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^okal-Anzeiger für Ottendorf-Okrilla und Umgegend Mittwoch, den 8. Dezember ^920 ^9- Jahrgang Psstscheek-Kvkkto Leipzig Rr. 2S148. ScheMeftuntz, Dnrck u. Ber^sq Hermann Rühle, Grstz-OkkN». MeWtnZs M« Zrttmw- er^ch«mt Mrns- t«A, D«me»taq und S»m,ak«nd. Be,u«r-Pr,is: Monatlich 225 Mark, Kei Zustellung durch die Boten 2,50 Mark, Im Falle höherer Gewalt (Krieg od, sonst, irgeadmetcher Störungen des Beiriedes der Zeitung, der Sieferanten »d. d, Besördernngs- Ehatchtnngen) hat der Bezieher Kernen An- fueach aus Steseruag »der Rachliesrrunq der 8^"", ^.«uflllll^qahzauHd.BeWKWrris«. K«ch»r«ch-Anschiuß Amt Hermstzsrf b. Dr. Rr. R. I»! ----- Nummer Amtlicher Teil. Maul- und Klauenseuche. In den Gehöften der Gutsbesitzer Max Hillig, Oskar Jurke, Karl Leuschner und des Wirsschaftsbefitzers Emst Trepte ist die Maul- und Klauenseuche erloschen. Die angeordnetcn Sperrmaßnahmen werden hiermit aufgehoben. Httcudorf-Woritzdorf, am 6. Dezember 1920 Den Gemeindevorgand. Gesetz und Schleichhandel. Mit Gefängnis und Geldstrafe bis zu 500000 Mark ist nach der Beiordnung vom 27. November 1919 m be strafen, wer Gegenstände, die einer Verkehrs egelang unter liegen, erwirbt, um sie mit Gewinn weiter zu veräußern- ^eim zweiten Wiederholungsfall ist auf Zuchthaus bis zu s Johnen zu erkennen. Bäcker, die weiße Brötchen backen, Konditoren, die Kuchen und Weihnachtsstollen Herstellen, Kaffeehausbesitzer, die Zucker zu Kaffee, Grog und Punsch verwenden, Gch- Ivirle und Hoteliers, die Butter zu Brot und Käse verab- leichcn: sie alle sind ohne weiteres st affällig. Kernern von ihnen werden diese Gegenstände in solchen Mengen zugeteiit, ivie sie tatsächlich verbraucht werden. Alle müssen das Fehlende durch Schleichhandel beschaffen. Um die Sünder zu fassen, ist keine Intelligenz not wendig. Wenn die Behörde w ll, kann sie jeden Augen- i, blick denjenigen erwischen, den sie sich aufs Korn nimmt. ' Es ist ein bequemer Jagdgrund, auf dem das Wild der Justitia und ihrer- Organen nur so in die Arme rennt. Die U Heber jener Schleichhandelsverordnung haben sich z weise zu beschränken gemußt. Bestraft wird nur, wer mit Schleichware handelt. Wer vom Schleichhandel ißt, wird nicht bestraft. So kann es täglich geschehen, daß die Herren Gesetzgeber in der Restauration des Reichstages im Speise wagen, im Ratskeller, im Vollshaus und in ähnlichen gast- lichen Lokalen vergnügt die Schleichhandelsware verzehren. _ j Staatsanwälte, Landgerichtsräle und Beisitzer von Wucher- » »errchlen können mit Gemütsruhe zum Frühstück weiße Semmeln mit Butter genießen. Dann gehen sie, also ge stärkt, vielleicht zur Verhandlung aufs Wuchergericht und verurteilen irgend einen Bäckermeister, der „hinten herum" Achl zur Herstellung solcher Semmeln erstand, zu Gefängnis strafe von Monaten, zu Geldstrafe von Zehntausenden. Frau Justitia trägt zur Sicherung ihrer Unbeirrbarkeit, wie bekannt, eine Brnde um die Augen. Das hat aber I seinen Nachteil. Nun kann Justitia auch das Leben nicht sehen, das Leben wie es ist. Sähe sie es in seiner heutigen Wirklichkeit, so müßte sie die Wage der Gerechtigkeit und baS Schwert der Rache von sich werfen. Sie müßte erklären, ibaß man Unmögliches von ihr verlange. Denn so, wie bas heutige Leben tatsächlich ist, wäre Justitia verpflichtet, imtliche Hotelbesitzer, Gastwirte, Kaffeehausbesttzer, Bäcker >>nd Konditoren Deutschlands hinter Schloß und Riegel zu letzen. Wäre der G^s-tzgeber der Logik und Konsequenz bis km Ende gefolgt und hätte auch den Konsum von Schleich tmdelsware unter Strase gesetzt, so müßte ganz Deutschland Ün Zuchthaus sein. Es muß etwas geschehen. Versagen Gesetzgeber und j Justiz, so wenden wir uns tm Namen des Rechts an die düter der Wahrheit. Lehrt nicht die Rechisgeschichte, daß im Kamps zwischen Doktrin und Leben das natw gewaltige Leben Sieger geblieben ist? In welchem Sittengesetz der Menschheit steht das Gebot: Du sollst verhungern? Aus das ist die Rationierung hrnausgelaufen. Was im Weltkrieg nur für äußerste Blockadenot auf kurze Dauer versucht werden konnte, soll heute der sozialistischen Dokt-in von der „Gleichheit" zuliebe fortgesetzt werden. Die Siaats- vnwälte und Wucherrichter müssen den Direktiven sozialistischer Minister in Dresden und Berlin Folge leisten. Ist das . Nicht auch eine Art Klassenjustiz? § Wenn die Justiz sich heute nach einer langen Pause Plötzlich mit lange vermißter Energie auf dar Vorhanden- ein einzelner Veibote 'aus dem Gefüge unserer sich aus. losenden Zwangswutschast besinnt und nun gegen einzelne Schleichhändler, Gastwirte, Bäcker und Muller vorgeht und »e zu schweren Strafen verurteilt, so stärkt sie einmal damit Pharisäeraeift in unserem Volke, trifft aber schließlich voch nur die Folgen eines Zustandes, der gerade durch die iJrdolenz der Justiz sich erst so hat entwickeln können. Es Kilt aber die Grundlage diese» durch und durch unwahr» hastigen und damit unsittlichen Systems einer Zwangs wirtschaft zu beseitigen, das sich seit Jahren schon selber nicht mehr ernst nimmt. Mit dem Jnbewegungsetzen der juristisch-bureaukratischen Maschine ist es durchaus nicht ge tan. Es gilt neue Formen für die Ernährung unseres Volkes zu finden mit gleichzeitiger Sicherung eines wirklichen Existenzminimums an Mehl und Fett und an Milch für Säuglinge und Kranke. Eine solche Grundlage zu finden, ist eine der wichtigsten Aufgaben unserer Wirtschaft Hier mitzuhelscn und richtunggebend zu wirken, ist vor allem auch Ausgabe der Hüter unseres Rechtsempfindens, nicht nur der Rechtswissenschaft, an unseren Hochschulen und Universitäten Es hieße doch an einer Wiedergesundung unserer Volksmoral verzweifeln, wenn Männer der Praxis zusammenarbeitend mit den Führern der Wissenschaft hier nicht die rechte Bahn zu finden imstande sein sollten. - ' - — - - . ... Oerttrche» «»0 Sächsisches. Dttendorf-Dkrilla, den r. Dezember -y2ü. — Verteilung von Auslandmarmelade im Bezirke der Amtshauptmannschaft Dresden-Neustadt. Abschnitt 62 der weißen Brotaufstrichkarte wird mit */z Pfund Auslandsmar melade Abschnitt 62 der rosaen Brotaufstrichkarte mit -/i Pfund Auslandsmarmelade beliefert. Die Anmeldung für diese Belieferung hat seitens der Verbraucher bis zum 8. Dezember 1920 in einem Kleinhandelsgeschäft zu er- folgen. — Portoermäßigung für AnsichiStarten? In der letzten Sitzung des wirtschaftpolitischen Ausschusses des Reichswrrt- schaftrates wurde die Frage der Portoermäßigung für Ansicht- karten lebhaft erörtert. Während der Regicrungsvertreter mit dem Hinweis auf die Unterbilanz der Post sich jeder Portoermäßigung widersetzte, machten die Sachverständigen geltend, daß von der Anstchtspostkartenherstellung und dem Vertrieb in Deutschland alles in allem etwa hunderttausend Menschen lebten. Sert der Portoerhöhung sind indessen zahlreiche Stillegungen erfolgt, und von den 14000 Arbeitern dieser Branche in Berlin infolgedessen schon 7000 arbeitslos. Den Ausführungen der Sachverständigen schloß sich auch der Vertreter der sächsischen Regierung an. Der wirtschafts politische Ausschuß faßte darauf den Beschluß, dem Reichs- poflmtmsterium vorzuschlagen, daß die Ansichtskarten in ähnlicher Weise wie die Gluckwunschkarten zu Feiertagen als Drucksache gelten sollen, so daß sie also zu dem ermäßigten Porto befördert werden können. — Lokal - ErfindungS - Schau. Zusammengestellt vom Patentbüro Krueger, Dresden. Rich- Hirschhoff, Lichtenberg bet Kamenz; Vorrichtung zum Festspannen des Revolver- kopses auf dem Support- (Gm.) G- Hommel, Niederstem« bei Pulsnitz; Schuhwerk, dessen aus Nalurgummi bestehende Sohlen mit Holzstiften von rechteckigen Querschnitt befestigt sind. (Gm.) Bruno Schaal, Pulsnitz; Schloßriegelsicherung, welche nur mit dem dazu gehörigen Schlüssel entsichert werden kann. (Gm.) — Die „Dresdner Volkszeitung" bringt im Verlaufe einer Pressepotemlk, die sich um den Dresdner Bürgerrat und dre Ocgesch entspannen hat, aufsehenerregende Feststell ungen. Sie lauten: Am 24 Juni Hal die Regierung fest- stellen lassen, daß der Dresdner Bürgerrat ein Postschließfach Nr. 132 mit der Aufschrift „Sächsische Ausgleichsstelle für Qualitätsarbeit" gemietet Hal. Die eingehenden Brief schaften wurden nicht, wie dies sonst im Geschäftsleben üb lich rp, durch einen einfachen Boten oder durch ein Schreib- fräulem abgeholi. Drese wichtige Arbeit fiel vielmehr dem Leutnant Wirth zu, der jedoch durch Beamte der Regierung berm Abholen der Brieseingänge festgenommen wurde. Aus den hierauf bei oem Geschäftsführer des Bürgerrates, Dr. Gronau, von der Polizei beschlagnahmten Orgeschakten ist ersichtlich, daß die Orgesch in Sachsen eine völlig militärisch ausgebaule und gegliederte Vereinigung ist, die in ihrem Plan genaue Angaben von Waffen- und Munitionsbeständen enthält. Em Brief Gronaus stellt die Verbindung dieses Herrn mit dem Grasen v. d. Goltz fest. Die Mobilmachung«- pläne sehen eine Waffenentnahme aus den Beständen der Reichswehr vor. Für den Fall bewaffneter Aktionen sind Teregrammschlüssel, Anweisung über Straßensicherungen. FtußübergangSsicherungen und Gebührensätze für Escherich- Leute vorhanden. In einem Befehl über die Mobilmachung im Bezirk Meißen ist gesagt, wo sich die Mannschaften bei Eintritt der Dunkelheit zu stellen haben. Ein Bers; iel aus oem Telegrammschlüffel: Es bedeutet die Mitteilung „Be sprechung nächsten Donnerstag auf Sonnabend verschoben." — „Drohende Kriegsgefahr!" Telegramm: „Besprechung nächsten Donnerstag fällt au»." — „Ordnet Alarmierung an!" In einigen Orten der Dresdner Umgebung wurde Auftrag gegeben, Feststellungen über das Vorhandensein von Pferden, Militärwagen, Heu und Stroh zu treffen und Mannschaften anzuwerben." — Die Kreisdelegierten der Unabhängigen haben in einer gemeinschaftlichen Sitzung beschlossen in die Re gierung einzutreten. — In der Voraussicht, daß eine große Anzahl von Lehrern vom 8. Dezember ab sich weigern wird, Religions unterricht zu erteilen — der gesinnungsbildende Unterricht, ür den sie zu haben sind, findet keine Stütze im Gesetz — hat die Superintendantur Dresden die Geistlichen im Amt und im Ruhestand, ebenso die Kandidaten der Theologie ausgefordert, den Religionsunterricht zu übernehmen. Hier zu haben sich 107 Geistliche und Kandidaten also fast aus nahmslos alle, bereit erklärt. Dresden. Der große Schieberprozeß erreichte sein Ende. Die Anklage wegen Kettenhandel ließ der Staats anwalt fallen. Es sei erwiesen, daß durch den Verkauf der Schuhe diese der Bevölkerung näher gebracht worden seien. Allerdings habe Freudenberg beim Verkaufe von 1900 Paar Schuhen 2,35 Mark pro Paar mehr verdient, als erlaubt sei. Wegen dieses Ucbergewinns beantragte der Staatsan walt die Bestrafung Frendenbergs. Bei allen anderen Angeklagten beantragte er Freisprechung oder Entscheidung nach Ermessen des Gerichts. Das Gericht ging, teilweise im Gegensätze zum Gutachten der Sachverständigen, davon aus, daß es Gegenstände des täglichen Gebrauchs waren, die da zum Verkaufe gekommen waren. Bei Freudenberg wurden insgesamt vier angerechnet, bei denen er Ueder- gewinne von 5,50—5,90 Mark für das Paar gemacht hatte, insgesammt etwa 156000 Mark. Freudenberg wurde zu 9 Monaten Gefängnis und 100000 Mark Geldstrafe, sowie mit Rücksicht auf die Ehrlosigkeit der Gesinnung zu drei Jahren Ehrverlust verurteilt. Krumbach. In dem hiesigen Dampfziegelwerk stürtzte Sonnabend mittag infolge Berstens eines Drahtseiles der Werksührer Johann Küttner mit dem beladenen Fahr stuhl in die Tiefe hinab. Der 48 Jahre alte Familien vater erlag nach seiner Einlieferung ins Friedrichstädler Krankenhaus seinen Verletzungen. Plauen. Die hiesige Staatsanwaltschaft hat gegen den Kommunistenführer, den Techniker Max Hölz erneut einen Steckbrief erlassen. Hölz ist am 14. Oktober 1889 zu Moritz bei Riesa geboren, er soll nach dem yeusten Fahn- dungsbenchi einen guten, grauen Anzug und dergleichen Ulster, ferner einen dunkelbraunen Hut mit schwarzen Band und weiter einen Selbstbinder tragen. Auf die Ergreifung d-'s Hölz sind bekanntlich 30000 Mark Belohnung ausge» sitzt worden. Leipzig. In voriger Woche wurden auf dem Magdeburg-Thüringer Güterbahnhof zwei Eisenbahnwaggon» mit über 5 Millionen ausländischer Zigarretten beschlagnahmt als die Zigarretten vom Empfänger abgeholt werden sollten. Welchen Umfang der ausländische Zigarrettenschmuggel nach Deutschland angenommen hat, erhellt aus der Tatsache, daß allein in letzter Zeit ungefähr 40 Millionen Stück auS- lär.discher Zigaretten nach Deutschland auf unrechtmäßigen Wege eingeführt worden sind. Die Spuren sichren fast immer nach dem Rheinland, wo die Ueberwachung leider au- politischen Rücksichten auf die Kontrollkommission der Entente nicht in dem Maße gehandhabt werden kann, wie sie not- wendig ist. Diese 40 Millionen aus dem Auslande herein- g-holter Zigarretten bedeuten eine Millionenschädigung des Reiches erstens durch die entgangenen Zollgebühren und weiter durch den ungünstigen Einfluß auf unsere Valuta. Die beschlagnahmten Vorräte werden nun wieder nach den nordischen Ländern exportiert. Die dafür erhaltenen Gelder werden den Devisenkassen zum Ankauf ausländischer Lebens mittel zugestellt. Adorf. Der Müllerverband im Bezirke der AmtS- hauptmanuschaft OelSnitz hat beschlossen, da die Reichs- getreidestelle die Zuweisung von Mahlgetreide abgelehnt hat, zum Schutze der gewerblichen und der Lebensintereflen des Müllerberufes künftig jede Revision durch die Reichsgetreide stelle zurückzuweisen. Sollte die Reichsgetreidestelle die Fort setzung der Revisionen erzwingen, so schließen sämtliche Müller des Bezirks ihre Betriebe.