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Voiglliindilcher Anzeiger. Amtsblatt - für die Gerichtsämter »nd Stadträthe zu Plauen, Pausa, Elsterberg, Schöneck und Muhltroff. Neummdsechszigfler Jahrgang. Verantwortliche Redaktion, Druck und Verlag von Moritz Wieprecht in Plauen. Dieses Blatt erscheint wöchentlich dreimal, und zwar Dienstags, Donnerstag» und Sonnabends. Jährlicher AbonnementSpreiS, auch bei Beziehung durch die Pust, 1 Ihlr. »0 Ngr. — Annoncen, die bi» Mittags 12 Ubr eingeben, werden in die TazS darauf erscheinende Nummer ausgenommen, später eingehende Annoncen finden in der nächstfolgenden Nummer Ausnahme. — Inserate werden mit 1 Ngr. für die gespaltene EorpuS-Zeile berechnet. Dienstag. 7. September 1838 104 Rundschau. Wenn der Wochenblattschreibcr für jedes Mal, da man in den letzten Wochen deS August nach dem Himmel, dem Laubfrösche, dem Barometer, der Thurmfahne, den Spinnen rc. sah, einen Pfennig bekommen hätte, er hätte ganz gewiß sämmtliche sächsischen und ausländischen Pfennige, die bei uns jetzt umlaufen — und ihre Zahl ist Legion — in seiner Tusche. ES war aber auch ein Wetter, wie wir im Voigtlande sagen, „zum Aus wachsen," und leider! ist auch wirklich manches Schock Getreide dabei ausgewachsen. Die Wuth einzelner von den vielen Leuten, die sich nach beständig schönem Erntcwetter sehnten, entlud sich namentlich gegen die Barometer, deren manches sogar zertrümmert worden sein soll. Man nennt sie häufig Wettergläser, und doch verdienen sie weder diesen Namen, noch beanspruchen sie ihn. Sie messen nur die Schwere der Luft und treiben dieß harmlose Geschäft seit 1646, da sie der Italiener Toricelli er fand. Die gläserne Röhre derselben ist bekanntlich oben luftleer, unten mit Quecksilber gefüllt. Auf das freie und nicht verschlossene Quecksilber äußert nun die Luft ihren Einfluß. Drückt sie auf das Quecksilber, so drängt eS sich höher hmauf in die Röhre, in den luftleeren Naum, wo «S keinen Widerstand findet, cS steigt. Wird der Druck der äußern Lust schwächer auf das Quecksilber, so geht es in der Röhre zurück, eS fällt. Verändert sich also die Luft, so verändert sich natürlich auch der Druck derselben auf das Quecksilber. Die Barometer sind folglich nichts weiter, als Werkzeuge, um die Schwere und den Druck der Luft zu messen, daher auch ihr Titel: Schwermesser, nicht Wettergläser. Freilich sind mit der Luftveränderung auch Veränderungen in der Witterung verbunden, und man kann schon mit den Schwermcffern WilterungSbeobachtungen anstellcn, nur soll man nicht fest auf die daraus hecgclcitcten Regeln bauen wollen, da wir zur Zeit weder die ewigen Naturgesetze, nach denen dieWitterung entsteht, noch die Ursachen genugsam kennen, welche unerwartet eine Aendcrung der Witterung bewirken. Gewöhnlich nimmt man an, daß das Wetter gut werde, wenn daS Queck silber langsam steigt. Dieß geschieht, je reiner und elastischer die Luft wird und daher stärker auf das Quecksilber drückt. (Zm Winter vermehrt sich dann die Kälte.) Fällt das Quecksilber, so nimmt man an, daß dann nasse Witterung eintrete. Fällt und steigt es schnell, so nimmt man an, daß Regen, Wind, Kälte rc. rasch wechseln. Tiefer Stand deutet meist aus große Sturme, auf Erdbeben, wenn auch in der Ferne. Dieß sind die gewöhnlichen Annahmen; aber Regeln, Gesetze sind cs nicht. Man sollte daher auch von den armen Schwermessern nicht mehr erwarten und verlangen, als sie leisten können! , Mit dem Barometerstände der heutigen großen und kleinen Politik wollen wir dießmal unsere geduldigen Leser so wenig, als möglich behelligen. Wir könnten doch nur hundertmal Gckauetes wiederkauen. Die alt^n Geschich ten von den Kniffen und Pfiffen, wie Frankreich angeblich zur Rettung der Türkei vor den Russen vor einigen Zähren der Krimkrieg anfing, in Wirk lichkeit aber, um dem neuen Kaiser Sitz und Stimme im Nathe der Groß mächte zu verschaffen, und wie dasselbe Frankreich gegenwärtig sich recht angelegentlich bemüht, im Verein mit demselben Rußland die Türkei aus dem Leime zu bringen — sind nicht erquicklich. Der.gute Sultan thut das Acußerste, um den Zustand seiner christlichen Unterthanen zu verbessern. Aber wenn fremde Mächte fortwährend bald da bald dort Aufstände in seinem Reiche anzetteln, wenn man sich des montenegrinischen Räuberfürsten bedient, um Raubeinfälle in das türkische Gebiet machen zu lassen, und dann noch von den Türken verlangt, sie sollen dem Fürsten Danilo, der offen von Frankreich und Rußland mit Geld unterstützt wird, Land abtre ten, wenn man die Türken sogar noch für die von den Montenegrinern eingestandenermaßen verübten Niederträchtigkeiten verantwortlich machen will, so bekommt man die Politik mit Löffeln satt. ES giebl Leute, welche die Türken darum auS Europa verjagt wissen wollen, weil sie nicht nach Europa herein gehörten, und sie gehörten nicht herein, weil sie keine Christen sind. Die Türken haben aber dasselbe Recht, in Europa zu wohnen, wie die sämmtiichen Stämme der großen germani schen Völkersamilie, die auch erst aus Asien, wie die Türken, nach Europa gekommen sind, und sich, wie die Türken, die Länder erobert haben, die sie jetzt besitzen. Wenn aber die Türken, weil sie keine Christen sind, in Europa nicht sollten wohnen dürfen, so hätten die Hindu s und Chinesen und die vorderasiatischen in der Ungeheuern Ueber- zabl des Volks und nach ihrer Regierung muhamedanischen Staaten eben falls den besten Grund, keine Christen zu dulden. Uebrigens ist es That- sache, die auch im vorigen Zahre auf der Versammlung des evangelischen Bundes in Berlin von evangelischen Geistlichen aus der Türkei laut be stätigt wurde, daß die Türken so duldsam gegen die Bekenner aller christ lichen Glaubensbekenntnisse sind, wie die verschiedenen christlichen Glaubens bekenntnisse eS leider! gegeneinander häufig selbst nicht sind. Werden die Bevölkerungen der türkischen Städte zuweilen glaubenswüthig gegen die dortigen Christen und massacrireu sie zuweilen unter denselben, so tragen in der Regel die Christen, die namentlich in Constantinopel, Smyrna rc. zum großen Theile der Auswurf Italiens, Frankreichs rc. sind, die Haupt schuld. Wenn neulich daS Volk zu Dschiddah, (Hafen von Metta) ein Gemetzel unter den dortigen Engländern anrichtete, so war Niemand daran schuld, als der cngl. Consul selbst, weil er den Ausspruch der höchsten dor tigen LandcSbehörde umstieß, die türkische Flagge hcrunterreißen und die englische aufziehen ließ. Und als dann die türkische Regierung alles Mög liche thal, die Verbrecher zu bestrafen, bombardirten die Engländer auch noch Dschiddah! Dieß Alles soll sich der Sultan gefallen lassen! Welcher europäische, christliche Staat würde denn Türken oder Heiden so in seinem Lande wirthschaftcn lassen? Den Türken aber muthet man cS zu. Ge rechtigkeit auch gegen Andersgläubige! Eben so wenig erquicklich ist der hänisch-deutsche Streit. Zeder Deutsche, jede deutsche Regierung wünscht und will, daß den deutschen Brüdern in Holstein zu ihrem Rechte geholfen werde. Aber hinter dem kleinen Däne mark stehen Rußland, England und Frankreich. Letzteres namentlich hätte gar zu gerne einen Vorwand, .seine Armee zu beschäftigen und das linke Rheinufer, daö es sri^e natürliche Grenze nennt, wiederan sich zu ziehen. Wenn nun der deutsche Hund in der dänischen Frage äußerst behutsam und vorsichtig zu Werke geht, so ist dieß freilich langweilig, „zum AuS-. wachsen"; aber welcher Verständige wird verlangen, Deutschland solle sich in einen Krieg stürzen, dessen Gang und Folge sich nicht übersehen lassen,