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Die Farbigkeit, die Kraft, der Schwung, die Hymnik, die stets nacherlebbare Emotionalität seiner Musiksprache sichern einen spontanen Zugang zu seiner Kunst. Johannes Brahms' Sinfonie Nr. 2 D-Dur o p. 7 3, im Jahre 1877 komponiert, entstammt einer glücklichen Lebensperiode des Meisters, deren ruhige Heiterkeit sich in den meisten der in dieser Zeit vollendeten Werke widerspiegelt. So ist auch die Grundstimmung der D-Dur-Sinfonie durch Lebensbejahung, Le bensfreude und innere Gelöstheit gekennzeich net. Das Werk, das oft als die „Pastorale" des JKomponisten bezeichnet wurde, steht in star kem Gegensatz zu der vorangegangenen, lei denschaftlich-kämpferischen c-Moll-Sinfonie und verhält sich zu ihr vergleichsweise etwa wie Beethovens „Sechste" zu seiner „Fünften" oder Dvoraks achte zur siebenten Sinfonie. Land schaftliche Eindrücke, Naturstimmungen sollen auch bei der Entstehung dieser Brahms-Sinfonie eine wesentliche Rolle gespielt haben. „Das ist ja lauter blauer Himmel, Quellenrieseln, Son nenschein und kühler, grüner Schatten. Am Wörther See muß es doch schön sein," äußerte der dem Komponisten befreundete Chirurg Theodor Billroth zu der in wenigen sonnener füllten Sommermonaten in Pörtschach am See in den Kärntner Bergen geschriebenen Kompo sition, die in ihrer pastoralen Lieblichkeit dem ein Jahr später dort entstandenen Violinkon zert nahe verwandt ist. „Eine glückliche, won nige Stimmung geht durch das Ganze, und al les trägt so den Stempel der Vollendung und des müh.elosen Ausströmens abgeklärter Ge danken und warmer Empfindungen." Doch ent behrt das sehr einheitliche und geschlossene, an herrlichen Einfällen überreiche Werk trotz seiner lichten und freudigen, lyrischen Grund haltung, trotz seiner Bindung an die „heitere" klassische Themen- und Formenwelt, keines wegs kraftvoller, ja zum Teil auch tragischer Töne. Am 30. Dezember 1877 fand die Urauf führung der Sinfonie (die Brahms übrigens in einem Brief an seinen Verleger Fritz Simrock humorvoll „das neue liebliche Ungeheuer" nannte) durch die Wiener Philharmoniker un ter der Leitung von Hans Richter statt; Clara Schumanns Voraussage „Mit dieser Sinfonie wird er auch beim Publikum durchschlagende ren Erfolg haben als mit der ersten" sollte sich dabei nachhaltig bestätigen. Eine meisterhafte variationsmäßige Durchdrin gung und Bindung der einzelnen gegensätzli chen Themen, aus der eine ungemein starke Einheitlichkeit der Stimmung erwächst, charak ¬ terisiert gleich den ersten Satz (Allegro non troppo). Entscheidend für den Aufbau des ge samten Werkes ist das aus drei Tönen (d—cis— d) bestehende Anfangsmotiv, das in Violon celli und Kontrabässen quasi wie ein Motto dem in den Hörnern einsetzenden Hauptthema vorausgeschickt wird und als Grundmotiv in zahlreichen Variationen und Ableitungen die Sinfonie durchzieht. In Hörnern und Holzbläsern erklingt das Hauptthema des Satzes wie ein Frage- und Antwortspiel; geheimnisvolle Klän ge der Posaunen und der Baßtuba folgen. Nach diesem wie eine selbständige Einleitung anmu tenden Beginn tragen die Violinen eine weit geschwungene, bereits abgeleitete Weise vor. Es verbreitet sich eine ausgelassene Fröhlich keit, die jedoch durch das dunkel gefärbte, von den Violoncelli angestimmte zweite Thema wie der gedämpft wird. In der poesievollen Durch führung des Satzes, die durchaus große Steige rungen aufweist und ihren Höhepunkt in einem Fugato erreicht, dominieren das Grundmotiv, das Hauptthema und daraus abgeleitete Ge danken. Noch einmal erklingen die schönen Melodien des Satzes in der wieder von unge trübter pastoraler Stimmung erfüllten Reprise. Ein wenig melancholisch, empfindungsschwerer gibt sich der folgende, in dreiteiliger Liedform angelegte Satz (Adagio ma non troppo). Sein Hauptthema bildet eine schwermütige Cello- Kantilene in H-Dur, die dann von den Violinen aufgenommen wird. Nach einer kurzen, vom Horn begonnenen fugierten Episode erfolgt ein Taktwechsel; der Mittelteil setzt mit einem für Brahms sehr charakteristischen synkopierten Thema der Holzbläser ein. Unruhige, erregte Klänge führen zu spannungsvollem musikali schen Geschehen. Doch mit der Wiederkehr des wehmütigen Cellothemas durch die Flöten in der freien Wiederholung des ersten Teiles beruhigt sich der Aufruhr wieder. In milder Re signation verklingt der Satz, dessen Hauptthe ma in der Coda, in Holzbläsern, Streichern und schließlich in der Klarinette zu gedämpften Trio ienschlägen der Pauke zerbröckelt. Besonders beliebt wurde in kurzer Zeit der mit seiner gemütvollen Liebenswürdigkeit etwas an Schubert erinnernde dritte Satz (Allegretto grazioso). Durch die Holzbläser erklingt, von Pizzikato-Achteln der Celli begleitet, das anmu tige menuettartige G-Dur-Hauptthema mit sei nen drolligen Vorschlägen auf dem dritten Vier tel, das übrigens auch aus einer Ableitung des Grundmotivs der Sinfonie gewonnen wurde. Auch ein zweimal in verschiedener Form auf tretender, rasch vorbeihuschender Trioteil kann als Variierung des Hauptthemas erkannt wer ¬ den. Aber trotz dieser kunstvoll verzahnten, zum Teil leicht ungarisch gefärbten Thematik er scheint der sehr wirkungsvoll instrumentierte Satz mit leichter Hand hingezaubert. Unproblematisch gibt sich auch das jubelnd ausklingende, beschwingte Finale der Sinfonie, von dem der gefürchtete Wiener Musikkritiker Eduard Hanslick sagte: „Mozarts Blut fließt in seinen Adern". Nach dem ein wenig zurück haltenden, geheimnisvollen Beginn — das Hauptthema huscht zunächst wie von Ferne er tönend in den Streichern vorbei, ehe es im Or chestertutti aufklingt — entfaltet sich kräftige Fröhlichkeit. Auch das sexten- und terzenselige, etwas ruhigere zweite Thema stellen die Strei cher (Violinen und Violen) vor. Diese beiden Hauptthemen, die sich in der Coda schließlich vereinigen, sowie das immer wieder benutzte Grundmotiv des Werkes und daraus abgeleitete Nebengedanken tragen das Geschehen des trotz einiger besinnlicher Wendungen kaum von Schatten berührten Finalsatzes, der das Werk in festlicher Freudigkeit beschließt. Dr. habil. Dieter Härtwig VORANKÜNDIGUNGEN: Dienstag, den 19. Oktober 1982, 20.00 Uhr (Freiverkauf) Mittwoch, den 20. Oktober 1982, 20.00 Uhr (AK J) Festsaal des Kulturpalastes Dresden 1. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Dirigent: Johannes Winkler Solist: Andrej Korsakow, Sowjetunion, Violine Werke von Gottfried von Einem, Strawinsky und Schu mann Freitag, den 5. November 1982, 20.00 Uhr (Anrecht A 1) Sonnabend, den 6. November 1982, 20.00 Uhr (Anrecht A 2) Festsaal des Kulturpalastes Dresden Einführungsvorträge jeweils 19.00 Uhr Dr. habil. Dieter Härtwig 2. PHILHARMONISCHES KONZERT Dirigent: Josef Hrncir, CSSR Solisten: Nada Somovä, CSSR, Sopran Libuse Märovä, CSSR, Alt Miroslav Svejda, CSSR, Tenor Antonin Svorc, CSSR, Baßbariton Chor: Philharmonischer Chor Dresden Einstudierung Matthias Geissler Antonin Dvorak: Stabat mater Programmblätter der Dresdner Philharmonie Redaktion: Dr. habil. Dieter Härtwig Spielzeit 1982/83 — Chefdiriqent: Prof. Herbert Kegel Druck: GGV, Prod.-Stätte Pirna 111-25-12 ItG 009-57-82 EVP —,25 M 1. PHILHARMONISCHES KONZERT 1 982/83