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Morler« Grembote Nr. 214 96. Jahr» Im Falle höherer Gewalt (Krieg oder sonstige Störung des Betriebes) hat der Bezieher keinen Anspruch auf Liefemng oder Nachlieferung der Zeitung oder auf Rückgabe des Bezugspreises. Dies Blatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshaupt mannschaft Oelsnitz i. Vogtl., des Amtsgerichts, der Amtsamoaltschaft und des Stadtrates zu Adorf im Vogtland TagMM ».Anzeiger MMrf GE, Bab Elster, Bab Nrambach,Amsgrm,Nrtkeafelb,Bergen,Freiberg,Sber-ll.Mergette»Mün,§eMsgrA r Der Adorfer Grenzbote gelangt jeden Wochent. t nachm. zur Ausgabe, für den nächsten Tag vorda. t tiert.—Anzeigen nach Tarif.—Postscheck-Konto ! 87369 Leipzig. — Fernruf Nr. 14. Gegr. 1835 Meisburg, Leubetha, NMlhausen Mbersreuch, Remtengrün, Schönberg, Eiebenbmnn, SM WohIbaA u. bas übr. obere Bgtl Sonntags eine illustrierte Anterhaltungsbeilase Druck und Verlag: Otto Meyer, Adorf (Vogtl.), Bergstraße 14. — Verantwortlicher Schriftleiter: Otto Meyer, Adorf (Vogtl.) VeLanntrnrrehung. Weyen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit werden auf Grund von Art. 123 Abs. 2 der Reichsverfassung für Sonnabend, den 13. September, und Sonntag, den 14. Sep tember 1930, alle Versammlungen und Umzüge unter freiem Himmel in den Amtsgerirhtsbezirken Oelsnitz, Adorf und Markneukirchen verboten. Die Bewilligung von Ausnahmen bleibt Vorbehalten. Verstößen gegen das Verbot sowie sonstigen Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung wird mit allen verfügbaren Mitteln entgegcngetreten werden. — I 8: I 192 — Oelsnitz i. V., Adorf und Markneukirchen, den 12. Sept. 1930. Dia Amtshauptmannfltzaft Oelsnitz i. D. und die Stadträte Oelsnitz, Adorf und Markneukirchen. Was M es Aeues? — Nach den Feststellungen des Reichswahlleiters hat die Zahl der Wahlvorschläge gegenüber der letzten Reichs tagswahl abgenonrmen, die Zahl der Bewerber aber erheb lich zugenommen. — „Graf Zeppelin" ist von seiner Moskaufahrt nach Friedrichshafen zurückgekehrt. Das Luftschiff, das 22 Fahr gäste an Bord hatte, legte die rund 2500 Kilometer lange Strecke in etwa 19 Stunden zurück. — In der Genfer Völkerbundsversammlung bracht« Briand am Donnerstag seine Paneuropavorlage ein. — Aus Anlatz der Eröffnung der Völkerbundsoer- sammlung fand in der Genfer Kirche St. Pierre, der Kirch« Calvins, ein vom ökumenischen Rat der Stockholmer Be wegung veranstalteter gemeinsamer Bittgottesdienst statt. — Der größte Teil der Warschauer Oppositionspresse wurde beschlagnahmt. Flugzeug 1202 der Deutschen Verkehrsflicger- schule Braunschweig stürzte in nächster Nähe der Bahnstrecke Schwerin Ludwigslust über der Feldmark Rastow ab. Der Pilot, ein Flugschüler der Verkehrsfliegerschule, namens Arved Freiherr van Ungern-Sternberg, war sofort tot. — der Geschäftssitzung der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Aerzte wurde einstimmig Wiesbaden- Mainz als Ort für die nächste Tagung gewählt. — Das Befinden des gestürzten argentinischen Prä sidenten Irigoyen, ver an doppelseitiger Lungenentzündung darniederliegt, ist äußerst ernst. — Die kanadische Regierung hat zur Milderung der Arbeitslosigkeit eine Beringung ausgearbeitet, die die ge samte Einwanderung aus Asten verbietet. Die letzte Woche. Mir-L" U " °n"W' R-L und Flugblättern, noch ern letzter Vorstoß der , Tank geschwader" von Propagandaautos — soweit diese nicht, wie in Bayern und Baden, verboten sind — und dann ist der Wähler zermürbt genug, um zur Wahlurne schreiten zu können. Wie wird die Entscheidung fallen? In einzelnen Blättern hat man bereits zahlenmäßige Berechnungen über die voraussichtliche künftige Zusam mensetzung des Reichstags angestellt. Aber viel Wert haben diese Mutmaßungen nicht. Schwerer noch als bei früheren Wahlen ist diesmal die Prognose. Die im Stellungskampf erstarrte Front der Parteien ist wieder etwas in Bewegung gekommen, und niemand kann sagen, wie sich' das answirken wird. Niemand weih auch, wie weit es den Parteien gelingen wird, aus den Reihen der Nichtwähler Reserven heranzuziehen. -st Ein Problem für sich bildet das Rekruten- depvt der Jungwähler. Die Zwanzigjährigen, die diesmal zum ersten Male an die Wahlurne treten, waren bc: Kriegsausbruch vier Jahre alt: sie haben die Vorkriegszeit nicht mehr mit Bewußtsein erlebt. Ihre frühesten Jugenderrnnerungen knüpfen an die Kriegs zeit an, und als sie politisch zu denken begannen, ge hörten Krieg und Revolution schon der Vergangenheit an. Sie sind also Politisch Produkte der Nachkriegs zeit mit all ihren politischen und wirtschaftlichen Nöten. Die Jugend neigt ihrer Natur nach dem Radikalismus zu, und so ist es begreiflich, wenn man sie heute viel fach zwischen den radikalen Strömungen unserer Zeit hin- und herschwankcn sieht. Der Jungwähler ist nicht belastet mit einer Tradition, die den älteren Wäh ler im Bann einer bestimmten Partei oder poli tischen Richtung hält. Der Jungwähler sucht sich durch zuringen durch das Chaos neuer Gedanken und Strö mungen. Stärker als das Alter ist ja auch die Jugend daran interessiert, wie der Staat aussehen soll, der einmal ihr Staat werden soll. Denn ihr gehört die Zukunft, und es ist ihr Schicksal, um das es geht; und dieses Schicksal kann nicht mit leeren Schlagworten und lärmenden Schlagworten zum Bessern gewandt werden, sondern nur mit stiller, beharrlicher Arbeit, den Blick fest auf das Ziel gerichtet, die Wunden zu Warum Ml BnzM auf Mtunsrn? Elm Frage an Briand? Die Völkerbundsversammlung hat Donnerstag vormittag ihre sachlichen Beratungen mit der allge meinen Aussprache über den den Mitgliedern bereits vor längerer Zeit zugegangenen Tätigkeitsbericht des Generalsekretärs ausgenommen. Als erster Redner er hielt der Vertreter Kanadas, Sir Robert Borden, das Wort, der die düstere Zeit der Entstehung des Völker bundes mit der freundlichen Atmosphäre des guten Wil lens, der Zusammenarbeit und der Verständigung, wie sie heute erfreulicherweise vorhanden sei, verglich. Briand habe mit Recht die moralische Abrüstung als Voraussetzung der materiellen Abrüstung bezeichnet. Auf seine Initiative hin sei der allgemeine Pakt über den Verzicht auf Krieg geschaffen und spontan von den meisten Kulturstaaten unterzeichnet worden. Trotzdem, so fuhr Borden fort, dauern die Rüstun gen an. Man fragt sich, wozu? Etwa siir den Krieg, auf den man verzichtet hat? Es ist zu bedauern, daß gleichzeitig mit dem Verzicht auf Krieg nicht auch ver Verzicht aus Rüstungen ausgesprochen worden ist. Hoffen wir, daß der Friedensidealismus von heute die Wirklichkeit von morgen werde. Briand, der hierauf, von Beifall begrüßt, das Podium betrat, erklärte zunächst, daß er in zweifacher Eigenschaft vor die Versammlung trete, als Delegierter Frankreichs und als Mandatar von 26 europäischen Staaten, in deren Namen er der Völkerbundsversammlung eine Mittei lung zu machen habe. Briand fuhr fort: Ich habe tiefes Vertrauen auf den Völkerbund, der einer der wich tigsten Dämme gegen die Gefahr des Krieges ist und als solcher in das Bewußtsein der Völker immer tiefer rindringt. Der Völkerbund ist wegen des angeblich langsamen Fortschreitens seiner Arbeiten zahlreichen Angriffen und mannigfacher Ironie ausgesetzt worden. Aber der Kellogg-Pakt, die Generalakte über die Schiedsgerichtsbarkeit und die zahlreichen regionalen Abkommen sind wirksame, nicht zu unterschätzende Bei träge zur Organisierung des Friedens. Alle diese Be mühungen — und hierin stimme ich meinem Vorredner Zu — werden, wenn sie nicht als Gegenstück die Ein schränkung und, wenn möglich, sogar die Beseitigung der Rüstungen habe, etwas Unbestimmtes, Undefinier bares bleiben. Es war, um nur von meinem Lande zu reden, gegenüber der Tatsache, daß sich der Friede festigt und die Sicherheit organisiert wird, unmöglich, gewisse Ziffern, gewisse Ausgaben aufrecht zu erhalten. Wir sind dabei auf Schwierigkeiten gestoßen: wir haben lange Wochen in London verhandelt und einen erfreu lichen Anfang erzielt. Ich stehe hier mit dem Vertreter eines befreundeten und benachbarten Landes in Ver handlungen, durch die hoffentlich weitere Möglichkeiten geschaffen werden. Ach habe mich, so rief Briand mit starker Be tonung aus, in den Gedanken geradezu-verbohrt, daß cs, solange ich bin und wirke, kernen Krieg geben darf. Wenn irgendwelche Schwierigkeiten auftauchen, werden wir sie in Frieden und durch den Frieden regeln. Das ist eine Ehrenpflicht gegenüber den Natio nen, die ihr Vertrauen auf uns setzen. Mit der Be merkung, daß der Völkerbund sich mit allen, tue inter nationalen Beziehungen berührenden Strömungen in Fühlung halten müsse, leitete Briand auf die euro päische Frage über. Briand bezeichnete seinen Plan als eine weitere große Anstrengung im Dienste des Friedens. Soweit alle Bemühungen, den Frieden zu sichern, im Rahmen des Völkerbundes geschehen müßten, werde auch diese Idee vom Geiste des Völkerbundes getragen. Eine Reihe von Tatsachen zwänge geradezu zu einer engeren Zusammenarbeit der europäischen Völker. ES läge in der Logik dieser Tatsache, daß die Völker, auf deren Territorium sich der Weltkrieg abgespielt habe und di« heute immer noch unter den Folgen des Krüeges litten, sich zu einer gemeinsamen Anstrengung zur Ueber- windung dieser Folgen ausrafsen. Briand führte weiter aus, daß er von Anfang an die Schwierigkeiten der Verständigung über seine Idee ins Ange gefaßt habe. Diese müßte« im Interesse de» Friedens überwunden werden. In ihrer Antwort auf sein Memorandum hätten die 26 europäischen Staaten sich grundsätzlich in be jahendem Sinne geäußert und die kürzlich von ihm einberufene Konferenz dieser Staaten habe ihm ein mütig den Auftrag gegeben, die Frage der euro päischen Einigung vor den Völkerbund zu bringen. Er habe die Ueberzeugung, daß der Völkerbund dem Plan gleichfalls seine Zustimmung gäbe, handele e» sich doch um die Verwirklichung einer Idee, die auch den Zielen des Völkerbundes entspräche. Es sei selbstverständlich, daß keine neue Orga- nisation neben dem Völkerbund geschaffen werden soll, sonder» daß die enropäischen Einigungsbestrebungc« nur im Rahmen des Völkerbundes verwirklicht werden könnte». Auch könne selbstverständlich keine Rede davon sein, daß die geplante Vereinigung sich gegen andere Staaten over Staatengruppen richte. Die Bundesversammlung habe jetzt das Wort Er Hosse, daß sie im Verlauf dieser Tagung den euro päischen Völkern zurufen werde: Marschiert weiter' Ihr seid aus dem Wege des Friedens! -st Der Einoruck der Briand-Rede. Wie aus Genf berichtet wird, hat die Reds des französischen Außenministers in deutschen Kreisen einen günstigen Eindruck gemacht. Briand hat die Verpflich tung zur Abrüstung erneut betont und dabei über die schwebenden Besprechungen mit Italien Worte gefun den, deren freundschaftliche Zuversichtlichkeit allgemein aufgesallcn ist. Beim Vorbringen der Europafrage hat Briand die Interessen des Friedens in den Mittel punkt gestellt und hat besonders darauf verzichtet, französische Sonderwünsche vorzutragen, oder sonst Ten denzen anzukündigen, die vom Standpunkt der deut schen Politik bedenklich sein könnten. Briand ist sichtlich bemüht, gegenüber den vielen Widerständen, auf die die konkreten Vorschläge seines Planes gestoßen sind, wenigstens die Idee eines cnaeren Verhältnisses der europäischen Staaten zu retten und im übrigen dem Völkerbund, entsprechend dem Beschluß der Europa konferenz, vollkommene Entschließungsfreiheit zu lassen. heilen, die der Krieg dem deutschen Vaterlande ge schlagen hat. Die Genfer Völkerbundstagung hat bis her noch keine Sensationen gebracht. Zu einigem Kopf zerbrechen hat allerdings die eilige Abreise Grandis unmittelbar nach Abschluß der Ratstagung Anlaß ge geben. Die italienischen Blätter begründen die Abreise Grandis damit, daß die Tätigkeit des Außenministers in Rom viel nützlicher sein könne als in Genf. Sie deuten auch an, daß Grandi vielleicht nach Genf zu- rückkebren werde, falls in dem zweiten Tagungsabschnitt