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Fernsprecher Wilsdruff 7K. 6 sÜk UNÜ ^MgegMÜ Postscheckkonto Dresden 2640 Dieses Vlatt enthLtt die amtliche» Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amtsgerichts zu Wilsdruff, des Stadtrat» zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen. «eb »rue»«: Arth», Dschunke in Wil,dr»ft. ftSermUe>wrtUcher Schriftleiter: Herman» Lässig, sür de« Inseratenteil: «ritz», Asch»«»«, beide in WtledrnG. Mittwoch de» 30. August 1922. Rr. 202 81. Jahrgang Amtlicher Teil. reselmW« Bezise M frische« See- Ü^chott geben. Der Verkauf soll wöchentlich einmal stallfinden. Haushaltungen, sisuslN die an diesem Bezüge teilzunehmen wünschen, wollen sich im Laufe dieser Woche unter Mengenangabe im Verwaltungsgebäude — Zimmer 2 — melden. Wilsdruff, am 29. August 1922. <»8t Der Stadtrai. Städtischer Obstverkauf 3, 4 und 5 Mark. Wilsdruff, am 26. August 1922. «°S8 Ter Stadtrat. Wir bitte» höflichst, Anzeigen bis vorm. 10 Uhr auszugeben. Kleine Zeitung für eilige Leser. * Die deutsche Regierung hat auf Einladung der Rcpara- tionstommission bin den Staatssekretär Schröder'nach Paris gesandt, der dort Len deutschen Standpunkt vor der Kommission vertreten wird. * Gouverneur Cox machte den Vorschlag, den früheren Er» »ührungskonunissar Herbert Hoover zum unparteiischenSchieds- richter in der Reparationsfrage zu bestellen. * Die Reichsregierung hat eine Reihe von Maßnahmen gegen die Folgen der Teuerung beschlossen und mit den Mi nisterpräsidenten der Länder beraten. * Auf der Leipziger Messe ist ein sehr starker Geschäftsgang vielfach in Abschlüssen nach ausländischer Valuta zu ver zeichnen. * In München sprach sich der deutsche Katholikentag scharf gegen die Einheitsschule und für die konfessionelle Schule aus. * Der österreichische Minister des Äußern Grünberger begibt sich nach Genf zu Verhandlungen mxt dem Völkerbundsrat über die Wirtschaftshilfe für Österreich * In Le Havre fanden regelrechte Straßeugefechte zwischen Truppen und Streikenden statt. „Nicht so tragisch nehmen!" Von besonderer Seite wird uns geschrieben: Ob es auch unwahrscheinlich klingt, es ist doch richtig: auch heutzutage gibt es noch Menschen, denen weder vor noch nach Erscheinen der Mittags- oder Abendkurse die eine Frage, der eine Gedanke vom Gesicht abzulesen ist, auf welchen Höhen wohl der Dollar steht. Menschen, die sich äußerlich nicht viel von Bürgern gewöhnlichen Schlages unterscheiden, deren nach innen gekehrter Blick höchstens dem flüchtigen Beobachter ausfallen könnte, wenn er sür andere als Dollargesichter überhaupt noch einige Aufmerk samkeit zu erübrigen weiß. Unsere Gelehrten sind es, di ausgesprochenen Wissenschaftler, von denen so mancher selbst in diesen Tagen der Markkatastrophe seinen geistigen Interessen den Vorrang gibt vor der stürmischen Aus- und Abwärtsbewegung von Devisen und Reichsmark, der, wenn man ihn mit stillem Mitleid im Tone fragt, wie es ihm wohl gehe angesichts dieser entsetzlichen Entwertung aller Werte, ob er sich noch einzurichten vermöchte mit dem kar gen Ertrag seiner Kulturarbeit, die rührende Antwort bei der Hand hat: „Man muß das Materiell« nicht so tragisch nehmen, mein Lieber!" <Ae zucken di« Achseln: „Was soll uns das? Diese minderwertigen Tageserscheinungen, die doch nur grobe Naturen aus der Fassung bringen können. Wir leben doch nicht, um zu essen und zu trinken, sondern um zu denken und zu erkennen. Und wenn unsereinem das bißchen Dasein heut« so schwer gemacht wird, im Reich unserer Studien und Forschungen bleiben wir Souveräne und keiner kann uns daraus vertreiben, er dünke euch ande ren auch noch so mächtig. Es werden wieder bessere Zei ten kommen, auch der Dollar wird wie andere Tyrannen vor ihm von der Höhe seiner Triumphe herabgestürzt wer den, und man wird sich dann wohl wieder nach neuen Götzen umseheu. Wir aber haben Wichtigeres zu tun, els uns diesen vergänglichen Gewalten zu unterwerfen. Wir haben deki ewigen Gesetzen des Weltalls nachzuspüren; je weniger wir uns dabei von den materiellen Sorgen des Tages unterjochen lassen, desto mehr werden wir unserer geistigen Bestsmnmng gerecht. Wie gesagt: Man soll das Materielle nicht gar so tragisch nehmen!" Pose? Es hieße diesen schlichten Naturen zunahe treten, wenn man sie müßiger Schauspielerei für fähig hielte. Eitle Selbstbespiegelung liegt ihnen ebenso fern wie das Verlangen, anderen Leuten eine bessere Meinung von sich beizubringn. Oder Posse gar, fauler Zauber so zusagen? Davon kann noch ungleich weniger die Rede sein, denn gerade die Ernsthaftigkeit der Männer dieses Schlages darf am allerletzten au gezweifelt werden. Nein, sie meinen es schon so, wie sie sprechen, und sie würden glauben, sich selbst aufzugeben, wenn ihre Nichtachtung des Materiellen nicht auch den heutigen schlimmen Zeiten standhielte. Dabet fühlen sie sich durchaus frei von jeder Art van Heroismus. Die Überzeugung von der Relativi tät «Ker Dinge dieser Welt ist ihnen so sehr kn Fleisch und Blm übcrgcgangen, daß sie sich gar nicht besonders anzu» ftrcngen brauchen, um ihre höchst persönlichen Anschau ungen von den Geschehnissen des Tage- auch den stärksten Eindrücken gegenüber siegreich zu behaupten. Was ein echter deutscher Idealist ist, für den gilt immer und überall da« berühmte Wort unseres verstossenen Reichskanzlers Michaelis: „Wie i ch es auffasse/ Hat er nicht auch gerade m »eu früheren guten Lest« de» lörverliche» BedürmiSe« zumeist nur gerade soweit Rechnung getragen, als dt« äußerste Notdurft es erforderlich machte? Seiner Auf fassung nach waren Essen und Trinken, Nahruirg und Er holung nicht viel mehr als üble Gewohnheiten, leidige Unterbrechungen in der einzigen Daseinsbeschäftigung, die sie als berechtigt anerkannten: der geistigen Arbeit. Der Wandel der Zeiten ist an diesen Naturen spurlos vor- üöcrgegangen. Er kann Wohl Weiber zu Hyänen um schaffen, rohe Genußsucht Ivie eine Pestseuche um sich grei sen lassen und die allgemeine Not bis zur Unbegreiflichkeit steigern, aber philosophische Gemüter dieser Art wird er nicht aus ihrer gottgewollten Bahn drängen können. Sie leben und weben nur in ihrer geistigen Vorstellungswelt, die für sie mehr Wirstichkeitsbedeutung enthält als die rau hen Tatsachen des Alltags, von denen gewöhnliche Sterb liche sich so leicht aus der Fassung bringen lassen. Sie brauchen wenig, um glücklich zu sein, geschweige denn, um mir überlegenem Gleichmut dem tollen Treiben um sie her den Nucken zu kehren. Schon die Griechen erzählten von ihrem berühmtesten Mathematiker, daß er, als die Perser in Athen eindrangen, nur von der einen Sorge berührt wurde, sie könnten ihm, da er gerade damit beschäftigt war, bestimmte Figuren im Sande zu zeichnen, seine Kreise stören; so sehr war er in sein Sinnen eingesponnen, so wenig hatte er eine Empfindung davon, daß hier ungleich Höheres auf dem Spiele stand als die ungehinderte Geistesarbeit eines Gelehrten. Und wer erinnert sich nicht jener erschütternden Schilderungen aus den ersten Jahren der Sowjetberrschast in Rußland, wo die berühmtesten Nniversitätsprosessorcn und Privatgelehrten, um sich wenigstens notdürftig vor dem Hungertod zu schützen, in einem sogenannten „Hans der Wissenschaft" zusammenge pfercht und damit einer Art öffentlicher Armenpflege über liefert wurden. Erreichte sie hier einmal ein auswärtiger Besucher, der sich teilnahmsvoll nach ihrem Ergehen er kundigen wollte, so war es nicht etwa ihre jammervolle Lage, über die sie sich beklagten: die erste Frage, die sie stellten, galt dem Stand ihrer Forschung; die erste Bitte, die sie aussprachen, war auf Darreichung geistiger Nahrungsmittel gerichtet. Der Geist ist es, der sich den Körper bildet, pflegt man zu sagen. Diese Menschen sind von Jugend auf in der geistigen Arbeit aufgegangen und dadurch gegen körper liche Entbehrungen in einer Weise abgehärtet, die heute geradezu märchenhaft anmutet. Aber wenn eins uns einen Trost bieten kann inmitten des Niederganges, den wir erleben, so ist es die Tatsache, daß auch die Jugend von heute, wenigstens ihr idealistisch gerichteter Teil, der Gott sei Dank aus allen Schichten unseres Polkes her stammt, sich frei zu machen sucht von dem Körper und Seele verderbenden Einfluß des Materiellen, daß sie in Selbsterziehung und Zusammenschluß einen geistigen Höhenflug zu nehmen sucht, der sie weit hinaushebt über die Not des Tages, und der sie dereinst befähigen soll, das deutsche Volk wieder zu dem zu machen, was es war und was es seiner innersten Bestimmung nach sein und bleiben muß: der Träger wahrer Freiheit, wahrer Kultur und wahren Fortschritts in der Wett. Die Regierungspläne gegen den Rohland Luxusbekämpsung, Vollsernährung, Fürsorge. Der unter dem Vorsitz des Reichspräsidenten abge haltene Ministerrat, an der alle Reichsminister oder ihre Vertreter teilnahmen, kam es nach eingehender Besprechung der durch die Geldentwertung der letzten Wochen ver schärften Teuerung und der daraus für das Reich und die Bevölkerung für den kommenden Winter drohenden Schwierigkeiten zu einer Reihe von Vorschlägen, von denen die wesentlichsten folgende sind: Maßnahmen im allgemeinen. Vom Reichsnünisterium sind bereits zwecks Verringerung des Bedarfs an Emfuhrdcvisen Beschränkungen in der Einfuhr von Luxusgcgen st Süden beschlossen; ferner werden Erhöhungen der Musfuhrabgabe in den nächsten Tagen bekanntgegeben. Es sind Maßnahmen in Vorbereitung, rmrdiereineDevisenspekulation durch eine periodisch erfolgende nachträgliche Kontrolle der getätigten Devisengeschäfte zu unterbinden. Oh auf dem Gebiete Ves Geld wesens und der Valuta«estalkung, insbesondere im inneren Geldmarkt noch weitere Maßnahmen getroffen werden können, unterliegt noch der Prüfung. Sicherstellung der Vollsernährung. Die Regelung der Kaw tosfelversorgung für den Winter soll durch Förderung des Der» tragsokschlusser zwischen Erzeugern und Verbrauchern weiter verholzt werden. Die Verwertung von Kartoffeln in den Brennereien wird auf da» mit Rücksicht auf die Viehhaltung gebotene Mindestmaß beschränkt. Durch geeignete Maßnahme» wird qi« i>acha«»-he Aertetl«»» Se» Fecker» an »äf ften Wirtschaftsjahr Herd eigeführt werden. Die Verwendung von inländischem Zucker zur Herstellung von Trivk- branntwein wird verboten, die Verwendung von inländi schem Zucker zur Herstellung von Süßigkeiten weitgehend eingeschränkt. In Aussicht genommen ist ferner nach Ein vernehmen mit den Ländern ein Verbot der Herstellung starker Biere. Das ärgcrniserrcgcnde und widrige Treiben in den Schlemmergaststätten sollen die ein zelnen Länder bekämpfen. Fürsorge für Notleidende. Eingeleitet sind verstärkte Hilfs- maßnahnien sür Kriegsbeschädigte, KriegAsinteMiebene, Sozial- und Kleinrentner. Die Teuerungszuschüsse für bedürftige Kriegsbeschädigte und Kriegshinterbliebene sind mit Wirkung vom 1. August 1922 erhöht worden und erhöhen sich mit Wir kung vom I. September 1922 um durchschnittlich weitere 66^ Prozent. Die Hauptsürsorgestellen sind ferner ermächtigt, sür Kriegsbeschädigte und Kriegshinterbliebene Wintervorräte vor schußweise zu beschaffen. Die Verdoppelung der Mittel für Kleinrentner steht bevor. Um eine bessere und sparsame Er nährung besonders bedürftiger Volkskreise zu ermöglickfeu, soll der Ausbau und die Erweiterung der Volks-, Kinder- und Stu- dcntcnspciseanstblten so weit wie irgend möglich angcstrebt werden. Wuckterbekämpfung. Die Übertretung der im Interesse des Volksgauzen erlassenen Verbote soll unter scharfe Strafen, ins besondere unter Gefängnisstrafen gestellt werden. Das Reichs- labinett ist entschlossen, in Erkenntnis der Gefahren, denen bei einer weiteren Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage weite Bevölkerungsschichten ausgesetzt sein würden, mit schnellen und rvmfaffenden vorbeugenden Maßnahmen einzugreifen. Die vorstehend umrissenen Pläne und Maßnahmen wurden Montag den nach Berlin berufenen Vertretern der einzelnen Länder vorgelegt und sollen mit den von diesen gegebenen Anregungen und Erweiterungen alsbald in die Erscheinung treten. Gmladung nach Parrs. Deutsch« Vertreter vor der Reparationskommission. Die Entscheidung der Reparationsk^mmission wird nicht vor Mitte der Woche erwartet, da man aber in Paris immer noch keinen Weg gesunden hat, der sowohl den Engländern wie auch den Franzosen gangbar erscheint, will man erst noch einmal — zum drittenmal! — mit uns direkt verhandeln. Die Reparationskommission hat der deutschen Kriegslastenkommission in Paris folgende Note übergeben: „Wenn die deutsche Regierung den Wunsch hat, hin sichtlich ihres Stundungsgesuches vom 12. Juli von dem NechtausGehör Gebrauch zu machen, das ihr Artikel 234 des Versailler Vertrages gibt, wird die Reparations- kommission bereit sein, ihre bevollmächtigten Vertreter am nächsten Mittwoch, dem 30. August, zu hören." Die deutsche Regierung hat beschlossen, dieser Einla dung zu folgen, und hat der Reparationskommission mit- I geteilt, daß als ihr bevollmächtigter Vertreter der I Staatssekretär Schröder nach Paris reisen und am Mittwoch vor der Reparationskommission Erklärungen namens der deutschen Regierung abgeben werde. Zu der gleichen Zeit wird sich auch Staatssekretär a. D. Berg mann in Paris aufhalten. Eine neutrale Finanzkontrolle? Bradbury soll nach seinen Berliner Eindrücken mehr als je entschlossen sein, ein Moratorium ohne Rücksicht auf Garantien zu verlangen und sich jeder Zwangspolitik ent gegenzustellen. Sowohl der englische als der französische Delegierte sind über den Zustand Deutschlands einfach erschrocken gewesen, und beide stimmten darin über ein, daß, wenn, die Drohungen gegenüber dem Reiche aus geführt würden, die Gefahr von politischen und sozialen Revolutionen und Gegenrevolutionen überaus groß sei. Die beste Lösung des Moratoriums- problems, um eine unabhängige Aktion der französischen Regierung zu vermeide», besteht, wie der „Newyork Herald" meldet, daß die deutschen Finanzen durch eine Kommission kontrolliert werden, in der vor allem Amerikaner vertreten sein sollten, in der Frankreich aber keine Stimme hätte, Der „Newvork Herald* behauptet, daß diese Lösung auch den Franzoie» nicht völlig unannehmbar erscheine. * Hoover als Unparteiischer. Der bekannte amerikanische Gouverneur Cox Hai oen viel beachteten Vorschlag gemacht, der frühere Ernährungskomnuuar Herbett Hoover möge die wirtschaftliche Lage Deutschlands untersuchen. Seine Entscheidung der Frage, was Deutüh- land zahlen könne, würde durch Frankreich angenommen wer den. Cox glaubt, dich jede europäffchr Regierung das Erscheinen Hoovers willkommen heißen würde. Schon die Ankündigung t«>er WeM Würde eine Stabililierunader Berl> sl,.