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Nummer 224 — 25. Jahrqano vmal wöch. Bezugspreis für Olttbr. 3,00 einschl Bestellgeld. Anzeigenpreise: Die Igesp. Peützetle K0-8. Stellengesuche 20 L. Di« Petitrektamezetle. 89 Milli meter breit, L Osfertengebühren für Selbstabholer 80 L. bei UeLersenoung durch die Post außerdem Portozuschlag. Einzel-Nr. 10 Sonntags-Nr. IS H Geschäslltcher Teil: I. Hillebrand in Dresden Sonnabend, 2. Oktober 1926 gm Fall« höherer Gewalt erlischt jede Beipflichtung aus Lieferung sowie Erfüllung v. Anzeigenaufträgen u. Leistung v. Schadenersatz Für undeutl. u. d. Fern, ruf übermitt. Anzeigen übernehmen wir keine Ver. antwortung Unverlangt eingesandte u. m. Rückporto nickt versehene Manustzrivte wer», nicht aufbeivahr« Sprechstunde der Redaktion 2—3 Uhr nachmittags. Houvtschristleit.: Dr. Joseph Albert. Dresden. Tr»N n»v u-relaa: ->ir»nui- Bttchdruckerei GmbH., Dresden-A. >. PeU.-ri>r.a,e N ger»r»! 2IbIL. PekNckcUlmno Tro?.bc, Baiifkonto: Dresdner Bo»». b>"> Für christliche Politik und Kultur lltedalttun der Snchsilcheu VolkSzettuun Tresden-auundl i, Polierstrahe 17. zernrui 207II und 21012. Der Marschall selbp will Zen Sejm auslösen — Die Demission des dritten Kabinetts Bartels nich einer unsrwarlel schweren Niederlage im Sejm Japans moderne Entwicklung Bon Harry Teltow, Berlin (Nachdruck verboten.) In der modernen Geschichte Japans lassen sich deutlich zwei Entwicklungsstufen unterscheiden, die — von einer kurzen Wachstumsslille, ja sogar durch einen merklichen Rückschritt unterbrochen — den Aufstieg dieses öst lichen Kaiserreichs zu einer bedeutenden staatlichen Macht gebracht haben. Die e r st e Phase dieser Entwicklung wurde ein geleitet durch den Krieg, in dem vor dreißig Jahren das kleine japanische Inselreich mit China, seinem großen Bru dervolk auf dem asiatischen Kontinent, die Waffen kreuz te. Dieser chinesisch-japanische Krieg van 1894 95 mit dem für Japan siegreichen Frieden van Schimonoseki. der den Grundstein für Japans moderne Entwicklung legte. Von dem Frieden von Schimonoseki bis zu dem Frieden von Versailles, mit dem der Weltkrieg sein Ende nahm, dauerte dieses erste Entwicklungsstadium, das in stets aufsteigende r Linie verlief. Schon zehn Jahre nach seinem Siege über China konnte Japan seinen zweiten festländischen Nachbarn, das endlose Rußland, auf die Knie zwingen und bald darauf (1910) sein Staatsgebiet um Korea erweitern. Wäh rend des Weltkrieges, zu einer Zeit also, zu der die Augen der, Welt mit Spannung auf die Schlachtfelder Europas abgelenlrt waren, defekte es mit seinen Truppen den deutschen Pachtbesiß in der chinesischen Provinz Schan- tung, Kiautschou. und zwang die schwache chinesische Negierung diese Besitzergreifung als dauernd anzuer- kennen. Dann erpreßte es sich mit den berüchtigten 21 Forderungen im Jahre 1915 in der südlichen Mand schurei und in der östlichen und mittleren Mongolei er hebliche Sondervorteile, die zum Teil tiefe Eingriffe in Chinas Souveränität darstellten Aber der einmal erwachte E x p a n s i o n s d r a n g üieses tatkräftigen Volkes gab sich damit nicht zufrieden: er griff auch auf die ihm zunächst gelegenen deutschen Schutzgebiete in der Südsee über, und sein Landhunger schritt zu einer Besetzung von Russisch-Sachalin und der gegenüberliegenden Amnrmündung. Schließlich drang es mit einer militärischen Expedition bis nach Russisch-Sibirien, weit über den Baikalsee, vor. Der Friede von Versailles sicherte, soweit Verträge etwas sichern können, diesen Besitzstand mit gewissen Ein schränkungen der alliierten japanischen Macht zu. Damit mar das Ende der ersten Periode javanischen Aufstieges erreicht und das Pendel der Geschichte begann iiach der anderen Seite auszuholen. Neidvoll hatte Amerika dieser Machtanhäufung seines gelben Nachbarn jenseits des Stillen Ozeans Ange sehen. Es sah daher eine seiner wichtigsten Aufgaben dar in, die Entwicklung Japans rückläufig zu beeinflus sen. Zu diesem Zwecke bediente es sich einer geschickten Diplomatie, die — in der Form verbindlick, in der Sache aber hart — die Linie des japanischen Aufstieges zurück- zubiegen wußte, ohne die wachsame Eifersucht allzu unge schminkt zur Schau zu tragen. Es begann nun für Japan eine Zeit fortgesetzter De mütigungen. Eine wichtige Maßnahme Amerikas in dieser Hilt- icht war die von H a r d i n g im Winter 1921/22 nach W a - hington berufene Konferenz, zu der Amerika mit dem (armlosen Firmungsschild „Konferenz über die Beschrän kung der Rüstungen und den Stillen Ozean" Einladungen ergehen ließ. Auf dieser Konferenz harrte der Delegierten Japans manche Schwierigkeit. Nicht am wenigsten unangenehm fanden sie das unverhohlene Werben Amerikas um die Gunst der ebenfalls erschienenen Chinesen. Das mögliche amerikanisch-chinesische Einvernehmen erschien ihnen so gefährlich, daß sie ihrerseits Chinas Gunst gegen Preis gabe aller 1915 erworbenen Borteile erkauf ten. eine Wirkung, die Amerika — unbeabsichtigt — wie eine reife Frucht in den Schoß fiel. Eine besonders schallende Ohrfeige versetzte Amerika dem japanischen Volk durch die Einwanderungs- gesetzgebung von 1923, durch die jede weitere Ein wanderung von Japanern so gut wie unmöglich gemacht wurde. Auch Rußland verstand es, den japanischen Expan sionstrieb. soweit er sich ans das Gebiet der Sowjetrepu bliken erstreckte. Schritt für-Schritt zurückzubiegen. Den Abschluß dieses stillen Ringens, in dem sich in der letzten Zeit Japan dauernd in der Defensive befand, bildete der russisch-japanische Vertrag, der den geschick ten Sowjetleuten zu den übrigen Vorteilen außerdem noch die Sympathie Japans einbrachte. So ist Japan langsam wieder um alle seine Kriegs- eroberungen gebracht worden: lediglich die ehemals deut schen Südseebesitzunaen nördlich des Aeauators sind ihm geblieben. Warschau, den I. Oktober. (Drahtbericht. TU.) Heute vormittag um 11,05 Ul>r ert eil Marschat! Pilsudski den Auftrag vom Staatspräsidenten eine Regierung zu bilden. Er hat diesen Auftrag angenommen und sich verpflichtet, innerhalb 24 Stunden die Minstterlisic vorzuetege». Das Kabinett Pilsudski wird ein reines K a m p f k a b i- nett sein. Das; der Führer der polnischen Linken nach der Demission des dritten Kabinetts Barteis selbst die Regierungsbil dung übernimmt, kann nur dahin gedeutet werden, daß er ent schlossen ist, seinen Kampf gegen die Rechtsparteien nun zu Ende zu führe», ach seinem Einzug in Warschau, als er die Rechts- rcglernng vertrieben hatte, sagte er zu den Abgeordneten: „Sejm und Senat sind die bestgehassten Institutionen im Lande. Ich gebe euch eine letzte Frist, um zu sehen, ob man in Polen ohne Peitsche regieren kann." Jetzt hält Pilsudski offenbar die letzte Frist für abgelanfen und die Zeit z,,,,, Handeln gekommen. Alan darf aber auch überzeugt sein, daß die Rechtsparteien gleichfalls zum Kampfe entschlossen sind. lieber öle Ereignisse, die zur Bildung des Kabinetts Pil- sndski geführt haben, geben die folgenden Meldungen Ausschluß. Warschau, 1. Oktober. (Drahtber.) Die polnische Regierungskrise hat eine überraschende Aendernng genommen. Der Bndgetentwurf der Negierung Bartels ist gestern in:! ganz überraschend großer Mehrheit mit 200 gegen 01 Sinninen algelehnt worden. Daraufhin habe,, sich vier Minister des Kabinetts nicht entschließen können, der Sejm-Aus- Da aber in der Regel ein Unglück nicht allein kommt, gesellte sich zn dein politischen Mißgeschick Japans ein weiteres: die gewaltige Erdbebenkatastro phe die blühende für Außenhandel wie Industrie gleich wichtige Oiebiete unerbittlich verwüstete. Aber seit 1925 ist diese Wendung zum Unglück zum Stillstand gekommen und viele Symptome deuten dar auf hin. daß mit demselben Jahre die zweite Phase japanisch e n A ufstieges begannen hat. Japans Politik kann inan als eine Politik der k o n t i n e n t o l e n Sicherung, oder als eine Poli tik d e r R ü ck e n d e ck u n g bezeichnen. Der Ianuskopf Japans blickt mit dem kriegerischen Gesicht über den Stillen Ozean nach dem amerikanischen Festlande hin, friedlich und gewinnend aber schaut er nach Asien hinüber. Rußland bot ihm — wenn auch nur gegen Zuge ständnisse — die Hand zum B ii ndnis , das für I a p a n — auch abgesehen von der Sicherung — mancherlei Vor teile bietet. Und China beginnt langsain die schmerzhaften Erin nerungen zu begraben und der veränderten und um Frie de und Einvernehmen buhlenden Politik Japans mit Ver ständnis gegenüberzutreten. Die anfangs japanfeindlichen Streiks in chinesischen Betrieben wandten sich bald mit ihrer Feindschaft ans Kosten Englands von Japan ab. Nicht zuletzt ge wann sich Japan Chinas Sympathie durch sein verständnis volles Eingehen auf die chinesischen Zollwünsche auf der Konferenz in Peking. Brian- wieder in Parts Paris, 1. Oktober, Außenminister Priand ist am D»n- net-dtagabend nach Paris znrnckgekehrt, um an dem für heute vormittag »m 9 Nhr anberaumte» Ministerrat teilzu- nehnicn, ver sich, wie bereits gemeldet wurde, mit den tech nische» Problemen beschäftige» soll, die durch die in Thoirh cingrleitrten deutsch-französischen Annähernngsbrsprechnnge» aufgeworfen werden könnted. Hughes zum Mitglied -es permanenlen Schiedsgerichlshofes ernannt? London, 1. Oktober. Nach einer Rcutermeldnug aus Washington hat Präsident Cvvtidgc den früheren är.ieri- kanijchen Staatssekretär Hughes zum neuen Mitglied des permanenten Schiedsgerichtshofes im Haag für die Dauer von 6 Jahren ernannt. — Die Meldung steht in offenbarem Widerspruch zu einem Agenturbericht aus Oien york, nach dem die Regierung Cvolidge wahrscheinlich in nicht allzu langer Zeit den Antrag der Vereinigten Staaten auf Mitgliedschaft des internationalen StbiedsaerichtShoses zurttckziehen werde. lösung zuzustimmen. Daraufhin überreichte Ministerpräsident Bartels dem Staatspräsidenten die Demission, die sofort ange nommen wurde. lieber Sie entscheidenden Sitzungen des Sejms wird im "ein zelnen berichtet: Der Vorsitzende der Budgetkonimission berichtete über die Beratungen der Kommission über die einzelnen Budget- vorschläge. Der Regierungs-Vorschlag, der seinerzeit mit knapper Mehrheit ohne Aendernng angenommen, dann aber vom Senat abgeandert und an den Sejm zuriickverwiesen wurde, l;at in der Budget-Kommission auch nur in der Senatsregiernng Billigung gesunden. Der Vorsitzende der Kommission empfahl daher dem Sejm Annahme des abgeänderten Vorschlages. Die Regierung erklärte demgegenüber, sie würde die Annahme dieses Borschla- ges naturgemäß als Ablehnung ihres eigenen Budgets anfthen und ihre Konseque n z e n daraus ziehen. Der Sejm lehnte, wie bereits gemeldet, mit 206 gegen 01 Stimmen den Regierung--- cnlwnrf -durch Annahme der Senatsregiernng ab. Ohne daß ein Mitglied der Regierung das Wort ergriff, wurde daraus die Sitzung geschlossen. — Gegen 0 Uhr abends trat, wie angekün- digt, der Sejm erneut zusammen und nahm eine kurze Erklärung des Ministerpräsidenten Bartels entgegen, in der es heißt, die Ne gierung trete zurück, weil in der schon abgehaltenen Kabinetts- sitznng sich vier Minister „einstweilen und unter Vorbehalt" ge gen Auslosung des Sejm ausgesprochen hätten. Die Sejinsitzung wurde sofort wieder geschlossen. Bartels begab sich im Auto zum Staatspräsidenten und überreichte die Demission, die sofort ange nommen wurde. Das.Aernprohlsm 3. Fortsetzung des Artikels „Die Arbeitnehmer in Staat und Wirtschaft der Nachkriegszeit. Bon R e i ch s a r b e i t s in i n i st e r D r. Brauns. Wir stehen wieder vor dem Kernproblem der soziale- Frage. Es ist da s V erhältni s v o n Nt e n s ch z u Ni e n s ch Auf ein Zusammenwirken von Mensch zn Mensch muß das Ber hättnis von Arbeitnehmer und Arbeitgeber zurückgesührt wer den. Das erfordert, daß der Arbeitnehmer auch unter den ver änderten technischen Berhäitnissen ein inneres Verhalt- nis zu seiner Lebensaufgabe gewinnen kann. Er muß die Bedeutung seines Tuns empfinden können. Er muss nicht nur seine physische Kraft und seine Zeit im Betriebe ver brauchen, sondern auch seine seelische Befriedigung in seiner Lebensaufgabe finden. Es wird in erster Linie Sache der Arbeitgeber sein, ihm dazu zu verhelfen. Möglichst persönliche Fühlungnahme zwischen Unternehmer und Arbeiterschaft. Fort mit allen nicht unbedingt nötigen oder gar ungeeigneten Zwi schengliedern! Auch der Gedanke der Führerschaft der Unter nehmer hat seine Grenzen. In den spekulativen und kaufmän nischen Ausgaben des Unternehmens mag der Unternehmer Füh rer sein. Auch nach der technischen und organisatorischen Seite hat der Unternehmer die Führung. Aber schon bei der Technik und der Organisation so» er sich der Mitwirkung der Arbeit nehmer versichern, erst recht aber in allen Fragen des Arbeits- Verhältnisses, denn die Arbeitskraft des Arbeiters ist dem Unter nehmer ebenso wichtig, wie die richtige Kalkulation und Kapital beschaffung. Praktische Anwendung können diese Gedanken finden in der rechten Anwendung des B e t r i e b s r ä t e g e s e tz c s von beiden Seiten. Einer anderen seelischen Einstellung bedürfen wir auch bei den stets wiederkehrenden Berhandlungen über das Arbeits verhältnis, speziell über Arbeitszeit und Arbeitslohn. Von bei den Seiten werden Vorwürfe gegen Schlichtnngsinsianzen und Behörden dieserhalb erhoben, während es doch schließlich in der Hand der beiden Parteien liegt, durch gegenseitige Verständigung und vor allem durch Uebernahine der Sclbstverantworiung die behördlichen Entscheidungen überflüssig zu machen. Solange aber beide Teile an Verhandlungen über das Arbeitsverhüllnis wie an ein Schachergeschüst herantreten, bei dem der eine mög lichst wenig nachgeben, der andere möglichst viel fordern will und nicht von vornherein auch die Bedürfnisse der Gegenseite in Rechnung stellt, fehlt es an der rechten seelischen Einstellung zu einer wirklichen Arbeitsgemeinschaft und einem rechten Verhält nis von Mensch zn Mensch. Wer soll ansangcn mit dieser anderen seelischen Einstellung? Ich antworte: Beide! Wenn aber schon einer den Vorrang haben soll und die Führung beansprucht, dann möchte ich sie den Unternehmern znmciscn. Tann sollen sie auch auf diesem Gebiete Führer sein. Sie werden bald keinen Anlaß mehr haben, sich über Bnreankratisicrung der sozialen Gesetzgebung und sozial« Bevormundung zu beklagen. Wenn ans der anderen Seite dann auch die Arbeitnehmer das bekannte Mißtrauen beiseite seken und in sachticke» Auseiii.