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Wchmh-MiW. ^'4 Verantwortlicher Redacteur: Carl Ithnc in Dippoldiswalde. Dienstag, den 7. Juli 1885. 51. Jahrgang. Nr. 79. Inserate, welche bei der bedeutenden Auflage des Blattes eine sehr wirt, saine Verbreitung finden, werden mit 10 Psg. die Spaltenzeile oder deren Raum berechnet. — Ta bellarische und complicirte Inserate mit entsprechen dem Ausschlag. — Einge sandt, un redaktionellen Theile, die Spaltenzeile M Psg. „Weißmtz Geltung" erscheint wöchentlich drei mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend. — Preis vierteljährlich 1 M. S5 Psg-, zweimonatlich 84 Psg., einmonatlich 42 Psg. Einzelne Nummern 10 Psg. — Alle Postan- fialten, Postboten, sowie Vie Agenten nehmen Be stellungen an. Amtsblatt für die Königliche Amtshauptmmmschaft Dippoldiswalde, sowie für die Königlichen Amtsgerichte und die Stadlrüthe zu Dippoldiswalde und Zsraumstein Der Berliner Maurerstreik. Aus verschiedenen deutschen Städten kommt wieder einmal die Kunde von mehr oder minder ausgedehnten Arbeitseinstellungen in den mannichfachsten Gewerben, die von einer abermals durch die deutsche Arbeiterwelt gehenden Streikbewegung Zeugniß ablegen. Unter ihnen zieht der in Berlin ausgebrochene Maurer streik bei weitem die meiste Aufmerksamkeit auf sich und zwar durch die Zahl der an ihm theilnehmenden Gesellen, die auf ca. II000 geschätzt wird. Ueber die Ursachen dieser größten aller Arbeitseinstellungen, welche wir seit Jahren in Deutschland erlebt haben, können wir füglich kurz hinweggehen, es sind dieselben wie bei fast jeder anderen Streikbewegung und liegen in der Nichtbewilligung der von den Streikenden erhobenen Forderungen. Verringerte Arbeitszeit bei erhöhtem Lohn, 'Forderungen, welche der Bund der Maurermeister bis jetzt nicht zu bewilligen können glaubte, ohne die Interessen der Meister aufs Empfind lichste zu schädigen. — Der Streik giebt zu mancherlei Betrachtungen Anlaß. Die feiernden Berliner Bau handmerker haben das in der Gewerbeordnung ihnen gewährte Koalitionsrecht, welches ihnen Freiheit zu Verabredungen und Vereinigungen zum Behuf der Erlangung günstiger Lohn- und Arbeitsbedingungen, insbesondere mittelst Einstellung der Arbeit zusichert, mit äußerster Energie angewandt. Diese Energie zeigen auch die den Streik leitenden Persönlichkeiten in seinem ganzen Arrangement und in seiner bis herigen Durchführung; mit einem Schlage, zu der selben Stunde legten fast sämmtliche an den Bauten in der Reichshauptstadt beschäftigten Maurer Kelle und Hammer nieder und die wenigen Arbeiter, welche man noch hier und da auf Baugerüsten bemerken konnte, waren von denselben am anderen Tage ebenfalls ver schwunden. Es läßt dies auf einen wohldurchdachten, systematischen Plan schließen, nach welchem das Ganze geleitet wird, wobei man freilich auch nicht verkennen kann, daß von den Führern der Bewegung ein fast unbeschränkter Druck den Streikenden gegenüber aus geübt wird, denn es sind schon mehrere Fälle zur Kenntniß der Behörden gekommen, in denen Maurer, welche fortarbeiten wollten, von den Rädelsführern durch Zwang und Drohungen veranlaßt wurden, die Arbeit niederzulegen. Es ist überhaupt gewiß, daß es unter den Streikenden viele giebt, die den Streik nur schweren Herzens mitmachen, welche lieber heute als morgen wieder an die Arbeit gehen möchten, wenn sie eben nicht fürchteten, daß sie für ihr selbstständiges Auftreten später in anderer Weise geschädigt werden könnten und diese Furcht überwiegt noch immer das Vertrauen auf den Schutz der Behörden. Vorläufig ist man in den Reihen der Streikenden noch sehr fest und gedenken die Führer die Arbeitseinstellung min destens 10 Wochen auszuhalten, bis wohin sie hoffen, daß die Arbeitgeber „mürbe" geworden seien; die ersten 2 Wochen werden keine Unterstützungen verabreicht, die Streikenden haben sich in dieser Zeit allein durch zubringen, von da ab sollen erst die Unterstützungs gelder zur Vertheilung gelangen, wobei die Maximal summe, die an eine kinderreiche Familie gewährt wird, 12 Mark nicht übersteigen dürfte. Uebrigens wollen sich in dieser Woche auch die Putzer, welche sich als solidarisch mit-den Maurern betrachten, wenngleich sie sich auf einen besonderen Zweig des Bauhandwerkes eingearbeitet haben, die Arbeit einstellen, ein Beweis, daß der Berliner Maurerstreik allmälig weitere Kreise ergreift. Unter diesen Umständen wäre es nur zu wünschen, daß es bald zu einem gütlichen Ausgleich zwischen den Arbeitgebern und den Feiernden käme, leider scheint dieser Wunsch noch nicht sobald in Er füllung gehen zu sollen, die ersteren sind nicht gewillt, den Forderungen der Maurer nachzugeben und heißt es, daß die Meister gesonnen seien, fremde (italienische und polnische) Arbeitskräfte in großem Umfange heran zuziehen, was im Zeitalter des Schutzes der nationalen Arbeit allerdings eine seltsame und nach mehr als einer Seite hin unerfreuliche Erscheinung wäre. Mit Genugthuung muß aber konstatirt werden, daß der Berliner Maurerstreik bis jetzt ohne nennenswerthe Ausschreitungen verlaufen ist und daß der Reichshaupt stadt blutige Tumulte, wie sie erst jüngst Brünn ge sehen hat, erspart geblieben sind. Dieser friedliche Charakter der Berliner Streikbewegung weckt die Hoff nung, daß es doch noch zu einer baldigen Verstän digung zwischen den Meistern und den Gesellen kommen und es somit gelingen werde, die bedenklichen Kon sequenzen, welche der Berliner Maurerstreik bei längerer Dauer in Aussicht stellt, abzuwenden. «Lokales und Sächsisches. Dippoldiswalde. Das 100jährige Jubiläum des Bestehens der hiesigen I. Begräbnißgesellschaft, über dessen Veranstaltung wir unfern Lesern bereits Mittheilung machten, fand am 30. Juni und 1. Juli d. I. statt und verlief programmgemäß. Dienstag, den 30. Juni, fand im Sternsaale unter ehrender An wesenheit des als Ehrengast geladenen Herrn Bürger meister Voigt der Festkommers statt. Herr Vorsteher Kunzmanu eröffnete denselben niit begeisterten Worten, indem er davon ausging, daß sich seit den letzten großen Siegen unseres Volkes und der Gründung des deutschen Kaiserreichs kaum etwas Größeres und in das Volksleben Eingreifenderes geschehen sei, als die gesetzliche Regelung der Unfall- und Krankenversicherung. Unsere Vorfahren haben durch Gründung der Be- gräbnißsocietät ein Stück dieses socialen Programms zu erledigen versucht, und der jetzige Stand des Ver eins zeige, wie auf diesem Unternehmen sichtbar Gottes Segen bisher geruht habe. Denselben auch für die fernste Zukunft dem Vereine wünschend, be grüßte er die zahlreich Erschienenen. Herr Kassirer Bucher theilte sodann mit, daß er von einem beab sichtigten ausführlichen Bericht über die verfloßene Zeit deshalb Abstand nehmen müße, weil die Akten aus früheren Zeiten zu lückenhaft seien. Statt dessen brachte er einen poetisch abgefaßten Wunsch des vor 50 Jahren angestellt gewesenen Kaffenboten Heintze — sür das damalige Jubiläum verfaßt — zur Ver lesung und empfahl die An- und Durchsicht der theils bis in das Gründungsjahr zurückreichenden, ausge legten Schriftstücke. Hierauf sprach Herr Vorsteher Kunzmann dem Herrn Stadtrath Bucher, der seit 22 Jahren höchst ersprießlich für die Gesellschaft gewirkt hat, und durch dessen energisches Vorgehen die Ge sellschaft seinerzeit vor dem Bankerott bewahrt morden ist, den Dank der Gesellschaft aus und überreichte ihm als äußeres Zeichen desselben einen goldenen Siegel ring. Nachdem Herr Bucher "in bewegten Worten seinen Dank ausgesprochen, Herr Bürgermeister Voigt die Gesellschaft beglückwünscht hatte und von dieser unter Musikbegleitung ein für dieses Fest gedichtetes Festlied, das in großen Zügen die Geschichte des Ver eins schilderte, gesungen worden mar, war der offizielle Theil des Kommers beendet, dem sich nun der ge- müthliche anschloß, welcher, durch treffliche musikalische Vorträge unserer Stadtkapelle, durch verschiedene heitere Reden und Gegenreden, nicht minder auch durch vor zügliche „leibliche Erquickung" gewürzt, trotz der im Saale herrschenden tropischen Hitze die größte Zahl der Anwesenden, die zum Theil aus weiter Ferne herbeigekommen waren, bis nach Mitternacht zusammen hielt. Mittwoch- den 1. Juli, folgte nun der auch für die Angehörigen der Mitglieder berechnete zweite Theil des Festes. Unter den prächtigen Linden vor dem Schießhause versammelten sich in den späteren Nachinittagsstundcn hiesige und namentlich auch viel auswärtige Mitglieder der Vereins sammt Frauen, Söhnen und Töchtern. Ein vom hiesigen Stadt musikchor sehr wacker ausgeführtes, von einigen durch Mitglieder des Vereins 'ausgeführten Männerchören durchflochteues Concert, sowie die gegen Ende desselben trefflich arrangirte Illumination des Platzes erfreuten die Erschienenen, die nach Beendigung des Concertes durch einen einfallenden Regen, der leider auch die Illumination beeinträchtigte, in den Saal getrieben wurden. Die Zahl derselben war so groß, daß der Strom der — übrigens ebenfalls vortrefflichen — „leiblichen Erquickung" auf einige Zeit theilweise ver siegte. Mit einein Tänzchen, an dem sich ungeachtet der Hitze Jung und Alt betheiligte, endete dieses für die Gesellschaft so bedeutungsvolle Fest. Möge Gottes Segen auch ferner auf diesem so segensreich wirkenden Institute ruhen! Dippoldiswalde, 6. Juli. Der erste Tag unsres x Vogelschießens ist glücklich vorüber. Nach dem tüchtigen Regengüsse der Sonnabendnacht, der noch am frühen Morgen fortdauerte, so daß „Weckruf" und „Reveille" allerdings ohne den Strahlengruß der Sonne stattfinden mußten, klärte sich der Himmel all mählich, und am Vormittage konnten ohne Gefährdung die Flaggen in deutschen und sächsischen Farben auf gezogen werden. Wir haben die erfreuliche Wahr nehmung gemacht, daß Heuer an einer Anzahl von Häusern, die bisher dieses Schmuckes entbehrten, eine neue Fahne prangte, können aber immerhin den Wunsch nicht unausgesprochen lassen, daß womöglich jedes Haus in dem Besitz dieses einfachen, leicht und schnell anzubringenden und doch höchst wirksamen De korationsstückes gelangen möchte. Wir kennen kleine WW Städte, wo bei festlichen Gelegenheiten nur ausnahms weise ein Haus keine Flagge herausgesteckt hat. Und in der That, das Wehen nnd Wallen zahlreicher bunter Fahnen stimmt von vornherein alle Theilnehmer und Zuschauer wesentlich zum freudigen Mitgenufle des Festes. Das große Frühstück der Schützengesellschaft verlief zu großer Befriedigung und in ungeheurer Heiterkeit, umsomehr, als die Gesellschaft wieder Ge legenheit hatte, eine feierliche Ovation mit der Tafel freude zu verbinden. Hrn. Buchdruckereibesitzer Jehne 8on., der seit 35 Jahren Mitglied ist, wurde feierlichst die Ehrenmitgliedschaft zu Theil, während Herr Schneidermeister Heinrich son. , seit 25 Jahren Mit glied und viele Jahre Vorsteher der Gesellschaft, in Anerkennung seiner wesentlichen Verdienste mit einem silbernen Pokal, und Herr Schuhmachermstr. Richter, gleichfalls Mitglied seit 25 Jahren, mit einem schön beschlagenen Bierkrügel beschenkt wurde. Daß es da bei an ernsten und launigen Reden nicht fehlte, ist selbstverständlich, und dem Gewittergusse, der zu spä terem Auszuge, als sonst üblich zwang, konnte man sür die Verlängerung des gemüthlichen Beisammenseins nur dankbar sein. Ein von Hrn. O Müller gedichtetes treffliches Tafellied trug wesentlich zur Erhöhung der Fcststimmung bei. Um 3 Uhr erfolgte der Auszug, bei welchem wiederum Feuerwehr, Turn- und Militär verein theilnahmen. Ein zahlreiches Publikum halte sich eingestellt, und die Aue bot ein äußerst buntes und belebtes Bild. Das sofort beginnende Schießen nach dem großen Vogel lieferte überraschende Resultate und blieb für den Montag nur noch sehr wenig zu holen. Desto länger wird man sich der Scheibe widmen können. Nachdem um 5 Uhr bereits das Schießen eingestellt worden war, riefen wiederholte, schmetternde Trompetenklänge zur Vorstellung des „Volks-Theaters", wo ein seinem Zwecke höchst entsprechendes Schau-, Rühr- und Trauerspiel: „Der verhängnißvolle Pan toffel" u. s. w. von einer Truppe aufgesührt wurde, deren einzelne Künstler zwar auf dem Theaterzettel nicht genannt waren, in denen aber einzelne hier nicht ganz unbekannte Persönlichkeiten entoeckt worden sein sollen. Wegen des kolossalen Andranges sah sich die Direktion zu mehrfacher Wiederholung der mit don nerndem Applaus geehrten Produktion veranlaßt, wie denn auch heute uno morgen „auf allgemeines Ver langen" das Zugstück nochmals zur Aufführung ge langen soll. Den Inhalt desselben zu verrathen, möchten