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Wöchentlich erlchein-» drei Nummer». Pränumeration»-Preis 22; Silberzr. lf Tl>lr>) vierteliökrlich, Z Töle, für da» ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen '^heilen her Preußischen Monarchie. Magazin für die Man »ränumerirt aus diese« Literatur, Blatt in Berlin in der Ervedition der AUg. Pr. Staat«-Zeitung (Friedrich«, Straße Nr. 72); in der Prooinz so >oie im Auslände bei den Wohllödl. Poll - Aemiern. Literatur des Auslandes. 1Z4. Berlin, Mittwoch den 9. November 1842. Westindien. Wanderungen eines Deutschen durch Cuba, im Winter des Jahres I84l. Von vr. M. Wiener. Zweiter Artikel. Das Innere der Insel. i. Eimheilnng von Cuba. — Palmen in der Ebene. — Die Landschaft der Insel. Bevor ich mir die Begleitung des Lesers in das Innere der Insel erbitte, erlaube er mir etwas Geographie. Cuba liegt zwischen dem 20. und 2Z° 18' nördlicher Breite; das nächste Festland, von dem es durch den Golfstrom ge schieden ist, Florida, liegt sechsundzwanzig geographische Meilen entfernt. Die Insel zerfällt ihrer ganzen Länge nach, die, von einem äußersten Punkte bis zum anderen, zwei hundert und zwanzig Lieu es beträgt, in drei große Distrikte: dem östlichen, mittleren und westlichen, die wieder in Unter. Abteilungen cingetheilt und Partidos genannt werden. Die Insulaner nenne» den Distrikt, der sich von dem mittleren aus nach Osten, bis zur Land, spitze Mapsi erstreckt, Vuelta-de-arriba, und de» westlichen Distrikt, bis zum äußersten Vorgebirge San-Antonio: Vuelta-de-abajo. Der Flächenraum der Insel beträgt, nach den neuesten Vermessungen, 2310 Quadratmcilen. Jedes Partido bildet für sich eine beinahe vollkommene KrciSform, hat eine Legua im Durchmesser und wird von der Königlichen Landstraße durch, schnitten. Der Zwischenraum, welcher dadurch gebildet wird, daß sich vier solcher kreisförmigen Partidos mit ihren Peripherien berühren, ist Besitz thum der Spanischen Krone und wird Realengo genannt. Zu der Zeit, wo das Land noch weniger bebaut war, ließ das Gouver nement, auf Staatskosten, im Mittelpunkte jedes Partido, eine Schenke oder vielmehr eine Karavanserai errichten, die Pächter erhielten die freie Be nutzung derselben gegen die kontraktliche Verbindlichkeit, Reisenden Nacht- Herberge zu gewähren und ihnen Mittel an die Hand zu geben, nöthigenfalls ihre Speisen kochen zu können. Gegenwärtig stehen die Partido's unter Capitanos, die das Amt des Polizei-Präfekten, Richters und Steuererhebers in flch vereinigen. Der Pflanzer ist angewiesen, dem Capitano seines Partido einen schriftlichen Bericht über den Zustand seiner Plantage abzu- stattcn; unterlaßt er dieses, so verfällt er in eine Geldstrafe von vier Piastern, die bei nochmaliger Uebcrtretung auf acht Piaster erhöht wird. In diesem Berichte muß er nicht allein die Zahl seiner Pferde, Maulthierc und Sklaven angcben, sondere sie auch einzeln genau signalisircn, damit sie wieder erkannt werden können, wenn eines verloren geht, entläuft oder gestohlen wird. Diese Rapporte werden von den Capitanos bescheinigt und dafür ein Piaster als Gebühr erlegt. vuelw-üo-sbszo oder der westliche Theil der Insel ist am meisten be völkert und angcbaut; der mittlere Distrikt hingegen, steht in der Kultur gegenwärtig noch auf Null. In seltenen Intervallen erblickt man, in den ausgedehnten Präericn wie Oasen liegend, einzelne Hatos oder kleine, von Hirten bewohnte Niederlassungen. Die Bewohner sind fast eben so wild, wie die von ihnen geweideten Hcerden; ihre alleinige Industrie besteht in Berei tung einer Käscart, dcS qneso <Ie pren«». Der Gebrauch des Fapcnce- GeschirrS ist ihnen noch unbekannt und die Gabel ein Luxusartikel, dessen sich die wenigsten dieser Halbwilden bedienen. Ich trat meine Reise, in Begleitung eines Eingebornen an, der gleich mir seinen Weg nach San-Jago zu nehmen gedachte. Die männlichen Bewohner der Insel legen ihre Reisen zu Pferde zurück, denn auch der ärmste ist in Besitz eines guten Reitpferdes. Obgleich anhaltendes Reiten anfangs mit großer Strapaze verknüpft ist, gewöhnt sich der Fremde bald daran und ver mißt die Postkutsche nicht. Man fühlt sich im Sattel freier und unabhängiger, und sieht sich nicht an die Landstraße gebunden. Die Pferde sind Abkömmlinge der schönen Andalusischen Race, stark und feurig: der Spanische Sattel, von weichem Leder und wie unsere Schulsättel durchsteppt, gewährt einen festen, elastischen Sitz. — Ich war so glücklich, zu meinem Thiere sehr billig zu kommen. Pferd, Sattel und Zaumzeug kosteten nicht mehr, als achtzig Piaster. Nach der Landessitte mit einem Säbel an der Seite und einem paar Pistolen am Halfter, ritten wir, gleich echten Lrevlen, am 28sten Februar, aus den Thoren Hav an na's. Es war ein klarer, heiterer SonntagSmorgen; der kühle Frühwind brachte Wohlgerüche auf seinen Schwingen, und mir war eS, als wäre ich einer langen Einkerkerung enrflohcn. Tausende von Maul, thieren, in Zügen von zwanzig bis dreißig Slück bei einanver, zogen, mit den Erzeugnissen des Bodens beladen, klingelnd und stampfend an uns vorüber, in die Thore ein; sie waren mit Gemüsearten und Früchten so bepackt, daß sie von ihrer grünen Bürde gänzlich verhüllt wurden. Glockengcläute erschallte weit hin über die Gegend, um daran zu mahnen, daß die Gotteshäuser weit geöffnet sepen, die Anvächtigcn zu empfangen. Die Schenken waren gleich« falls geöffnet und schienen mindestens eine gleiche Zahl von Besuchern auf. weisen zu können. Die Bevölkerung in den Vorstädten Havanna'S scheint der innerhalb der Stadtmauern befindlichen an Zahl kaum etwas nachzugeben; doch sind die Häuser schlechter gebaut; die vordere Seite derselben war weiß gc- tüncht und mit grotesken Malereien in grellen Farben bemalt, welche Heiligen- bilder, zahllose Thiergestaltcn, Männer und Frauen verstellten. Allmälig wurden die Spuren der Menschenhand immer seltener, bis wir uns zuletzt mit der Natur allein sahen. Der Palmbaum, der hier die Ebene bedeckt und die Hügel bekränzt, giebt der Gegend eine eigenthümliche Sccnerie; er bildet den Haupttppus der Insel; seine entblößten, über dem Boden sich etwas erhebenden, wcitauslaufcndcn Wurzeln, sein schlank aufgeschossener, schuppiger Stamm, bildet einen herrlichen Säulenschaft, seine Zweige, ein aus dreifachen Fedcrbüschen bestehender Kopfschmuck, gleichen in der Ferne den Akanthischen Blättern an Korinthischen Säulen-Kapitälen. Dann nnd wann unterbrachen Orangcnwälvchen die Palmengruppen. Um diese Zeit sind die Zweige des Orangenbaumes mit reifen Früchten bis zum Brechen beladen, und ein schöneres Bild des UeberfluffeS kann wohl so leicht nicht gedacht werden, als die aus dem dunklen Grün der blanken Blätter her- vorquellcndcn, golvenen Früchte. Die Palme gießt in die Seele des Beschauers eine tiefe Wchmuth, von der man sich keine Rechenschaft ablegen kann; es ist eine freudige Trauer, eine Ruhe, die sich bis zu einer fast beängstigenden Erschlaffung steigert. Die Seele scheint sich in sich selbst zurückzuziehen, im Innern eine trostlose Leere vorzuherrschen. In der Palme liegt viel Monotonie und Unbeweglichkeit: eine Ruhe, die uns lebhaft an die Nichtigkeit menschlicher Production und an die Unsterblichkeit der Werke Gottes erinnert. Nicht allein, daß wir sepen, son dern daß wir vorherrschend in der Natur sepen, ist un^er Trost und die Vergegenwärtigung dieses Bcwußtscyns, so oft wir nur können, zu umerem Glücke nöthig. Wie wir uns, bald hier bald dorthin, in beständiger Beweg lichkeit tummeln, so soll auch Alles um uns her in Bewegung sepn, dann füh len wir deutlicher, daß wir eristircn, wie die scheinbar dahinfliegenden Ufer uns deutlicher über den Lauf des Nachens belehren. Beweglichkeit erstickt die Reflexion, wie Ruhe sic hcrvorruft! Sobald uns irgend etwas ans dieser AUtagsbcwcglichkcit herauSrcißt, fühlen wir uns ernster gestimmt, ohne unS der Ursache deutlich bewußt zu sepn. Bei dem religiösen Menschen wird dieser Ernst zur süßen Wchmuth, die ihn himmelwärts führt; bei dem Zweifler zu einer Leere, die, lange anhaltend, Verzweiflung zur Folge haben würde. — In der Dämmerungsstunde muß man unter Palmen wandeln, um zu er- fahren, wie die Seele, durch günstige Umgebung, ihren Flug gen Himmel nehmen kann! Man wandelt unter hohen Säulen, welche durch die Schafte der Palmen gebildet werden ; ihre gewöhnlich zwölf Fuß langen und zwei Fuß breiten Blätter begegnen sich hoch oben mit den Spitzen nnd bilden kühne Gothische Gewölbe, durch die das Gold der Abendsonne bricht und die vom Abendwindc feierlich bewegt werden. Was ist, im Vergleich mit diesen wun derbaren Hallen, der schönste Tempel, und wäre er der zu Rom? — In der bilderreichen Sprache des Orients heißt die Palme „der Baum des Arinen". In doppelter Beziehung wahr! Sind nicht Armutb und Traurigkeit Geschwister, die sich die Hand reichen und vereint den beschwer lichen Pfad durch das Leben wandeln? — Wohl dem Armen, der sich am Fuße einer Palme nicdcrzuwerfen vermag; er kann sich freudig Zurufen: „Ich werde nun nicht Hungers sterben!" und, wenn er sich gesättigt hat: „Ich werde nicht mehr vom Regen durchnäßt und vom Winde gepeitscht werden!" denn die Früchte der Palme nähren, ihre Zweige beschirmen ihn und von ihrem Baste macht er sich Gewänder. Die Achnlichkcit der Palme mit dem Granit ist frappant; die graue Farbe des Granits findet sich bei der Palme wieder; die Mica-Theile in diesem Steine sind am Palmcnschaftc durch die daselbst befindlichen kleinen Flecke von mattem Weiß, die in der Sonne wie Silbcrflitter funkeln, täuschend nach- gebildet. Vermöge der Strahlenbrechung verschwimmen die Holzadern de«