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Nr 163 — 88. Jahrgang Postscheck: Dresden 2640 Hs mal den sicherlich auch hoffnungslos bleibenden Versuch machen, sich in Genf zu beklagen. Ein Aufcmander- prallen machtpolitischer Gegensätze — nichts anders ist das, was sich im Fernen Osten abspielt. Und abspielen wird, wenn wirklich Sowjetrußlaitd zu Gegenmaßnahmen kriegerischer Art greifen sollte, wie es jetzt gebracht hat. Vermutlich wird man aber in Moskau auch drese 'i-bwere Niederlage schweigend hinnehmen müssen. Daß dieses Vorgehen gegen die russische Verwaltung der Bahn, die über mandschurisches, also chinesisches Ge biet hinweg zu dem einzigen sibirischen Hafen Wladiwostok führt, nichts anderes als ein glatter Verstoß gegen vertragliche Vereinbarun gen zwischen Rußland und China ist, be rührt die Regierung in Nanking sehr wenig, über der artige international selbstverständliche „Hemmungen" ist man dort schon längst hinaus, seitdem mit aller Kraft und jedem als zweckmäßig erscheinenden Mittel der russische Einfluß und die bolschewistische Agitation in China be kämpft wird. Die Meldungen aus Moskau, daß die Nankinger Regierung zur Stützung ihres Vorgehens Truppen in der Nordmandschurei bereitgestcllt habe, mögen richtig sein. Ebenso, daß Japan, das auf die Verwaltung der bei Charbin abzweigenden südmandschu rischen Bahn maßgebenden Einfluß besitzt, seine Hände mitim Spielhat, und zwar auf seilen Chinas. Bei der gleichfalls sehr scharf antibolschewistischen Einstellung Japans ist nicht einmal die Meldung von einem japanisch chinesischen Geheimabkommen militärischer Art sehr un wahrscheinlich. Das würde natürlich die Lage der Sowjetregierung dem chinesischen Vorgehen gegenüber noch hoffnungsloser machen, als sie schon jetzt ist. Aber nicht nur die russische Bahnverwaltung ist entfernt worden, sondern die chine sische Regierung hat alles, was sonst noch an wirtschaft lichen Einrichtungen Rußlands in der Mandschurei be steht, einfach beseitigt, hat die russischen Handelsfilialen geschlossen, die Agenten verhaftet — kurz, dort den ge samten russischen Einfluß radikal vom Tisch gefegt. Hat Rußland weit hinter die Lage von 1895 zurückgeworfen, als der Friede von Schimonoseki zwischen Japan und China dem russischen Vordringen in die Mandschurei hin ein die Wege ebnete, ein Vordringen, dem ja erst zehn <mhre später Japan eine Grenze ziehen konnte. Energisch hat die Nanking-Regierung die von rus sischen Agitatoren angezettelten Bolschewistcnausstände w Kanton, Schanghai und anderen Orten niedergeschlagen offiziell steht auf ihrer Seite sozusagen die ganze ^bolschewistisch gesinnte Welt. Rußland ist nicht, wie »wa, Mitglied des Völkerbundes, vermag also nicht ein- Rationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Da» »Wilsdruffer Tageblatt* erscheint an allen Werktage» nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis: Bei Abholung in d« GeschSstsstelle und den Ausgabestellen 2 AM. im Monat, bei Zustellung durch die Boten 2,30 NM., bei Postdestellung 2 «W. zuzüglich Abtrag- . gebühr. Einzelnummern ISRpfg.AllePostanstalten Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgeo end Postboten und unsereAus- trtgerundGeschLfksstellen - 2 nehmen zu jeder Zeit Be. stelüurgen entgegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesaudter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. Das Ultimatum. Sowjetrußland hat an China ein befristetes Ultimatum gestellt — anders läßt sich die Note nicht kennzeichnen, die die Moskauer Regierung dem Geschäfts- träger Chinas überreicht hat. Verbunden mit der Drohung, „andere Mittel" zum Schutz der Rechte Ruß- lands zu ergreifen, wenn China nicht die Maßnahmen rückgängig macht, die es gegen die russische Verwaltung der ostmandschurischen Bahn getroffen hat. Also: Kriegs gefahr im Fernen Osten. Vielleicht. Vielleicht aber steckt die Sowjetregierung auch diese Absetzung der Russen von der Verwaltung, die Verhaftung von Beamten der Eisenbahn, die Haussuchung im Charbiner Generalkonsulat auch wieder zähne knirschend ein. Moskau hat ja so vieles dulden müssen von der neuen chinesischen Nationalregierung, was ein anderer Staat längst mit offener Kriegserklärung beant wortet hätte. Und auch jetzt wieder wird man es sich sehr reiflich überlegen, ob man den Worten auch entsprechende Taten wird folgen lassen. Der Wille dazu mag vielleicht da sein, aber von ihm ist ein weiter Weg bis zum Können. Ein Weg durch ganz Sibirien hindurch. Und ob Sowjet rußland besser und schneller mit den Chinesen fertig wird als das zaristische Rußland mit den Japanern, wird den heutigen Machthabern im Moskauer Kreml zweifelhaft erscheinen. Mühe genug hat es schon gekostet, im Fernen Osten den Widerstand der „weißrussischen", also gegen revolutionären Elemente zu brechen, die jetzt überall in der Nordmandschurei sitzen, dicht vor den Toren Sibi riens, und natürlich das sowjetfeindliche Vorgehen Chinas mit herzlicher Freude begrüßen, es auf das tat kräftigste unterstützen werden. WW WO andere Mittel zum Schutz der vertraglichen Rcck'w Sowjetunion zu ergreifen. Empörung in China. In chinesischen amtlichen Kreisen erklärt man, daß die Viole in ganz China große Empörung Hervorrufen werde. Schon der Ton der Note sei provozierend. Das chinesische Außenministerium steht auf dem Standpunkt, daß die Nanking-Regierung nicht imstande sein werde, innerhalb dreier Tage Rußland eine Antwort zu geben. Die chinesische Regierung werde ohne Zu stimmung Rußlands die Frist für die Antwortnote um mehrere Tage verlängern, weil die chinesischen amt lichen Stellen in Nanking erst mit Mulden in Verbin dung treten müßten. Marschall Tschanghsueliang tele graphierte der Nanking-Regierung, daß die Sowjetunion Truppen an der russisch-chinesischen Grenze zusammenzöge. Die nMe Auslegung Les Miimtunir. Kowno, 15. Juli. Wie aus Moskau gemeldet wird, ver lautet von unterrichteter Seite, daß die letzte russische Note an die chinesische Regierung im Gegensatz zu den Auslegungen der euro päischen Presse keine militärische Drohung enthalte. Die Sowjet regierung wolle vielmehr im Falle des Nichtzustandekommens einer friedlichen Lösung den chinesischen Geschäftsträger aus der Sow jetunion Ausweisen, die chinesisch-russische Grenze an den Stationen Pogranitschnaja und Mandschuria sperren und den wirtschaftlichen Boykott über chinesische Waren verhängen. Ferner wird die Sow jetregierung die Nankingregierung nicht als die chinesische Zentral regierung anerkennen. T«legr.-Adr.: „Amtsblatt" Die Katastrophe des „Marschast pilsudski". Mißerfolge der französischen Flieger und der „Untin Bowler". Der geplante Amerikaflug der polnischen Flieger Idzikowski und Kubala hat schon wenige Stunden nach dem Abflug der Flieger ein tragisches Ende genom men. Ihr Flugzeug „Marschall Pilsudski" er- reichte Sonnabend gegen 7 Uhr die Azoreninsel Graciosa, die man ihnen auf ihren S.-O.-S.-Ruf zur Landung emp fohlen hatte. Die Flieger beschlossen, niederzugehen, trotz dem sic das Gelände für sehr gefährlich hielten. Das Flug zeug überschlug sich aber bei der Landung und fing in folge einer Bcnzincxplosion Feuer. Aus den rauchenden Trümmern zog man den tödlich verletzten Idzi - kowski hervor, während Kubala nur leichte Verletzungen erlitten hatte. Beide wurden in ein Krankenhaus über geführt, wo Jdzikowski gleich nach seiner Einlieferung starb. Die portugiesischen Behörden beschlossen, dem verun glückten polnischen Flieger ein feierliches Begräbnis zu bereiten. Dieses fand Sonntag nachmittag unter großer Teilnahme der Bevölkerung statt. Jdzikowski war polnischer Major. Kubala war während des Krieges österreichischer Offizier. Warum die französischen Ozeanflieger aufgaben. Der französische Flieger Costes erklärte nach der Landung des „Fragezeichen", das in Le Bourget zum Transozeanflug gestartet war, aber vor Erreichung der Azoren wieder umkehrte, er habe sich im Einverständnis mit seinem Kameraden zur Umkehr entschlossen, da die Wetterbedingungen ungünstig waren und starker Wind den Benzinverbrauch wesentlich erhöhte. Das Flugzeug habe infolge der heftigen Gegenwinde oft nur eine Stundengeschwindigkeit von 80 Kilometern gehabt. Es hatte nach der Landung noch etwa 3000 Liter Brennstoff an Bord. Ein Vertreter Doumergues hat die Flieger zu ihrer Rückkehr beglückwünscht. „Antin Bowler" aufs offene Meer getrieben. Aus Port Burwell wird gemeldet, daß das Flugzeug „U n t i n B o w l e r" aus einer losgelösten Eisscholle fort geschwemmt worden und im Meere versunken ist. Als die Flieger in der Nähe der Landungsstelle an neuen Ersatz teilen für das Untergestell des Flugzeuges arbeiteten, setzte plötzlich eine heftige Flut ein. Die Eskimos, die das Flugzeug bewachten, kamen herbeigelaufcn, um den Fliegern mitzutcilen, daß das Flugzeug auf einer Eisscholle fortschwimme. Die Flieger sahen das, Flugzeug in weiter Entfernung, umgeben von Eis magen. vnctH daraus verschwand es im Meere. Die Flieger hatten seit einigen Tagen an der Ausbesserung der „Untin Bowler" gearbeitet, um den Flug nach Berlin fortsetzcn zu können. Auch die Schwcdenflicger haben Pech. Das schwedische Flugzeug „Sverige", mit dem Kapitän Ahrenberg von Jvtgtut auf Grönland nach Amerika zu fliegen gedenkt, wurde am Sonntag nach mittag um 3 Uhr zu Wasser gebracht. Da es sich aber herausstellte, daß der eine Schwimmer leck war, erfolgte wieder kein Start. Dieser schwedische Amerikaflug wird schon seit mehreren Wochen ständig von neuem ^unter nommen". „Pathfinder" aber läßt sich feiern. Mussolini hat den amerikanischen Fliegern Wil liams und J a nkey, die von Amerika, mit einer kurzen Zwischenlandung in Spanien, nach Nom ge flogen sind, goldene Medaillen verliehen. Die beiden Flieger des „Pathfinder" wurden am Sonntag vom Papst in Privataudicnz empfangen. Williams überreichte dem Papst ein Glückwunschschreiben des Erz bischofs von Boston zu seinem Pricstcrjubiläum. Der Papst beglückwünschte die beiden Flieger zu ihrem ge lungene« Unternehmen und zeichnete sic mit der zu seinem Priesterjubiläum gestifteten silbernen Jubiläumsmedaille aus. Der amerikanische Botschafter in Rom ist bereits mit einer Reihe zuständiger Stellen in Verbindung ge treten, um die Erlaubuis für eine« Rundslug des „Path finder" zu erwirken. Wie «ran hört, soll der Flug a u ch «ach Deutschland führen. Der „Do. X" über dem Bodensee Rorschach, 15. Juli. Am gestrigen Montag nachmittag um 3 Uhr ist die Do. X. nach den Probestarts des Vormittags mit einem Fluggewicht von fast 37 Tonnen zum ersten Mal zu einem größeren Probeslug über den Bodensee gestartet, wobei eine Zwi schenlandung in Manzefell, der geistigen Geburtsstätte des Rie- senflugschifses, vorgenommen wurde. Der Probeflug des Do. X. über den Bodensee am Montag nachmittag hat die Erwartungen, die der Konstrukteur und die Piloten an die Maschine gestellt hat ten, voll erfüllt. Der Start erfolgte diesmal mit allen 12 Moto ren. Bereits nach 23 Sekunden hob sich Do. X. vom Wasser ab. Trotz des Gegendrucks erreichte das Flugschifs schon während des Steigens eine erhebliche Geschwindigkeit, denn am Tachometer konnten 210 Kilometer abgelesen werden. Es wurden dann Ge schwindigkeitsversuche festgestellt und mit gedrosselten Motoren noch 180 Kilometer erreicht. Vor Manzefell wurde unter dem Jubel der aus dem Werk herausgetretenen Belegschaft gelandet. Wieder rollte der Riesenvogel vor dem Winde auf den offenen See mit soviel Gas hinaus, daß er mit etwa 100 Kilometer Geschwindig keit über die Wellen des ziemlich stark bewegten Bodensees hin weg glitt. Dabei wurde mit Erstaunen festgestellt, daß man die Wellen in der Do. X. kaum verspürte und den Eindruck hatte, über völlig ruhiges Wasser hinwegzugleiten. Kurz und eicht hob sich das Flugschiff wieder und stieg schnell auf 600 Meter Hohe. Nach einem größeren Rundflug, der bis zur 3"sel Mmna« m Nähe von Cvnstanz führte, landete der Do X. »ach halbM Flug wieder glatt in der Werft von Altenrhein. D*-. Dornier, der an dem Probeflug teilnahm, zeigte sich ebenso w>e st,ne M. rbe,- ter und Freunde von den Ergebnissen des Fluge^ ar ß st be friedigt. '5 IIH Der KM M die Die Forderungen Moskaus Die Note, die die Sowjetregierung der chinesischen Regierung wegen der Vorgänge an der chinesischen Ost bahn hat überreichen lassen, trägt einen stark ultimativen Charakter trotz der darin versicherten Friedensliebe Sowjetrußlands. Der Ton, in dem die Note abgefaßt ist, ist außerordentlich scharf gehalten. Es heißt in dem Schlußpassus: Trotz der schweren Sowjet rußland angetanen Verletzung wolle die Sowjetregierung aber auch dieses Mal ihre Friedensliebe bekunden und erkläre sich bereit, mit China in Verhandlungen ein zutreten. Die Note schlägt vor: 1. Unverzüglich eine Konferenz zur Regelung aller mit der Chinesischen Ostbahn zusammenhängende« Fragen einzuberufen. 2. Die chinesischen Behörden machen unverzüglich alle die von ihnen eigenmächtig vorgenommcncn Handlungen rückgängig. 3. Alle sowjetrussischen Staatsbürger werden unver züglich in Freiheit gesetzt und die chinesischen Be Hörden verzichten auf jegliche Eingriffe in die Freiheit sowjetrussischer Staatsbürger und des sowjetrussischen Staatsgesetzes an der Chinesischen Ostbahn. Die Sowjctregierung macht die Mukdencr Regierung und die Nationalrcgicrung der Chinesischen Republik auf die ernsten Folgen aufmerksam, die eine Ablehnung dieser sowjctrussischen Vorschläge nach sich ziehen würde Die Sowjetregierung erwartet binnen drei Tagen eine Antwort auf ihre Vorschläge und wird, falls in dieser Frist keine befriedigende Antwort eintrifft, falls in di-Kkn für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr, 6 SV'WA Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen des Amis- gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Matt. Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Dienstag, den 16 Juli 1929