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für Nossen, Siebenlehn und die Umgegenden für die König!. Amtshauptmannschast zu Meißen, das König!. Amtsgericht und den Stadtrath zu Witsdruff. Vierzigster Jahrgang. 188«. i Nr. 17 DirnStag, dcn 24. Fcdi »ir Erscheint wöchentlich 2 Mal Dienstag und Freitag Abonnementspreis vierteljährlich 1 Mark. Eine einzelne Nummer lostet 10 Pf. Jnseratenannahme Montags u. Donnerstags bis Mittag 12 Uhr. Erscheint wöchentlich 2 Mal (Dienstag und Freitag) Abonnementspreis vierteljährlich 1 Mark Eine einzelne Nummer kostet 10 Pf. Jnseratenannabme Montags u. Donnerstag- bis Mittag 12 Uhr. Tagesgeschichte. — Die Geistlichen in Nordhausen haben am vergangenen Sonntag von den Kanzeln sämmtlicher evangelischen Kirchen eine zeit gemäße und beherzigenswerthe, gegen die herrschende Unsitte der Ent faltung eines übertriebenen Luxus der Confirmanden, namentlich der Mädchen, gerichtete Ansprache verlesen, in der es heißt: „Es ist uns von mehreren Eltern der Wunsch ausgesprochen worden, doch dahin zu wirken, daß der hierorts bei der Confirmation, namentlich der Mädchen, übliche Luxus bezüglich der Kleider aus eiu bescheidenes Maß beschränkt und zu diesem Zwecke eine bittende Ansprache auch an die einzelnen Gemeinden gerichtet würde. Wir kommen diesem Wunsche um so bereitwilliger nach, je mehr wir es aus Erfahrung wissen, wie viele Eltern, der Macht des Herkommens weichend, um dieses über- stüssigen Aufwandes willen sich in unendlich viel Sorgen und Mühen, ia auch Schulden stürzen, ferner, wie so viele arme Kinder uin des für diesen Tag durchaus uöthigen Staates willen lange Zeit, ja Jahre vorher auf mühevollen Verdienst ausgehen, nnd wie endlich über dem Allen der eigentliche, für Reiche und Arme ganz gleiche Zweck dieser Feier, nämlich die rechte Bereitung des Herzens, durch die Wucht der rein äußerlichen Sorgen so leicht gänzlich in den Hintergrund gedrängt -wird. Es war uns demnach völlig ans der Seele gesprochen, wenn vor Kurzem mehrere einsichtsvolle und angesehene Familienväter uns dahin ihre Meinung aussprachen, daß man es künftig bei einem guten schwarzen Kleide, welches für alle drei Acte: für Einsegnung, Beichte und heiliges Abendmahl, auch iinmer am würdigsten erscheinen dürfte, bewenden lassen möge. Wir können und wollen natürlich Keinem ir gend welche Vorschriften hierin machen, sondern wir können nur bitten, aber wir wagen diese Bitte in Rücksicht auf die Ungunst der Zcitvcr- hältmsse, in Rücksicht ferner auf so viele Eltern, welche obigem Her kommen nur mit Widerwillen und Murren sich fügen, in Rücksicht endlich darauf, daß so vielen Eltern die rechte Freude des Tages durch die nachhinkeuden Sorgen verkümmert wird. Wir danken im Voraus deshalb schon allen Denen, welche, unserer Bitte Gehör schenkend, bei der diesjährigen Confirmation in Einfachheit mit gutem Beispiel vor angehen. Der deutsche Reichstag scheint mit der begonnenen Bcrathüng des Reichshaushaltsetat noch keine große Anziehungskraft auf feine Mitglieder auszuüben. Bei nur fchwachbesetzteu Bänken trat er am Mittwoch in die erste Lesung des Reichshaushaltsetats ein. Aus der Rede des Reichsschatzsecretärs Scholtz, welcher die Debatte einleitcte, ist nur die Versicherung hervorzuheben, daß eine Aenderung der gegen wärtigen Münzwährung weder in Anregung gebracht, noch in Aussicht genommen sei. Der erste Redner aas dem Hause war Abgeordneter Richter, welcher mit der bekannten Schärfe den Etat und die neueste Finanz- und Steuerpolitik bekämpfte und sich mit besonderem Nach- druck gegen die geplante Verlängernng der Etats- und Legislaturperi oden und die Heeresverstärkung wandte. Dem trat der Abgeordnete Minnigerode entgegen und suchte für das Anwachsen der Staatsaus- gabcn die liberale Aera verantwortlich zu machen, was wieder der Abg. Rickert entschieden zurückwies, der ebenfalls das Projekt der zwei jährigen Etatspenoden verurtheilte. Berlin. Die deutsch-konservative Partei hat nunmehr zu dem Gesetzentwurf wegen der zweijährigen Etats- und vierjährigen Legislaturperioden Stellung genommen. Sie hat gegen die Feststellung der Etats gleich für zwei Jahre nichts einzuwenden, besteht aber mit aller Entschiedenheit auf der jährlichen Berufung des Reichs tages. Den nämlichen Standpunkt nimmt die deutsche Reichspartei ein; aller Wahrscheinlichkeit nach wird auch das Centrum von der jährlichen Berufung nicht abgehcn, und da die Fortschrittspartei erst recht damit einverstanden ist, so kann diese Regierungsvorlage schon jetzt für so gut wie gescheitert angesehen werden. Denn es begreift sich leicht und ist auch gar kein Geheimniß, daß der Bundesrath seinerseits die Vorlage hauptsächlich nur deshalb angenommen hat, um dadurch gleichzeitig der alljährlichen Berhandlungen und Berathungen des Reichs tages überhoben zu sein. Wird das Gesetz abgelehnt und somit der Zweck, den Reichstag nur alle zwei Jahre zu berufen, nicht erreicht, so dürste die Regierung sich doch vielleicht endlich entschließen, den ihr schon so oft ertheilten Rath zu befolgen und den Reichstag zur Herbst zeit vor dcn Einzellandtagen zu versammeln, um so allen Störungen und Zusammenstößen ein für alle Mal ein Ende zu machen. Die freien Schweizer haben oft darüber gespottet und gelacht, daß wir Deutsche so viel Geld fürs Militär ausgeben, grade als ob's eine besondere Liebhaberei von uns wäre. Jetzt lachen sie nicht mehr; denn die Zeit des Geldausgebens ist auch sür sie gekommen. Ihre Berge sind schon lange nicht mehr ein ausreichender Schutz; denn diese Berge haben keine eisernen Thore, keine Schlösser und Niegel und halten die mächtigen Nachbarn der Schweiz nicht ab, über ihre Berge und durch ihre Thäler zu marschiren, wenn ihnen andere Wege verrammelt sind. In den Offizier- und Bundesversammlungen der Schweiz und überall, wo zwei oder drei umsichtige Männer zusammen sind, da verhandeln sie über die Nothwendigkeit, die Grenzen der Schweiz durch Festungswerke oller Art zu sperren und zu sichern, namentlich gegen Frankreich. Dieses Thema steht auf der Tagesordnung und man wird fehr rasch vom Reden zum Handeln kommen müssen; denn die Zeit ist ernst und schreitet rasch. Petersburg, 21. Februar. Tas feierliche Leichenbegängniß der bei der Explosion im Winlerpalast verunglückten Soldaten des finn ländischen Leibgarderegiments hat gestern im Beisein des Regiments chefs, Großfürste» Konstantin, und unter sehr großer Betheiligung von Offizieren aller Grade der hiesigen Garnison und der Bevölkerung statt- gesunden. Die Särge wurden von Offizieren getragen. — Der Kaiser und der Großfürst-Thronfolger wohnten den Leichenfeierlichkeiten in der Kaserne des Regiments bei und besuchten sodann die Verwundeten in dem Lazareth. Gestern ist der elfte Soldat in Folge seiner bei der Explosion erhaltenen Wunden gestorben. — Der „Golos" weist auf die allgemeine Befriedigung hin, welche die von Europa dargethanen Sympathien für den Kaiser Alexander allseitig in Rußland Hervorrufen mußten. „Golos" schreibt: „Wir haben mit einem inneren Feinde zu thun; da würden keine äußerlichen Mittel helfen können. Wir müssen uns einen frischen Geist erhalten, zur Thätigkeit belebt werden und unsere Gesinnungen in den Sorgen um das eigene Wohl purifi- ziren, dann werde der innere Feind verschwinden; dies begreife ganz Europa. So werde die Lage der Dinge auch von Deutschland ange sehen, wenigstens von dessen besten Vertretern, an deren Spitze der Kaiser Wilhelm steht. Indem der deutsche Kaiser mit Mitgliedern seines Hauses dem Dankgottesdienste in der Kapelle der russischen Botschaft in Berlin beiwohnte, war er sich bewußt, daß sein Gebet für den Kaiser von Rußland im Herzen des russischen Volkes die Liebe zu ihm und seiner Nation bekräftige, die Liebe, welche bereits zu wieder holten Malen in unzweideutiger Form sich zeigte. Das Attentat vom 17. Februar auf den Kaiser Alexander ist das dritte seit 10 Monaten. Solowjeff schoß auf ihn, als er in der Nähe feines Palastes spazieren ging; das zweite war die Minen-E^- plosion in Moskau. Es ist Steigerung in dem Raffinement. Dle Hauptsache ist nicht- ob das dritte und scheußlichste Attentat durch Minengrabung, durch Dynamit oder Gas erfolgte, was noch im Un klaren, sondern daß Leute aus der nächsten Umgebung des Kallers Mitwisser gewesen sein müssen. Niemand genirt sich mehr, diesen Ver dacht ausznsprechen, wie man aus den russenfreundlichsten Blättern in Berlin sehen kann. Und darin liegt die furchtbare Gefahr für den Kaiser. Die Unzufriedenen sind am zahlreichsten in den höhern und höchsten Classen der Gesellschaft. Es fehlt in Rußland ein Sicherheits- Ventil und die rafch sich wiederholenden Verbrechen werden es schwer lich schaffen. Ob die Kriegspartei es ist, welcher der Kaiser im Wege steht? Manche glauben es. Sie hat ihren Vortheil selbst von mißlungenen Attentaten, weil diese Rußland in solche Verwirrung stürzen, das schließlich auch der friedfertigste Fürst als einzige Rettung, um aus den inneren Wirren herauszukommen, den Krieg betrachten mnß. Der Kriegspartci, die zugleich die deutschfeindliche Partei ist, mag zu diesem Zwecke die Bundesgenossenschaft der Nihilisten ganz willkommen sein. In den ersten Februartagen schon wurden, wie man s«gt, zwei als Schornsteinfeger verkleidete Männer festgenommen, welche sich in das kaiserliche Palais in Petersburg eingeschlichen hatten, nm in die Kamine der kaiserlichen Wohngemächer Pulver zu legen. Wenige Tage darauf fuhr ein fchwer beladener Wagen in einen der Hofräume des Palastes; der Kutscher verließ die Pferde und verschwand. Durch ir gend einen Zusall erschien der Wagen einem Diener verdächtig. Man untersuchte und fand eine große Quantität Pulver, Dynamit und eine angezündcte Lunte. Einige Minuten später — und der Winterpalast hätte aufgehört gehabt zu existiren. Am Abend eines der vorhergehenden Tage hatte man einen Mann arretirt, welcher im Kostüm eines ge wöhnlichen Bauern das Palais umstrich. In einem Sacke, den er auf dem Rücken trug', fand man fünf Flaschen mit Nitroglycerin. Die selben hatten wahrscheinlich den Zweck, unter die Fenster des Kaisers gelegt zu werden, deren Explosion die furchtbarste Verheerung ange richtet hätte. Bei dem Verhör gab der Verhaftete an, er sei von dem Inhalte der Flaschen nicht unterrichtet und in der großen Morskaja von einem ihm unbekannten Herrn beauftragt worden, dieselben nach der Straße Wassili-Ostrow zu bringen. Der Winterpalast, in welchem die Frevclthat sich ereignet hat, ist die eigentliche kaiserliche Residenz. Das Palais, welches neben der Admiralität und mit der einen Front nach der Newa gelegen ist, er hielt den Namen Winterpalais im Gegensatz Zu dem alten Michailow- schen Schlosse, welches auch Sommerpalais hieß. Schou Peter der Große begann auf dieser Stelle den Bau eines Palastes, in welchem er auch starb. Unter der Kaiserin Elisabeth wurde ein Umbau aus geführt. Am 29. Dezember 1837 brannte das Palais vollständig ans; es wurde im folgenden Jahre nen aufgeführt und bereits Ostern 1839 wieder bezogen. Der Palast bildet ein reguläres Viereck, dessen Haupt front nach dem Alexanderplatze zu gelegen und 720 Fuß lang ist; er nimmt 654,237 Quadratfuß Flächenraum ein. Besonderer Erwähnung Werth sind im Winterpalaste der Marmorsaal, der große Speisesaal