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Llped. u. Rrdaluon Kresr««-Neustadt ll. Meißner Lass« 4. Die Zeitung erscheint Ttenftag, Kannersta, und Lonnabend früh. Adannementd- PretS: Aerieljährl. M. 1,50. Zu beziehen durch die kaiserlichen Post- Anstalten und durch unsere Boten, vei freier Lieferung in« HauS erhebt die Poft noch eine Ge bühr von 25 Pf. Li» unterhaltendes Blatt für den Bürger und Sandmann. Amtsblatt für die kgl. Amtshauptmannschaften Dresden-Altstadt und Dresden-Neustadt, für die Ortschaften des kgl. Amtsgerichts Dresden, sowie für die kgl. Forstrentämter Dresden, Tharandt und Moritzburg. Verantwortlicher Redakteur und Verleger Herrmann Wüller in Dresden. Inserate werden bis Montag, Mittwoch u. Freilag Mittag angenommen und kosten: dieIspalt.Zeile I5Pf. Unter Eingesandt: 30 Ps. Inseraten- Annahmestellen: Die Arnoldische Buchhandlung, Jnvalidcndank, Haasenstein LVogler, Rudolf Mosse, G. L. Daube L Co. in Dresden, Leipzig, Frankfurt a/M., G. Kohl, Kesselsdorf u. s. w. Donnerstag, den 3. Juni 1897. 59. Iakrgang. DMkMlltS-AMlW. Vesttb ungen auf die ..Sächsische Torfzeitung" für den Monat Juni nehmen alle taiserl. Post anstalten und Posterpcditione». sowie auch alle Laudbriesträger gegen Vorausbezahlung von 50 Pf. ! entgegen. Die Verlags-Expedition. Politische Weltschau Deutsches Reich. Im Tausch-Processe gab es am Montag vor Beginn der Mittagspause eine große Sensation. Rechtsanwalt LubSzynsky legte nemlich die Bertheidigung seines Klienten v. Lützow nieder. Diesem Entschlusse gingen aufgeregte Erörte rungen zwischen dem Oberstaatsanwälte und dem ge nannten Vertheidiger voraus. Bei der Vernehmung des Berliner Polizeipräsidenten v. Windheim halte Rechts. anwaltLubszynskieine „AngelegenheitWedekind" berührt. Es handelt sich hierbei um Folgendes: Wedekind giebt eine Korrespondenz heraus, die lediglich für gewisse Personen resp. Zeitungen bestimmt und Anderen nicht zugänglich ist. Um ein Exemplar dieser Korrespondenz zu erhalten, soll die Polizei einen Brief mit der ge- ' fälschten Unterschrift des Grafen Carmer an Wedekind gerichtet und dadurch das gewünschte Exemplar erhalten ! haben. Diese Angelegenheit berührte nur Rechtsanwalt Lubszynski. Der Oberstaatsanwalt machte ihm darauf den Vorwurf, daß er dies lediglich aus Sensations sucht thue und blieb dabei, als Lubszynski nachzuweisen suchte, er halte die Erörterung in seiner Eigenschaft als Vertheidiger für sehr wichtig. Der Oberstaats anwalt erwähnte ferner, daß er mit Lubszynski bezüg lich dieser Angelegenheit schon vorher in Verbin- düng getreten sei, um die Erörterung derselben zu ver- ! meiden und daß er aus den damaligen Aeußerungen des Lubszynski entnahm, er wolle sich ihrer Erörterung enthalten, um einen Skandal zu vermeiden. Nachdem ! mehrmals zwischen den beiden Herren erregte Erwiede rungen stattgefunden hatten und der Präsident dem Vertheidiger sein Bedauern ausgesprochen hatte darüber, daß er diese Angelegenheit vorbrachte, sowie ihm Vor. Haltungen bezüglich des gegenüber dem Oberstaats anwälte angeschlagenen Tones machte, erklärte Lubs zynski, er erachte nunmehr seine sernere Thätigkeit in dem vorliegenden Processe für unfruchtbar und legte die Vertheidlgung nieder. Im Uebrigen batte den ersten Theil des Verhandlungstages die Vernehmung von Zeugen ausgefüllt, die vermöge ihrer amtlichen Stellung besondere Hervorhebung erforderlich machen. Es wurden nemlich Graf Philipp Eulenburg, der deutsche Botschafter inWien und öftere BegleilerKaiser Wilhelm's, sowie der Polizeipräsident v. Windheim und sein Stell vertreter Geh. Rath Friedheim vernommen. Auch diese Zeugen bekundeten zur Schuldfrage nichts gerade Wesent liches. Bezüglich der amtlichen Thätigkeit erhielt v. Tausch von allen Seiten ein gutes Zeugniß; der Polizeipräsident hatte jedoch, wie er angab, an ihm eine gewiße Sucht zur Selbstüberhebung und Ueber- schätzung seiner Stellung zu bemerken Gelegenheit ge habt.— Graf Eulenburg, der bekanntlich von ver schiedenen Blättern als ein „Hintermann" Tau'ch's an gedeutet worden war, sagte Folgendes aus: „Ich habe den Herrn v. Tausch in Abbazzia kennen gelernt und hier und da mit ihm mich unterhalten. Ich halte es nicht für unwahrscheinlich, daß ich ihm einmal gesagt habe: „Wenn Sie einmal was Interessantes wißen, theiten Sie es mir mit." Eine positive Erinnerung an jene Aeußerung habe ich nicht. Als der Kaiser von Oesterreich in Stettin war, fand eine ziemlich reich liche Ordensverleihung statt. Herr v. Tausch hatte dabei noch keinen Orden bekommen und aus eine An- regung von dritter Seite hatte ich dafür Sorge ge tragen, daß dieser Mann, der auch im königlichen Dienste in Stettin weilte, noch auf die Ordenslrste gesetzt wurde. Als Herr o. Tausch dann den Orden erhalten, habe ich, da ich ihn stets als einen freund lichen und liebenswürdigen Menschen kennen gelernt habe, ihm brieflich meinen Glückwunsch ausgedrückt. Als mir Herr v. Tausch den Ausschnitt aus der „Welt am Montag" zuschickte, welcher meinen Vetter, den Hofmarschall betraf, hatte ich nicht den Eindruck, daß eine besondere Jntrigue oder sonst etwas dahinter liege. Die daran geknüpfte Bitte, ihn zu empfangen, erschien mir gar nicht auffällig. Ich hielt die ganze Sache nicht für etwas gar so Besonderes ; Herr v. Tausch ist mir immer freundlich entgegen gekommen und des halb wollte ich seine Bitte nicht abschlagen, sondern schrieb ihm, daß, wenn es möglich wäre, ich ihm Gelegenheit zu einer Begegnung geben würde; die letztere hat aber nicht ftattgefnnden. Ich nahm an, daß v. Tausch glaubte, mir mit der Uebersendung des Artikels einen Gefallen zu erweisen. Ich hatte kein Jntereße daran, die Quelle des Artikels näher kennen zu lernen und habe meinerseits keine Anfrage nach dieser Richtung an v. Tausch gerichtet." — Nach der Mittagspause nahm Rechtsanwalt Lubszynski die Ver- lheidigung wieder auf, nachdem der Vorsitzende nach einer persönlichen Besprechung mit demselben seine ersten Aeußerungen zurückgenommen hatte. Besonders erwähnenswerth aus der Nachmittagssihung des ge nannten Tages war ferner die Wiederaufnahme der Suche nach den „Hintermännern", die bei Gelegen heit der Vernehmung des jungen, wegen politischer Schmähartikel bereits verurtbeilten Journalisten Leckert erfolgte. Leckert wurde aus dem Strafgesängniße vor- gesührt. Zur Sache konnte er wenig bekunden und schon hatte es den Anschein, als sei seine Vernehmung ! beendet, als sich Oberstaatsanwalt Drescher erhob und die Stellung der Frage nach Leckert's berühmten „Hintermännern" anregt'e. Als der junge Mann selbst Angeklagter war und als solcher nur diejenigen Fragen zu beantworten brauchte, die er wollte, verweigerte er die Antwort auf die Fragen nach seinen „Hinter männern", mit denen er sich früher in Privatgesvräcken ! gebrüstet batte. Er sollte jedoch dieses Mal so leichten Kaufes nicht davonkommen, denn die Staatsanwalt schaft wies darauf hin, daß er als Zeuge die Frage beantworten müße, da ihm kein gesetzlicher Grund für eine Zeugnißverweigerung zur Seite stehe. Aber trotz aller Ermahnungen des Vorsitzenden, trotz seiner Vor haltungen und eingehender Fragen blieb Leckert „stand haft", er erklärte, „Hintermänner" zu haben, aber sie nicht nennen zu wollen und der Staatsanwalt be antragte gegen den widerhaarigen Zeugen eine Geld strafe von 30 M., auf die das Gericht auch erkannte. DiepreußischeVereinsgesetznovelle wurde in dritter Lesung vom preußischen Abgeordneten» Hause gegen die Stimmen des Freisinns und Ccntrums angenommen. Tie Konservativen erklärten, daß sie für die in der zweiten Lesung vorgenommenen Aende- rungen nur stimmten, um die Vorlage vor das Herren haus zu bringen, wo man auf deren Wiederherstellung im Sinne der ersten Regierungsvorschläge hoße. Ter Präsident bemerkte, daß, da das Gesetz eine Verfassungs änderung enthalte, nach 21 Tagen nochmals über dasselbe abgestimmt werden müsse. Tas Kaiser paar wird am 18. Juni zur Ein. Weihung des Kaiser Wilhelm-Denkmals in Köln ein- treffen und im Brühler Schlosse übernachten. Am folgenden Tage besucht das Kaiserpaar die Abtei Maria Laach. — Wie man aus München meldet, hat der Kaiser dem Prinzen Ludwig von Baiern ein prachtvoll ausgestatteles Modell des Panzerschiffes „Hertha" zum Geschenk gemacht, das allerseits Be wunderung erregt. In München fand am 31. Mai die Vermäh lu ng s der Princeß Marie von Baiernmitdem Prinze^ ' Ferdinand von Bourbon statt. Aus diesem Anla. IeuMeton. Die Wege der Vorsehung. Roman von Axel Albrecht. (Nachdruck verboten.) (12. Fortsetzung.) „Fräulein Plößberg", sagte Albert, indem er auf sie zulra», „Sie waren so freundlich, mir diesen Tanz zu versprechen." „Ja, ich entsinne mich", sagte sie lächelnd und nahm seinen Arm. Wolter Moy blieb noch einen Augenblick betroffen und in tiefster Seele gekränkt, unbeweglich stehen, denn halb und halb durchschaute er den Streich, den man ihm gespielt hatte; dann aber engagirte er das erste beste Mädchen und trat mit ihm m die Reihe der Tänzer. Albert und Alma tanzten sehr eifrig, um so einsilbiger war aber ihre Unterhaltung in den Zwischen pausen und dann sprachen sie auch nur über gleich- giltige Tinge. Beide befanden sich m einer etwas ge drückten Stimmung, aus welcher sie sich nicht zu be freien vermochten. Hätte jeder die innersten Gedanken des anderen gekonnt, so würden sie wahrscheinlich viel glücklicher und fröhlicher gewesen sein. Er glaubte, daß er das Glück, mit ihr tanzen zu dürfen, nur einem freundlichen Zufall verdankte und sie fühlte sich bedrückt, weil sie befürchtete, daß er ihr gemeinsames Erscheinen mit May und dessen Freundlich keit zu ihr falsch auslegen könnte. Als der Tanz beendet war, führte er sie zu ihrer Freundin Anna Feld, die mit einigen anderen Mädchen eifrig plaudernd in einer Ecke des Saales stand und ging selbst hinunter in die Gaststube, um bei einer Cigarre und einem Glase Bier über dre Vorgänge des heutigen Abends nachzudenken. Als er jedoch nach ungefähr einer halben Stunde zurüäkehrte, bedauerte er sehr, daß er nicht doch lieber im Saale geblieben sei, denn zu seiner peinlichsten Ueberraschung sah er, nie Alma und May mit einander tanzten und sich anscheinend vorzüglich unterhielten. Dieser unerwartete Anblick traf ihn wie ein Stich ins i Herz und er mußte zu der schmerzlichen Ueberzeugung kommen, daß sie sowohl mit ihm als auch mit seinem > Rivalen ein freventliches, herzloses Spiel treibe. Er wollte nichts mehr sehen; er eilte wieder hinunter, um den Rest des Abends fern von der Ge sellschaft zu verbringen. Endlich gegen 11 Uhr trennte sich die Gesellschaft und er stand gerade in der HauSthür, als May, Alma, Anna Feld und zwei oder drei andere Mädchen die Treppe herunter kamen. Man nahm allerseits herzlichsten Abschied von einander und May wandte sich mit der Frage an Alma: „Gestatten Sie mir, Fräulein Plößberg, haß ich Sie nach Hause begleiten darf?" „Ich bedaure sehr, Herr Moy", antwortete sie ruhig, „aber Herr Ebel wollte schon so freundlich sein, mich nach Hause zu begleiten." Albert glaubte seinen Ohren nicht zu trauen, als j er diese Worte vernahm; von Neuem fühlte er, wie I eine heiße Blutwelle zu seinem Herzen schoß. Dieses ! Mal war eS aber eine freudige Ueb-rraschung gewesen, die ihm diese Erregung verursacht hatte. Im nächsten Augenblicke war er an ihrer Seite, um «yr den will kommenen Drenst zu erweisen, den sie ihm übertragen hatte. 8. Kapitel. Gefunden! „Herr Ebel wollte schon so freundlich sei.', mich nach Hause zu begleiten!" hatte Alma in einem ruhigen, kalten, ja beinahe herausfordernden Tone zu May ge sagt, der über diese unerwartete Antwort betroffen und blerch vor Schrecken einen Schritt zurückwich und damrt seinem N-benbuhler den von rhm so sehr erstrebten Platz einräumte. Ohne ein Wort zu sprechen, reichte Alben dem Mädchen den Arm und nachdem man sich nochmals allerseits Gute Nacht gewünscht hatte, traten die Beiden den Heimweg an. Die beiden empfindlichen Enttäuschungen, die Alma im Laufe des heutigen Abends Herrn May bereitet hatte, waren für Albert zwei ebenso gewichtige Genug- thuungen; trotzdem begriff er nicht ganz, was sie wohl veranlaßt haben mochte, ihren Rivalen in einer so gesucht unhöflichen und brüsken Weise zu behandeln. Ihr sonstige« Benehmen, ihr gemeinsames Er scheinen auf dem Feste, ihre doch jedenfalls nicht nur zufällige Tifchnachbarschast und ihr anscheinend doch sehr inniger und intimer Verkehr wußten ihn zu der Ueberzeugung kommen lassen, daß Alma und May ver lobt oder doch wenigstens verliebt wären. Darum konnte er sich denn ihre Unfreundlichkeit gegen May nicht anders erklären, als daß sie sich vielleicht heute