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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 23.08.1911
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-08-23
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110823020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911082302
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911082302
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-08
- Tag 1911-08-23
-
Monat
1911-08
-
Jahr
1911
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Bezugs-Preis «u »n» v»r»n« vurch unser« Irügri und Sp«dtt«uk» Lina! t8»ltch in» vau» »rdkacit « Pt. monaU„ L7U Mt. oi«rt«ttährl. Br« un>«rn Filialen a. Ln» nohmrftrllen adaehol« 7S Pt. «onatU, rovMt. oienrliadkl. »urch »>« P,ti: lnnrrhald Drallchland» an» v«, vruychen Kolonien oirktellährl. 3.S» Pik« monatl. >.AI Mk. au»sihl. Poftbrftrllarld gern«k tn Belg,«», Danrmarl. drn Donauftaaren. Italirn. Luremburg. Niederlande, Nor wegen Österreich»Ungarn. Nudland, Schweben, Schwei» n. Evanten. In allen übrigen Siaaren nur direkt durch dir ibeichgUoitell« de» Blatte» «rdallltch. Da» Leiviige» Lagrdlao «rlchelnr r«ai rügltch. Sonn. ». gerenag» nur morgen». Bdonn«menr»»<lnnadm« 2»danai»,»N» 8. de» unlrren Iragerir. Filialen. Soedileuren und Lnnahmeltellrn. >owr, Boiiamrern und Bnesträgern. Abendausgabe lip.ügcrTagtblaü l 14 692 iNachto-Ichlu», Tel.-Änschl.i 14 683 i 14 694 »Z-Handelszeitung Nmtsvkatt -cs Rates und des Notizeiamtes Ser Ltadt Leipzig. Anzeigen-PrekS für Inlerar« au» Uetpjla uit» Umgebung bi« llpalttg« Petttjetl« 2^Pt_ die Neklame- »etl« 1 ML' von ourwärt» SU Pf^ Neklamen U20 Mk. Inserat« von Behörden im amt- ltchen Teil di« Petit,eil« SU Pl. Kelchästsanieigen mit Plaüoorlchristen u. in der Ad«ndau»gabe »m Prelle erhöht. Nabatt nach Taris. Bcilagcgebühr Gelamr» auslag« L Mk. r> Tausend erii. Poslgedühr. Teilbeilag« Hüber. Fekertetlte Austraar kennen nicht zurück gezogen werden. Für da» Erscheinen an bestimmten Tagen und Plätzen wird lein« Garantie übernommen. Anzeigen - Annahme: IohannisgaN« 8, bet sämtlichen Filialen u. ai««n Annoncen- Lrpeditionen des In- und Auslandes. Druck und Berlag von Fischer L tkürste» Inhaber: Paul Xürsten. Redaktion und Geschältsstelle: Iohannisgaüe!ü Hautzt-Filiale Dresden: Seeilratze -i. i (Telephon t82l>. los. Ishrgsng Nr. 233 Mittwoch, üen L3. ttugult lSll Die vorliegende Ausgabe nmsapt 6 Seiten. Geheimer Kirchenrst D.Meyer 1» Zwickau, 23. August. (Eigene Draht-. Meldung.) Geh. Kirchenrat Superintendent Dr. Meyer ist heute nacht um 4 Uhr 20 Min. gestorben. Mit aufrichtigem Bedauern und inniger Teil nahme werden weite Kreise des evangelischen Volkes nicht nur unseres engeren Vaterlandes, sondern des ganzen Deutschen Reiches und mit ihnen die freunde der protestantischen Bewegung auch in den Nachbar ländern die Trauerkunde vernehmen, dass der Führer der ..Los von Rom-Bewegung" Geheimer Kirchenrat Dr. Meyer in Zwickau verstorben ist. Im Oktober vorigen Jahres konnte er noch in geistiger und kör perlichen Rüstigkeit die Vollendung seines 70. Lebens sabres begehen. Die Wünsche, die damals bei der würdigen Feier seines Geburtstages ausgesprochen wurden, das; dem wackeren Vorkämpfer des Pro testantismus, dem geistigen Vater und Führer des Evangelischen Bundes noch ein langer Lebensabend beschieden sein möge, sind leider nicht in Erfüllung gegangen. Bereits vor einigen Monaten drangen Nachrichten in die Oeffentlichkeit, die eine Schwächung des Gesundheitszustandes des greisen Geistlichen be fürchten liehen. Im Juli machte die Mitteilung, daß Meyer sein Mandat zur Landessynod« aus Gesund heitsrücksichten niedergelcgt habe, diese Befürchtung zur ernsten Gewißheit, und nun hat, für die meisten wohl unerwartet, der Tod diese einzigartige Persön lichkeit dahingcrafft. Auf Meyers Leben läßt sich wie kaum jemals das Vibelwort anwcnden, daß es köstlich und daß es Mühe und Arbeit gewesen sei. Mit einer uner schütterlichen Freudigkeit hat sich der Verstorbene, der seit 1883 als Stadtpsarrcr und Superintendent in Zwickau segensreich gewaltet hat, seinen seelsorge rischen Ausgaben unterzogen. Viele Volksgenossen har er, als Vertreter einer freieren Auffassung Les Christenglaubens, der Kirche.wiedcrgewonnen; viele hatten von ihm gerade jetzt die Prägung der einigen den Formel für die Gegensätze in dem Kampfe um die Gestaltung des Religionsunterrichts erwartet. Darum trifft das sächsische Volk der Verlust dieser kraftvollen, selbstsicheren und doch milden Persönlich keit wie ein herber, schwer zu verwindender Schlag. Darüber hinaus ist auch für den Evangelischen Bund, für die Los von-Nom-Bcwegung durch Meyers Tod eine kaum aucfüllbare Lücke entstanden. In dem Bunde zur Wahrung deutsch-protestantischer Inter essen lag Meyers eigentliche Aufgabe beschlossen. Als Begeisterung weckender, zündender, gemütvoller Redner, als echte Kämpfernatur wußte er die Lauen und Schläfrigen aufzurütteln, wenn es galt, gegen ultramontane Unbotmäßigkeit und Anmaßung, gegen klerikale Herrschsucht und Friedensstörung Sturm zu lausen. Mag er in seinem energischen Bestreben, das Verständnis für den Schaden des Ultramontanismus allenthalben wachzurusen und wachzuhalten, manch mal vielleicht auch übers Ziel geschossen sein, seine menschlich-heitere,' sonnig-humorvolle Art, sich zu geben, sein erstaunliches Geschick, Unstimmigkeiten auszugleichen, haben ihm auch die Achtung der Gegner eingebracht, soweit sie seinem Wirken vorurteilslos gegenüberstanden. Ohne ihn und seine unerschütter liche Zuversicht, seine unbesiegliche Hoffnungsfreudig keit wäre es undenkbar, daß heute in mehr ais 300 Orten Deutsch-Oesterreichs die Lutherlehre ge predigt wird. Seiner glänzenden agitatorischen und organisatorischen Befähigung allein ist es zu danken, daß die Los-von-Nom-Bcwcgung in Oesterreich so gewaltige Fortschritte gemacht hat, und daß die zum Protestantismus übergetretenen österreichischen Staatsbürger sich in eigenen Gemeinden zusammen schließen konnten. Eine spätere, Zeit, die leiden schaftsloser und ruhiger diese harten, zähen Kämpfe beurteilen wird als die an ihnen beteiligte Gegenwart, wird vielleicht erst imstande sein, das einzigartige Wirken dieses kühnen Künders eines gesunden Protestantismus, eines markigen Deutsch tums in vollem Maße zu würdigen. Die Zeitge nossen, die ihn gekannt, geschätzt und verehrt hoben, und die heute trauernd an seiner Bahre stehen, werden seinen Verlust nur schwer verwinden. Sie werden aber von seinem Grabe die heilige Verpflich tung mitnehmen, es ihm gleichzutun: denn er ist ein Mensch gewesen und das heißt ein Kämpfer sein. Christian Friedrich Meyer wurde am 20. Oktober 1840 in Annaberg geboren, er besuchte die Fürsten schule zu Meißen, studierte in Leipzig Theologie, wurde Hauslehrer in Gommern bei dem späteren sächsischen Kriegsminister Grafen von Fabrice, wirkte von 1863 bis 1807 als Oberlehrer am Realgymnasium in Chemnitz, von 1867 bis 1870 als Diakonus in Meerane, von 1870 bis 1876 als Pfarrer in Dohna und 1876 bis 1883 an St. Pauli in Chemnitz. Seit 1883 ist er Stadtpfarrer und Superintendent in Zwickau. Zum Doktor der Theologie wurde er von der Universität Halle-Wittenberg ernannt. Im Jahre 1903 erhielt er den Titel eines Kirchenrats, im Jahre 1910 den eines Geheimen Kirchcnrats. Lange Jahre war Meyer Mitglied der Sächsischen Landesjynode. Politisch bekannte er sich zur natio- nallibcralen Partei. Ingenieur Richter Sekunden! Seit Mai dieses Jahres, also seit reichlich einem Vierteljahre, war die deutsche Oeffentlichkeit durch die Entführung des auf einer Studienreise befindlichen Ingenieurs Richter aus Jena durch türkische Räuber im Olympgebirge in Atem gehalten. Lange Zeit schien es, als werde seine Befreiung überhaupt nicht gelingen. Es bedurfte wiederholter Mahnungen von offizieller deutsche: Stelle an die türkische Regierung, damit diese mit Energie die Verfolgung der Räuber aufnahm, die ein hohes Lösegeld gefordert hatten. Jetzt endlich ist es gelungen, den Gefangene» in die Freiheit zurückzuführen. Folgendes Telegramm liegt vor: Saloniki, 23. August. (Eig. Drahtmeld.) Der aus Jena stammende Ingenieur Richter, der seit Monaten von Räubern im Olympgebirge fest gehalten wurde, ist wohlbehalten aufgefunden worden. Er wird über Kosan nach Saloniki gebracht. Nähere Mitteilungen über die Befreiung fehlen noch. Jedenfalls wird man überall lebhafteste Genug tuung und Freude empfinden, daß es endlich doch noch geglückt ist, die Spuren der Räuber ausfindig zu machen und Richter zu befreien, so daß der lange Gesuchte nun bald seinen besorgten Angehörigen wieder zugeführt werden kann. Marokko. Während in Paris die ministeriellen Besprechun gen über die neuen Instruktionen für den französischen Botschafter Jules Cambo.r fortgesetzt werden, glaubt man in Wien bereits den Inhalt der Vorschläge zu kennen. Die oft offiziös bediente „Wiener Allg. Ztg." enthält Mitteilungen über ein „Arrangement", dessen Einzelheiten vielleicht manchem verlockend erscheinen mögen, das aber im ganzen genommen die berechtig- t :r Ansprüche Deutschlands zu befriedigen nicht ge eignet ist. In Deutschland wird allenthalben immer vernehmlicher die Aufteilung Marokkos gefordert. Wir verzeichnen folgende Drahtmeldungen: Wien, 22. August. sEig. Drahtmeld.) Obwohl der spanische Ministerpräsident Canalejas und der Pariser „Matin" erst kürzlich entschieden in Abrede gestellt haben, daß die deutsch-französischen Marokko verhandlungen zu einer Abtretung der spanischen Ko lonien Rio Muni und Fernando Po an Deutschland führen könnten, erhält sich dieses Gerücht hartnäckig. Die „Wiener Allgemeine Zeitung", deren gute Be ziehungen zum Auswärtigen Amt in Wien bekannt sind, erhält heute aus Paris „von besonderer Seite" folgende Miteilung. Es soll eine Anregung in Er wägung gezogen worden sein, die jetzt in Paris zwischen Herrn Jules Cambon und dem französischen Kabinett beraten wird. Dabei soll folgender Plan ins Auge gefaßt worden sein: 2 p a ni e n tritt an Frankreich das südlich von Kamerun gelegene Muniegebiet und die Inselgruppe Fernando- Poab. Frankreich tritt dicseBesitzungen und ferner einen Teil des französischen Mittel-Kongo an Deutschland ab. Frank reich erkennt das n ö rd lichc Marokko einschließ lich Tanger bis zum Zebuflusse als spanische Interessensphäre an. Hierdurch würde Spanien einen großen Vorteil erlangen, denn der Hafen von Tanger rst von großem Wert. Ein solches Arrangement, durch das Tanger nicht in den Besitz einer Großmacht käme, würde auch die Zufriedenheit Englands er werben. Das ganze übrige Marokko soll a n Frankreich fallen. Deutschland würde demnach in Afrika sein Kolonialgebict ungefähr um 230 000 Quadratkilometer mit 1 200 000 Einwohnern ver größern. Dieser Plan soll der Gegenstand der Ver handlungen sein, die jetzt in Paris gepflogen werden. Paris, 23. August. Die Unterredung des Botschafters Jules Cambon mit dem Minister präsidenten Caillaux, den Ministern de Seloes, Del- cassö, Messimy und Cruppi, sowie dem Botschafter Barröre wurde gestern nachmittag fortgesetzt. Bei der Unterredung am Nachmittag war auch Kolonial minister Lebrun anwesend, während der Bot schafter Paul Cambon fehlte. Paris, 23. August. Aus Rabat wird gemeldet: Als General Moinier am 18. August mit seiner Kolonne nach Uedgru zurückkehrte, wurde er bei Eeita el Fula von einer Abteilung Zaera ange griffen. Die Kolonne zerstreute den Feind. Vier Mann des Gum wurden getötet, zehn Soldaten ver wundet, davon vier schwer. Moinier traf am 19 d. M. die Kolonne Marchand und schlug am 20. d. M. in Uidan sein Lager auf. Tanger, 23. August. („Agence Havas") Es be stätigt sich, daß Oberst S y l v e st r e mit einigen Offi zieren und zwanzig Reiter» vor Arsila eingetroffen ist. Es handelt sich um eine» Höflichkeitsbesuch lu'i Raisuli. Die Offiziere kamen allein in die Stadt, wo sie der Pascha empsing. Am Abend kebrten sic zurück und gelangten noch bis T l e t a r e i s a n a, Las auf halbem Wege nach Larrasch gelegen ist. Dort werden die Spanier einen Posten aufstellen. Auch in Schar, 1't Stunden südlich von L'rrasch. wurde ein spanischer Posten errichtet. Plauen, 23. August. (Eigene Drahtmeld.) In einer vom Alldeutschen Verband einberuse^ nen Versamlung, die von über 1300 Personen be sucht war, wurde gestern abend gegen die Stimmen von etwa 23 Sozialdemokraten folgende Resolution angenommen: „Die am 22. August 1911 tagende, von 1300 bis 1600 Deutschen besuchte öffentliche Versammlung erachtet es als vaterländische Pflicht, der Sta«:»- regieruilg dringend ans Herz zu legen, den vom ganzen deutschen Volke mit Jubel begrüßten Schritt, der Entsendung deutscher Kriegsschiffe in die marokkanischen Gewässer nicht durch ei» Zurück weiche» vor unbegründeten Forderungen Frank reichs und Englands wieder rückgängig zu machen. Gestützt auf die begeisterte Zustimmung des ganzen Volkes uird auf die Schlagfertigkeit von Heer und Flotte muß die deutsche Staatsregierung kühl auf den deutschen Ansprüchen in Marokko be stehen: das Deutsche Reich kann nur mit dem letzten französischen und spanischen Soldaten Marokko ver lassen. Andernfalls bricht das bereits stark erschütterte nationale Empfinden im d e u t s ch e n V o l k e g ä n z l i ch z u s a m m e n und unsere Achtung in der Welt, namentlich in der mohammedanischen, verschwinde: völlig. Di« Staatsregierung darf sich versichert halten, daß eine wirklich tatkräftige und selbstbewußt« deutsch« Politik aus di« freudigste Zustimmung des deutschen Volkes rechne» kan», das zur Wahr u » g seiner Ehre und zur Sicherung seiner Zukunft jedes Ovfer willig bringen wird. Auch in antcren Orte» sind ähnliche Entschließun- geil gefaßt worden. NsHklsnüc zum englischer? Gilenvalznerslreik. London, 23. August. (Eig. Drahtmeld.) Die Differenzen zwischen den Angestellte» und der Leitung der N o r d o st b a h n sind belgelegt. London, 23. August. (Eig. Drahtmeld.) Die An gestellte» der Nordostbahn wurden von den Ver trauensleute» angewiesen, die Arbeit wieder aufzu nehmen. London, 23. August. (Eigene Drahtmeld.) Im E r u b e il g « b i e t von M a m m o u t h s h i r e kam cs' am Abend zu neuerlichen Unruhen, wovon hauptsächlich die Städte Eböw Vale, Rhymney und Tresegar betroffen wurden. In E b o w V a l e sah die Lage jo drohend aus, daß die Aufruhratt« verlesen wurde, und das herbeigerufen« Militär mit einem Bajonettangriff Vorgehen mußte. Auch nach Cwm und Brymnawr wurden Truppen entsandt. London, 23. August. (Eigene Drahtmeld.) 300 bis 600 Kaiarbcitcr, dl« auf Werften in der Ruf üer GvlüWSge. 7) Roman von Marie Stahl. tNachvruck verboten.) „Nun, und ich wußte ja, daß du Sanna v. Geiers- n:ark liebst, La hat es mit der Schönhci: keine Gefahr. Für Kuno ist sie zu alt; sie ist vier- undzwanzlg." „Aber, Mutter. Lu wirst doch Leine Söhne nicht für so gottverlassen ansehen, Laß sie sich mit deiner Stütze abgeben könnten! Mich kennst du Loch ganz genau in der Beziehung." „Junge, Junge, in der Beziehung kann eben keiner für sich gutsagen." „Das wäre traurig. Aber wie heißt sie denn, und kann sie überhaupt was?" „Sie heißt Kläre Hübner, und sie ist vom Lande. Ihr Vater scheint ein verkrachter Gutsbesitzer gewesen zu sein. Das arme Mädchen hat wohl Schweres durch gemacht. Man sieht es ihr an. Selbständig hat sie noch keine größere Wirtschaft geleitet, aber sie glaubt ja, Befähigung dazu zu besitzen." „Na, na, Mutter, mit den verkrachten Familien hat die Sache stets ihren Haken. Solch« Leute sind immer untüchtig und unfähig, oder sie haben irgend einen Sparren oder Defekt. Viel Vertrauen habe ich nicht zu deiner Wahl mit den schönen Augen und der eleganten Taille, aber wir werden ja sehen." „Ich muß dir noch etwas erzählen, was mir wieder viel Kummer macht", fuhr die alte Dame, lebhafter werkend, fort. „Denke dir, in Störtebeck war es wieder so weit, daß Onkel Gebhard aushelfen mußte. Gebhard war vor einigen Tagen bei mir, er ist außer sich: ich habe schöne Dinge über meinen Bruder zu hören bekommen. Er läßt keine Entschuldigung gelten und nennt Elimar ehrlos und unzurechnungsfähig." „So ganz unrecht hat er nicht: es tut mir leid, dich kränken zu müssen", erwiderte Alexander unmutig. „Die ganzen Zustände in Störtebeck sind unverant wortlich. Wenn Onkel Elimar von seinem Erfinder wahnsinn gepackt wird, dann kennt er keine Grenzen; er überläßt seine Wirtschaft dem unfähigsten Beamten und verkauft womöglich das Getreide auf dem Halm und die beste Kuh im Stall, nm sich für seine Extra vaganzen Geld zu beschaffen. Tante Alla ist ja eine entzückende Frau, aber rechnen kann, sie nicht und Kinder erziehen erst recht nicht. Das wächst da alles auf in Störtebeck wie Lilien auf dem Felde. Was soll mal aus -en drei Töchtern Hulde, Tilde und Lotte werden? Wenn sie noch so reizend sind, davon allein kann man nicht leben. Sie sind alle merkwürdig be gabt, aber arbeiten tun sie nicht, und lernen tun sie auch nichts. Und mit Len Jungens wird es wohl kaum anders werden. Ich kann es Onkel Gebhard nicht ver denken, wenn ihm endlich die Geduld völlig reißt. Er hat schon enorme Opfer gebracht. Sie können ohne ihn nicht auskommen, aber dreinreden soll er ihnen nicht: das nehmen sie höllisch übel." „Alexander, es ist nun mal so, es gibt zweierlei Leute in der Welt. Solche, die rechnen können, und solche, die nicht rechnen können. Es ist nicht gesagt, daß die guten Rechner immer die besseren Menschen sind." „Liebe Mutter, es gibt trotzdem eigentlich nur eine Tuaend in der Welt, das ist Ueberfluß haben. Und es gibt nur ein Laster, das ist Geldmangel. Der jenige, der genug hat und keine Opfer von anderen verlangt, wird stets die weitestgehenden Rücksichten und Entschuldigungen für sein sonstiges Tun bei anderen finden. Hingegen wird der Bedürftige, der andere in Anspruch nimmt, sich jede Kritik gefallen lasten müssen: er ist immer der schlechte Kerl." „Ja, ja, du hast schon recht. Dem armen Elimar werden all seine sonst so großen, edlen Eigenschaften nicht helfen, wenn er mit den Realitäten des Lebens nicht fertig wird. Er wird mißachtet und verurteilt werden. Gebhard nannte ihn einen Lump", sagte Frau von Flamberg kummervoll. „Was war es denn diesmal wieder? Früher blieben seine Marotten wenigstens harmlos. Das selbsttätige Plättersen und das knopflose Hemd kosteten zwar Zeit, aber nicht soviel Geld." „Seitdem er sich auf die Chemie geworfen hat. sind seine Experimente kostspieliger geworden. Er kennt jetzt nur noch einen Wunsch und ein Verlangen, das ist, in Len Besitz von Radium zu gelangen." „Gnade uns Gott, dann wird er eines Tages Störtebeck verschcckern für eine Illusion!" rief Alexander. Mutter und Sohn plauderten noch eine Weile hin und her. bis nebenan im Speisezimmer das Klappern mit Silber und Porzellan begann, worauf Icmelchen einen winzigen Türspalt öffnete, in den er sich, auf einem Bein balancierend, zwängte und mit weiner licher Stimme meldete, als gälte es mindestens einen Todesfall: „Jnädige Frau, et is anjerichtet!" Und es war an demselben Tage, als Kläre Hübner in der Residenz mit einer Straßenbahn weit hinaus fuhr vor die Stadt, wo auf einem noch neuen Friedhof ihr kleines Kino begraben lag. Sie wollte ihm ein letztes Lebewohl sagen, um ein neues Leben zu be ginnen. In der furchtbaren Zerrissenheit ihres Herzens hatte sie heiße, unbezwingliche Sehnsucht er faßt, die Stadt zu verlassen, die das trügerische Glück und den tiefsten Jammer ihres Lebens gesehen. Ihr Beruf als Kassiere,in eines Warenhauses mit seinen vielerlei Anfechtungen war ihr verleidet, sie konnte ein Erstickungsgefühl in jenen Räumen nicht mehr los werden, deren Atmosphäre Extrakte aller Miasmen der Ueberkultur enthielt und Lurch die täglich der ein- und ausflutend« Menschenstrom Len Schmutz und Staub wie die Begehrlichkeit und Gier der Großstadt schleppte. Als Kind des Dorfes faßte sie das Heimweh nach der Scholle, und sie hatte nur noch den einen Wunsch, in der neuen, unvertorbenen Luft des freien Landes arbeiten zu dürfen. Vielleicht, daß sie dort Genesung für ihr krankes Herz fand. Sie hatte daran gedacht, weit fort zu gehen, um demjenigen nie wieder zu begegnen, mit dem sie fertig geworden für immer; aber es fügte sich, daß ihr Frau von Flambergs Gesuch nach einer Stütze in die Hände fiel, und diese Stellung schien ihr ganz das, was sie sich wünschte. Es war zu verlockend, sie meldete sich, stellte sich vor und wurde von heute auf morgen engagiert. Es kam alles überraschend schnell, und sowohl die alte Dame wie das Haus in Satzenfelde hatten sie seltsam angeheimelt, als fände sie etwas, was sie längst im Traum gekannt und wonach sie sich unbewußt immer gesehnt habe. Aber nun kam das Schwerste am Abend vor ihrem Aufbruch: der Abschied von dem kleinen Grabe. Der Kirchhof da draußen war noch ein ödes Sand feld. mit einigen schnurgeraden Reihen meist frischer Gräber und einer funkelnagelneuen Totenkapelle in Backsteingotik mit noch kümmerlichen Anpflanzungen in -er Mitte. Es fehlte der heimlich wohltuende Friede des Verborgenen. Geschützten auf dieser iandigen, kahlen Höhe, über die der kalte, scharfe Mürzwind pfiff und wo das Auge so schmerzhaft weit >urch das Flachland schweifte, ohne Ruhe zu finden. Der Lärm und Qualm der Stadt und der heulende Ruf der Bahnzüge und Fabriken Lrangen bis hierher und nahmen dem einsamen Totenfeld die Weihe. Und hier sollte nun ihr armes, kleines Kind verlassen ruhen, das von der Welt nichts gesehen hatte als eine Armcleutekammer in einem häßlichen Miethaus. Der Ostwind raschelte unheimlich in den welken Kränzen der Gräber, mit heiserem Schrei ilog eine Krähe der sinkenden Sonne entgegen, die mit grellem, zitronengelbem Schein durch Las Wolkengrau brach. Die unsagbare Melancholie des Kirchhofs wirkte er schütternd auf die unglückliche junge Mutter in ihrer schweren Abjchiedsstimmung. Noch einmal kostete sic den tiefsten, verzweifeltsten Schmerz ihres blutigen Herzeleids durch, und alle Wasser der Trübsal gingen über ihre Seele. Gebrochen saß sie auf dem Grabe und fühlte nur noch den einen Wunsch, drunten bei ihrem armen, kleinen Kind zu liegen, um Ruhe und Kühlung zu finden für ihr brennendes Herz. Ja, warum sollte sie nicht fortgehen aus einer Welt, in der sie sich ihre Menschenrechte stehlen mußte, und die sie dafür zeichnen wollte als eine Unehrliche und Ausgestoßene? Wo sie das Höchste und Heiligste, das Beste, was an ihr war, ihre große, warme Mutter liebe, wie eine Sünde verleugnen und verbergen mußte? Die Gedanken fraßen an ihrem Hirn und Herzen und brannten wie ätzendes Gift in ihrer Seele. Lang sam zog sie eine kleine Browningpistole aus der Tasche, die sie auf einsamen Wegen stets zu ihrem Schutz bei sich trug, und ganz in sich versunken, spiel ten ihre Finger an der tödlichen Waffe. Ihre Um gebung versank in wesenloses 'Nichts; sic hörte nicht mehr den pfeifenden, harten Wind, der so seltsam die Moiröschleifen eines pompösen Kranzes auf dem Nachbargrab knistern ließ, und sie sah nichts mehr von der Schwermut der Frühlingsdümmerung mit den erlöschenden, kalten Lichtern. Ihre Seele stand schauernd am Rande der Ewigkeit, und Todcsschatten stiegen vor ihr auf. Ihre lebensstarke Jugend krampfte ihr das Herz in einem letzten Sichauflehnen und in wildem Jammer zusammen. „Warum, warum muß das sein? Ich klage euch an. Gott, Welt und Menschen, daß es keinen Weg für mich gibt, auf dem mein Fuß gehen kann. Mein verratenes, zer rissenes, zerstückeltes Mutterherz werfe ich euch hin, und mein Blut komme über euch!" (Fortletzung in der Morgenausgabe.)
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