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M' - Nr W« AS. Jahrg. - < G«^chUft»fte»« »«d U«p«ktt»»r Freitag, 8. August 1919 Fernsprecher 21 S«S Postsch-ckk»«to leipMAIr. 147V7 volHMung >»»»>W»«><» L mtt Muftr. vrUage vlerteljkhrAch P.88 In Dr«»dni und a<m» DeuUchUuid f«i Hau» itUtV — «,»,«»« » dirrteltü-rilch ».« In Dr»«d»n und ,-m, DeMchland »r»> Hau« »00 — Dt« «tchftsch. «o«,»««« «schNnt an all«, «ochnUaa«, nachmMa«». — Sprechstund« d« «edaMon: 11 bl» 1» Uhr vormittag«. A»»«t»«I, Nnnohm« von »eschatt«an,e>g«» »«» 1» Uhr van I«ntllkn<mz,tg«n »t« II Uhr vor«. — V»««» PN dl» PrtN-LvaUj«!« »l» ^ t» NeNamrlrU I ^t. Fa»M«>-iIn<rt»eii gll ^ — gür uudcutttch geschrtrbon«. sowtr »«ch Yen«» ll>r«ch»r aulgegebrn, pWiigeu »»ne» wir dt« »«antwsrilichkctt kür dir StlchttglrU d«» r«p»» nicht üb»ri»«h»«N Das Reichsrrotspfer (Die amtliche Begründung) In der neuen koininenden Tagung der National- Versammlung werden schwere Kämpfe um die Finanz- resorm ausgefochten werden. Die beabsichtigten Steuereingriffe sind so tief einschneidende, daß sie das größte Interesse der weitesten streife erwecken tvcrden. Wir glauben daher im Interesse unserer Leser zu handeln, wenn wir sie so eingehend wie lnöglich mit den Entwürfen der Negierung bekannt machen. Die Redaktion. Tiefe Wunden sind dem Reiche und dem deutschen Volke durch den Krieg, seinen unglücklichen Ausgang und die uns auserlegten schweren Friudensbedingungen geschlagen »nor den. Der Volkskörper ptußte dahinfiechen, wenn es nicht der Tgtkraft und der Opferwilligkeit aller Stände gelingt, die Wunden verharschen zu lassen. Es würde klein gedacht sein vom deutschen Volke und seiner großen Vergangenheit, wenn man nicht die upqWMerliche Zuversicht hätte, daß es sich au'H jetzt bei dem Wiederaufbau des Reiches bewähren würde. Bei diesem Wiederaufbau gilt es vor allem, das Reich in den Stand zu setzen, seinen Aufgaben und seinen Verpflichtungen gerecht zu werden. Wurden in dem Kriege von dem gesamten Volke Opfer an Blut und Leben gefor dert, die willig gebracht wurden, so bedarf es jetzt nur des u>eit geringeren Opfers an Gut, um der schweren Not des Reiches zu steuern. Keine der mögliche« Quellen, aus denen den» Reiche Mittel zufließen können, darf eS in seiner schweren Lage »»erschöpft lassen. - In allererster Linie wird es sich aber den Vermögensbesitz für die Beschaffung seiner notwendigen Einnahmen dienstbar machen müssen. Ohme dem Fleiß und der Sparsamkeit, der Tatkraft »nd dem Unternehmungsgeist des einzelnen, die zusammen- gewirkt haben, um die Vermögen und das der Volkswirt schaft notwendige Kapital zu sammeln, Abbruch tun zu »vollen, muß doch mit aller Deutlichkeit betont werden, daß auch diesen Eigenschaften der einzelnen es nicht gelungen wäre, kleine oder große Vermögen zu bilden, wenn nicht das Schaffen des.ganzen Volkes, die Stellung und das Wirken des Reiches im Frieden die notwendigen Vorbedingungen gegeben hätten. Es ist deshalb nur recht und billig, wenn jetzt in der ersten Stunde der Not das Volk und das Reich einen Teil der Vermögest zurückf,ordert, um seinen Bestand zu sichern und den Wiederaufbau zu fördern. Der Besitz wird sich außerdem nicht der Erkenntnis verschließen wollen, daß er, von einzelnen Fällen abgesehen, noch immer erheb lich leichter im großen Umfang zu den Lasten des Reiches wird beitragen können als das Einkommen und der Ver brauch, und daß es daher eine Pflicht der Gerechtigkeit ist, in einer Zeit, in der »non das Einkommen bis zur Grenze des Möglichen und selbst den Verbrauch in weitem Umfang zu den Steuerlasten heranziehen muß, das Vermögen in erster Linie zu belasten. Aber noch ein anderer wichtiger Grund rechtfertigt die Einführung einer großen allgemeinen Vermögensabgabe. Tie Verpflichtungen, die aus dieser Schuld entspringen, wirken wie ckin Hemmschuh bei allen sonstigen Aufgaben, die das Reich in der Zukunft zu lösen hat. Will das Reich freie Bahn gewinnen, so muß es vor allem darauf Bedacht neh men, diese Schuld zu mildern. Nur die Ueberleitung eines Teiles der Privatvermögen in die Hand des Reiches kann in kurzer Zeit eine fühlbar« Abminderung der Schuld be- wirken. Aus diesen Gedanken heraus hat sich auch schon »mirrend des Krieges, in noch stärkerem Maße während der letzten Monate in allen Kreisen der Bevölkerung und nicht au letz- ter Stelle auch bei weiten Schichten der Besitzenden die üÜberzeugung Bahn gebrochen, einen Teil des Besitzes dem Reiche zu opfern. So ist der Grundgedanke des vorliegen den Gesetzentwurfes über das Reichsnotopser auf der Willensäußerung des ganzen deutschen Volkes aufgebaut. 'Trotz dieser Erkenntnis sind aber gegen die große Ver mögensabgabe aus volkswirtschaftlichen Erwägungen her aus Bedenken geäußert worden. Vor allein wird gefürchtet, daß die Vermögensabgabe die für das Gemeinwohl unbe dingt notwendige Kapitalbildung in Zukunft stark beschrän ken oder sogar hemmen werde. Es läßt sich auch nicht leug- neu, daß durch die Vermögensabgabe das Einkommen ge rade der Personen, ^dre infolge der Höhe ihrer Einkünfte besonders stark an der Kapitalbildung, beteiligt waren, er heblich vermindert und dadurch ihre kapitalbildenden .Kräfte geschwächt werden. Mar» darf aber nicht übersehen, 'daß diele vedentzlN sich gegen jede Steuer richten, die in irgendeiner ssorm so starker Staffelung der Steuersätze die hohen Ein- koimiten besonders füht-Ür belastet. Da aus anderen, wich tigen in der letzten Zeit auch in allen Kulturländern an erkannten Gründen die starke steuerliche Erfassung der hohen Einkommen unbedingt geboten ist, so fällt diese Be fürchtung als besonderes Bedenken gegen die Vermögens- abgabe in sich zusammen. Das Bedenken ist außerdem aber nur in einem gewissen Matz« gerechtfertigt. Die Bedeutung der kapitalbildenden Kräfte der großen Vermögen und Ein kommen für die Volkswirtschaft wird fast allgemein über schätzt. An der Kapitalbildung sind die kleinen Vermögen in erheblichem Maße beteiligt, wie ein Blick in die Stati stik der preußischen ErgänzungSsteuer und vor allen» in die Zahlen der Sparkassenstatistik im Deutschen Reiche beweisen. Neben dem Anhäufen von nicht verbrauchten» privaten Ein kommen hat sich überdies» die Kapitalbildrmg dadurch voll zogen, daß die großen Erwerbsgesellschaften in ihren offenen und stillen Rücklagen, neben ihnen die reichsgesetzlichen Versicherungen, die Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit und die öffentlichen Kredftinstitute ständig große Vermögen angesammelt haben. Vor allein hat aber das nominale Volksvermögen und das Steigen der Werte infolge Sinkens der Kaufkraft des Geldes, nicht nur während de- Krieges, sondern schon in den Friedensjahren eine sehr erheblick)« Zunahme erfahren. Diese verschiedenen .kapitalbildenden Umstände werden Lurch die Vermögensabgabe überhaupt nicht oder nur in ganz geringem Umfange beriihrt. Ferner ist die Frage aufgeworfen worden, ob es nicht zweckmäßiger sei, einen Teil der Kriegsanleihe für nickstig zu erklären, als durch eine Vermögensabgabe die Steuer- kraft des Volkes in Anspruch zu nehmen. Bei dieser Frage wird übersehen, daß die empfohlene Maßnahme die gleiche Wirkung, haben müßte, wie die Vermögensabgabe. Genau um den Teil der Kriegsanleihe, um den die Anleihe Uvangs weise gekürzt würde, würde -das. Vermögen, und um den Teil der dadurch außer Hebung gesetzten Zinsen das Ein kommen des Volkes sinken und damit dir Steuerkraft ver mindert werden: im übrigen würde aber die Nichtigkeit^ erklärung eines Teiles der Kriegsanleihe viel ungerechter und für die Volkswirtschaft viel unheilvoller wirken. Wäh rend die Vermögensabgabe jeden nach seinein Vermögen und mit steigender Vermögenskraft stärker heranzieht, und da mit dem einzelnen und der ganzen Wirtschaft erträgliche Lasten ausbürdet, würde bei der Ungleichartigkeit der Kriegsanleihezeichnungen durch die Bevölkerung einzelne Teile des Volkes, und zwar nicht nur die Wohlhabenden, durch den empfohlenen Eingriff in die .Kriegsanleihe schiver geschädigt werden und »virtschaftlich zusammenbreclicn. Eine tiefe Erschütterung der Volkswirtschaft könnte nicht aus bleiben. Nur wenn die Kriegsanleihe gleichmäßig von jedem Deutschen und seinem Vermögen gezeichnet worden wäre, hätte Las einfache Verfahren Platz greifen können. Da dieft Voraussetzung nicht zutrifft, mußte an seine Stelle die Ver mögensabgabe treten. Und diese Vermögensabgabe ist, da ihre Erträgnisse gemäß 8 62 ausschließlich zur Abminderung der Reichsschuld verwandt werden dürfen, letzten Endes nichts anderes als eine Annullierung eines Teiles der Kriegsanleihe unter gerechter Verteilung der Lasten auf die Schultern der Besitzenden. Die Friedensmöglichkett 1917 Berlin, 7. August. Ueber den englischen Friedensfühler veröffentlicht die „Voss. Ztg." eine ihr von dem früheren Reichs kanzler Tr. Michaelis nach Besprechung mit den Vertretern der früheren Obersten Heeresleitung und dem Staatsminister Tr. Helfferich und in Gemeinsckpft mit diesem gegebene Darstellung, die in ihrem sachlichen Teile im wesentlichen wie folgt lautet: Ich »var »uit dein damalige!, Staatssekretär des Auswärtigen Herrn v. Kühl mann, mit dem ich alsbald das Schreiben des Nuntius eingehend besprach, der Meinung, daß angesichts des begleitenden Kow- inentares des Kaidinaistaatssekretärs z»var die starke Mög lichkeit eines ernsthasten englischen Friedenssühlers vorlieg:. Laß jehoch aus dem von Len» Nuntius mitgeteilten Texte der Mitteilung des Foreign office an den britischen Gesandten beim Vatikan sich nicht mit der für die Abgabe der gewünsch ten Erklärung über Belgien erforderlichen Sicherheit die Ernsthaftigkeit der englischen Bereitschaft ergebe, auf einer für Deutschland in, übrigen annehmbaren Grundlage in Friedensverhandlungen einzntreten. Deshalb habe ich mit Herrn v. Kühlmann vereinbart, daß zunächst durch einen vor« Herrn v. Kühlmann vorgejchlagenen neutralen Diplomaten die englische Negierung auf ihre Bereitschaft sondiert werden sollte. Im Kronrate vom 11. September beantragte ich mit Unterstützung des Staatssekretärs des Auswärtigen die kaiserliche Ermächtigung, gegebenenfalls erklären zu dürfen, daß Deutschland zur Wiederherstellung der territorialen In tegrität und der Souveränität Belgiens bereit sei. Der Lhcs des Adrmralstabes sprach sich dafür aus, daß die bel gische Küste in deutscher Hand bleiben müsse. Tie Mr» treter der Obersten Heeresleitung legten die militärischen Giünde dar, die in Rücksicht ans die exponierte Lage -esl für die Kriegsführung durch seine kriegswirtschaftlichen Er-« Zeugnisse unentbehrlichen rHeini!ch-wesisä!i!ck»cn Industrie-, gcbietes und die spätere Vertcidigungsmöglichkeit des Rei- ches die militärische Kontrolle über die Festung Lüttich »nd Umgebung erwünscht erscheinen ließe. Der Kaiser entschied i »n Sinne meines Antrages uni dem Vorbel>alte einer enrentcn Prüfung, falls der Verzicht auf Belgien nicht! bis zum Jahresende den Frieden sickern und io einen neue»« Knegswinter ersparen sollie. — Auf dieser (Grundlage lwbc ia» den Staatssekretär des Aeußern beaustragt, seinen neu tralen Vertrauensmann zu iirsrruieren. Dem neutrale»» Lertraiiensinaune wurde in meinem Aufträge weiter cröft- net. unsererseits sei Voraussetzung der Verkwndlnnge» »iil England: die Erhaltung unseres Besitzstan des vor dein Kriege einschließlich der Ko-« l o n i e n, der V e r zi cht a u f E n t s ch ä d i g ii n g eu u n d die A b sta n d s n a h m e vom W i > t s ch a s t s k r i e g e nachdem Kriege. Michaelis führt iodann aus, daß er sich in dem von dem Reichsiniinsteipräsidenten Bauer veröffentlichten Briefwechsel zwiicl'eii ibm und dem Feld marschall v. Hindenbnrg nickst um Vorbehalte Im adelt,, die gegenüber England gemacht wurden, sondern »m Ziele, die in Verhandlungen mit Belgien selbst angestrebt werden sollten. Die dem Briefe des Feldmarschalls beigcjügie Denk schrift des Generals Lndendorss vom I. Deptemher 1917, hatte ohnedies nur den Zweck einer jcbristückx» Niederlegung seiner im Kronrate gemachten Ausführungen, »nie das auch aus den Eingangslvorten deutlich hervorgcbt. Michaelis fährt fort: Die Aktion des neutralen Vertrauensmannes ist durch diese Dinge in keiner Weise eingeengt oder erschwert worden. Sie führte jedoch schließlich >,u eine ii durchaus n eg ast i v e nE ege b n i s. Es stellte sich heraus, daß aus der von der deutschen politisckien Leitung umschriebe nen Grundlage, die durchaus der Neichstagsresolntion rom 19. Juli 1917 entsprach, bei der britischen Regiornug keiner lei Geneigtheit zu Friedewsverhandlnngen bestand. Daraus ergab sich, daß der Kaudinnlstaatssekrctär und der apostolische Nuntius in München der Mitteilung des Foreign Office an den britischen Gesandten beim Vatikan eine dieser Mitteilung nickst Ankommende Bedeutung beigelegt hatten. Die englische Darstellung Berlin, 7. August. Ans die Anfrage des Majors .Kenn worth im Unterhaus wegen des angeblichen englischen Frie densangebotes im Jahre 1917 antwortete der engli'che Unterstaatssekretär folgendes: ..Tie Negierung bat die Absicht, so bald wie möglich dem Parlament hie bieraus bezüglichen 'Dokumente zu nnierbrciten. Am 21. August 1917 erhielt der britische Gesandte beim Va tikan Instruktionen, den Kardinalstaatvsekretär dahin zu unterrichten, daß die britische Negierung nickst sagen könne, welche Antwort im gegebenen Falle ans die Friedensvor schläge des Papstes erteilt würde, denn sie hätt^hre Alli ierten noch nicht befragen können, »nd dass'"es für alle Fälle unnütz erscheine, die Herbeifübrnng eines Abkom mens zwisck>en den krieqfübrcndcn Mächten z» suclieir. bevor die Ze n t ra I m ä cht e einige Angaben über., di« Ziele, zu deren Erreichung sic den .Krieg sortsetztei'., ge geben hätten. i In seiner Antwort schränfte Gaspari das A Zions- seid ein und teilte mit, daß die deutsche Regierung ihre Ab sicht kundgeben ließ, die Unabhängigkeit Bel giens wieder herzustellen, indem sie sich aus die Resolu tion des Reichstages zugunsten eines annerionsloseii -Frie dens stützte. Der Vertreter Englands meinte, daß die Kri tische Negierung keinen antheniischen Tet dieses Doilumen- tes besitze, das ihr jetzt nicht genüge, denn der Reichs tag h a b e k e i n e V o I l in a ch t, ü b e r d i c s e P u n kt s zu entscheiden. Am 2ch August teilte der Kardinal mit. daß folgendes Telegramm als Anüoort auf das bri tische Telegramm abgesandt würde: „Ter Kardinalstaats sekretär behält sich vor. auf das Telegramm z» antworten, nachdem er von Deutschland eine formelle Erklä rung über Belgien erhallen hat." Kardinal Gasparri fragte der englischen Vertreter um seine Meinung über diese Antwort. Dieser letztere antwor tete, daß eine Erklärung über Belgien ilun wünschens wert erscheine, denn die Frage Ki wichtig, insbesondere für Großbritannien. Als di« britische Regierung den Be richt über diese Unterhaltungen erhalten lxrtte, fügte sie -ei, daß es unzweckmäßig sei, sich in fragmentari sche Diskussion dieser Fiage hineinziehen zu lassen. Der englische Vertreter erhielt infolgedessen Instruktionen, in denen er aufgesordert wurde, in keiner Weise in die Dcr-