die Denkschrift über die Ausführung des Flotten-Gründungsplanes ist dem Reichstage überwiesen, die Konven tion mit der Schweiz und mit Luxemburg über den Grenzverkehr der Medizinalpersonen, sowie die Konvention mit Belgien über die Be strafung der Forst-, Feld- und Jagdfrevel in den Grenzbezirken sind vom Bundestage schon erledigt. Den Ausschüssen liegen die Elbschiff- fahrtsakte mit Oesterreich, sowie die Literarkonvcntivn mit Belgien vor. Wie die „Neue Preuß. Ztg." aus Bundesrathskreisen hört, wird dem Reichstag der Antrag aus einfache Verlängerung des Sozialistengesetzes zugehen, und zwar auf einen Zeitraum von 3Vr Jahren. Wem ist es nicht schon ausgefallen, daß befreundete oder wohl wollende Ausländer die Bedeutung des neuen Deutschen Reiches viel besser und richtiger aufgefaßt haben, als es im Durchschnitt durch uns Deutsche selbst geschehen ist oder geschieht! Worin liegt der Grund dieser merkwürdigen und für uns nicht sehr schmeichelhaften Wahr nehmung? Offenbar in zwei Urfachen. Weil uns das neue deutsche Reich — die Opfer der beiden Kriege von 1866 und 1870—71 kei- nesweges gering angeschlagen — leichter zugefallen ist als gedacht. Bismarck, Roon und Moltke mit dem König Wilhelm an der Spitze haben das Werk durch Jahrzehnte lange aufopfernde Arbeit vorbe reitet und feine Ausführung möglich gemacht. Die zweite Ursache sind die Enttäuschungen, die sich das Heer der Enthusiasten durch übertriebene Voraussetzungen und Hoffnungen, die sie auf das neue Reich gründeten und die nicht in Erfüllung gingen, zum Theil nicht in Erfüllung gehen konnten, bereitet hat. Auch in Bezug auf poli tische Gebilde kann man sagen: es fällt kein Meister, in diesem Falle nichts Fertiges, vom Himmel. Es muß eben alles erkämpft, erarbeitet sein. „Was du ererbt von deinen Vätern hast, erwirb es, um es zu besitzen." Hinsichtlich des inneren Ausbaues des neuen Deutschen Reiches giebt es noch viel, sehr viel zu thun und an ein „die Hände in den Schooß legen" ist überhaupt gar nicht zu denken. Leider aber wird bei uns viel kostbare Zeit mit sophistischem Parte igezäuke und mit dem Streit um des Kaisers Barth vergeudet. Der nationale Ge- meinsinn ist noch zu schwach und bevor dieser Mangel ausgeglichen -ist, wird noch manche Enttäuschung, möglicher Weise auch manche böse Stunde an uns herantreten. In Berlin erscheint jetzt eine Zeitschrift, „die Flamme" betitelt, welche den Leuten beibringen will, daß das Verbrennen der Leichen dem Begraben derselben vorzuziehen sei. Dawider hat ein Sachkun diger, vr. ivsll. R. Müller, in den Medicinischen Jahrbüchern ein wahrscheinlich endgültiges Verwerfnngsurtheil ausgesprochen. Er sagt: „die Leichenverbrenunng sei eine unnöthige, widernatürliche und eine m zweifacher Beziehung gemeingefährliche Maßregel. Uunöthig, weil der gegenwärtige Bestattungsmodus bei strenger Beobachtung der ge gebenen Vorschriften der Gesundheit keinerlei Gefahren bietet. Wi dernatürlich, weil die Endprodukte bei der Verbrennung der Leichen der Hauptsache nach andere sind, als beim natürlichen Zerfall derselben. Gemeingefährlich, einmal weil mit dem Verlauf des Zersetzungspro- cesses eine Zerstörung des Pflanzenernährungsmaterials einhergeht, die im Laufe der Zeit, wenn die Leichenverbrennung allgemein würde, zu schwerer Beeinträchtigung der für die Existenz des Menschenge schlechts unentbehrlichen Pflanzenwelt führen müßte; gemeingefährlich zum Andernmale, weil die schnelle und vollkommene Zerstörung der Leichen, wie sie durch das Feuer bewirkt wird, dem Verbrechen eine ermuthigende Sicherheit gewährt, insofern es bei erst nachträglich auf tauchendem Verdachte in der Regel unmöglich sein wird, aus der Un tersuchung der Aschenreste den Beweis für einen vorausgegangenen Mord beizubringen. Der Wiener Anarchist Kammerer gehörte zu der verwegensten seiner Sorte, er gehörte zu jenen Leuten, die der Gesellschaft Tod und Verderben geschworen haben und ihr mit Dynamit und Revolver zu Leibe gehen. Er war seit einiger Zeit verschwunden, aber vor einigen ^gen unter falschem Namen zurückgekehrt. Die Polizei kannte seine Wohnung, konnte ihn aber nicht verhaften, weil er in derselben eine 2 Kilo schwere Dynamitbombe zur Hand hatte, mit welcher er bei einem Ueberfall das ganze Haus in die Luft gesprengt hätte. Vier Polizisten warfen sich daher auf ihn, als er ein Kaffeehaus verließ. Erwehrte sich aber wie ein Rasender, warf zwei Gegner nieder, fchoß und ver wundete sie und wandte sich zur Flucht. Es gab eine furchtbare Hetz jagd; wer ihn aufhalten wollte, bekam einen Schuß, bis ihn ein Sä belhieb niederstreckte. Mehre Wachmänner und andere Personen sind schwer verwundet, es gelang nur mit Mühe, ihn der Lynchjustiz des Publikums zu entziehen. Kammerer ist sehr verdächtig, mehrfacher Mörder zu sein. — Ziemlich gleichzeitig ist in Pesth der fanatische Anarchist Prager verhaftet worden, welcher die blutrothen Flugblätter der Partei schrieb. In England hat's wieder verschiedene Dynamit-Explosionen gegeben, Kisten mit Sprengstoff sind aufgefunden worden u. s. w. Wenn diese Attentate uns hüben überm Canal auch nicht direkt be rühren, so gemahnen sie uns doch wieder an die Thatsache, über die man sich noch immer gern hinwegdenkt, nämlich, daß es mit dem so cialen Frieden in Europa schlecht bestellt ist und daß man einst weilen auf Besserung kaum rechnen darf. Glücklicherweise scheint der politische Friede in Europa durch die vollständige Jsolirung Frankreichs — das größte Werk Bismarcks — einmal auf längere Zeit gesichert zu sein. Ein Blaubuch über die von 1871 bis 1882 bei der britischen Handelsflotte verloren gegangenen Menschenleben gibt die Ge- sammtziffer auf 38,722 an, wovon 3062 Passagiere waren und 35,660 der Schiffsmannschaft angehörten. Die unglücklichsten Jahre waren 1873 und 1874, in welchen 1167, beziehungsweise 572 Passa giere uutergingen. General Gordon scheint in Khartum die Geduld ausge gangen zu sein, friedlich auf die Bevölkerung des Sudan einzuwirken. Er erließ an das dortige Volk folgende Poklamation: „Seit meiner Ankunft ertheilte ich Euch gesunde Rathschläge. Alles wurde gethan, um die Ruhe zu sichern und dem Blutvergießen Einhalt zu thun. mein Rath wurde nicht befolgt. Ich war daher wider meinen Willen gezwungen, nach britischen Truppen zu senden, welche jetzt unterwegs sind und in wenigen Tagen ankommen werden."— Eine ausführliche Depesche des Generals Graham, aufgegeben in Suakim am 1. März, meldet bereits einen großen Sieg der Engländer: Da auf die durch einen Parlamentär an den Anführer der Rebellen gesandte Auf forderung keine Antwort eingegangen war, so rückte die englische Streitmacht, bestehend aus 3000 Mann Infanterie, 750 Mann Ka vallerie, 7 Mitrailleusen und 8 Kanonen kleinen Kalibers heute Mor gen vor und fand die Rebellen beim Brunnen El Teb mit Kruppschen Kanonen verschanzt. Wir machten eine Bewegung nach rechts, griffen den Feind von hinten an und nahmen die Verschanzung mit Sturm. Es wurden 4 Kruppsche Kanonen, 3 andere Kanonen und eine Quan tität Munition erbeutet. Die Schlacht dauerte 3 Stunden, da der Feind hartnäckigen, verzweifelten Widerstand leistete. Seine Streit macht wird auf 10,000 Mann geschätzt. Seine Verluste sind sehr be- deutend; 900 Todte wurden in den Verschanzungen gefunden. Unser Verlust besteht in 28 Todten, 2 Vermißten und 142 Verwundeten. Während der König von Norwegen und Schweden in Christiana weilt, ist sein Minister Selmer vom Reichsgericht zur Amtsentsetzung und schwerer Geldstrafe verurtheilt worden, und der übrigen zehn Staatsräthe wartet voraussichtlich ein ähnliches Urtheil. Sie werden verurtheilt aus Gründen, die Manchem kaum verständlich sind, nämlich weil sie dem Könige Rathschläge ertheilt haben, die, wie von der gemäßigten Presse behauptet wird, nützlich und nöthig waren und keineswegs ungesetzjich. Die schlimmste Beschuldigung ist, daß sie dem Könige gerathen haben, nicht 30,000 Kronen zur Bil dung einer Miliz zu bewilligen, als deren Zweck die Beschützung des Volkes angegeben und von der radikalen Partei deutlich genug be zeichnet war, als der Kern einer Revolutionsarmee. Ueber den be dauerlichen Streit zwischen Krone und Storthin in Norwegen werden in einem andern Theile der Presse manche Urtheile gefällt, die nach der Ansicht der „Köln. Ztg." von geringer Kenntniß der Verhältnisse zeugen. „Es handelt sich in der Hauptsache nicht darum, ob der König bloß ein aufschiebendes Veto hat, denn im Grundgesetz ist schon ausgesprochen, daß dem Könige bei der Gesetzgebung nur ein aufschiebendes Veto zustehe, welches bei der dritten Wiederholung des Beschlusses durch das Storthin erlischt. Der Streit ist nur darüber